Drei große göttliche Offenbarungen

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Die Grundfragen des Lebens - Band 2

3. Teil

Heils- und Lebenslehre

VIII. Wie werde ich selig?

Kapitel 35 – Der Heilsweg im Alten und Neuen Lichte

Der Heilsweg der Liebe in der Heiligen Schrift

Die Abwege der Christenheit

Das neue Heilslicht

Kapitel 36 – Das Heilsgesetz der Ewigkeit

Der Wille Gottes

Das Reich Gottes im Menschen

Durch Liebe zu Weisheit, Macht und Leben

Glaubensgerechtigkeit, Sektengeist und Liebe

Kapitel 37 – Gottesliebe — das erste Gebot

Wie gelangen wir zu Gottesliebe?

Durch die Pforte der Demut

Grund und Wesen der Demut

Durch Suchen, Bitten und Anklopfen zur höheren Gotteserkenntnis

Durch Erkenntnis zur Liebe

Kapitel 38 – Das höchste Lebensziel: Der Vater in Jesus

Liebe und Furcht

Gottes- und Vatererkenntnis

Höchste Seligkeit

Das Gleichnis vom Öllicht

Die Fülle in Jesus

Vollkommene Jesusliebe

Kapitel 39 – Nächstenliebe — das zweite Gebot

Tatliebe — die wahre Sonne des Heils

Gleichnis vom reichen Gutsherrn und seinen Kindern

Das Geschäft der Himmel

Lebendiger und toter Glaube

Kapitel 40 – Du und dein Nächster

Familienliebe

Art- oder Rassenliebe

Feindesliebe

Feindesrache

Notwehrrecht

Die Goldene Regel der wahren Nächstenliebe

Kapitel 41 – Duldsamkeit

Hauptpflicht der Nächstenliebe

Nicht richten!

Vom Türkehren

Falscher Tugendstolz — Gleichnis vom lieblosen Klausner

Kapitel 42 – Dienet einander

Die große Lebensaufgabe aller Gotteskinder

Höllisches und himmlisches Dienen

Vom rechten Geben

Geiz — ein Vater aller Sünden

Vom Sparen

Armut und Reichtum

Von der Geldhilfe

Kapitel 43 – Liebe und Weisheit

Gottesliebe, Nächstenliebe und Selbstliebe

Das rechte Verhältnismaß

Der heiligende Zweck

Viel Wissen oder viel Handeln?

Keine Weltflucht, sondern weise Benützung des Gegebenen

Tätigkeit über Tätigkeit

Auf dem Liebesweg zur geistigen Wiedergeburt

Kapitel 44 – Der Vollendungsweg des Königs Abgarus

IX. Was sollen wir also tun?

Kapitel 45 – Die Ehe auf Erden und im Himmel

Warum Trennung in zwei Geschlechter?

Herzensehe

Fleisches- und Weltehen

Eheliche Liebe

Ehelicher Verkehr

Eheliche Geduld

Eheberatung

Ehescheidung

Kapitel 46 – Ehenot

Ein Wort für unsere Zeit, durch die innere Stimme des Geistes empfangen

Auf eigenen Wegen zum Abgrund

Wahres Glück in der Ordnung Gottes

Neuzeitliche Vorschläge

Ratschläge für die Gottes-Kinder

Kapitel 47 – Kindererziehung und Jugendpflege

Kinderzeugung

Grundsätze der rechten Erziehung.

Strenge und Liebe

Erziehung zur Demut und Gottesliebe

Der Herr als Gotteslehrer für Kinder

Erziehung zur Nächstenliebe

Verstandes- und Wissenspflege

Erziehung zur Keuschheit und Sittenreinheit

Früchte schlechter und guter Erziehung

Vorbildliche Jugendschulen

Das höchste Beispiel göttlicher Lebensvollendung

Kapitel 48 – Glaubenspflege

Blindglaube

Vernunftglaube

Die Lehrweise des Meisters

Vernunftlicht — der große Vorzug d. Neuoffenbarungslehre

Demut — Bedingung des Verständnisses

Kopfverstand und Herzensverstand

Die innere Licht- und Lebensquelle

Kapitel 49 – Vom äußeren Wort Gottes

Vom Forschen im Buche der Natur

Belehrung durch die Boten Gottes

Echte und falsche Propheten

das Lesen der göttlichen Offenbarungsschriften.

Das Johannesevangelium

das Markusevangelium.

Über das Matthäusevangelium,

das Lukasevangelium.

Der Buchstabe tötet, der Geist macht lebendig

Das Gotteslicht der Neuoffenbarung

Kapitel 50 – Vom lebendigen inneren Wort Gottes

Die Bibel über das innere Wort

Wie offenbart sich das innere Wort im Herzen des Menschen?

Täuschungen und Gefahren des inneren Gehörsinns

Die göttliche Weisheit des sanften Säuselns

Wie gelangt man zum inneren Wort Gottes?

Wie lässt sich die Stimme Gottes von andern, falschen, unterscheiden?

Was Er sagt, das tuet!

Der Herr über das innere Wort

Jakob Lorber über seine innere Gottesstimme

Kapitel 51 – Das Gebetsleben im Lichte der Neuoffenbarung

In die Stille gehen

Selbstbeschauung

Heilige Zwiesprache

Natürlichkeit — nach dem Zuge des Herzens

Keine Zeremonien!

Kein Lippengebet und kein bezahltes Gebet

Keine Kasteiung!

Danken

Um was sollen wir bitten?

Das Vaterunser

Fürbitte

Gebet für Kranke

Gebet für Verstorbene

Gemeinsame Bitte

Frage und Antwort

Das Gott wohlgefälligste Beten — Handeln nach der Lehre

Des Vaters Verheißung an alle wahren Beter

Dein Wille geschehe!

Bei und in Gott

Gebetsworte des Herzens

Kapitel 52 – Evangelium der Fröhlichkeit

Wir speisen alle an des Vaters Tisch

Darum keine Kopfhängerei!

Eine froheste Botschaft mit fröhlichem Mund

Kapitel 53 – Gnade oder Gnadenmittel

Warum Gnade?

Worin besteht die Gnade?

Gnade und Selbstgestaltung

Die kirchliche Gnadenlehre

Was sagt zur Gnadenmittellehre das neue Gotteswort?

Kapitel 54 – Taufe, Buße und Gedächtnismahl

Die Taufe

Buße, Beichte und Sündenvergebung

Sündenbekenntnis

Sündenvergebung

Liebesmahl — zum Gedächtnis

"Brot und Wein"

"Mein Fleisch und Blut"

Messopfer

Kapitel 55 – Weihen und Segnungen

Die Handauflegung

Konfirmation oder Firmung der Jugend

Kapitel 56 – Gemeinschaftspflege

Vereine der Engel in den Himmeln

Gemeinschaftspflege auf Erden

Aufgaben der Gemeinschaft

Gemeinschafts-Formen

Die wahre Kirche

Die bestehenden irdischen Kirchen

Mängel der bestehenden Kirchen

Warnung vor Sektengeist

Vom Priestertum

Gemeindeleiter

Gemeindeordnung

Von Tempeln und wahren Gotteshäusern

Schul- und Versammlungshäuser

Versammlungsordnung und rechtes Predigen

Vom Reden der Frauen in der Versammlung

Die Kirche der Zukunft

Kapitel 57 – Neuoffenbarung und Kirche

Grundgedanken

Beispiele gottgewollten Verhaltens

Verhältnis der Zeremonienkirche zur Geistkirche

Vom Besuch des kirchlichen Gottesdienstes

Heilung — nicht Vernichtung

Schlussfolgerung für heute

Kapitel 58 – Arbeit im Weinberg

Das hohe Ziel und die allgemeine Aufgabe

Voraussetzung gesegneter Arbeit

"Meinen Dienern sage …"

Die rechte Lehre

Keinen blinden Autoritätsglauben pflegen!

Keinen Zwang und kein Schwert!

Keine Kopfhängerei und keine Kleinlichkeit!

Kluges und behutsames Vorgehen

Behandlung von Weltmenschen. — Keine Perlen vor die Schweine!

Behandlung blinder Geistesgrößen, Pharisäer und Priester

Nicht viel zu erwarten!

Nicht wir — sondern Er!

Kapitel 59 – Ursachen der Krankheiten und ihre Heilung

Krankheit eine Folge der Widerordnung

Die Hauptursachen der Krankheiten

Krankheit und Schmerz als Wächter und Wecker

Von der Besessenheit

Tiefe Gründe eines Krankenschicksals

Grob- und Feinstoffliche Heilweisen

Die Sonnenlichtkur

Magnetismus

Der geistige Lebensstrom

Von der Außenlebensstrahlung des Menschen

Das Jesuskind als Krankenheiler und Heilkraftspender

Die ordentlichste und natürlichste Heilweise

Heilkraft als Zeichen der Gegenwart des Herrn

Heilhilfe im Verzückungsschlaf

Selbsthilfe durchs Gebet

Der allerbeste Heilsweg

Kapitel 60 – Gesundheitspflege

Grundlehren der Leibes- und Seelenpflege

Der göttliche Geistfunke als Hauptkraft

Die beste Stärkungskost des göttlichen Geistfunkens

Eine Hauptregel der Lebenskunst

Nicht zu viel Verbesserungen des äußeren Daseins!

Aber auch keine finstere Weltverneinung!

Friede und Freude in Gott — ein Lebensbalsam

Aufenthalt in der freien Natur

Gehet gern auf die Berge!

Die rechte Bekleidungsweise

Was sollen wir essen und trinken? Der Ernährungsprozess des menschlichen Körpers

Hauptregel der Ernährung: Einfachheit und Mäßigkeit

Die Lebensweise der Urväter und der Speisezettel Mosis

Keine kleinliche Bedenken in der Speisenwahl!

Verschiedenheit des natürlichen Speisebedürfnisses

Eine gute Kost für Geistesmenschen

Die wichtigsten Speisen für den Menschen

Gesunde Getränke

Vom Tischgebet

Segen der Keuschheit

Vernünftige Ruhe und maßvolle Leibesübung

Stärkung im Schlafe

Die Summe aller Lebensweisheit

Bete und arbeite!

Kapitel 61 – Berufsleben und Gotteslicht

Berufswahl und -vorbereitung

Worauf es ankommt

Die goldene Hauptregel für Amt und Beruf

Richtlinien für Kaufleute

Von der dienenden Liebe geistiger Heiler

Winke für Amtleute und Herrscher

Für Zöllner und Wirte

Alles im Blick auf das ewige Leben

Kapitel 62 – Die soziale Frage

Die geistige Ursache der verschiedenen Lebensverhältnisse

Warum Armut und Reichtum auf Erden?

Aufgabe und Pflicht der Dienenden

Aufgabe und Pflicht der Gebietenden

Fluch und Segen des Reichtums

Ein Evangelium für Wohlhabende

Soziale Entwicklung der heutigen Zeit

Lösung im kommenden, besseren Zeitalter

Kapitel 63 – Der Christ und die Staatsgesetze

Jesus und der Freiheitsmann

Das Beispiel des Herrn

Gottesgebot und Weltgesetz

Das bürgerliche Recht

Eigentumsschutz

Familien- und Erbrecht

Das Strafrecht im Lichte der Gottesordnung

Behandlung von Schwerverbrechern

Von der Todesstrafe

Gute und schlechte Gesetze und Gesetzgeber

Hilfe von oben

Regentenweisheit

Recht auf Umsturz und Selbsthilfe

Gebot der Menschlichkeit

Kapitel 64 – Krieg und Kriegsdienstpflicht

Die Gebote der Heiligen Schrift

Grenzen der Milde. Gerechte Gewalt

Angriffs und Verteidigungskrieg

Religionskriege

Heeres- und Kriegsdienst

Kriegsfall

Weltfrieden der Zukunft

Kapitel 65 – Staat und Wirtschaft in Vergangenheit u Zukunft

Der Geist der Völker als formbestimmende Kraft

Die Geschichte Israels als Beispiel

Das Gesetz der Entwicklung und der geistige Endzweck

Die paradiesische Kindheitszeit

Die weltsinnliche, gottlose Mittelzeit

Die göttlich-geistige Vollendungszeit (Goldenes Zeitalter)

Die staatlichen Verhältnisse in der Vollendungszeit

Die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Vollendungszeit

Wann kommt das "Goldene Zeitalter"?

Die tausendjährige Übergangszeit

Das Reich Mathaels — eine Zwischenform

Der geistige Weg zum Endziel Gottes






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VIII. Wie werde ich selig?

Kapitel 35
Der Heilsweg im Alten und Neuen Lichte

Nachdem im ersten Band dieser Darstellung der Gottesbotschaft Jakob Lorbers die großen Fragengebiete: Gott, Schöpfung, Mensch und Lebenssinn im Lichte der Neuoffenbarung erörtert wurden, möge nun im folgenden die große Frage jedes ernsten Menschenherzens geklärt werden: Wie werde ich selig? Was soll ich tun, dass ich des ewigen Lebens in Gott teilhaftig werde?

Diese Frage des reichen Jünglings im Evangelium sollte auch für uns alle die Frage der Fragen sein. Denn von der rechten Lösung dieses Grundproblems des Lebens hängt unser wahres Glück und Heil in Zeit und Ewigkeit ab. Wer aber könnte uns darauf eine zuverlässigere Antwort geben als Jesus, der väterliche Freund der Menschen, der Herr und Meister des Lebens, der Schöpfer und Walter der Unendlichkeit?

Der Heilsweg der Liebe in der Heiligen Schrift

Er, der ewig Alliebende antwortete dem irdisch reichen Jüngling in drei inhaltsschweren Worten: "Halte die Gebote!" Und als der Jüngling weiter fragte "Welche?" — da nannte ihm der Herr die verschiedenen Gebote Mosis, die alle zurückgehen auf das Grundgebot der Liebe. (Matth.19, 6 f)

Bei einer anderen Gelegenheit, die von Matthäus im 22. Kapitel berichtet wird, sprach sich der Herr über das große Heilsgebot noch deutlicher aus. Es waren da die Pharisäer zu Ihm getreten, die sich als besondere Hüter des Gesetzes und der Propheten ausgaben und eifrig die äußerlichen Tempelsatzungen und die Opfergebote hielten. Ein Schriftgelehrter richtete an den Herrn die Fangfrage:

"Meister, welches ist das vornehmste Gebot im Gesetz?"

Da kamen von den Lippen Jesu die Licht- und Lebensworte, die den Kern aller Gottesoffenbarung und aller wahren Religion bilden und das Grundgesetz alles Lebens auf Erden wie in den Himmeln aussprechen:

Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, mit der ganzen Kraft deines Geistes, deiner Seele und deines Leibes! Dies ist das vornehmste und größte Gebot! Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst! In diesen beiden Geboten hanget das Gesetz und die Propheten!

Noch kürzer wurde dieses göttliche Grundgesetz an anderer Stelle ausgeprägt mit den Worten: "Liebe Gott über alles und deinen Nächsten wie dich selbst!"

In den biblischen Schriften ist dieses Doppelgebot der Gottes- und Bruderliebe unter den verschiedensten Anwendungen immer wieder in den Vordergrund gestellt; schon im Alten Testament, noch nachdrücklicher aber in den Schriften des Neuen Testaments. Besonders die Reden des Herrn selbst sind voll von ernsten Hinweisen auf diesen Grundgedanken seiner Lehre. Und auch in den Briefen des Paulus, des Johannes, Jakobus und der anderen Apostel klingt diese Botschaft mächtig hervor. Man denke an Worte wie:

"Wer in der Liebe bleibet, der bleibet in Gott und Gott in ihm. Denn Gott ist die Liebe." (1. Joh. 4, 16) — "Darin besteht die Liebe zu Gott, dass wir seine Gebote halten." (1. Joh. 5, 3) — "Wie kann jemand sagen, dass er Gott liebe, den er nicht sieht, so er seinen Nächsten nicht liebt, den er sichtbar vor sich hat?" (1. Joh. 4, 20) — "Der Glaube ohne Werke der Liebe ist tot." (Jak. 2, 17) — "Wenn ich alle Gaben hätte, alle Geheimnisse und Erkenntnisse wüsste, und wenn ich allen Glauben besäße, so dass ich Berge versetzte und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts." (1. Kor. 13, 2) — "Nun bleibet Glaube, Hoffnung, Liebe. Die größte aber unter ihnen ist die Liebe!" (1. Kor. 13, 13) "In Christo gilt nur der Glaube, der durch die Liebe tätig wird." (Gal. 5, 6) — "Die Liebe ist des Gesetzes Erfüllung." (Röm. 23, 10)

Die Abwege der Christenheit

Wie kommt es nun, dass über diese vom Herrn so nachdrücklich verkündigte Heilslehre der Liebe heute unter der Christenheit so viel Unklarheit und Streit besteht? Besitzt die Menschheit doch das Wort der Bibel heut in einer größeren Verbreitung als irgend je. Durch den Buchdruck wird es bei allen Völkern in allen Sprachen der Welt verbreitet in Millionen von Büchern. Zugleich gehen christliche Boten durch alle Lande der Erde und verkünden und preisen das Bibelwort in ihrer Auffassung aller Welt!

Ein Blick auf die geistige Entwicklung der Menschheit nach Christus gibt uns auf diese Frage klare Antwort. Die Heilslehre der Liebe wurde im Laufe der Jahrhunderte durch die Selbstsucht und Selbstherrlichkeit der Menschennatur, dem alten Erbgut Satans, verdunkelt und verschüttet. Es behagte der selbstliebigen Menschenseele nicht, ihr Heil zu suchen in der meist so schweren Überwindung ihrer Selbstsucht. Vielmehr drängte der Mensch, seiner seelischen, aus Luzifer stammenden Natur gemäß dahin, jene auf dem Doppelgebot der Gottes- und Bruderliebe begründete Heilslehre Jesu Christi zu verlassen und dafür bequemere Wege zu einem seligen Leben zu suchen.

Dieser im Laufe der Zeit immer verhängnisvolleren Abwege gab es in der Christenheit hauptsächlich zwei: den Weg der äußerlichen Werkgerechtigkeit und den Weg der einseitigen Glaubensgerechtigkeit. Beide traten schon bald nach Jesu Hinscheiden in den Christengemeinden hervor.

Der Abweg der "Werkgerechtigkeit" besteht darin, dass die Menschen glauben, ohne eine innere Gesinnungswandlung durch äußere Handlungen sich gleichsam in Gottes Himmelreich einschleichen zu können. Man will wohl das Äußere tun, aber die angeborene Selbstliebe nicht umwandeln in eine selbstlose, herzenswahre Gottes- und Nächstenliebe. Man befolgt streng die äußeren Gebräuche der Kirche und Gottesverehrung, man ist auch wohl eifrig in äußerlichen "guten" Werken, man nimmt die von der Kirche gebotenen "Gnadenmittel" — aber man tut alles dies nicht aus wahrer Herzensliebe zu Gott und seinen Geschöpfen, sondern kalten Gemütes, sei es aus Furcht vor der Verdammnis oder wegen des äußeren Ansehens vor den Menschen oder aus einem selbstsüchtigen Streben nach der Seligkeit des Himmels.

Diese Art Christentum erweckte in den Kirchen und Gemeinschaften den Gedanken, das Heil zu erlangen durch "Zeremonien" und "Gnadenmittel", durch Kirchenspenden, Bußen und Ablässe. Aber es wurde dadurch nur zu bald ein Scheinchristentum gezeitigt, dem gerade das Wesentliche, die innere Herzensheilung, fehlt.

Schon im Römerbrief, im Galaterbrief und noch mehr in dem (durch Lorber wiedergegebenen) Brief an die Gemeinde zu Laodizea wendete sich der Apostel Paulus gegen dieses Christentum, das glaubt, durch allerlei äußerliche Gesetzeswerke vor Gott "gerecht" zu werden. Noch heute bildet diese vom fleischlich gesinnten Menschen gerne geteilte Auffassung eine große Gefahr, besonders in der katholischen Kirche. Immer wieder mussten zur Reinigung der Lehre Boten Gottes gesandt werden. Und als im 16. Jahrhundert nach Christus abermals ein großer Tiefstand in dieser Hinsicht erreicht war, erschienen in Männern wie Luther, Calvin, Zwingli — Erneuerer, welche die Christenheit mit lauter Stimme von dem Irrwege der äußerlichen Werkgerechtigkeit zurückzurufen suchten.

Aber war die damalige gewaltsame Zeit nicht mehr fähig, die reine, wahre Liebeslehre Jesu Christi aufzunehmen, oder ist es ein Entwicklungsgesetz, dass die Menschheit in ihrer Erkenntnisschwäche von einer Einseitigkeit in die andere fällt? Beides wirkte zusammen, dass die Reformatoren sozusagen das Kind mit dem Bade ausschütteten. Sie verwarfen nicht bloß die äußerliche Gesetzesgerechtigkeit, sondern stellten überhaupt das Werke-Tun in den Hintergrund und betonten auf Grund mißverstandener Paulusstellen einseitig das verdienstlose Gerecht- und Seligwerden "ohne Werke, allein durch den Glauben an Jesum Christum und dessen für uns durch sein Opferblut erworbenes Verdienst".

Für diese Lehre der "Glaubensgerechtigkeit" wurden und werden noch heute Stellen ins Feld geführt wie: Römer, 3, 22 ff., 10, 4 und 9 ff.; Galater, 2, 16; Johannes, 3, 18, 36, 5, 24, 6, 47, 7, 38 usw. Dagegen werden viele andere wichtige Stellen, welche das Heil in der Liebe und Liebestätigkeit predigen, ganz übersehen. So jenes gewichtige Wort des Herrn in der Bergpredigt: "Nicht alle, die zu Mir 'Herr, Herd' sagen, werden in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun Meines Vaters im Himmel!" — Oder die eindringliche Gerichtsrede Matth. 25, 31 ff., wonach es für das Gerecht- und Seligwerden nächst der Gottesliebe nur darauf ankommt, ob wir den "Geringsten" in Jesu Namen tatkräftige Liebe erwiesen haben.

Nicht bedacht wird, dass auch Paulus nur die äußerlichen, gesetzlichen Scheinwerke (Lippengebet, Fasten, Waschungen, Kirchenopfer, pflichtmäßiges Almosengeben und dergleichen Gesetzeswerke) verwerfen wollte und nachdrücklich betont hat, dass Gott "geben wird jeglichem nach seinen (wahren Liebes-) Werken", nämlich unvergängliches Wesen denen, die im Tun des Guten unermüdlich nach dem ewigen Leben trachten, dagegen Zorn und Grimm denen, die der Ungerechtigkeit dienen (Römer, 2, 3 ff.; 2. Korinther, 5, 10). Niemals dachte Paulus je daran, den bloßen, tatlosen Glauben (das "Fürwahrhalten") als Heilsweg vor die Liebe zu stellen. Den Galatern schrieb er (Kap. 5, 6) in unzweideutiger Klarheit: "In Christo Jesu gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein sein (d.h. nichts Äußerliches), sondern nur der Glaube, der durch die Liebe tätig ist."

Setzt man in den die "Gerechtigkeit durch Glauben" betreffenden Stellen diesen paulinischen Begriff des Liebetat-Glaubens ein, so sind jene Schriftworte denn auch alle im vollen Einklang mit der wahren Heilslehre Jesu Christi.

In dieses warme Innenlicht der Jesuslehre drangen die Glaubenserneuerer des 16. und 17. Jahrhunderts freilich leider nicht. In Luthers Katechismus wird viele Seiten lang von nichts als Glaubenspunkten und nur ganz zuletzt in aller Kürze von der Liebe als "Frucht", nicht aber als Grund und Wurzel des rechten Glaubens gesprochen. Und da nur die Liebe das Wesen Gottes wahrhaft erkennen und einen lebendigen Glauben fassen kann, so ist es auch auf die einseitige Glaubensgerechtigkeitslehre zurückzuführen, dass auch der Protestantismus trotz mancher Verdienste als eine vorwiegend verstandlich kühle Lehre keine weltbezwingende und erlösende Bewegung werden konnte. Die Glaubensgerechtigkeitslehre entfesselte die dogmatische Streitsucht, da in den Glaubenspunkten jeder Mensch gemäß seiner Veranlagung und Erfahrung ja seine besonderen Auffassungen hat. Und auf sittlichem Gebiete entwickelte der Protestantismus, entsprechend den harten Glaubenssätzen, eine strenge, aber kalte Moral.

So kam es denn, dass trotz der Reformation in den folgenden Jahrhunderten der wahre, liebesinnige Glaube und dessen Kraft sich weiterhin verlor. Das Bewusstsein vom Grundgebote Jesu und vorn alleinigen Heil der Liebe erlosch trotz der Verbreitung der Bibelschriften bei den "christlichen" Völkern. Der kalte Verstand des Kopfes ergriff die Herrschaft über das Denken der Menschheit. Und allbekannt ist, in welch furchtbare Weltkatastrophen diese Scheinkultur die Völker der Erde schließlich stürzte, nachdem ihr Grundgesetz nicht mehr die Gottes- und Nächstenliebe, sondern die rücksichtslose Entfaltung und Befriedigung des verstandlichen, selbstischen Ich geworden war.

Das neue Heilslicht

Wer diese geistige Entwicklung der Völker klar ins Auge fasst und deren vernichtende Folgen für die zeitliche und ewige Wohlfahrt der Menschheit mitempfindet, der kann nicht zweifeln, dass eine Erneuerung der ewigen Heilslehre Jesu Christi in unserer Zeit eine dringende Notwendigkeit war und als eine wahrhaft rettende Tat des Himmels mit tiefstem Dank gepriesen werden muss.

Lassen doch auch die biblischen Schriften klar und deutlich erkennen, dass die Offenbarungen Gottes als Licht- und Lebensspeise den Menschen und Völkern ihrer Entwicklungsstufe und Fassungskraft entsprechend immer wieder in neuen Formen und in tieferem Wahrheitsgehalt zugehen.

In den Schriften des Alten Testaments tritt der ungebändigten Kindheit des Volkes Israel Gott gleichsam als strenger Zuchtmeister mit strafender Rute entgegen. — In den Schriften des Neuen Testaments dagegen zeigt Er sich dem reiferen Jünglingsalter der Menschheit als Vater der Liebe. Und dem engen Kreise fassungskräftiger Jünger enthüllte Er schon damals die ganze Fülle seines Wesens.

Die nachchristliche Menschheit war im allgemeinen zunächst nicht fähig, so wie die ausgewählten reiferen Jünger des Herrn die ganze Lehre Jesu Christi zu fassen. Und so wurde nach Gottes Ratschluß dafür gesorgt, dass von den Lehren des Herrn zunächst nur ein Teil der Nachwelt überliefert wurde, Wir lesen im Evangelium Johannis, 21, 25: "Es sind noch viele andere Dinge, die Jesus getan und gelehrt hat. Wollte man das alles im einzelnen niederschreiben, so würde die Welt die Bücher nicht fassen, die dann zu schreiben wären." Wohl aus diesem Grunde hat Jesus seine Lehre nur mündlich verkündet. Und die Niederschriften seiner Botschaft wurden auch erst nach Jahrzehnten von den vier Evangelisten des Neuen Testaments bekanntgegeben und erst mehrere Jahrhunderte nach Christus durch die Patriarchen von Alexandria und die Päpste von Rom als maßgebend erklärt und in die Bibel aufgenommen.

Bei seinem Scheiden jedoch verhieß der Herr, dass Er allezeit sich demjenigen offenbaren werde, welcher seine Gebote (der Demut und Liebe) "hat und hält" (Joh. 14, 21). Und weiterhin, dass der Heilige Geist, welchen der himmlische Vater sende, denen, die in der Demut und wahren Liebe sich befinden, alles aufs neue offenbaren werde, was Jesus in seinen Erdentagen fassungskräftigen Jüngern verkündet hat.

Somit lassen uns also die heiligen Schriften der Bibel deutlich und zu unserem großen Glück erkennen, dass eine Neuoffenbarung der wahren, reinen Lehren Jesu Christi, insbesondere auch über den Heilsweg der Liebe, in unserer Zeit nicht von der Hand gewiesen werden darf, sondern von jedem ernsten Wahrheitsfreunde gesucht und mit Freuden begrüßt und beherzigt werden sollte.

Wer die geistigen Bewegungen auf Erden überblickt, der gewahrt auch, dass im Laufe des letztvergangenen Jahrhunderts nach und nach fast bei allen großen Nationen der Welt durch Boten Gottes die reine Religion der Liebe aufs neue verkündet worden ist in einer jedem Volke entsprechenden und angepassten Weise. Ein ganzer Licht- und Liebeskranz hat sich in aller Stille um den Erdball gelegt.

In England war es William Booth, der Begründer der Heilsarmee, welcher mit seiner vorbildlichen Tatgemeinschaft der britischen Nation in ihrer Weise die ewige Heilsbotschaft erneuern durfte. — In Amerika waren es die Quäker, begründet von Fox und Penn in Schottland, welche auch im Weltkrieg fast als einzige die Fahne der Liebe hochhielten. — Über dem Stillen Ozean, in Japan, ist es die von den Propheten Naja und Onisabbro Deguci begründete, schon heute in die ganze Welt sich ausbreitende Oomoto-Bewegung. — In Indien sind es die Bakhti-Gläubigen, die in allen Göttern nur einen Gott der Liebe anerkennen, dem der Mensch sich nur auf dem Wege der Herzensfrömmigkeit und Liebestätigkeit nahen kann. — In Vorderasien die Bahai, welche die gleiche Lehre vor einigen Jahrzehnten durch die Gottesboten Baha Ullah und Abdul Baha empfingen.

Die umfassendste Neuoffenbarung der Liebesreligion aber geschah in den Jahren 1840-1864 im Sprachgebiet des deutschen Volkes durch Jakob Lorber.

Durch diesen Boten wurde die Liebeslehre der Heiligen Schrift nicht nur wieder rein und nachdrücklich aus der Verschüttung erhoben und in den Vordergrund gestellt, sie wurde auch begründet und erläutert durch eine tiefgeistige Gottes- und Schöpfungslehre, in ihrer Anwendung ausgebreitet zu einer alle Fragen und Verhältnisse des irdischen Lebens klärenden Lebenslehre und gekrönt durch eine das ewige Fortleben unter dem gleichen Grundgesichtspunkt erhellende Jenseitslehre.

Die Begründung und Erläuterung des Liebegesetzes durch die Lorbers Gottes- und Schöpfungslehre haben wir schon in den vorangehenden Teilen dieses Werkes behandelt. Nun kommen wir im folgenden zu dem Grundgesetze selbst und dann weiterhin zur Betrachtung seiner Bedeutung für alle Verhältnisse des diesseitigen und jenseitigen Lebens.






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Kapitel 36
Das Heilsgesetz der Ewigkeit

In den Schriften der Neuoffenbarung durch Jakob Lorber wird in der nachdrücklichsten Weise das Doppelgebot der Gottes- und Bruderliebe als die ewige Grundlehre der Botschaft Jesu Christi und als der göttliche Kern aller wahren Religion dargetan. Ja, man kann sagen: Diese Heilslehre gläubiger, selbstloser und tatfertiger Liebe ist nächst dem Neuen Testament in keiner Schrift so machtvoll den Menschen verkündet wie in den Neuoffenbarungswerken. Mit heiligem Ernst ist in jedem Kapitel betont, dass Gott die Liebe ist und dass der Mensch sich dem himmlischen Vater und der Seligkeit des Gottesreiches nur nahen kann durch die gleiche Eigenschaft, die Gott im höchsten Maße der Vollkommenheit besitzt — die Liebe.

Durch die Liebe zu Gott muss jedes Wesen sich gleichsam zur Urquelle alles Lebens hinwenden, um von dort die Kräfte des Daseins und Wirkens zu empfangen. Die aus Gott geschöpfte Lebenskraft soll das Wesen aber dann nicht in sich selbst eigensüchtig verschließen, sondern in gleicher Weise wie Gott selbst sonnenartig wieder an alle Nächsten als Mitgeschöpfe ausstrahlen. Dadurch verteilen sich die der göttlichen Urquelle entströmenden Kräfte des Gottesgeistes in einer für das Leben der ganzen Schöpfung heilvollen Weise. Nur so kann das von Gottes Liebe erdachte und erschaffene Lebensreich in einem beglückend harmonischen Zustand fortbestehen und sich vervollkommnen zum wahren Heile aller Kreatur. Das ist der ewige, göttliche Zweckgedanke, der diesem großen Urgesetze des Lebens zu Grunde liegt!

Würde es den Wesen an der Hinneigung und Liebe zu Gott fehlen, so würden ihnen nur zu bald die Kräfte für das eigene Dasein und noch schneller die ausstrahlenden Kräfte der Nächstenliebe verlorengehen. Und wenn die Kräfte der Nächstenliebe völlig versiegen, so würde das ganze Lebensreich der Schöpfung bald in Atome zerfallen. Alle Wesen und Teile der Schöpfung würden dann nur noch ausschließlich für sich selbst zu leben suchen, müssten aber aus Mangel an göttlichen Lebenskräften bald zu bestehen aufhören.

Aus dieser Erwägung ist klar, wie unumgänglich das Grundgesetz der Gottes- und Bruderliebe im ganzen Bereiche der geistigen und materiellen Schöpfung in den Himmeln wie auf Erden ist. Und wenn nach dem priesterlichen Rate Jesu die Menschen beten: "Unser Vater, Dein Wille geschehe!", so ist damit in erster Linie gemeint, dass in den himmlischen wie in den irdischen Sphären vor allem das Doppelgebot der Gottes- und Bruderliebe von allen Wesen erfüllt werden möge.

Der Wille Gottes

Im "Großen Evangelium Johannes" lesen wir darum z.B. in Bd. 6, 40, 8: "Der Wille Gottes an alle Menschen (Geister und Engel) lautet ganz kurz also: Suche und erkenne Gott und liebe Ihn über alles und deinen Nächsten, d.h. jedes Mitgeschöpf, das deiner Hilfe bedarf, wie dich selbst. Und was du vernünftigerweise willst, das man dir tue, das tue auch du deinem Nebenmenschen! So wird Einigkeit und Friede zwischen euch sein und Gottes Wohlgefallen und Segen über euren Häuptern strahlen als ein rechtes Licht des Lebens."

Der gleiche Grundgedanke wird auch in Bd. 3, 53, 4 ff. vom Herrn mit den Worten ausgesprochen: "Im übrigen lässt Meine Lehre sich ganz kurz in dem zusammenfassen, dass man Gott über alles und seinen Nächsten wie sich selbst lieben soll.

Gott über alles lieben aber heißt: Gott und seinen geoffenbarten Willen von ganzem Herzen zu erkennen suchen und dann aus wahrer, inniger Liebe zu dem erkannten Gott danach handeln und sich gegen jeden Nebenmenschen so verhalten, wie sich ein jeder vernünftige Mensch gegen sich selbst verhält. — Natürlich ist hier eine reine, in möglichst höchstem Grade uneigennützige Liebe sowohl gegen Gott als auch gegen jeden Nächsten gemeint. Wie alles Gute und Wahre einzig darum geliebt werden soll, weil es gut und wahr ist, so will auch Gott geliebt sein, weil Er allein höchst gut und höchst wahr ist. Dein Nächster aber muss darum von dir also geliebt werden, weil er gleich dir das Ebenmaß Gottes ist und gleich wie du einen göttlichen Geist in sich trägt.

Siehe, das ist der eigentliche Grundkern Meiner Lehre. Und er ist leicht zu beachten, ja um sehr viel leichter als die tausend Gesetze des Tempels, die zumeist vom Eigennutz der Tempeldiener erdacht und erfüllt sind."

Das Reich Gottes im Menschen

"Durch die möglichst genaue Beachtung dieser Meiner Lehre", so fährt der Herr an genannter Stelle des "Großen Evangeliums" fort, "wird im Menschen der anfänglich sehr gefesselte göttliche Geistesfunken freier und freier, wächst und durchdringt endlich den ganzen Menschen und zieht so alles in sein Leben, das ein Leben Gottes ist und daher in höchster Seligkeit ewig dauern muss. Ein jeder Mensch, der so in seinem Geiste gewissermaßen wiedergeboren ist, wird nimmer einen Tod sehen, fühlen noch schmecken, und die Loslösung von seinem Fleisch und aller Materie wird ihm die höchste Wonne sein. Denn Geist und Seele des Menschen in der Hülle des Leibes gleichen einem Gefangenen, der durch das enge Lichtloch seines Kerkers in die Gefilde der Erde hinausschaut und sieht, wie sich freie Menschen auf denselben mit allerlei nützlichen Beschäftigungen erheitern, während er im Gefängnis schmachten muss. Wie froh wird er sein, so der Kerkermeister kommt, die Türe öffnet, ihn von allen Fesseln losmacht und zu ihm sagt: 'Freund, du bist frei! Gehe und genieße nun die volle Freiheit!' Aber solch seliges Ziel kann der Mensch nur erreichen durch die genaue und aufrichtige Haltung Meiner Liebesgebote."1

Liebe sei daher in allen Dingen das vorherrschende Element im Leben eines jeden Menschen!" (GEJ 01, 174, 7.)

"Liebe zu Mir, große Herzensgüte, Liebe zu allen Menschen — das ist auch das wahre Zeichen der Wiedergeburt. Wo aber dieses fehlt und die Demut noch nicht für jeden Stoß reif genug ist, da nützen weder Heiligenschein noch Kutte noch Geistervisionen etwas; und manche Menschen solcher Art sind dem Reiche Gottes ferner als andere mit einem sehr weltlich aussehenden Gesicht. Denn das Reich Gottes kommt nie mit äußerem Schaugepränge, sondern lediglich inwendig in aller Stille des Menschenherzens! — Dieses präget euch so tief, als ihr nur immer könnt, in euer Gemüt, dann werdet ihr das Reich Gottes viel leichter finden, als vermutlich mancher vermeint." (Erde, 70)

Durch Liebe zu Weisheit, Macht und Leben

In Gottes Liebe zum Menschen und zu allen Geschöpfen liegt der Urgrund alles Werdens und Seins. Und darum liegt auch in der Liebe des Menschen zu Gott, dieser Herzensverbindung mit der Urquelle, all und jegliches Heil für den Menschen. "Trachtet nach dem Reiche Gottes in euch, so wird euch alles andere — Weisheit, Kraft, Macht und ewiges Leben — zufallen!" heißt es in der Schrift.

"Wenn jemand seine Liebe an die materielle Welt heftet, so wird seine Liebe durch die Macht des Todes (der in der Materie wohnt) erdrückt. Wer aber seine Liebe zu Mir, dem Urgrund alles Lebens, richtet und an Mich heftet, der verbindet seine Liebe mit der Urliebe oder mit dem Urleben alles Lebens; und der wird dann lebendig durch und durch.

Nun aber siehe, die Liebe an und für sich ist blind und eben dadurch auch in großer Gefahr, sich zu verlieren und zu Grunde zu gehen. Darum gebe Ich aller Liebe zu Mir nach dem Grade ihrer Größe auch sogleich den gerechten Anteil des Lichtes hinzu. Und dieses Geschenk heißt die Gnade. Mit dieser fließe Ich bei jedem Menschen ein nach dem Grade seiner Liebe.

Daher, so jemand die echte Liebe hat und Mein Gesetz in sich lebendig macht, welches die höchste Liebe ist, über den werden Ströme des Lichtes ausgegossen werden und sein Auge wird durchdringen die Erde und wird schauen die Tiefen der Himmel."

Die Klarheit und Seligkeit einer Seele steigert sich also nach dem Grade ihrer Liebetätigkeit. "Denn es ist das schon von Ewigkeit her von Gott so verordnet, dass kein Geist und keine Menschenseele ohne eine entsprechende Liebetätigkeit je zum Lichte gelangen kann" (GEJ 09, 142, 2). — Bloßes, kaltes Wissen des Kopfverstandes aber schafft dem Menschen kein wahres Heil.

"Siehe, viel Wissen macht den Kopf schwer und das Erdenleben unbehaglich. Aber viel Liebe im Herzen zu Gott und zu den Brüdern macht das Erdenleben angenehm und benimmt die Furcht vor dem Tode! Denn diese Liebe ist ja in sich selbst das ewige Leben. Wer aber das hat, der wird dereinst auch zu schauen bekommen alle Schöpfung. Denn die wahren Liebenden Gottes werden schauen sein Angesicht. Das Angesicht Gottes aber ist das, was Er erschaffen hat durch seine Liebe, Weisheit und ewige Allmacht". ("Jugend Jesu", 174, 13 ff.)

"O liebe Brüder," ruft in "Haushaltung Gottes" (Bd. 1, 90, 12) ein wahrer Gottesweiser voll Inbrunst, "forschet daher nicht kalten Herzens und sorget nicht (einseitig) für den Verstand; sondern liebet Gott, unsern liebevollsten, heiligen Vater aus allen euren Kräften über alles, so werdet ihr in einem Augenblicke mehr empfangen, als was euer Verstand in seiner größten Schärfe höchst unvollkommen in Jahrtausenden enträtseln möchte. — Liebe ist die Wurzel aller Weisheit. Daher liebet, wollt ihr wahrhaft weise werden! — So ihr aber liebet, da liebet der Liebe und nie der Weisheit wegen, so werdet ihr wahrhaft weise sein!"

Es entspricht diese Erkenntnislehre der Verheißung des Herrn im biblischen Johannesevangelium (Kap. 14, 21). "Wer Meine Gebote (der Liebe) hat und hält, der ist‘s, der Mich liebt ihm werde Ich Mich offenbaren."

Aber nicht nur Weisheit — auch Kraft, Macht und ewiges Leben verschafft die Liebe!

"Wahrlich, wahrlich Ich sage euch: So ihr Meine Liebe habt, da habt ihr alles, ja mehr als alle Welt je fassen mag. Wahrlich, wer in Meiner Liebe treu verbleiben wird, von dem wird der Tod fliehen und weichen wie der Schnee vor den heißen Strahlen der Mittagssonne des Sommers … Denn solange ihr eure Herzen zu Mir kehrt, werde Ich mit Meiner Liebe segnend bei euch allen sein und jeglichem austeilen nach dem Maße seiner Liebe zu Mir und daraus zu seinem Bruder. Und die flammenden Herzens sind, sollen Mich sogar nicht selten zu Gesicht bekommen; besonders wenn sie ihre Herzen vom Anbeginn ihres Seins rein erhalten haben und sich nicht so leicht haben von der Welt berücken lassen!

Behaltet in euren Herzen diese Verheißung! Denn also sollet ihr sein und bleiben in aller Kraft, Macht und unbesiegbaren Stärke und soll einst alle Naturwelt euch untertan sein!" ("Haushaltung Gottes", Bd. 2, 1, 9 ff. und Kap. 2, 23 ff.)

Glaubensgerechtigkeit, Sektengeist und Liebe

Nach ihrem Feingehalt an wahrer Liebe zu Gott und zu allen Menschen und Wesen sind auch alle Glaubenslehren und Glaubensgemeinschaften zu beurteilen und zu bewerten. Dies betont der Herr in ‚Erde‘ (Kap. 73) mit folgenden Worten: "Wo nicht Christus gepredigt wird in seinem wahren Liebegeist, da ist falsches Prophetentum an Stelle einer wahren Kirche!

Wenn eine oder die andere Sekte auch spricht: 'Siehe, ich habe keine Bilder, also muss mein Bekenntnis das reinere sein!' — so sage aber Ich, der Herr: 'Bild oder nicht Bild entscheidet gar nicht, sondern allein das Leben nach dem Worte! — Denn eine Lehre in sich selbst noch so sehr von allem Zeremoniellen reinigen, um sie zur Aufnahme der 'reinen Vernunft' tauglicher zu machen, heißt mit anderen Worten meist nichts anderes, als über eine Lehre fortwährend räsonieren, aber nie danach leben. So jemand ein Haus kaufte und fortwährend aus- und inwendig putzte, um es immer tauglicher zu einer Wohnung zu gestalten, aber vor lauter Polieren käme nie ein Bewohner hinein, sagt, ist da nicht die nächste Hütte besser, die fortwährend bewohnt wird, als ein solches Haus? — Ebenso verhält es sich auch mit einer Kirche. Da ist noch immer diejenige besser, die irgendeine Norm hat, in welcher deren Gläubige einen Bestand (und eine ersprießliche Tätigkeit) finden, als eine solche Kirche, in der nichts als nur fortwährend gefegt und geputzt wird. Ihre Bekenner stehen da und sehen zu wie müßige Menschen bei einem Hausbau, die auch Glossen machen, aber keinem fällt es ein, nur einen Ziegel oder einen Scheffel Mörtel einem arbeitenden Maurer zu reichen. Und dabei halten sich die Müßiggänger noch für viel besser als die Arbeitenden.

Sehet, das ist ein rechtes Bild der vielen Konfessionen. Sie tun aus lauter Vorbereitung nichts und kritisieren fortwährend diejenigen, die nicht ihrer Konfession sind. Sie machen sich über deren Blindheit lustig und schreien: 'Kommt her, dass wir euch den Splitter aus den Augen nehmen!' aber des Balkens in dem eigenen Auge werden sie nicht gewahr.

Es ist wohl wahr, dass es in der römisch-katholischen Kirche tausend gewaltige Missbräuche gibt. Aber es gibt darin doch auch manches Gute, denn es wird von der Liebe und von der Demut gepredigt. Und so jemand sonst nichts als nur das befolgt, wird er nicht verloren sein.

Aber was soll Ich denn von einer Konfession sagen, die nichts als den Glauben lehrt und die Werke verwirft? Es steht doch deutlich geschrieben, dass ein Glaube ohne die Werke tot ist. Und Ich selbst habe offenkundig und zu öfteren Malen gesagt: Seid nicht eitel Hörer, sondern Täter Meines Wortes! Dadurch ist ja angezeigt, dass der Glaube allein nichts nützt, sondern das Werk (bzw. der gute Wille der tatfertigen, gläubigen Liebe).

Was nützte der Erde das Licht der Sonne, wenn es nicht mit der tatkräftigen Wärme verbunden wäre? Was nützen einem Menschen alle Kenntnisse und Wissenschaften, wenn er sie nicht anwendet? Oder was nützt es, im kalten Winter bloß zu glauben, dass ein brennendes Holz im Ofen das Zimmer erwärmen kann? Wird das Zimmer durch den Glauben warm? Kurz, der festeste Glaube ohne Werke gleicht einem törichten Menschen, der sich im kalten Zimmer bloß mit einem warmen Gedanken zudecken will, um sich zu erwärmen. Das ist freilich die wohlfeilste Decke, aber ob diese Decke jemanden erwärmen wird?

Der Glaube ist nur das Aufnahmeorgan einer Lehre, die zu einer gewissen Tätigkeit anleitet. Wer diese Anleitung bloß in seinem Glauben aufnimmt, aber nicht danach tut, dem nützt die Anleitung nicht das Geringste.

So ist Mir denn auch eine Kirche lieber, wo doch noch etwas geschieht, als eine, wo nichts geschieht. Denn es ist besser, jemandem ein Stück Brot zu geben, als tausend Pläne für Armenversorgung zu machen und dem Armen aber dennoch nichts zu geben. Planen ist schon recht, aber das Geben muss auch dabei sein, sonst ist der Glaube ohne Werke, wobei die arme Menschheit verhungert.

Wer aber recht leben will, der kann es in jeder Kirche. Denn eine Hauptregel ist: Prüfet alles, und das Gute davon behaltet! Ich sage zu niemandem: Werde ein Katholik oder ein Protestant oder ein Griechisch-Katholischer; sondern was einer ist, das bleibe er, wenn er will. Sei er aber, was er wolle, so sei er ein werktätiger Christ, und das im Geiste und in der Wahrheit! Denn jeder kann, wenn er es will, das reine Wort Gottes haben.

Ich bin nicht wie ein Patriarch und nicht wie ein Papst noch wie ein Generalsuperintendent, sondern Ich bin wie ein überaus guter und gerechtester Vater allen Meinen Kindern und habe nur Freude, wenn sie tätig wetteifern in der Liebe, aber nicht daran, dass sie einander Narren schelten und ein jeder von ihnen der weiseste und unfehlbarste sein will mit lauter Räsonieren, aber dabei nichts tun.

Mein Reich ist ein Reich der höchsten Tatkraft, aber kein Reich eines müßigen Faulenzertums. Ich sagte zu den Aposteln nicht: 'Bleibet daheim und denket und grübelt über Meine Lehre nach!' — sondern: 'Gehet hinaus in alle Welt!' Dasselbe sage Ich auch zu allen Seligen. Denn drüben heißt es auch tätig sein! Die Ernte ist immer größer als die Zahl der Arbeiter.

Darum ist es auch für euch Menschenkinder viel besser, in irgendeiner Ordnung tätig, als bloß des reinsten Glaubens zu sein. Denn tätig sein nach Meiner Lehre ist unendlich besser, als die ganze Bibel auswendig zu wissen und zu glauben. Der bloße Glaubensmensch ist dem gleich, der sein Talent vergrub. Wenn aber jemand aus der Schrift nur wenig weiß, aber danach tut, der ist dem gleich, der über das wenige eine treue Haushaltung führte und dann über vieles gesetzt wird.

Aus dem bisher Gesagten wird jeder, der eines guten Willens ist, leicht herausfinden, was er zu tun hat, um ein rechter Mensch und des ewigen Lebens teilhaftig zu werden. Und somit Amen!"






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Kapitel 37
Gottesliebe — das erste Gebot

Auf die Frage nach dem "größten" Gebot, erwiderte der Herr dem Pharisäer bekanntlich: "Du sollst lieben Gott, deinen Schöpfer, Herrn und Vater über alles mit allen Kräften von Geist, Seele und Leib."

Was heißt denn nun "Liebe Gott über alles"?

In dem Lorberwerk "Die geistige Sonne" (Bd. 2, 99) wird gesagt: "Natürlicherweise betrachtet, nichts anderes als: Verbinde deine dir von Gott gegebene Lebenswärme mit der dich erschaffenden und erhaltenden Urwärme deines Schöpfers, so wirst du das Leben ewig nimmer verlieren!

Wirst du aber deine Liebe oder Lebenswärme eigenwillig von der göttlichen Urlebenswärme trennen und gewisserart als ein selbständiges Wesen dasein wollen, so wird deine Wärme keine Nahrung mehr haben. Du wirst dadurch in einen stets größeren Kältegrad übergehen. Und je tiefer du hinabsinken wirst in die stets kälter werdenden Grade, desto schwerer wird es sein, dich je wieder zu erwärmen. Bist du aber in die vollkommene Kälte übergegangen, dann bist du ganz dem Satan anheimgefallen, wo du schließlich keiner Erwärmung und Belebung mehr fähig bist. Was da mit dir dann weiter wird, davon weiß kein Engel des Himmels dir zu sagen."

Ähnlich wird dieser Grundgedanke ausgesprochen in "Haushaltung Gottes" (Bd. 1, 70, 21) mit den Worten:

"Ich gebe euch kein Gebot außer das des ewigen Lebens, welches so lautet: Du sollst Mich, deinen Gott und heiligen Vater, lieben aus und mit all der Liebe, die Ich dir gab von Ewigkeit her zum ewigen Leben! So du Mich liebst, so verbindest du dich wieder mit Mir, und deines Lebens wird nimmer ein Ende sein. Unterläßt du aber solches, so trennst du dich vom Leben. … Jenes einzige Gebot ist daher der lebendige Same, den ihr alle in eure Herzen säen müsst, wollt ihr leben als Kinder eines Vaters, der da Gott ist und heilig, heilig von Ewigkeit zu Ewigkeit."

Aus diesem Grunde stellte der Herr — nicht zu seiner Ehre, sondern zum Heil seiner Geschöpfe — das Gebot der Gottesliebe an die Spitze seiner Lehre und betonte es dem Pharisäer gegenüber (Matth. 22, 38) als das erste und das vornehmste Gebot. Und in den Schriften der Neuoffenbarung (Geistige Sonne, Bd. 2, 94) wird es genannt "der Inbegriff der Lehre, ja eine Sonne aller Sonnen und ein Wort aller Worte".

Wie gelangen wir zu Gottesliebe?

Mancher wird nun vielleicht sagen: Wie kann mir der Schöpfer Gottesliebe gebieten, wenn Er mir keine solche gegeben hat und ich infolgedessen keine besitze? Vermag ein Mensch sich diese Liebe überhaupt selber zu verschaffen? Und wie kann solches geschehen? Diese Fragen haben schon viele ernste Gottsucher bewegt, und es ist eine Wohltat, dass auch hierüber die Schriften der Neuoffenbarung ein helles Licht geben.

In früheren Erörterungen haben wir gesehen, dass Gott unsere Seele zusammengesetzt hat aus Myriaden verschiedenartiger Seelenfunken, in welchen entweder die Gottesliebe oder die Nächstenliebe oder die Selbstliebe vorherrschend ist. Und da im Ganzen in unserer, aus dem Wesen Satans stammenden Seele die Selbstliebe und Selbstherrlichkeit vorwiegt, so hat Gott uns als Gegengewicht und als geheimen Leiter und Lebensvollender auch noch einen reinen Gottesgeistfunken ("Odem", 1. Mose 2, 7) eingehaucht oder eingepflanzt. Und nun wogt und wallt in unserer Brust zu jeder Stunde der Wider- und Wettstreit hin und her zwischen Himmel und Hölle, zwischen der gottes- und nächstenliebigen "Gottespartei" und der selbstherrlich-selbstliebigen "Weltsinnspartei" unserer Seelenfunken.

Durch diesen oft stürmisch bewegten Widerstreit entsteht in unserer Seele der freie Wille oder unsere "Liebe", die je nach dem Ergebnis des Widerstreites gut oder böse sein kann. Im Hinblick auf diesen Wettkampf sagt in der "Haushaltung Gottes" der Schöpfer und Vollender unserer Seele. "Du sollst Mich, deinen Gott und heiligen Vater lieben aus und mit all der Liebe (d.h. der freien Willenskraft), die Ich dir gab von Ewigkeit her zum ewigen Leben!"

Wie unsere weltsinnliche Seele ihre widergöttlichen Lebensfunken überwinden und die Funken himmlischer Liebe und Güte stärken kann, ist in einleuchtender Weise ebenfalls oben ausgesprochen in den Worten: "Verbinde deine dir von Gott gegebene Lebenswärme mit der dich erschaffenden und erhaltenden Urwärme deines Schöpfers!"

Wir müssen uns also zur Urquelle des Lebens und aller lebenreifenden Wärme hinbegeben und bei ihr suchen, erbitten und in Empfang nehmen, was uns fehlt und uns nottut zu unserer Vollendung. Dies ist der grundlegende Heilsgedanke aller wahren Religion (zu deutsch "Wiederverbindung").

Durch die Pforte der Demut

Freilich: Aller Anfang ist schwer! Eben weil die arge, aus Luzifer stammende Seele des Menschen voll Selbstliebe, Hochmut und Selbstherrlichkeit steckt, mag sie sich durchaus nicht von sich selbst und der vielgeliebten Welt und ihren Reizen abwenden zu dem unsichtbaren, meist so fernab gedachten Gott und sich niederbeugen zu seiner Quelle des Lebens. Wennschon der Mensch in manchen Augenblicken den himmlischen Schöpfer, Erhalter und Vollender ahnt oder der nüchterne Verstand ihm dessen Spuren weist im Buche der Natur und des Lebens — so will die Seele sieh doch viel lieber in sich selbst oder in der Welt die Kräfte des Daseins und die Hilfsmittel zum Kampf und Genuss des Lebens suchen. Aber wehe solch harter und stolzer Art!

"Dein Leben", spricht der Herr, "wird zwar darob nicht enden. Auch werde Ich darum ewig nicht aufhören, dein richtender Gott zu sein. Mich, deinen Gott, wirst du nicht verlieren! Aber deinen liebevollsten, heiligen Vater und mit Ihm ein ewig freies, wonnevollstes Sein, siehe, das wirst du verlieren!" (HGt 01, 70, 21) — Anstatt dass die lichten, warmen Seelenfunken der reinen, himmlischen Liebe gemehrt werden, mehren und stärken sich in einem solchen Fall immer mehr die finsteren, kalten Seelenfunken der unreinen höllischen Liebe. Diese lebensvernichtenden Mächte verderben und verfinstern in der Seele allmählich die besseren Elemente und nehmen schließlich den ganzen Menschen derart gefangen, dass ein solcher zuletzt wirklich zum Knecht der Sünde wird.

Anders ist es, wenn wir uns, durch die Erfahrungen des Lebens gereift, in Selbsterkenntnis und vollem Bewusstsein der Mangelhaftigkeit unseres Wesens endlich niederbeugen zur einzig wahren Urquelle alles Lichts, aller Kraft und allen Lebens — zu dem allgewaltigen Schöpfer und Vater, dem Anfang und Ende allen Seins.

Dieses Sichniederbeugen zur Gottheitsquelle heißt die "Demut". Die Silbe "De" bedeutet soviel wie "hinab". Demut ist also sprachlich das Gegenteil von Hochmut und besagt, dass unser ganzes Gemüt, anstatt selbstherrlich in die leere Höhe unserer Einbildung zu steigen, sich niederbegeben soll zur wahren Grundlage alles glückseligen Lebens. Als Anfang aller Entwicklung zur göttlichen Vollkommenheit predigen darum auch die Schriften der Neuoffenbarung mit machtvollem Ernst die Demut:

"Die wahre Weisheit", spricht der Herr in ‚Haushaltung Gottes‘ (Bd. 3, 70, 12), "besteht in der Demut, derzufolge der Mensch einsieht, dass er aus sich völlig nichts vermag, aus Mir aber alles."

Grund und Wesen der Demut

"Soweit ihr euch Meinem erkannten Willen frei unterwerft und danach handelt, so handelt da nicht mehr ihr selbst, sondern Mein Wille in euch, der allein gut ist. Habt ihr dann ein Verdienst des Handelns wegen? Sehr, da habt ihr gar kein Verdienst. Wohl aber darin, dass ihr euren bösen Weltwillen Meinem allein guten Willen untergeordnet habt und dadurch mit Mir eins geworden seid durch die Hilfe eures Glaubens.

Wahrlich, Ich sage euch: Ohne Mich könnet ihr nichts Verdienstliches tun zum ewigen Leben! So ihr das anerkennet in euren Herzen, dann erst seid ihr Meine wahren Jünger und noch mehr: dadurch seid ihr auch Meine rechten Kinder und Geistesbrüder geworden!

So ihr saget: 'Wir haben dieses und jenes Gute gewirkt!', da lügt ihr euch selbst sowie Gott und eure Nächsten an, weil kein Mensch aus sich etwas Gutes zu wirken vermag. Und das darum, weil erstens schon sein Naturleben nur ein ihm von Gott gegebenes ist — und zweitens ebenso auch die Lehre, nach der er zu leben und zu handeln hat. Wenn ein Mensch das nicht begreift, ist er für sich soviel wie nichts. Es ist bei ihm von einer wahren Selbständigkeit noch lange keine Rede, weil er zwischen seinem eigenen Wirken und dem Wirken Gottes in ihm noch nicht unterscheidet und beides als dasselbe fühlt und betrachtet. Erst dann tritt der Mensch in den Kreis der Lebensselbständigkeit, so er wahrnimmt, dass sein eigenes Lebenswirken ein eitel nichtiges ist und nur das göttliche Wirken in ihm allein gut ist.

Sieht der Mensch das ein, so wird er sich auch stets mehr bestreben, sein eigenes Wirken mit dem wohlerkannten göttlichen zu vereinen und sich so nach und nach völlig mit der Lebenskraft Gottes zu einen. Dadurch gelangt dann der Mensch zur wahren Lebensselbständigkeit, da er dann klar einsieht, dass das göttliche, früher wie fremdes Wirken nun zu seinem eigenen geworden ist durch die Demut vor Gott und durch die rechte Liebe zu Gott. Darin liegt der eigentliche Grund, warum Ich zu euch gesagt habe: Und wenn ihr auch alles getan habt, so bekennt dennoch: 'Herr, nur Du hast das alles getan; wir aber waren aus unserm Selbstischen nur faule und unnütze Knechte!'

So ihr das in euch selbst wohlerkenntlich sagt, dann wird euch die Gotteskraft unter die Arme greifen und wird euch vollenden. Wenn ihr das aber nicht in euch selbst bekennet und euch selbst auf den Altar der Ehre erhebt, da ihr euch selbst stark fühlt, dann wird Gott eure höchst mühsame Lebensvollendung euch selbst anheimstellen; und es wird sich dann bald zeigen, wieweit ihr mit eurer eigenen Kraft ausreichen werdet. Darum sagte Ich euch, dass ihr ohne Mich nichts Verdienstliches und Endzweckliches tun könnt. So aber Ich euch nichts vorenthalte, was zur Gewinnung des wahren, freiesten und völlig selbständigen Lebens eurer Seele unerlässlich notwendig ist, warum ärgert euch dann Meine sorgliche und weise Mühe um euch?"

Durch Suchen, Bitten und Anklopfen zur höheren Gotteserkenntnis

Die demütige Erkenntnis, dass der Mensch nichts, Gott aber alles ist, und die freie Hingabe des Willens an die göttliche Urmacht — kurz: die Demut — kann dem Menschen aber von Gott nicht als Schöpfergabe frei verliehen oder gar aufgezwungen werden, da der Mensch dadurch seine Willensfreiheit verlieren und nie zu einem völlig selbständigen Kind und Ebenbild Gottes werden würde.

In der "Haushaltung Gottes" ist betont: "Alles kann jeder von Mir empfangen und kann sich nehmen aus Meinem unendlichen Vorrat, soviel er nur immer will. Er kann lieben, so viel er mag und will. Er kann sich nach seinem Wunsche stärken durch den Glauben, so dass es ihm ein leichtes wird, mit seinem Willen Berge zu versetzen. Er kann seinen Willen so mächtig machen, dass seinem Worte Tausende folgen. Allein nicht also verhält es sich mit der Demut. Diese ist jedes Menschen höchsteigenes freies Eigentum. Diese kann und darf Ich niemanden geben, sondern nur begehren und lehren!"

Wenn somit Gott, der Willensfreiheit wegen, dem Menschen die Demut nicht geben oder aufnötigen kann, so kann Er sie aber doch als sein "Begehren" uns vor die Seele stellen und ihre Heilsnotwendigkeit uns lehren. Und dies tut dann auch der große Meister der Wesenerziehung, indem Er uns alle von Jugend an durch sein inneres und äußeres Gotteswort unterweist und vor allem uns im Leben die wunderbarsten Erfahrungswege führt.

Dadurch dämmert schließlich in jedem Herzen — allerdings oft erst im äußersten Gericht menschlicher Ohnmacht — die freie Erkenntnis der Allmacht Gottes. Eine Sehnsucht nach göttlichem Licht und göttlicher Hilfe entsteht. Und nun heißt es für jeden im Notstand und Zwielicht der Seele sich durch ernstes, unablässiges Suchen, Bitten und Anklopfen von Gott immer höhere Erkenntnisse von der unendlichen Macht, Weisheit und Liebe Gottes zu erflehen und schenken zu lassen. "Denn, um Gott wahrhaft lieben zu können, muss man Gott stets mehr und mehr zu erkennen trachten!" (GEJ 06, 75, 9 ff.)

Der himmlische Vater kommt solchem Verlangen auch gerne entgegen und reicht jedem demütig suchenden Kinde ein immer helleres Licht aus den Himmeln, das den erhabenen, ewigen Gott und Schöpfer immer wieder von neuen Seiten seine Güte, Weisheit und Macht in tieferem Lichte erkennen lässt.

Durch Erkenntnis zur Liebe

Durch solches Erkennen erwacht und wächst dann in der Seele des Menschen nach und nach auch eine wahre Gegenliebe zu diesem herrlichen Gott und Vater. Und so gelangt durch die Pforte der Demut und durch Suchen, Bitten und Anklopfen auch ein ursprünglich kalt und selbstisch veranlagtes Gemüt schließlich zur heilbringenden, beseligenden Gottesliebe.

Diese Entwicklung wird im "Großen Evangelium" vom Herrn veranschaulicht mit den Worten:

"Siehe, wenn ein Mensch einmal ernstlich zu fragen, suchen und bitten anfängt, dann ist er schon auf einem besseren Wege. Er wird allen Geschöpfen (und auch seinem eigenen Wesen und Leben) eine höhere Aufmerksamkeit widmen und in ihnen forschen, wieviel von der göttlichen Urweisheit sich darin vorfinden möchte. Und je länger er prüfen wird, desto mehr der göttlichen Weisheit und Ordnung wird er auch leicht darin finden. Dann wird er in seinem Herzen auch bald eine Regung von Liebe zu Gott wahrnehmen und daraus stets mehr innewerden, dass Gott in sich selbst voll der mächtigsten Liebe erfüllt sein muss, damit Er eine so große Freude habe, eine unzählige Menge voll Dingen und Wesen — nicht nur als Zeugen seines Daseins, sondern noch viel mehr als Zeugen seiner Weisheit, Macht und Liebe — so wunderbarerweise zu erschaffen, zu erhalten und liebevollst zur Vollendung zu führen.

Wenn der Mensch in solchen Innewerdungen zunimmt, dann nimmt er offenbar auch in der Liebe zu Gott zu und nähert sich Ihm mehr und mehr. Je größer und gediegener aber solche Annäherung, desto mehr des Geistes Gottes sammelt sich auch in seinem Herzen, in dem dadurch der eigene Geistfunke genährt und stets mehr erweckt wird, bis die Seele zur wahren Erkenntnis des eigenen inneren Lebens und der Kraft des göttlichen Geistes in ihm gelangt."






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Kapitel 38
Das höchste Lebensziel: Der Vater in Jesus

Bevor der Mensch in Gott den liebevollen Schöpfer und Erhalter erkennt und liebt, wird sein Gefühl gegenüber dem allmächtigen Schicksalswalter naturgemäß mehr das der Furcht oder Ehrfurcht sein. Dieses Gefühl ist als eine erste Wirkung der Demut auch vor Gott in einem gewissen Grade recht und gut. Aber der Mensch soll dabei nicht stehen bleiben.

Liebe und Furcht

"Wahr ist", spricht der Herr, "in der Furcht der Schwachen bin Ich zugegen. Ohne die Gottesfurcht kann niemand den Vater lieben, und wer den Vater liebt, der fürchtet Gott. Daher ist auch Gottesfurcht und Liebe (in gewisser Hinsicht) gleich und kann nicht die eine sein ohne die andere. Aber doch ist zu merken, dass die Liebe höher steht als die Furcht. Nur in der Liebe ist Leben, in der Furcht aber ist der Tod. Daher soll ein jeder endlich seine Furcht von der Liebe gefangennehmen lassen! … Wie wenig die Furcht und ihr Versprechen anhält, kann man ja schon an schwachen Kindern sehen, die ihre in der Furcht versprochene Besserung so lange halten, als der Vater mit finsterer Miene um sie herumdonnert. Hat sich aber des Vaters Miene wieder aufgeheitert, dann ist auch die Furcht hinweg samt allen Versprechungen. Nicht also ist es bei der wahren, echten Liebe.

Willst du also vollkommen sein, so müssen in dir stets drei Teile Furcht und sieben Teile Liebe sein! … Die Furcht ist der Same der Liebe. Wie aber der Same in der Erde verfault und der lebendige Keim der Liebe hervorbricht und dann großwächst und lebendige Früchte bringt, so muss auch die alte Furcht verwesen. Aber eben aus dieser Verwesung (in der guten Erde Meiner Liebe zu euch) wird sich eine erstaunliche Frucht erheben, ein Baum des Lebens, unter dessen Ästen selbst des Himmels Bewohner ihre Wohnungen errichten werden."

Schön und bündig sind diese wichtigen Gedanken auch im "Großen Evangelium" (Bd. 6, 119) ausgesprochen, wo der Herr vor einem gemeinsamen Mahl einige allzu ehrfürchtig Zerknirschte mit den Worten ermuntert:

"Eine zu große, das menschliche Gemüt ganz zerknirschende Ehrfurcht vor dem Gottwesen ist ebenso zu verwerfen wie eine zu geringe. Denn so ihr jemanden zu außergewöhnlich mit Furcht und Zittern hochachtet, so fragt euer Herz, ob ihr ihn wohl auch lieben könnt? Achtet ihr aber jemanden gar nicht, so werdet ihr ihn auch nicht lieben können. Aber so ihr jemanden wohl erkennt in seinen vielen guten Eigenschaften und Fähigkeiten, werdet ihr ihn in eurem Herzen entzückt bewundern und über alle Maßen auch zu lieben anfangen. Und sehet, das eben ist dann die echte Ehrfurcht, die ihr einem Gottwesen ebenso schuldet wie einem jeden Menschen, der euer Nächster ist. Lasset also ab von eurer übertriebenen Ehrfurcht! Setzt euch zu Tisch und esset und trinket fröhlichen Mutes mit Mir! Denn so ihr gar oft bei euren Festmahlen habt heiter sein können, als noch der Tod in euren Herzen hauste, dann werdet ihr nun wohl um so heiterer sein können, da der Tod von euch gewichen und das Leben in eure Brust eingekehrt ist!"

Gottes- und Vatererkenntnis

Das Beseligendste im Verlaufe dieser geistigen Entwicklung ist der Fortschritt des suchenden Menschen von der Gottes- zur Vatererkenntnis.

Die daraus sich ergebende unendliche Stärkung des Lebens schildert in "Haushaltung Gottes" (Bd. 2, 70, 4 ff.) ein Erwachender namens Juribael mit glühenden Worten:

"O du heiliger, liebevollster, unaussprechlich bester Vater!", ruft dieser Überglückliche aus. "Siehe, ich, ein nichtiger Wurm vor Dir, liege hier in der größten Ehrfurcht und innersten Demut meines Herzens! Du hast mich gerufen aus meinem Schlafe ins wahre, wache, freie Leben Deiner unendlichen Vaterliebe. Du hast aus dem matten, blinden Wurme der totbestaubten Erde einen freien Menschen gemacht, der nun hinausblickt in ferne Ewigkeiten wie in eine endlose Reihe von Kreisen voll Unsterblichkeit, und der sich in jedem dieser ewigen Kreise verherrlichter und Dir, o heiliger Vater, ähnlicher und näher sieht!

Aber nicht nur zu einem unsterblichen Menschen, sondern noch zu unendlich mehr hast Du den bestaubten Wurm der Mutter Erde gemacht! Ach, wer kann die endlose Größe Deiner Vaterliebe fassen? Denn der schwache, sündige Mensch darf Dich, Du ewiger, heiliger Gott 'lieber Vater' rufen! O Vater! — zu Deinen Kindern hast Du uns gemacht!

Großer Gott! Ich kann Dich anbeten, kann Dich loben und preisen mein Leben lang aus allen meinen von Dir mir verliehenen Kräften. Ich kann Dir Opfer anzünden, wo immer sich mein Auge hinwenden möchte. Ich kann Dich beobachten aus der möglichsten Ehrfurcht meines Geistes. Solches alles kann ich tun Dir, meinem allmächtigen Schöpfer, Dir, meinem heiligen, großen Gott! Denn solange Du mir nur bist ein Schöpfer, ein ewiger und unendlicher Gott, solange auch besteht zwischen mir und Dir kein anderes Verhältnis als allein nur das meiner vollsten Nichtigkeit gegen Dich und Deine unendliche Allmacht.

Aber, wenn ich Dich Vater nenne, dann hört all das frühere Verhältniswesen auf. Eine Wonne umstrahlt da mein Herz, und mein Geist bebt von einer unaussprechlich großen Ahnung ergriffen! Mir bleibt dann nur ein mächtiges Gefühl: die Liebe, die alleinige, reine, in Dir geheiligte Liebe! Ja eine heilige Liebe, die nichts denn nur Dich allein, Du heiliger Vater, zu lieben vermag!

In dieser Liebe vergesse ich sogar alle (äußere) Anbetung, auch alle opferliche Verehrung, die Dir doch als dem ewigen Gott gebührt, und alles Rühmen Deiner unendlichen Herrlichkeiten. Denn nun wahrlich habe ich nichts mehr vor mir als allein Dich und rufe nichts als 'Vater!' und denke an nichts denn nur an Dich, Du heiliger Vater!"

Höchste Seligkeit

"Nach diesen Worten", so wird das Erleben des zur Liebe Entbrannten weiter geschildert, "fiel Juribael von seiner mächtigen Liebe gedrungen hin zu den Füßen des Herrn und machte auf diese Art sich gewissermaßen Luft. Und so lag der Heißliebende in vollster Demut und tiefster Dankbarkeit zu den Füßen seines Gottes, seines Schöpfers und seines Vaters.

Aber der Vater beugte sich bald zu ihm nieder und hob ihn hinauf zur heiligen Brust, damit er da einatme das wahre, ewige Leben aus derselben Urquelle alles Lebens, aus der alle Ewigkeiten ihr Sein und Leben haben und auch ewig trinken werden. An diese heilige Brust drückte der Vater den Liebetrunkenen. Zugleich richtete Er an ihn folgende Worte:

"Juribael, siehe, nun lebest du erst wahrhaft! Und dieses Leben wird nimmer können von dir genommen werden. Denn jetzt habe Ich es dir gegeben, und du hast es jetzt wahrhaft genommen aus Mir, deinem ewigen, heiligen, liebevollsten Vater!

Diesen Weg sollen alle wandeln! Und der hohe Sinn Meiner Absicht mit und in euch würde bald helle leuchtend vor euch enthüllt werden, und ihr würdet nicht fragen: Wo, woher und von wannen? Sondern in sich würde es ein jeder finden.

So aber da jemand nicht wandelt diesen Weg der reinen göttlichen Liebe, wahrlich der wird sich zu Tode suchen und nimmer finden das Ziel des ewigen Lebens! Denn das Leben der finsteren Eigenliebe dauert nicht ewig, sondern nur sehr kurze Zeit, in der sich solche Liebe bald verzehren wird, da sie von Meiner Vaterliebe abgetrennt keinen Zufluss mehr hat!"

Das Gleichnis vom Öllicht

"Es verhält sich mit der Eigenliebe so wie mit einem Öllicht. Wenn da jemand in ein Gefäß einiges Öl nimmt, das an verschiedenen Punkten der Berge aus kleinen Quelle des fetten Gesteins aufsteigt und zündet es an, so wird es zwar bald zu brennen anfangen. Verzehrt es sich aber durch das Brennen, wird da das leergewordene Gefäß wohl auch fortbrennen, wenn kein neues Öl hinzugetan wird? Mitnichten, sondern da wird mit dem Öl auch die Flamme ausgehen, und es wird das Gefäß finster werden und kalt und tot!

Wenn du aber an der Quelle das Öl anzündest und verwahrest den Ort, da das Ölquellchen in lichter Flamme lodert, vor argen Winden und Wasserüberflutungen — so wird die Flamme ewig nimmer erlöschen, sondern stets herrlicher fortlodern, weil solche Flamme nach und nach die Stelle weit um sich her mehr und mehr erwärmt und daher auch stets mehr Öles dem inneren Urborn entlocken wird.

Siehe, wer demnach seine Liebe im Herzen zu Mir wendet und Mich für ewig in dieser seiner Liebe ergreift, der hat das Öl seines Lebens an der Quelle entzündet. Und diese Flamme wird nimmerdar erlöschen, sondern ihm ein ewiges, lebendiges Licht sein!"

Die Fülle in Jesus

Den unsichtbaren Gott mit solch wahrhaft heilbringender Inbrunst als Vater zu lieben, glauben freilich viele Menschen darum nicht zu vermögen, weil sie sich von der ewigen, unendlichen Gottheit keinen faßbaren Begriff und keine menschlich nahbare Vorstellung machen können.

So sprach der Jünger Philippus zum Herrn, als dieser ihnen vom Vater redete: "Zeige uns den Vater, auf dass wir Genüge haben!" Jesus aber erwiderte ihm:

"So lange Zeit bin Ich bei euch, und du kennst Mich noch nicht, Philippus? Wer Mich sieht, der sieht den Vater! Wie kannst du sagen: 'Zeige uns den Vater?' Glaubst du denn nicht, dass Ich im Vater bin und der Vater in Mir ist? Die Worte, die Ich zu euch rede, die rede Ich nicht von Mir selbst, sondern der Vater, der in Mir wohnt, der tut Meine Werke."

Dieses zu unserer Lebensvollendung so wichtige Geheimnis, dass in Jesus die Ur-Machtmitte der Gottheit, der Vater verkörpert, schaubar und nahbar ist und dass Gott in dieser makellosen, liebeheiligsten Gestalt geliebt werden kann, ist in den Schriften der Neuoffenbarung voll und herrlichst enthüllt.

Im "Großen Evangelium" (Bd. 5, 73, 4) spricht der Herr:

"Kannst du dir von Gott keinen dich ergreifenden Begriff machen, so siehe Mich an, dann hast du jene für ewig bleibende Form vor dir, unter der allein du dir deinen Gott und Schöpfer vorstellen kannst. Denn Gott ist auch ein Mensch, und zwar der in und aus sich ewig vollendetste! Siehst du Mich, so siehst du alles!"

Wie dieses Geheimniswunder, dass in Jesu dreieinheitlicher Person die "ganze Fülle der Gottheit" (d.h. nicht nur der Vater, sondern auch der Sohn und der Heilige Geist) sich vereinigt findet, zu begreifen ist, wird in den Neuoffenbarungsschriften eingehend dargetan. In Jesu Geist haben wir den Vater. In Jesu Seele und leiblicher Gestalt den Sohn. In der vom Geist durch die Hülle der verklärten Seele ausstrahlenden Allkraft den Heiligen Geist.

Vollkommene Jesusliebe

Ein herrliches Beispiel vollendeter Jesusliebe tritt uns im "Großen Evangelium" entgegen in der Geschichte der kleinen Jüngerin Jarah, des zwölfjährigen Töchterchens des Wirts Ebahl von Genezareth.

Im zweiten Bande (Kap. 114) erzählt dieses gottesinnige Kind, in seligsten Freuden an der Seite des Herrn sitzend, wie wunderbar es vom Himmel gefügt wurde, dass sie in solch unmittelbare Nähe des Herrn kommen konnte:

"Wir alte hatten es von vielen, die zu uns nach Genezareth kamen, vernommen, dass in Nazareth und dessen Umgegend ein gewisser Zimmermann Jesus außerordentlich große, unerhörte Heilungen an den Kranken bewirke, ja sogar die Toten wieder lebendig mache; die Blinden sähen, die Stocktauben bekämen vollkommen ihr Gehör und die Stummen die Sprache wieder, die Lahmen und Krüppel würden wieder gerade und ganz — kurz, es gäbe gar keine Krankheit, die er nicht augenblicklich heilte. Anfangs hielten wir das für eine Fabel; als aber immer wieder Leute zu uns kamen, sogar solche, die von Jesus geheilt worden waren, da fingen wir an zu glauben, dass es sich wirklich so verhalte.

Da ergriff mich eine überstarke Liebe zu diesem Mann, dem solches möglich ist. Ich bat dann den lieben Gott tagtäglich andächtig und vertrauensvoll, dass Er Dich zu uns führen möchte durch seine Allmacht. Und siehe, Gott hat mich richtig erhört und Dich zu uns gebracht! Als es hieß, Du seiest gekommen, was habe ich da für eine Seligkeit empfunden! O wie gerne, wenn ich nur den Mut gehabt hätte, wäre ich Dir um den Hals gefallen. Aber ich musste meinem Herzen, der Eltern und der Geschwister wegen, einen großen Zwang antun. Heute aber ist die für mich unbeschreiblich glückliche Zeit gekommen, bei Dir, dem Meister und Herrn zu sitzen, den ich schon, seit ich von Ihm das erste Wort gehört habe, über alle Maßen liebe.

Oh, jetzt bist Du da und — welch unbeschreibliche Seligkeit! — ich darf Dich lieben und werde auch von Dir geliebt! Nun dürften selbst die vollkommensten Engel im Himmel nicht seliger sein, als ich‘s nun bin! Aber Du darfst uns auch nimmer verlassen, denn da müsste ich wohl sterben vor zu großer Traurigkeit!"

Sagte der Herr: "Nein, du Mein Herz, dich verlasse Ich ewig nimmer. Ich sage dir auch, dass du den Tod weder sehen noch fühlen wirst. Meine Engel werden dich von dieser Welt dereinst holen und werden dich zu Mir bringen, deinem Vater von Ewigkeit! Denn siehe, Meine allerliebste Jarah, zu dem du um Meine Hierherkunft so herzlich gebetet hast, der sitzt nun in Meiner Person bei dir und liebt dich mit der rein göttlichsten Flamme aller Himmel. Und du hattest recht zu sagen, dass du seliger bist denn die vollkommensten Engel aller Himmel! Hebe deine Augen auf, und du wirst sehen, dass es so ist, wie Ich es dir nun gesagt habe!"

Hier hebt die liebliche Jarah ihre schönen Augen auf zu den Himmeln und schaut wie eine Verklärte voll höchster Entzückung in die Tiefen der ihren Augen geöffneten Himmel. Nach einer ziemlich geraumen Weile erst fängt sie an, mit einer himmlisch reinen und sanften Stimme mehr zu stammeln als zu reden:

"Ah, o Du großer, überheiliger Gott, welch unbeschreiblich Entzückendes sehe ich nun! Die großen Himmel sind angefüllt von den seligsten Engeln! O wie endlos selig müssen sie sein! Aber die arme Jarah ist dennoch seliger! Denn der ewige Thron in der großen Mitte der weiten Himmel, um den zahllose Scharen der Engel auf sonnenlichten Wolken knien und rufen: 'Heilig ist der, dessen Thron hier steht! O freuet euch ihr Ewigkeiten, bald wird Er auf der Erde das nie zu beschreibende große Werk vollendet haben und wird einnehmen diesen Thron der Herrlichkeit Gottes!' — ist leer! Der aber darauf zu sitzen allein das ewige Recht hat, sitzt nun als Mensch hier bei der armen Jarah! Oh, so lobet und preiset Ihn, denn sein ist der ewige Thron aller göttlichen Macht und Herrlichkeit!"

Nach diesen Worten sinkt sie an Meine Brust, nachdem ihr das Gesicht wieder benommen ward, und sagt: "O Du großer Alleinheiliger! Verstoße mich arme, schwache Jarah, darum ich Dich über alledem, was ich nun gesehen habe, gleichfort zu lieben wage! Aber ich kann ja nicht dafür, dass mein Herz Dich stets mehr liebt!"

Sagte der Herr: "Ja, du Mein Herzchen, darum habe Ich dir ja Meine Herrlichkeit und Mein Reich gezeigt, weil Ich will, dass du Mich immer noch mehr und mehr lieben sollst. Liebe du Mich darum fest darauf los, solche Liebe wird dir keinen Schaden bringen!"

Jarah umklammert darauf den Herrn mit beiden Händen und drückt Ihn so fest als möglich ans Herz. Und der Herr sagte darauf zu den stumm vor Erstaunen Umstehenden: "Da nehmt euch alle ein Exempel daran! Dies Mägdlein, erst zwölf Jahre alt, bezeugt Mir eine Liebe, wie Mir so etwas in ganz Israel noch nicht vorgekommen ist. Aber wer Mich so liebt wie diese, dem werde Ich auch geben, dass er dann in Fülle haben wird, was die Welt noch nicht gehabt und Israel nie gefühlt und geschmeckt hat!"






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Kapitel 39
Nächstenliebe — das zweite Gebot

Dem Schriftgelehrten Pharisäer, der den Meister nach dem "vornehmsten" Gebot im Gesetz fragte, erwiderte der Herr, nachdem Er ihm als erstes Gebot die Gottesliebe bezeichnet hatte, weiter:

"Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst! — In diesen zwei Geboten hanget das ganze Gesetz und die Propheten."

Warum stellte hier der Herr das Gebot der Nächstenliebe so unmittelbar hinter das der Gottesliebe? Warum räumte Er ihm geradezu einen gleichen Rang ein? Dieser hochbedeutsame Umstand kann nicht aufmerksam genug ins Auge gefasst werden, da der Herr selbst offenbar darauf den größten Wert legte. Die Antwort auf unsere Frage aber lautet:

Der Nächstenliebe kommt nächst der Gottesliebe die höchste Bedeutung darum zu, weil die Liebe zu Gottes Geschöpfen die dem Schöpfungsplane einzig dienliche und ersprießliche Auswirkung unserer Gottesliebe, ja im Grunde das Wichtigste ist, worauf es dem Schöpfer der Unendlichkeit ankommt.

Von unseren tatlosen, in unseren Herzen verschlossenen Glaubenserkenntnissen und Liebesgefühlen hat unser himmlischer Vater für sich und seine Schöpfung eigentlich nichts. Erst wenn wir aus freien Trieben die durch seine Gnade erlangten Erkenntnisse und Gefühle nach allen Seiten auf unsere Mitgeschöpfe auswirken, hat Er uns zu der von Ihm beabsichtigten Vollendung gebracht. Dann erst sind wir seine wahren Kinder und Ebenbilder der Ursonne alles Lebens.

Dadurch dass wir die von Ihm uns zuströmenden Lebenskräfte nicht mehr selbstsüchtig in uns verschließen, sondern nach allen Seiten sonnenartig weitergeben, entsteht jenes heilige Hin- und Widerstrahlen, welches die unbeschreibliche Glückseligkeit der Himmel ausmacht.

"Kein Gesetz", so lesen wir in "Robert Blum", "sichert jedem das eigentliche Seine so treu wie das heilige, lebendig geübte Gesetz der Nächstenliebe, demzufolge jeder das Seinige stets allen freudig zur freien Benutzung stellt. Was aber einer tut und übt, das tun und üben (in den Sphären der Vollendeten) auch alle andern. Und so ist es hier die reinste Unmöglichkeit, dass da jemand zu kurz kommen könnte. Hier bewahrheitet sich vollkommen der Spruch: "Wie schön und lieblich ist es, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen."

Ähnlich spricht der Herr im "Großen Evangelium": "Die wahre Nächstenliebe im Herzen eines Menschen ist das einzige, wahrhaft geistige Lebenselement, durch das alle Sinnenwelt und alle Himmel in ihrer Bestandsordnung erhalten werden. So ein Mensch die wahre Nächstenliebe übt, lebt er dadurch in der rechten Ordnung Gottes und begründet in sich das ewige Leben seiner Seele.

Habe denn auch du von nun an die wahre Nächstenliebe gegen alle Menschen, und du wirst erweckt werden durch Meines Geistes Kraft zum ewigen Leben und wirst eindringen in Meine Gottheitstiefen und wirst dadurch in Mir auch deinen Gott über alles wahrhaft lieben — und das ist alles, was Ich von den Menschen zur Gewinnung des ewigen Lebens verlange! Wer da solche Liebe hat, der hat vor Mir keine Sünde und braucht nicht lange, leere und vor Mir wertlose Gebete, keine Fasten- und keine Bußwerke in Sack und Asche zu wirken."

Tatliebe — die wahre Sonne des Heils

Die Schriften der Neuoffenbarung stellen darum die tätige Nächstenliebe unmittelbar neben der Gottesliebe hoch auf den Leuchter — auf dass den Menschen dieser liebe- und seligkeitsarmen Welt die wahre Sonne des Heils endlich wieder klar bewußt werde. Fast unzählbar sind die Worte und Stellen der Lorberwerke, in welchen diese Liebelehre mit größtem Nachdruck gepredigt und erläutert wird. Wir können hier nur einige wenige anführen. So heißt es im "Großen Evangelium Johannes":

"Liebe zu Gott ist bedingt durch die Liebe zum Nächsten. Wer da sagt, dass es zur Seligkeit genügte, nur Gott allein über alles zu lieben, dabei aber vor seinem armen Nächsten Herz und Tür verschließt, der ist in größter Irre. Denn die Liebe zu Gott ist ohne die Liebe zum Nächsten ewig nicht möglich. Wer seinen notleidenden Nächsten nicht liebt, den er doch sieht, wie kann der Gott über alles lieben, den er nicht sieht? Darum liebet eure Nächsten, weil sie, gleich wie ihr, Gottes Kinder sind, und ihr werdet dadurch auch Gott über alles lieben!"

Gleichnis vom reichen Gutsherrn und seinen Kindern

"Seht, es war ein reicher Gutsherr, der eine Menge Güter besaß, und ein jeder der bei ihm bedienstet war, hatte ein gutes Leben. Dieser Gutsherr hatte aber auch viele Kinder, die er liebte, und die er, damit sie wohlerfahrene Menschen würden in die Weltschule hinausgab. Er gab ihnen aber nur das Nötigste mit auf ihren Weg, dass sie sich nicht übernähmen, nicht träge und dann zur Verwaltung seiner Güter untauglich werden könnten.

Diesen Kindern ging es in den Weltschulen nicht am besten. Sie mussten sich oft recht kümmerlich durchbringen und nicht selten um ein Almosen die fremden Menschen angehen. Einige der angegangenen Fremden sagten: 'Ei, ihr habt ja einen überreichen Vater. Gehet nur den an, er wird euch schon helfen!' — und gaben den Kindern nichts. Etliche andere aber dachten sich in ihren milderen Herzen: 'Wir wissen wohl, dass der Vater dieser Kinder sehr reich ist und seinen hier studierenden Kindern wohl helfen könnte, so er dagegen nicht weise Gründe hätte. Aber die Kinder leiden unter uns nun einmal sichtlich Not, und wir wollen ihnen helfen, so gut wir es vermögen.' Also gedacht und getan!

Nach einiger Zeit aber kam der reiche Gutsherr selbst in jene fremde Weltstadt, in der seine Kinder die verschiedenen Kenntnisse und Erfahrungen sich zu eigen zu machen hatten, und erkundigte sich um alles, wer da seinen Kindern Liebe erwiesen hatte. Die Kinder führten den Vater überall dorthin, wo ihnen Liebe erwiesen worden war. Und der Vater belohnte die Wohltäter seiner Kinder hundertfältig, nahm die liebetätigsten auf seine Güter und hielt sie seinen Kindern gleich.

Seht, hier vor euch steht in Mir der Gutsherr! Die Armen in dieser Welt sind allenthalben wahrhaft Meine Kinder. Die Reichen aber sind zumeist Kinder dieser Welt. Ich lasse Meine Kinder, auf dass sie sich nicht übernehmen, in dieser harten, aber für sie dennoch überaus heilsamen Lebensschule auch Not leiden und in ihrer Not vor die Reichen der Welt kommen. Was diese Meinen Kindern tun, das werde Ich auch ihnen tun, und Ich werde sie belohnen vielfach schon hier und endlos in Meinem Reiche."

Das Geschäft der Himmel

"Es wird nicht verlangt, dass ihr alle eure Habe an die Armen verteilen sollt, weil ihr Meine Jünger seid. Aber weise Verwalter des euch anvertrauten Vermögens sollt ihr sein, auf dass ihr die unverschuldet Armen nicht darben und schmachten lasset, wenn sie vor eure Türe kommen.

Sehet hier den Freund Ebahl aus Genezareth: Er hat als Wirt Tausende von einheimischen und auch fremde Arme beherbergt, und das nie mit Widerwillen oder mit Ängstlichkeit der Seinen wegen. Und doch ist sein Vermögen um nichts geschmälert worden. Er besitzt nun im Gegenteil so viele und große Erdenschätze, dass er sich dafür ein kleines Königtum kaufen könnte. Aber er legt auf alle diese Schätze nur darum einen Wert, weil er dadurch um so mehr Armen kräftig unter die Arme zu greifen vermag. Er denkt nicht an sein eigenes Haus, und an seine Kinder nur so weit, dass sie alle in der Erkenntnis des einigen und allein wahren Gottes kräftig werden. Dafür aber sorge dann Ich für alles andere seines Hauses. Und Ich stehe euch dafür, dass sein Haus an nichts je einen Mangel leiden wird!

Den Ängstlichen aber überlasse Ich die Sorge um ihr Haus und überschütte ihre Scheuer nimmer mit Weizen und Korn, und ihre Kelter soll nicht überfließen vom Wein. Ihre Gärten sollen nicht strotzen von der Schwere Meines Segens und ihre Herden sollen im Lande nicht die fettesten sein! Wer auf Mich schwach vertraut, der soll auch ernten nach seinem Vertrauen und Glauben, der stets eine Frucht der Liebe zu Mir und zum Nächsten ist.

Seid darum stets und allezeit barmherzig und voll Dienstfertigkeit untereinander, überbietet euch in Wohltun, liebt euch wahrhaft so, wie auch Ich euch liebe — so werdet ihr aller Welt zeigen, dass ihr Meine Jünger und in eurem Geiste völlig Meine wahren Kinder seid!

Es ist die Bestimmung aller Meiner Kinder, dass sie sich hier auf dieser Erde gleichfort üben sollen im einstigen großen Geschäfte Meiner Himmel. Denn dort wird alles nur allein die Liebe zu tun haben. Und jede Weisheit, die nicht dem Feuer der Liebe entstammt, wird in Meinen Himmeln ewig nie eine Aufnahme finden und auch nichts zu tun bekommen."

Lebendiger und toter Glaube

In diesem Lichte verstehen wir auch, warum Paulus sagt: Nur ein Glaube, der durch die Liebe tätig wird, gilt in Christo (Gal. 5, 6). Nur ihm gelten die Verheißungen der Schrift, nur er allein führt zum ewigen Leben und macht selig. Jeder andere Glaube, der im bloßen Fürwahrhalten oder in tatloser Verehrung, Anbetung und Schwärmerei besteht, ist tot und unnütz und führt nicht zum ewigen, seligen Leben in Gott.

Dies ist klar und deutlich an vielen Stellen des Neuen Testaments ausgesprochen, und nicht minder unzweideutig bekunden es die Schriften der Neuoffenbarung.

In "Schrifttexterklärungen" (Kap. 34) heißt es: "Wer an Mich glaubt, aus dessen Lenden werden, wie die Schrift sagt, Ströme des lebendigen Wassers fließen." Dieser Text (Joh. 7, 38) ist gegeben wie eine Grube, in der man Löwen, Panther und Tiger fängt; auch ist er wie ein Eckstein, über den gar viele in der Nacht stolpern und sich gewaltig zerfallen. Warum das? Ich gebot hier und da den Glauben und predigte allenthalben die Liebe durch Tat und Worte. Ich sagte: "So ihr Glauben hättet, möget ihr Berge versetzen!" Und wieder sagte Ich: "Seid Täter und nicht alleinige Hörer Meines Wortes!"

So sagte Ich auch, dass diejenigen, die zu Mir "Herr, Herr!" sagen, also an den Sohn Gottes glauben, nicht werden in das Himmelreich eingehen, sondern allein nur, die den Willen Meines Vaters tun. Ferner sagte Ich: "Wer nach Meinem Worte lebt, der ist es, der Mich liebt. Zu ihm werde Ich kommen und werde Mich in aller Fülle ihm offenbaren!" Und weiter sagte Ich auch: "Nur ein einziges Gebot gebe Ich euch, dass ihr euch untereinander liebet, also wie Ich euch liebe! Daran wird man erkennen, dass ihr wahrhaft Meine Jünger seid."

Nun frage Ich: Was soll denn der Mensch tun? Soll er sich bloß begnügen mit dem angeratenen Glauben, oder soll er sich nur an die Liebe halten und nichts glauben, als was ihm die Liebe zu Mir eingibt, die er sich durch die Tätigkeit nach Meinem Worte zu eigen gemacht hat? War Ich denn ein Doppellehrer? Oder bin Ich einer, der den Mantel nach dem Winde dreht und einer gläubigen Gesellschaft vom alleinigen Werte des Glaubens und bei einer tätigen Gesellschaft vom alleinigen Wert der Tätigkeit predigt?

Die Pharisäer glaubten eisenfest an die Satzungen Mosis, und das aus zeitlichen und einst auch geistigen Rücksichten. Dennoch wurden sie sämtlich von Mir ihres Unglaubens willen zu öfteren Malen auf das empfindlichste angegriffen. Warum begnügte Ich Mich nicht mit ihrem festen Glauben? Warum ließ Ich den das Gesetz allzeit erfüllenden Pharisäer ungerechtfertigt und den mit Sünden belasteten Zöllner gerechtfertigt aus dem Tempel ziehen?

Ich sage euch: Aus euch selbst möchtet ihr aus diesem Labyrinth wohl nimmer den Ausweg finden; Ich aber will hier, gleich jenem Helden Mazedoniens den Knoten mit einem Hieb entwirren. Und so höret denn: Wenn Ich vom Glauben sprach, so verstand Ich darunter allezeit den lebendigen, also mit Liebe gepaarten Glauben! Aber einen Glauben für sich allein verwarf Ich allezeit. Und wenn Ich in der Schrift sage: 'Wer an Mich glaubt, aus dessen Lenden werden Ströme des lebendigen Wassers fließen!' so sage Ich soviel als: Wer einen lebendigen, also mit Liebe gepaarten Glauben hat, der wird in die Weisheit und Kraft der Himmel eingeführt werden.

Dass aber auf den alleinigen Glauben kein Himmel verheißen ist, lehrt euch eure eigene Erfahrung. Denn ihr habt ja auch an Mich von Kindheit an geglaubt — fraget euch aber selbst, wie viele Tropfen lebendigen Wassers darum eurem Wesen entströmt sind? Habt ihr es durch euren viele Jahre alten Glauben dahin gebracht, dass ihr z.B. die Unsterblichkeit eurer Seele vollkommen klar empfunden hättet? Noch seid ihr in so manchem über euer inneres Fortbestehen nach dem Tode des Leibes nicht im reinen. Und wo sind die sonstigen lebendigen Wirkungen bei euch Gläubigen?

Aus dieser eurer eigenen Erfahrung könnet ihr hinreichend entnehmen, dass Ich in jenem Texte unmöglich den alleinigen Glauben verstanden habe, sondern nur den mit der Liebe zu Gott und dem Nächsten gepaarten! Denn der alleinige Glaube für sich kann ebensowenig Ersprießliches zum ewigen Leben wirken, als ein Ehegatte mit und aus sich selbst Kinder zu zeugen vermag. Er muss sich mit einer Gattin vermählen und kann dann erst im Feuer seiner Liebe mit ihr Kinder zeugen.

Die Kinder sind in naturmäßiger Bedeutung entsprechend den Strömen des lebendigen Wassers aus den Lenden des Leibes. Zudem bezeichnet eben der "Leib" oder die "Lenden" in diesem Texte als materielles Bild die Liebtätigkeit selbst. Der ganze Text lautet im enthüllten Zustande also. "Wer in seinem Herzen auf Mich hält, dessen Tätigkeit wird ersprießlich sein zum ewigen Leben!"

Wenn demnach irgendwo in Meinem Wort vom Glauben die Rede ist, so verstehe Ich darunter nie den leeren, sondern allezeit den mit Liebe erfüllten. Und wollt ihr Ströme des lebendigen Wassers aus euren Lenden fließen sehen, so muss euer Glaube durch die Werke der Liebe lebendig werden!"






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Kapitel 40
Du und dein Nächster

Von denen, die das Gebot der Nächstenliebe kennen, wird nun oft gefragt:

Wer ist denn eigentlich im Sinne dieses Gotteswortes unser Nächster? Manche verstehen darunter die nächsten Blutsverwandten und Freunde. Andere in erster Linie auch die Glaubens- oder Standesgenossen. Und wieder andere wollen nur die Rassegenossen, nicht aber die Angehörigen anderer Volksrassen in den Kreis der Nächsten ziehen, denen sie solche große Liebe wie sich selber schulden.

Auch diese Frage wird in der Neuoffenbarung geklärt. Wir werden auf einen die ganze Schöpfung umfassenden Gesichtspunkt gestellt, da wir ja nicht bloß zu Bürgern unseres irdisch-menschlichen Lebenskreises, sondern zu nützlichen Gliedern des göttlichen Gesamtreiches herangebildet werden sollen. Und so lautet die Antwort des Herrn selbst auf jene Frage so, wie sie diesem großen Ziel allein entsprechend lauten muss:

"Euer Nächster ist ein jeder Mensch, ob Freund oder Feind, so er eurer Hilfe in was immer für einer den Geboten Gottes gemäßen Art bedarf. Es versteht sich dabei von selbst, dass ihr dem, der Handlungen wider Gottes Gebote begeht, dazu nicht behilflich sein, sondern ihn davon abhalten sollt. So ihr das tut, dann übet ihr die Nächstenliebe in der rechten Weise aus und euer Lohn im Himmel wird groß sein." — Auch jedes andere Lebewesen auf irgendeiner Stufe, sei es der materiellen oder geistigen Welt, ist in diesem Sinne unser Nächster.

Familienliebe

Einen Anfang dieser allumfassenden Nächstenliebe bildet die Familienliebe.

Die ersten Ansätze dazu sehen wir schon im Tierreich. Mit welch rührender Aufopferung füttern, hegen und verteidigen die meisten Tiereltern, vom Geiste Gottes durch den sogenannten Instinkt getrieben, ihre Jungen! Geschöpfe, die sonst immer nur für sich selbst sorgen — in der Zeit der Brut und Aufzucht ihrer Jungen lernen sie, von sich selbst abzusehen und für andere Wesen zu leben und zu streben.

Auch beim Menschen bildet die Familienliebe den Anfang und die erste Schule der Liebe zum Nächsten. Und wir betrachten mit Recht eine weise Liebe der zu ihren Kindern und eine dankbare, ehrfurchtsvolle Liebe der Kinder zu ihren Eltern (ebenso wie die wahre, selbstlose Liebe unter anderen Blutsverwandten) als eine himmlische Tugend.

Aber bei alledem ist die Familienliebe nur ein kleiner Anfang dessen, was wir in Gottes Lebens- und Liebeschule erreichen sollen. Und wer hier in dieser Schulklasse stehen bleibt, der verfehlt die vom Herrn und Meister mit uns verfolgte Absicht der vollen Reifung und Vollendung.

Ja es können sich die Triebe der Familienliebe, wenn sie übersteigert werden, geradezu in verhängnisvoller Weise auswachsen. Sie können besonders im Verhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern zu einer "Affenliebe" werden und zu einer Verzärtelung der Kinder führen, die in den Schriften mehrfach als ein großes Unheil bezeichnet wird. Auch schleicht sich im Gefolge solch übersteigerter Familienliebe bekanntlich leicht Habsucht, Geiz und eine kalte Hartherzigkeit gegen Fremde ein, so dass aus der Tugend schließlich ein wahres Laster wird. Daher hören wir den Herrn:

"Ich sage es euch allen: Eure Liebe zu euren Kindern brenne wie ein Licht, aber die Liebe zu den fremden Kindern armer Eltern sei ein großer Feuerbrand! Denn niemand in der Welt ist ärmer als ein armes, verlassenes Kind, ob Knabe oder Mägdlein. Wer ein solches aufnimmt in Meinem Namen und versorgt es leiblich und geistig wie sein eigenes Blut, der nimmt Mich auf. Und wer Mich aufnimmt, der nimmt auch den auf, der Mich in diese Welt gesandt hat und vollkommen Eins ist mit Mir. Wollet ihr Segen von Gott in eure Häuser ziehen und ihn wie ein wohlbestelltes Feld zur reichen Ernte erheben, so leget in euren Häusern Pflanzschulen für arme Kinder an. Aber so ihr arme, hungrige Kindlein von euch weiset und sie obendrein noch angrollt, wird der Segen von euren Häusern weichen wie der sterbende Tag vor der ihn rasch verfolgenden Nacht."

Art- oder Rassenliebe

Eine zu enge Begrenzung der Nächstenliebe ergibt sich aus göttlichen Gründen nicht selten auch durch die Behauptung, dass nur der Volks- und Rassegenosse unser Nächster im Sinne der Schrift sei und dass wir mithin nur ihm eine gleiche Liebe schulden wie uns selbst. Heutzutage wird ja viel über die Bedeutung des Rassenbluts des Menschen geschrieben. Es gibt Biologen und Philosophen, die auf diese physischen Unterschiede unter Menschen und Völkern einen bedeutenden Wert legen. Was ist vom Standpunkt der Neuoffenbarung von diesen Anschauungen zu halten?

Im "Großen Evangelium" (Bd. 1, 114) finden wir zu dieser Frage ein interessantes Gespräch zwischen Nathanael, dem "echten Israeliten, in welchem kein Falsch ist" und Judas Ischarioth. Es heißt dort:

"Da sagte Nathanael, der gewöhnlich wenig und sehr selten sprach, zu Judas: "In dir wohnt der Geist Kains, verstehst du mich? Und dieser Geist bessert sich auf dieser Erde nicht. Denn der Geist Kains ist die Welt, und von der ist keine Besserung zu erwarten!"

Sagte Judas: "Ja, ja, ja, was du immer mit deinem alten Geiste Kains hast! Wo ist Kain und wo sind wir? Das Geschlecht ging unter. Nur Noah allein blieb, und in dessen Nachkommen ist kein Tropfen des Blutes Kains mehr, sondern das reine Blut der Kinder Gottes rollt in unseren Adern. Wo aber das Blut rein ist, da ist auch der Geist rein! Denn der Geist des Menschen entstammt allzeit seinem Blut, und so ist der Geist auch stets dem Blut gleich rein!"

Sagte Nathanael: "Das ist ein alter, mir nur schon zu bekannter Unsinn und gilt bei mir nichts. Gehe zu den Sadduzäern, dort kannst du damit Aufsehen machen! Bei uns aber ist das Blut eine faule Materie und der Geist ist und bleibt für ewig Geist. Was nützt dir aber dein Gotteskinderblut, so in selbem ein unreiner Geist wohnt, wie es in dir der Fall ist! Verstehst du mich?"

Wir wissen aus den Lorberwerken, dass der Mensch eine Dreieinheit ist, bestehend aus Geist, Seele und Leib. Dabei ist das grundsätzlich und endgültig Bestimmende der göttliche Geist — das Wandelbare und zur Vollendung Bestimmte die Seele — das Vergängliche der Leib.

Es wird sonach das aus der Materie und deren Quintessenz, dem Blut aufgestiegene Seelisch-Leibliche des Menschen und somit die Rasseherkunft für die Bewertung der Gesamtpersönlichkeit zwar von Bedeutung sein. Aber wir werden uns auch darüber klar sein müssen, dass jeder Menschenseele, auch der dem Leibe nach dunkelhäutigen, ein göttlicher Geistfunke aus dem Herzen Gottes eingepflanzt ist, durch den auch die Seele des Morgenländers, Inders oder Chinesen usf. so gut wie diejenige des reinrassigen Germanen zur vollen Gotteskindschaft berufen ist. Denken wir nur z.B. an den armenischen König Abgarus oder an die Chinesin Chancha (in "Bischof Martin"), die, obwohl nichtarischen Geblüts, den höchsten Gipfel der Vollendung durch Demut und Liebe erreichen konnten!

Diese Erwägung wird uns davor bewahren, etwa nur in den germanischen Rassegenossen unsere Brüder und Nächsten zu sehen und die anderen Mitmenschen hochmütig und lieblos auf die Stufe minderen Wertes zurückzusetzen. Jede Rasse hat ihre Vorzüge und Mängel. Zeichnet sich die sogenannte Nordrasse durch Heldensinn aus, so neigt sie andererseits gerade durch ihr Hoheitsgefühl in bedeutendem Maße zu Hochmut, Herrsch- und Streitsucht, einem Grundübel aus dem Herzen Luzifers. — Und bemerken wir an den Südrassen mit Missfallen oft satanische Tücke, Wollust und Grausamkeit, so finden wir bei ihnen andererseits auch nicht selten eine große, feurige Glut wahrer Gottesliebe und Glaubensinbrunst. Und wenn wir gerecht abwägen, ob durch die Kultur der Nordrasse oder durch die Kulturen der übrigen Menschengeschlechter mehr Glückseligkeit und größere Ewigkeitswerte geschaffen worden sind, dann wird die Entscheidung gewiss schwer sein. Denn es ist hier kein Unterschied, sagt Paulus: "Sie sind allzumal Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollten". Und der Herr selbst spricht: "Niemand ist gut als der alleinige Gott".

Erheben wir uns also nicht in dünkelhaftem Rassenhochmut über unsere Brüder und Schwestern von anderer Hautfarbe! Vor Gott gilt kein äußeres, leibliches Merkmal, sondern allein nur die Reinheit unserer Gottes- und Nächstenliebe. So sei es unser Streben, mit der Liebe unseres Herzens alles zu umfassen, was Menschenantlitz trägt und unser himmlischer Vater zu seinem Ebenbilde reifen will.

Feindesliebe

Auch unseren Feinden sollen wir nur mit Liebe begegnen. In einer beispiellos gewaltsamen und selbstsüchtigen Welt erschallen die unvergänglichen Flammenworte der Bergpredigt:

"Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde! Segnet die euch fluchen! Tut Gutes denen, die euch hassen! Bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen — auf dass ihr euch als Kinder eures himmlischen Vaters erweiset. Denn Er lässt seine Sonne über Böse und Gute aufgehen und lässt über Gerechte und Ungerechte regnen. Wenn ihr die liebt, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn haben? Tun das nicht auch die Zöllner? Und so ihr zu euern Brüdern freundlich seid, was tut ihr da Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden? Darum sollt ihr auch hierin vollkommen sein wie euer Vater im Himmel."

Ein wahres Friedensreich kann ja ohne diese Engelstugend weder auf Erden noch in den Himmeln gedacht werden. Denn die Grundwurzel des Bösen wird nur durch diese tiefste Liebeskraft erfasst und getilgt. Daher hat der Herr in die fünfte Bitte seines Gebets die Feindesliebe besonders eingeflochten mit den Worten: "Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern". Und auch in den Schriften des neuen, durch Jakob Lorber ergangenen Gotteswortes wird diese höchste Form der Nächstenliebe mit eindringlichem Ernst gepredigt. Wir erfahren auch hier die weisen Gründe, weshalb gerade die Geduld und Sanftmut gegenüber den Feinden die Himmelsfrüchte des Friedens zeitigt.

"Es versteht sich von selbst", sagt der Herr, "dass man Räuber und Mörder einfangen und in Zwinger tun muss. Denn Menschen dieser Art sind gleich den wilden, reißenden Bestien, die als Ebenbilder der Hölle bei Tag und Nacht auf Raub lauern. Auf solche eine gerechte Jagd zu machen ist sogar eine Pflicht der Engel im Himmel. Aber vernichten soll sie niemand, sondern sie in die Zwinger tun und sie da sänften und zähmen! Nur bei einer gewaltsamen Gegenwehr sollen sie verstümmelt und bei hartnäckigem Widerstand auch getötet werden. Denn da ist eine tote Hölle besser als eine lebendige.

Aber wer immer einen Dieb, Räuber oder Mörder im Zwinger noch weiter richtet und tötet, der wird von Mir einst mit zornigen Augen angesehen werden. Denn je schärfer die Menschen ihre Übeltäter richten und strafen, desto grausamer, vorsichtiger, heimlicher und hartnäckiger werden die noch in Freiheit befindlichen Übeltäter sich gestalten. Wenn sie dann in ein Haus bei Nacht einbrechen, so werden sie nicht nur alles nehmen, sondern auch alles ermorden und vertilgen, was sie irgend verraten könnte.

Nimm aber das scharfe Gericht hinweg und gib allen Menschen den weisen Rat, dass sie dem, der einen Rock verlangt, auch den Mantel hinzugeben sollen, so werden zwar die Diebe auch kommen und von euch dieses und jenes wegnehmen, aber rauben und morden werden sie nicht.

So aber die Menschen aus Liebe zu Mir und aus wahrer Liebe zu ihren Brüdern und Schwestern nicht mehr die vergänglichen Güter dieser Erde zusammenhäufen, sondern einfach und schlicht einhergehen wie Ich, dann würde es auch bald weder Diebe noch Räuber und Mörder geben.

Wer da meint, durch strenge Gesetze und verschärfte Gerichte werden am Ende die Übeltäter ausgerottet, irrt gewaltig! Die Hölle hat daran noch nie einen Mangel gehabt. Was nützt es dir, einen Teufel zu töten, wenn darauf die Hölle an die Stelle eines Getöteten zehn schickt, von denen einer ärger ist, als es zehn der ersten Art gewesen wären? Wenn der Böse, so er kommt, wiederum Böses findet, so ergrimmt er und wird zum Satan im Vollmaß. So er aber kommt und findet nichts denn Liebe, Sanftmut und Geduld, da steht er von seiner Bosheit ab und zieht weiter.

Segnet daher lieber eure Feinde, als dass ihr sie fanget, richtet und in die Zwinger sperrt, so werdet ihr glühende Kohlen über ihren Häuptern sammeln und sie unschädlich machen für euch. Mit Liebe, Sanftmut und Geduld kommt ihr überall fort. So ihr aber die Menschen, die trotz ihrer Blindheit am Ende dennoch eure Brüder sind, richtet und verurteilt, werdet ihr statt des Segens des Evangeliums nur Fluch und Zwietracht streuen unter die Menschen der Erde!"

Feindesrache

Sehr aufschlussreich und in der Frage der Feindesbehandlung auch die folgenden Ausführungen aus dem "Großen Evangelium":

"Wer da glaubt, dass er sich seines Feindes entledigt hätte, so er dessen Leib tötete, ist mit zehnfacher Blindheit geschlagen. Denn dadurch erst hat er sich aus einem schwachen Feinde, den er sehen konnte, tausend unsichtbare gemacht, die ihn Tag und Nacht verfolgen und ihm Schaden zufügen an Leib, Seele und Geist.

Siehe an einen Krieg, durch die nicht selten viele Tausende dem Leibe nach getötet werden. Der Sieger meint, er habe sich seiner Feinde entledigt, so er sie seiner blinden Idee nach leiblich vernichtet hat. Aber wie groß irrt er da! Die Seelen und Geister der Getöteten verheeren mehrere Jahre hindurch zufolge ihres unmittelbaren Einflusses auf die Witterung der Erde die Fruchtsaaten jeder Art und Gattung und rufen da durch Teuerung der Nährmittel hervor. Diese verursacht Hungersnot und dadurch allerlei tödliche Seuchen, die in kurzer Zeit mehr Menschen hinwegraffen, als der Krieg getötet hat. So in seiner Macht geschwächt, muss der Herrscher, um zu bestehen, Krieger um teuren Sold anwerben und verschuldet so sein Land. Das Volk, von zu großer Not gedrückt, wird sich bald wider ihn erheben. Auch die äußeren Feinde werden diese Gelegenheit nicht unbenützt lassen und werden sich aufmachen wider ihn. Und er, der gefeierte Sieger, wird in einem solchen Kampfe nimmer als Sieger gekrönt werden, sondern die Verzweiflung wird ihn erfassen und bis in seine innerste Lebensfiber zerfleischen. Und siehe, das alles ist eine Wirkung der dem Leibe nach getöteten Feinde!

Darum ist es eine uralte Regel, dass sich mit einem dem Leibe nach Sterbenden alle ihm Nächststehenden versöhnen und sich von ihm segnen lassen. Denn stirbt er als jemandes Feind, so ist der zu beklagen, der ihn als Gegner überlebt. Denn fürs erste wird die freigewordene Seele des Überlebenden Gemüt ohne Unterbrechung in Gestalt von quälenden Gewissensbissen martern, und fürs zweite wird sie alle irdischen Umstände des Überlebenden so leiten, dass dieser nicht leicht wieder auf einen grünen Zweig kommen wird.

Der Herr aber lässt solches alles darum zu, dass den beleidigten Seelen die verlangte Genugtuung geschehe. Auch weil es für den Überlebenden besser ist, wenn er auf dieser Materienwelt für seine Hochmutstaten gepeinigt wird, als so er nach seines Leibes Tode sogleich in die Hände feindlicher Geister geriete, die mit ihm als einem in jener Welt noch gänzlich Unerfahrenen sicher nicht freundlich umgehen würden.

Darum ist es überaus nötig, auf dieser Welt Liebe und wahre Freundschaft zu üben und einem Feinde lieber Gutes als Böses zuzufügen und den zu segnen, der mir flucht. Denn ich kann nicht wissen, wann der Herr ihn von dieser Welt abrufen wird!

David war von seiner Kindheit an ein Mann nach dem Herzen Jehovas. Aber er hatte einen Menschen, den Urias, wider den Willen des Herrn sich zum Feind gemacht, und wie schwer hat sich dann mit Zulassung des Herrn des Urias Geist an David gerächt. Das aber bleibt stets die unausbleibliche Folge einer feindlichen Handlung an einem Menschen wider den Willen Gottes.

Ganz anders ist es freilich, so dich der Herr selbst dazu beheißt, wie Er den David gegen die Philister beheißen hat, schon des Satans gewordene Gottes- und Menschenfeinde mit kriegerischer Gewalt zu schlagen und irdisch zu vernichten!

Diese fallen jenseits sogleich in ein hartes Gericht und können sich wider den Gottesarm nicht erheben. Denn sie werden von des Herrn Macht gedemütigt." (GEJ 01, 79, 7-14)

Notwehrrecht

Die Lehre der Feindesliebe und der Vergeltung des Bösen mit Gutem fordert wieder den Widerspruch wehrhaft gesinnter Menschen heraus. Und auch dem Herrn entgegnete der spätere Schwertträger Petrus:

"Ich sehe wohl ein, dass in diesem von Dir zur Ausübung befohlenen Verhalten die Nächstenliebe die wahre, himmlische Form annimmt. Aber da kommt mir doch so manches noch ungerade vor, weil dadurch die Notwehr ganz beiseite gesetzt wird. Man kann wohl die Sanftmut beachten gegen Menschen, die es in ihrer Bosheit gegen andere nicht zu weit treiben, aber gegen Menschen, die zu wahren Erzteufeln geworden sind, sollte Deine göttliche Lehre Ausnahmen machen.

Es würde mir gerade nichts machen, dem, der mir bei einer Gelegenheit eine mäßige Ohrfeige versetzt hat, auch den andern Backen hinzureichen, damit Friede und Einigkeit zwischen uns würde. Aber was dann, so mein Gegner mich mit seiner ersten Ohrfeige schon beinahe totgeschlagen hat? Soll ich da nicht lieber zur Gegenwehr schreiten, so mir diese in irgendeiner Art möglich wäre, als mich von solch einem zornigen Simson ganz totschlagen zu lassen?"

Dem Petrus erwidert der Herr; "Es ist ganz klar, dass man einem erzbösen Menschen durch eine zu große Gegenfreundschaft nicht noch mehr Gelegenheit verschaffen soll, dadurch in seiner Bosheit zu wachsen und noch ärger zu werden als er vorher war.

In diesem Fall wäre eine fortgesetzte Nachsicht nichts anderes als eine Hilfeleistung für des Feindes wachsende Bosheit. Dafür aber habe Ich in dieser Welt zu allen Zeiten strenge Richter aufgestellt und ihnen das Recht erteilt, die zu schlecht und böse gewordenen Menschen, nachdem sie es verdient haben, zu züchtigen und zu strafen. Ich habe euch darum auch das Gebot gegeben, dass ihr der weltlichen Obrigkeit untertan sein sollt, ob sie sanft oder strenge ist. Wer demnach einen solchen argen Feind besitzt, der gehe zum Weltrichter hin und zeige ihm solches an. Und dieser wird dem schon erzböse Gewordenen seine Bosheit austreiben.

Geht das mit nur körperlichen Züchtigungen nicht, so geht es am Ende wirksam durch das Schwert. Und so ist es auch der Fall mit der Ohrfeige. Erhältst du sie von einem minder bösen Menschen, den eine plötzliche Aufwallung seines Gemütes dazu verleitet hatte, so wehre dich nicht, auf dass er dadurch besänftigt wird, und ihr werdet darauf leicht ohne Weltrichter wieder zu guten Freunden werden! Sei dessen sicher, dass Ich mit Meiner Predigt von der Nächstenliebe die Macht des Schwertes nicht im geringsten aufgehoben, wohl aber so lange hin gemildert habe, als die Feindseligkeit unter den Menschen nicht jenen Grad erreicht hat, den man den höllischen nennen kann."

Die Goldene Regel der wahren Nächstenliebe

Worin besteht nun aber die wahre Nächstenliebe? Wie bezeugt und betätigt sie sich?

Darüber ist in den Schriften der Neuoffenbarung mehrfach eine Norm aufgestellt, die man im Leben allgemein als die "goldene Regel" kennt und bewährt gefunden hat. Sie lautet nach den Worten des Herrn: "Die wahre Nächstenliebe besteht darin, dass ihr euren Nebenmenschen alles das tut, was ihr vernünftigerweise wünscht, dass sie im entsprechenden Falle auch euch tun möchten." Oder kürzer: "Was ihr wollt, dass man euch tue, das tut auch ihr den andern!"

Durch Vernunft und Erfahrung weiß ja ein jeder Mensch meist recht genau, was er selbst von seinen Mitmenschen billigerweise verlangen möchte. So ist denn mit dieser Regel in der Tat ein praktischer, leicht zu findender Maßstab geboten. Es würde in der Welt bald ganz anders aussehen als bisher, wenn diese Regel von jedermann angewendet würde.

Entsprechend dem, was wir selbst für uns erfüllt zu sehen wünschen, ist es unsere Liebespflicht, jedem Mitmenschen eine gerechte Freiheit zu lassen und jedem das Seinige zu geben in derselben Weise, wie auch wir solches für uns selber wünschen. Unbilligen, der Ordnung Gottes widersprechenden Ansprüchen ist dabei allerdings nicht Rechnung zu tragen. Das gerechte Maß des Freiheitlassens und Gehens aber werden wir im Lichte der Neuoffenbarung unschwer erkennen.

Im Folgenden sollen einige hier in Betracht kommende Hauptgesichtspunkte erörtert werden.






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Kapitel 41
Duldsamkeit

Eines der wichtigsten Grundgesetze im Lebensbereiche unseres himmlischen Vaters ist die Willensfreiheit. Denn nur durch die freie Willensentfaltung und die dadurch gewährleistete Erfahrung können die Geister, Menschen und Engel zu der von Gott als Ziel der Schöpfung aufgestellten Selbständigkeit der wahren Kinder Gottes gelangen.

Die Nächstenliebe erfordert daher in erster Linie, dass wir jedem Mitmenschen in leiblicher und geistiger Beziehung seine möglichste Freiheit lassen, soweit es mit der Ordnung Gottes vereinbar ist. Sehen wir doch, wie der himmlische Vater sich selbst und seinen Engeln bei unserer Führung die größte Zurückhaltung auferlegt:

Sein äußeres Offenbarungswort gibt Er uns nicht unmittelbar und in zwingender Form, sondern durch Menschenmund, vermischt mit Menschlichem und eingehüllt in irdische Sprache. Sein belehrendes inneres Wort ertönt nur ganz sanft im Kämmerlein des Herzens. Seine Führungen durchs Leben sind fast unmerkbar. Kurz, Er kommt zu uns nicht im Sturm und Feuer, sondern im "sanften Säuseln". Und in dem Lorberwerk "Die geistige Sonne" (Bd. 2, 105) lesen wir, wie Er auch unsere Schutzgeister eindringlichst belehrt, diese Grundsätze der Freiheit gegenüber ihren Schutzbefohlenen auf das strengste zu beobachten. "Keinem Geist oder Menschen darf irgend Gewalt angetan werden. Sein freier Wille, gepaart mit seiner Erkenntnis, bestimmt den Weg und die Art und Weise, wie er zu leiten ist."

Hauptpflicht der Nächstenliebe

Eine Hauptpflicht der Nächstenliebe ist demnach die geistige Duldsamkeit. Nirgends aber wird gerade dagegen mehr gefehlt als auf dem Glaubensgebiet. Viele Menschen meinen, der von ihnen erkannten Wahrheit dienen zu müssen, indem sie Andersdenkende bekämpfen, ja gegebenenfalls mit Mitteln der Gewalt sie überwältigen oder gar töten.

Wie sehr widerstreitet ein solcher unduldsamer Gewaltgeist dem Wesen der göttlichen Liebe! Nichts wäre der Gottheit — wenn sie dies wollte — leichter, als allen Menschen durch eine unverkennbare, machtvolle Offenbarung die richtigen Erkenntnisse sozusagen auf einen Schlag beizubringen. Aber was wäre dadurch für die Freiheit und Selbständigkeit und mithin für die wahre Vollkommenheit und Seligkeit der Menschen gewonnen? Nichts! Und darum mögen die geistig unduldsamen Gewaltmenschen es sich wohl überlegen, wieviel Schaden sie mit ihrem Vorgehen stiften und wie weit entfernt sie sich damit von der wahren, gottgefälligen Nächstenliebe befinden.

"Meine Lehre", spricht der Herr im "Großen Evangelium", "gibt euch die höchste Freiheit und kann darum nicht mit dem Schwerte und mit den Ketten finsterer Sklaverei verkündet werden. Denn was dem Menschen die höchste Lebensfreiheit verschaffen soll und wird, das muss er auch in vollster Freiheit erkennen und annehmen." (GEJ 08, 20, 3 ff.)

"Bedenkt daher allezeit, dass sich in der Liebe, Geduld, Sanftmut und Erbarmung die größte Macht und Kraft des Geistes offenbart. Könnet ihr einen Narren mit Liebe und Geduld nicht zurechtbringen, so werdet ihr mit Ärger und Zorn um so weniger dazu imstande sein. Es ist wohl notwendig, dass man dann und wann, wenn es sehr not tut, mit dem rechten Ernst auftritt, aber dahinter muss dennoch stets die Liebe mit dem Gewande des wahren Wohlwollens hervorleuchten. Ist das nicht der Fall, so ist der Ernst nichts als ein wirkungsloser Lärm, der viel mehr Schaden als Nutzen anrichtet.

Wo ihr aber leicht merket, dass ein Mensch zu tief in götzenhafter Torheit der Welt vergraben ist und für die Stimme der Wahrheit weder Ohr noch Herz hat, da wendet euch von ihm ab und habt mit ihm keine Gemeinschaft — außer es käme ein solcher Tor zu euch und verlangte euch zu hören, oder es fehlte ihm etwas und er möchte eine Hilfe von euch. So das vorkäme, dann stellt ihm mit vernünftiger und für ihn begreifbarer Rede seine Torheiten vor. Und hat er das angenommen, so lasset ihm dann auch die verlangte Hilfe zukommen. Aber mit der Hilfe geht ihm auch liebeernst die Mahnung, dass er in der Folge nicht mehr in der alten Torheit und Sünde verharren solle, denn da werde sein zweiter Leidenszustand ein noch viel ärgerer werden. Wenn ihr diesen Rat befolgt, werdet ihr in Meinem Namen leicht zu wirken haben und die besten Lebensfrüchte ernten.

Aber vor allem mache Ich euch noch einmal darauf aufmerksam, dass keiner von euch je aus den Schranken der wahren Liebe, Mäßigung, Geduld, Sanftmut und Erbarmung trete. Denn ein solcher Austritt würde nur zu bald Gegenhass, Verfolgung und Krieg zur Folge haben. Darum beachtet dies vor allem, so ihr statt des Segens nicht Zwietracht, Ärger, Zorn, Hass und Verfolgung unter den Menschen ausbreiten wollt!"

Nicht richten!

Aber nicht nur in Glaubenssachen, sondern überhaupt in jeder Hinsicht sollen wir uns lieblosen Richtens enthalten, wenn wir wahre Jünger dessen sein wollen, der gekommen ist "nicht dass Er die Welt richte, sondern dass die Welt durch Ihn selig werde". Dies ist mit großem Ernste an vielen Stellen der Neuoffenbarungsschriften ausgesprochen. So lesen wir:

"So du allerlei Sünder siehst, so richte und verdamme sie nicht! Denn sie sind es ja zumeist nicht, die da sündigen, sondern ein Geist, der sie treibt. Du kannst nicht wissen, von welch einem Geiste sie getrieben werden. Es gibt viele, die in ihrer Frömmigkeit leicht hochmütig werden und möchten mit Verachtung und Abscheu von ihrer vermeinten Tugendhöhe auf die Sünder herabblicken, wodurch sie dann unbewusst zu größeren Sündern würden als jene, die sie verurteilen. Da kommt dann ein Geist und treibt solche richterische Menschen zu irgendeiner Sünde an, und der stolze Tugendheld erfährt so an sich selbst, dass er noch lange kein Gott, sondern nur ein gewöhnlicher schwacher Mensch ist. Ein solcher Mensch wird dann wieder demütig und tut Buße, worüber er sich früher als vermeinter Tugendheld schon viel zu erhaben dünkte.

So soll denn niemand einen Sünder darob hassen, weil er ein Sünder ist. Ein jeder aber tut wohl und genug, so er allein die Sünde hasst und in seinem Tun und Lassen vermeidet. Nur einem hartnäckigen Bösewicht, der mit der Sünde eins geworden ist, sollst du die Hand nicht reichen! So er aber darum zu seiner Besserung in ein rechtes Elend gekommen ist, dann sollst du seiner gedenken. Und so von ihm eine Bitte an dich kommt, sollst du davor dein Ohr nicht verschließen. Und siehst du einen Missetäter zum Tode verurteilt, sollst du nicht Freude fühlen ob dessen traurigem Lose, und hätte er selbst an deinem Hause die Missetat begangen, derentwegen er nun zum Tode geführt wird. Denn siehe, es ist nicht unmöglich, dass auch ein solcher Missetäter selig werden kann in der andern Welt!

Liebe sei in allen Dingen das vorherrschende Element des Lebens eines jeden Menschen! Eine Gerechtigkeit, die nicht in der Liebe ihre Wurzeln hat, ist keine Gerechtigkeit vor Gott. Und wer sie als ein Richter ausübt, ist vor Gott ein größerer Sünder als jener, den er verurteilt. Und Gott wird ihn einst ebenso unbarmherzig richten, wie er seinen Nächsten gerichtet hat.

Darum richte und verdamme niemanden, und hätte er auch an dir noch so grob gesündigt, so wirst dereinst auch du nicht gerichtet und nicht verdammt werden. Denn mit welchem Maße da jemand misst, mit dem gleichen Maße wird ihm dereinst in der andern Welt wiedervergolten werden!" (GEJ 01, 174, 4 ff.)

Vom Türkehren

"Kehret allezeit nur vor eurer eigenen Haustüre und sehet nicht zuvor nach des Nachbars Tür, ob der Weg zu ihr schon gefegt ist! Erst wenn ihr den Weg vor eurer Tür gereinigt habt, dann könnet ihr auch zum Nachbar sagen: "Freund, siehe, ich habe meinen Weg schon gereinigt, du aber noch nicht. So du Zeit und Muße hast, da reinige denn auch den Weg zu deines Hauses Tür! Hast du aber ein anderes dringlicheres Geschäft, so lass es zu, dass ich auch deinen Weg rein mache!" Wenn dann dein Nachbar zu dir sagt: "Tue mir den Liebesdienst!" — dann kannst du den Weg vor deines Nachbars Tür reinigen. Doch zuvor reinige den deinen!"

Falscher Tugendstolz. — Gleichnis vom lieblosen Klausner

"Siehe, es ging in der Nacht eine Maid geringen Standes. Sie war irgendwo in Geschäften ihrer Herrschaft, verspätete sich aber so sehr, dass sie auf dem Rückweg von der Nacht eingeholt wurde. Auf halbem Wege trifft sie ein Haus, in dem ein frommer Einsiedler wohnt, der des Reiches Gottes wegen ein sogenanntes strenges Leben führt. Die schon in stürmischer Nacht ankommende Maid pocht an des Klausners Tür und bittet um Einlaß und Herberge die Nacht hindurch. Der Klausner geht hinaus und sieht, dass die Flehende eine Maid ist, durch deren Eintritt seine Hütte verunreinigt werden könnte. Darum spricht er von heiligem Eifer ergriffen: 'Betritt, du unreines Wesen, meine gottgeweiht reine Hütte ja nicht, denn sie würde unrein durch dich! Ziehe weiter und gehe hin, von wo du gekommen bist!' Mit diesen Worten schließt er die Türe und überlässt leichten Gemütes die weinende Maid ihrem herben Lose.

Nach einer Stunde aber kommt dieselbe Maid, vom Sturme übel zugerichtet, zum Hause eines verrufenen Zöllners, der vor den Augen des reinen Einsiedlers ein großer Sünder ist und dem man denn auch den Beinamen 'ordnungsloser Lump' gegeben hat. Dieser sündige 'Lump' zündet schnell eine Fackel an und eilt der jammernden Maid entgegen. Und als er sie hinkend und weinend findet, tröstet er sie, führt sie in sein Haus, reicht ihr Speise und Trank und bereitet ihr ein gutes Lager. Am Morgen aber beschenkt er sie noch, besorgt zwei Lasttiere und lässt sie so, sie begleitend, ihre noch ziemlich ferne Heimat gestärkt und wohlgemut erreichen.

Siehe, der Klausner ist ein strenger Büßer, lebt in einem sich selbst auferlegten Strafzwang und vermeidet alles sorgfältig, was irgend seine als rein geglaubte Seele nur im geringsten verunreinigen könnte, und meint, dass Gott an ihm schon ein großes Wohlgefallen haben müsse. Zugleich aber liegt ihm auch sehr daran, dass die Welt ihn für einen makellosen Heiligen halte, und das um so mehr, weil es von ihm allgemein bekannt ist, dass sein Gemach noch nie von einem weiblichen Fuß betreten ward. Natürlich trägt ihm solch sittliche Reinheit auch so manche Prozente in seine Hütte, die sicher in Abnahme kämen, könnte am Ende verraten werden, dass seine Hütte doch einmal durch den Fuß einer Maid verunreinigt ward.

Dem Zöllner aber ist das einerlei, ob die Welt schwarz oder weiß von ihm spricht. Sein Haus hält man stets für das unreinste, sodaß ein echter Jude es nicht betreten wird, weil er sich darin verunreinigen könnte. Daher handelt der Zöllner frei nach dem Drang seines Herzens und denkt sich: 'Bin ich schon ein großer Sünder voll Unlauterkeit, so will ich dennoch Barmherzigkeit üben, auf dass auch ich dereinst Barmherzigkeit vor Gott finden möge!'

Ich, der Herr, sage euch nun aber: Wer da nicht wird wie der Zöllner, wird in Mein Reich wahrlich nicht eingehen. Denn vor Mir gilt alle lieblose Sittenreinheit für ewig nichts! Ja, eine wahre innere Sittenreinheit mit der alles opfernden Nächstenliebe geht Mir über alles, nicht aber eine solche, wie wir sie hier beim Klausner sehen. Wer rein ist, der soll rein sein im Herzen vor Gott, aber die Welt soll nicht viel wissen davon. Denn wenn er sich von ihr loben lässt, wird er von Mir wenig Lob zu erwarten haben.

Am besten ist es, wenn der Mensch stets sagt: 'Herr, sei mir Sünder gnädig!', wenn er über niemand Arges urteilt, für seine Feinde betet und sogar noch jenen Gutes tut, die Übles von ihm reden oder ihm Übles zufügen. Wahrlich, wer das tut, der ist nicht nur rein vor Mir — und hätte er auch noch so manche Sünde auf sich, die ihn sein Fleisch dann und wann zu begehen nötigte — sondern er ist dabei vollauf Mein Bruder und mit Mir ein König der Himmel und aller ihrer Herrlichkeiten! Denn wird eines Menschen Fleisch oft auch von argen Dämonen gereizt, so wandelt aber dennoch seine Seele gleichfort in Meinem Geiste.

Ich sage daher euch allen: Was immer für Sünder und Sünderinnen in euer Haus hilfesuchend kommen, so sollt ihr ihnen nimmer die Türe weisen, sondern ihnen helfen, als hätten sie nie gesündigt. Und habt ihr ihnen geholfen, so sollet ihr dabei auch alles aufbieten, um die Sünder für die Zukunft zu bessern auf dem Wege der Liebe und der Weisheit, aber jener wahren Weisheit, die nur aus der Liebe hervorgeht!" (GEJ 02, 208 ff.)






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Kapitel 42
Dienet einander

Zur Erläuterung des Liebegebotes ist in der Neuoffenbarung mehrfach dargelegt, wie verschieden die Menschen in ihren von Gott verliehenen Fähigkeiten, Gaben, Erkenntnissen und Besitztümern sind und worin diese verschiedenartige Ausstattung ihren weisen Grund hat. Dadurch allein kann ein Mensch dem andern etwas bieten und ein gegenseitiges Dienen und Austauschen stattfinden. Dies aber ist zur Erweckung und Übung der Nächstenliebe und mithin zur wahren Vollendung der Wesen in der ganzen Schöpfung und nicht zum wenigsten unter den Menschen dieser Erde eine unerlässliche Bedingung.

"Sieh, der Herr hat die Menschen dieser Erde mit verschiedenen Fähigkeiten begabt, einige mit größeren und einige mit minderen. Aber keinem ist das Tor in den großen Tempel der Vollendung verschlossen, sondern einem jeden der Weg gegeben. Es kann sich demnach niemand beschweren und sagen: 'Herr, warum gabst Du denn nicht auch mir die Talente, deren sich mein Bruder im Vollmaße zu erfreuen hat?' Denn da würde der Herr zu ihm sagen: 'Fühlst du einen Mangel, so gehe zu deinem Bruder, und er soll dir aushelfen! Hätte Ich allen Menschen ein Vollgleiches gegeben, da hätte keiner gegenüber dem andern einen Mangel und der Bruder würde des Bruders niemals benötigen. Womit sollte dann die alles belebende Nächstenliebe im Menschen erweckt und gestärkt werden?'

Was wäre aber ein Mensch ohne die Nächstenliebe, und wie würde er ohne diese dann die reine Eiche zu Gott finden, ohne die an ein ewiges Leben der Seele gar nicht zu denken ist? Siehe, damit ein Mensch dem andern dienen und sich dadurch dessen Liebe erringen kann, muss er irgend etwas zu leisten imstande sein, was ein anderer nicht so leicht kann, weil ihm dazu die erforderlichen Talente mangeln. Dadurch wird dann ein Mensch dem andern zu einem Bedürfnis, durch den gegenseitigen Dienst die Liebe erweckt und durch das Gute solcher Dienstleistung stets mehr gestärkt. In der Stärke der Nächstenliebe aber liegt allezeit die innerste Offenbarung der reinen, göttlichen Liebe und in dieser das ewige Leben."

Die große Lebensaufgabe aller Gotteskinder

Überall in der ganzen Schöpfung ist daher Dienen die allgemeine Losung durch alle Sphären der Unendlichkeit,

"Eben darum", sagt der Herr im "Großen Evangelium", "bekommen auch die seligen Geister der höchsten Himmel eine Mir nahezu gleiche Kraft und Macht, um Mir und allen Menschen desto gediegenere Dienste leisten zu können. Und Ich selbst kam auch zu euch nicht darum, um aus euch Müßiggänger zu ziehen oder euch bloß für Ackerbau, Viehzucht und dergleichen mehr zu bilden, sondern um aus euch tüchtige Arbeiter für den großen Weinberg der Himmel heranzubilden. Meine Lehre an euch ist deshalb dahin abgezielt, euch selbst im Gebiete eures inneren Lebens wahrhaft zu vollenden. Und fürs zweite, dass ihr dann selbst als Lebensvollendete Mir schon hier und besonders einst drüben in Meinem Reiche die tüchtigsten Arbeiter abgeben möget.

Würde dies nicht Meine Endabsicht sein, und sagte Ich zu euch: 'Seid nur hier tätig, einstens drüben in Meinem Reiche werdet ihr dann bei bestem Saus und Braus in alle Ewigkeit vollauf ruhen können und alle die Herrlichkeiten Gottes bestaunen!', so müsste Ich selbst ein Tor sein. Ja, ihr werdet wohl Gottes Herrlichkeiten ewig anzustaunen haben, aber nicht ohne Tätigkeit! Denn an eurer Tätigkeit wird es eben liegen, die Wunder der Himmel zu mehren und sie stets herrlicher und göttlicher zu machen.

Ich will es, dass alle Meine Gedanken und Ideen durch euch, Meine Kinder, ins vollste Werk gesetzt werden: hier schon für Seele, Herz und Geist eurer Brüder und Schwestern, und jenseits in all die großen Wirklichkeiten von ihrer innersten geistigen Entstehungssphäre bis zu ihrer äußersten materiellen Ausbildung, und von da zur abermaligen Rückführung ins gemehrte, rein selbständig geistige, vollendete Leben. Und dazu, Freunde, wird eine große Tätigkeit erforderlich sein und eine ebenso allumfassende Liebe, Geduld, Weisheit und Kraft! …" (GEJ 04, 95, 4-7)

Aus diesen bedeutsamen, wahrhaft göttlichen Worten des Herrn ersehen wir überzeugend, warum auch im irdischen Leben des Menschen das tatkräftige Dienen einen wesentlichen Teil der Nächstenliebe bildet, und dass ein möglichst reiner, selbstloser Geist dabei das Wichtigste ist.

Höllisches und himmlisches Dienen

"Auch der Hölle arge Bewohner", lesen wir im "Großen Evangelium", "verstehen sich auf das Dienen — nur mit dem gewaltigen Unterschiede vom Dienen der Bewohner des Himmels: In der Hölle will im Grunde jeder bedient sein. Und dient schon einer dem andern, so ist das bloße Augendienerei, also ein allezeit höchst selbstliebig interessierter Scheindienst, wodurch einer den andern täuschen will, um ihn bei günstiger Gelegenheit desto sicherer unter seine Krallen zu bekommen und aus seinem Fall Vorteile für sich zu ziehen.

Sonach ist auch jeder mehr oder weniger eigennützige Dienst, den sich die Menschen gegenseitig erweisen, stets mehr mit der Dienerei der Hölle verwandt und kann unmöglich einen Wert vor Mir und Meinen Himmeln haben. Nur ein uneigennütziger Dienst ist auch ein rein himmlischer Dienst und hat vor Mir und vor Meinen Himmeln vollen Wert.

Wenn ihr euch sonach gegenseitig dient, dann dient euch in Liebe und wahrer Brüderlichkeit, wie solches in den Himmeln gang und gäbe ist! Wenn jemand einen Liebesdienst von euch erbittet, so verrichtet ihn in aller Freudigkeit und fraget nicht vor der Dienstleistung um den Lohn; denn solches tun auch die Heiden, die den wahren Vater im Himmel nicht kennen. So dir aber jemand einen guten Dienst erwiesen hat, sollst du auch nicht fragen: 'Freund, was schulde ich dir?' — sondern du sollst den dir geleisteten Dienst aus aller Liebe und Freudigkeit deines Herzens nach deinen Kräften bestens belohnen. Wird der, welcher dir den guten Dienst erwiesen hat, dessen gewahr, so wird er dich umarmen und sagen: 'Edler Freund, sieh, einen nur sehr kleinen Dienst habe ich dir geleistet und du belohnst mich dafür so groß! Ein Teil davon ist genug, und selbst den nehme ich nur als einen Beweis deines mir so teuren Bruderherzens an!'

Wenn der Dienstleister so zu seinem Dienstherrn reden wird aus dem lebenstiefen Gefühlsgrund, werden da Diener wie Dienstgeber nicht zu wahren Himmelsbrüdern werden? Ganz sicher! Und es wird eben dadurch das wahre Reich Gottes zu euch kommen und euch himmlisch beherrschen mit dem Zepter des Lichtes und aller Gnade." (GEJ 04, 99, 2-3)

Vom rechten Geben

Auch das rechte Geben ist eine himmlische Kunst und will gelernt sein, falls es uns nicht von Gott gegeben ist.

"Was du tust oder gibst, das tue und gib mit vielen Freuden!" spricht der Herr. "Denn ein freundlicher Täter und Geber hat einen Doppelwert vor Gott und ist der geistigen Vollendung auch ums Doppelte näher. Sein Herz gleicht einer Frucht, die leicht und früh reif wird, weil sie in sich eine Fülle der rechten Wärme hat, in der das Element des Lebens waltet. Ein sonst noch so eifriger Geber und Wohltäter ist von dem Ziel der geistigen Lebensvollendung um so entfernter, je unfreundlicher er beim Geben und Tun ist. Denn das saure Gebaren beim Geben hat noch materiell Weltliches in sich und ist darum vom rein himmlischen Elemente um vieles entfernter als das freudige und freundliche.

So sollst du beim Geben oder Tun auch nicht ernste und oft bittere Ermahnungen mitgeben. Denn diese erzeugen bei dem armen Bruder leicht eine Traurigkeit, und er fängt an, sich im Herzen sehr danach zu sehnen, von dem ihn stets ernster ermahnenden Wohltäter nichts mehr annehmen zu müssen. Den Wohltäter aber machen solche unzeitige Ermahnungen nicht selten ein wenig stolz und der Bewohltätigte fühlt sich dadurch tief entwürdigt und empfindet da erst recht seine Not. Und so ist das Nehmen bei weitem schwerer denn das Geben.

Wer Vermögen und einen guten Willen hat, der gibt leicht. Aber dem armen Nehmer wird schon bange, so er sich durch seine Armut genötigt sieht, dem noch so freundlichen Wohltäter zur Last fallen zu müssen. Wie schwer aber muss ihm erst ums Herz werden, so der Wohltäter ihm mit einem grämlichen Gesicht entgegentritt und ihm noch vor der Wohltat weise Lehren zukommen lässt, die für den Bewohltätigten in Zukunft zu schmerzlichen Hemmschuhen werden, im Notfall noch einmal vor die Türe des Mahnpredigers zu kommen.

Ein freundlicher Geber dagegen hat einen großen Vorzug vor dem grämlichen, weil er das Herz des Nehmers tröstet, erhebt und in dankbare Stimmung versetzt. Auch erfüllt es den Nehmer mit einem liebevollen und gedeihlichen Vertrauen gegen Gott, und sein sonst so schweres Joch wird ihm zu einer leichteren Bürde, die er dann mit mehr Geduld und Hingebung trägt als zuvor. — Ein freudiger Wohltäter ist einem notleidenden Bruder das, was dem Schiffer auf sturmbewegtem Meer ein sicherer und freundlicher Hafen."

Geiz — ein Vater aller Sünden

Mit scharfen Worten wird auch der Geiz getadelt:

"Geiz ist ein Vater aller Sünden! Zuerst geizt man sich ein großes Vermögen zusammen, und das durch jedes Mittel, nicht selten durch Betrug, Diebstahl und Raub. Ist man einmal reich, dann wird man hochmütig und herrschsüchtig. Man fängt an, sich zu verschanzen und dingt Diener und Knechte, dass sie jeden davon treiben, der sich unberufen der Wohnung eines groß gewordenen Geizigen nähert. Der Reiche kauft sich bald ein ganzes Land zusammen, wird zum förmlichen Herrscher, erpreßt oft alles Gut seiner Untertanen und behandelt sie wie ein echter Tyrann.

Ist der Geizige einmal übermäßig reich, wirft er sich allem sinnlichen Wohlleben in die Arme, treibt allerlei Schändlichkeiten. Und weil er ein Erster seines Landes ist, verführt er bald sein ganzes Volk durch sein schlechtes Beispiel. Denn dieses sagt: 'Der Herr muss es doch besser wissen als wir; tut er‘s, so können wir es auch tun!' Und so fängt endlich in einem Lande alles an zu stehlen und ein sittenloses Leben zu führen, und von einer Gotteserkenntnis ist keine Spur mehr.

Gehe hin in die Länder und Reiche der Erde, schlage nach in deren Chronik! Du wirst finden, wie zumeist deren Herrscher anfänglich geizende, gewinnsüchtige, gewöhnlich handeltreibende Menschen waren und sich mit ihren Schätzen mit der Zeit Länder und Völker durch allerlei Gewaltmittel dienstbar machten, ja sogar der untertan gewordenen Völker Sitten und Religionen derart umgestalteten, dass an ihnen kaum noch eine Spur der alten Reinheit zu entdecken war.

Darum habet acht, dass sich unter euch kein Geiz einschleiche! Es soll sogar eine übertriebene Sparsamkeit bei euch verpönt bleiben, da sie gewöhnlich der Keim des Geizes ist. Jeder habe so viel, wie er zum Leben nötig hat. Ein Mehr soll in eurem Hause bei niemandem sich finden!"

Vom Sparen

"Wer nur für sich allein und seine Angehörigen spart, der spart nicht in Meiner Ordnung. Wer aber spart, damit er etwas habe, um zur Zeit der Not auch für andere arme Brüder etwas zu haben, den lobe Ich und segne seine Ersparnisse und er wird niemals Not haben. Ich sage nicht, dass jemand nicht sparen soll für seine Kinder und sein Haus, denn es ist das jedes Elternpaares erste Pflicht. Aber es sollen dabei die fremden Armen nicht ausgeschlossen bleiben. Auch Ich lasse Meine Sonne ja in gleichem Maße über jene leuchten, die nicht Meine Kinder sind!

Wer da tun wird, wie Ich es tue, der wird dereinst auch dort sein, wo Ich ewig sein werde. Wer aber seinen Brüdern gegenüber knickert, dem gegenüber werde Ich sehr sparsam sein. Diese Lehre beachtet fortan in eurem Hause, so wird Mein Segen nie von euch genommen werden!"

Armut und Reichtum

Von der Armut sagt der Herr: "Es ist zwar die Armut eine große Plage für die Menschen, aber sie trägt den Keim der Demut und Bescheidenheit in sich und wird darum (als Demutsschule) auch stets unter den Menschen verbleiben. Dennoch aber sollen die Reichen die Armut nicht mächtig werden lassen, ansonst sie selbst sehr gefährdet werden hier und dereinst auch jenseits. Wenn ihr unter euch Arme habt, so braucht ihr ihnen nicht zu geben, dass auch sie reich würden. Aber Not sollet ihr sie nicht leiden lassen! Die ihr seht und kennt, denen helfet nach Recht und Billigkeit!

Wer von euch aber ein Freund der Armen sein wird aus vollem Herzen, dem werde auch Ich ein Freund und wahrer Bruder sein zeitlich und ewig. Er wird nicht nötig haben, die innere Weisheit von einem andern Weisen zu erlernen, sondern Ich werde sie ihm in aller Fülle in sein Herz geben. Ich werde selbst zu ihm kommen und Mich ihm treulichst offenbaren. Seinem Geiste, der die Liebe ist, werde Ich es sagen, und dieser wird damit erfüllen die ganze Seele und ihren Mund. Was der dann reden oder schreiben wird, wird von Mir geredet und geschrieben sein." (GEJ 04, 79, 3 ff.)

Vom rechten Reichtum der irdischen "Verwalter" Gottes wird gesagt: "Menschen, die durch ihrer Hände Fleiß reich geworden sind unter dem Einfluss der Gnade aus den Himmeln, sind eine gute und edle Frucht dieser Erde. Sie sind fortwährende Sammler für die Schwachen und Armen, erbauen stets neue Wohnstätten für die Obdachlosen und weben Kleider für die nackten Brüder und Schwestern. Daher wird auch ihr Lohn dereinst groß sein, denn sie tragen ja den höchsten Himmel schon auf dieser Erde in sich. Wenn dereinst ihre Seele den Leib verlassen wird, so wird aus ihrem Herzen der Himmel sich ausbreiten, gleich wie die aufgehende Sonne ihr Licht ausbreitet und prangt dann im großen Zentrum ihres allbelebenden Wesens.

Ja, Meine Freunde! Reich sein auf dieser Erde und für sich nur so viel verwenden, als man zur Erhaltung seiner selbst höchst nötig braucht, also karg sein gegen sich, um desto freigebiger gegen die Armen sein zu können, dies ist die größte Gottähnlichkeit schon im Fleische dieser Erde! Je größer diese echte und allein wahre Gottähnlichkeit bei einem Menschen ist, desto mehr Segen und Gnade fließt ihm stets aus den Himmeln zu!

Darum seid ihr, mit den Gütern dieser Erde reichlich Versehenen, freigebig gleich wie die Sonne am Himmel mit ihrem Licht, so werdet ihr auch sein und ernten gleich der Sonne!"

Von der Geldhilfe

Manches Gemüt wird von der Frage bewegt, ob es nach den Geboten der Liebe einem Jünger des Herrn gestattet ist, sein Geldvermögen auf Zinsen zu verleihen. In dem Lorberwerk "Die geistige Sonne" (Bd. 2, 84, 14) ist darüber gesagt:

"Wenn in einem Staate der Zinsfuß gesetzlich bestimmt ist, so ist es den Reichen erlaubt, nach diesem Zinsfuß die Zinsen zu nehmen.!"

Weiter wird aber im "Großen Evangelium" vom Herrn ausgeführt:

"Wer von euch viel des Geldes hat, der leihe es nicht stets nur denen, die ihm hohe und wucherische Zinsen und das Kapital zur bedungenen Zeit zurückzahlen können, sondern auch den Armen, die ihm weder Kapital noch Zinsen zurückerstatten können. Dann wird er sein Geld bei Mir guthaben, und Ich werde es ihm schon hier zehnfach und jenseits hundertfach zurückbezahlen. Wer aber sein Geld nur denen leiht, die ihm zur bedungenen Zeit Kapital und Zinsen zurückzahlen können oder in gewissen Fällen durch gerichtlichen Zwang zurückzahlen müssen, der hat seinen Lohn schon hier ganz genommen und hat von Mir keinen mehr zu erwarten. Denn er hat dadurch nicht Mir, sondern nur der Welt und sich selbst gedient.

Ihr werdet zwar sagen: 'So man jemandem, der in Not steckt, Geld auf Zinsen leiht, so ist das ja auch eine Wohltat. Dem Entleiher ist dadurch geholfen, er ist vielleicht ein reicher Mann geworden und kann dann leicht Kapital und Zinsen zurückerstatten. Der Darleiher aber hat wagen müssen, sein Geld im ungünstigen Fall zu verlieren.'

Dazu sage Ich: Wer einem Mitmenschen in der Not Geld darleiht gegen die gesetzlichen Zinsen, hat an ihm schon ein gutes Werk vollbracht, das auch in den Himmeln seine Würdigung finden wird. Es ist dann auch die Pflicht des Entleihers dem Darleiher nicht nur gewissenhaft das Entliehene samt den bedungenen Zinsen zurückzuerstatten, sondern so er viel gewonnen hat, soll er auch aus freiem Herzensantriebe den Gewinn mit dem Darleiher teilen, da er doch nur mit dessen Geld den Gewinn gemacht hat. Doch der Darleiher soll das nicht verlangen!

Wenn aber zu dem, der Geld zum Ausleihen hat, ein Armer kommt, von dem nicht zu erwarten ist, dass er eine geliehene größere Summe nutzbringend verwenden könnte, da ist von Mir aus kein Mensch verpflichtet, solch einem Armen verlangtes Geld zu leihen. Darum, weil er auf diese Weise mutwillig sein Geld, ohne damit wirklich zu nützen, gleichsam wegwerfen würde und dem armen Entleiher nur Gelegenheit bereitet hätte zu allerlei Ausschweifungen. Solch ein Werk wäre sonach nicht gut, im Gegenteil, wennschon gerade nicht schlecht, so doch sehr dumm zu nennen — was weder Meiner Liebe und noch weniger Meiner Weisheit angenehm sein könnte.

Anders ist es jedoch, so ein armer Mann, von dem ihr wisst, dass er mit dem Geld wohl umzugehen versteht und nur durch widrige Zufälle arm geworden ist, von euch eine Summe Geldes leihen wollte. Dem sollt ihr, was in euren Kräften steht, nicht vorenthalten, auch ohne Zinsen und ohne sichere Zuversicht, das dargeliehene Kapital je wieder zu erhalten. Hat der Mann das Geld gut verwendet, so wird er als euer Bruder auch wissen, was er danach zu tun haben wird; denn er hat dieselben Verpflichtungen gegen euch wie ihr gegen ihn.

Sollte er das Entliehene jedoch nicht mehr zurückerstatten können, so sollt ihr ihm darum nicht gram werden oder euer Guthaben bei seinen Nachkommen suchen, denn dies wäre hart und gänzlich wider Meine Ordnung. Sind aber die Nachkommen, besonders die Kinder oder die ersten Enkel zu Vermögen gekommen, so werden sie sehr wohl und Mir wohlgefällig daran tun, jene Schuld zu tilgen, die ihr armer Vater oder Großvater bei einem Menschenfreunde gemacht hat. Geschieht das, so wird der Menschenfreund dann schon wissen, was er mit solch einem Geld aus Liebe zu Mir und zum Nächsten zu tun haben wird!"

"Ich sage euch: Was die pure Weltklugheit tut, das verschlingt der Boden der Erde und für den ewigen Himmel bleibt nichts übrig. Was aber die Liebe tut auf Erden, das ist auch im Himmel getan und bleibt ewig." (GEJ 01, 58, 4 ff.)






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Kapitel 43
Liebe und Weisheit

In allen Lebenslagen ist die wahre Nächstenliebe durch eine vernunftvolle, Zweck und Mittel wohlerwägende Weisheit bedingt. Gott selbst vereinigt ja mit seiner unermesslichen Liebe ebenfalls die Weisheit, die Ordnung und den Ernst in der vollkommensten Weise.

Eine vernunftlose Liebeverschwendung oder ein übermäßiges "Gutsein" und Gewährenlassen ist daher ebensowenig nach Gottes Willen wie eine wortreiche aber tatlose Gefühlsschwärmerei.

Wir haben dies schon früher (Kap. 40) hinsichtlich der Feindesbehandlung und der Schwertmacht erörtert. In "Jugend Jesu" wird über die rechte Behandlung der Übeltäter gesagt: "Wer Böses tut und kennt es nicht, der soll belehrt werden. Desgleichen auch der, der es tut in der Not. Wer aber das Gute kennt, tut aber dennoch aus eitel Mutwillen Böses, ist ein Teufel und muss mit Feuer gezüchtigt werden!" (Kap. 252, 20 ff.)

Folgende Szene aus dem "Großen Evangelium" zeigt, dass der Herr aus den genannten Gründen sehr scharf gegen den Missbrauch der Nächstenliebe vorgehen konnte. Bei der Herberge des Herrn hatten sich einst zwei sogenannte Professionsbettler niedergelassen. Zu ihnen sagte der Herr:

"Es ist nicht fein von euch, hier zu betteln, denn ihr habt keines Almosens vonnöten. Ihr habt Häuser und Gründe in der Nähe von Samaria um teures Geld verpachtet und habt dann das Geld mit Wucher in die Wechselbank gelegt. Ihr seid reiche Leute geworden und bettelt nun in armer Kleidung auf fremdem Boden, auf dass ihr eure Wucherzinsen erspart und entzieht dabei den wahren Armen dieser Gegend das ihnen Gebührende. Habt ihr denn als Juden nicht aus dem Gesetze vernommen, dass man Gott über alles und seinen Nächsten wie sich selbst lieben soll? Heißt das aber nach dem Gesetz handeln, wenn man so tut wie ihr? Erhebt euch von diesem Platze, ihr Heuchler und Betrüger, sonst soll es euch übel ergehen!

Nur wer wahrhaft arm und wegen hohen Alters oder Lähmung seiner Glieder oder Sinne oder aus sonst triftigen Gründen keiner Arbeit oder keines Erwerbs mehr fähig ist, der hat von Gott aus das Recht, die Barmherzigkeit seiner reicheren Mitmenschen in Anspruch zu nehmen. Und wer einem solchen etwas gibt, dem wird es Gott auch vergelten. Dem Beteilten wird Er die Gabe segnen und ihm auch den Lohn geben für seine Geduld, mit der er seine wahre Armut erträgt. Und so Gott zwar auch dem, der in seiner Unwissenheit euch irgendein Almosen verabreicht hat, seine Barmherzigkeit belohnen wird, so wird Er aber euch als Betrüger und Heuchler um so schärfer züchtigen hier und jenseits. … Ihr aber seid noch besonders strafbar, weil ihr hier den wahren Armen dieser Gegend das ihnen Gebührende entzieht. Hebet euch alsbald von hinnen, sonst sollt ihr die Macht dessen kennenlernen, der nun solches zu euch geredet hat!" (GEJ 08, 159, 11 ff.)

Gottesliebe, Nächstenliebe und Selbstliebe

Die Selbstliebe, welche in gerechtem Maße auf Bestand und Erhaltung des eigenen Lebens und Wohlseins aus ist, ist von Gott keineswegs verworfen. Es lautet ja auch das Gebot des Herrn nicht: "Liebe auch deinen Nächsten ebenso wie Gott über alles" — sondern "wie dich selbst!"

Der Mensch wie jedes andere Lebewesen muss in gerechtem, der Gottesordnung entsprechendem Maße auch auf sein eigenes Leben und Fortbestehen bedacht sein. Dies ist als Lebenserhaltungstrieb vom Schöpfer in jedes Geschöpf gelegt, sonst würde sich alles Bestehende auflösen. Alle die zahllos vielen, vom Schöpfer in den verschiedenen Wesen geschaffenen "Lebenssammelpunkte" würden ohne diesen Naturtrieb vergehen und schließlich die ganze Schöpfung sich in ihre Urlebensfunken zersplittern.

So wird denn gesagt: "Da eines jeden Menschen Eigenliebe so viel als sein Eigenleben selbst ausmacht, versteht sich im gerechten Grade die natürliche Eigenliebe von selbst. Denn keine Eigenliebe haben, hieße so viel wie kein Leben haben."

Es handelt sich hier nur, den Unterschied zwischen der gerechten und der ungerechten Eigenliebe zu erkennen. — "Gerecht ist die Eigenliebe, wenn sie nach den Dingen der Welt kein größeres Verlangen hat, als was ihr das Maß der göttlichen Ordnung zuteilt, welches Maß in dem siebenten, neunten und zehnten Gebote Mosis hinreichend gezeigt ist. Verlangt die Eigenliebe über dieses Maß hinaus, so überschreitet sie die bestimmten Grenzen der göttlichen Ordnung und ist Sünde." (Geistige Sonne, Bd. 2, 103, 2 ff.)

Das rechte Verhältnismaß

kommt im "Großen Evangelium" durch ein höchst aufschlussreiches Gespräch zwischen dem Herrn und dem Jünger Judas zum Ausdruck.

Hier erklärt Judas: "Es ist dem Menschen unmöglich, alle Selbstliebe fahren zu lassen. Er muss doch essen und trinken und sich um Wohnung und Kleidung umsehen. Und das geschieht doch auch aus einer Art von Selbstliebe! Man nimmt sich ein liebes Weib und will es allein für sich haben, und wehe dem, der es wagte, seines Nächsten Weib zu begehren! Und das wird doch sicher auch eine Art Selbstliebe sein? Ferner, wenn ich einen wohlbearbeiteten Grund habe, und es kommt die Zeit der Ernte, werde ich wohl nun aus gänzlichem Mangel an Selbstliebe zu meinen Nachbarn hingehen und sagen: 'Meine Freunde, gehet und erntet, was auf meinen Feldern gewachsen ist, denn ich habe als der Geringste unter euch und als euer aller Knecht nur für euch gearbeitet!' Ich meine, da sollte die so hochgestellte Selbstverleugnung doch eine bestimmte Grenze haben! Wie weit darf also des Menschen Eigenliebe gehen?"

Darauf erwiderte der Herr: "Ich will dir denn ein Maß geben, nach welchem du und ein jeder wissen mag, wie er mit der Eigenliebe stehen soll, wie mit der Liebe zum Nächsten und wie mit der Liebe zu Gott.

Nimm die Zahl 666, die in guten und schlechten Verhältnissen entweder einen vollendeten Menschen oder einen vollendeten Teufel bezeichnet. Teile die Liebe im Menschen gerade in 666 Teile. Davon gib Gott 600, dem Nächsten 60 und dir selbst 6, so hast du das Verhältnis des vollendeten Menschen! Willst du aber ein vollendeter Teufel sein, dann gib Gott 6, dem Nächsten 60 und dir selbst 600!

Siehe, die rechtschaffenen Knechte und Mägde sind es, die die Felder ihrer Herrschaft bearbeiten. Nach deiner Ansicht sollten sie denn auch die Ernte nehmen, weil sie durch ihren Fleiß und ihre Mühe geworden ist. Aber sie tun diese in die Scheunen ihrer Herrschaft und haben große Freude daran, so sie zu ihrer Herrschaft sagen können: 'Herr, alle deine Scheunen sind bereits voll, und noch ist die Hälfte auf dem Felde! Was sollen wir da tun?' Und ihre Freude wird größer, so der Herr zu ihnen sagt: 'Ich lobe euren großen und uneigennützigen Fleiß und Eifer. Geht und bringt Bauleute her, dass sie mir Vorratskammern in kürzester Zeit erbauen und ich des Feldes Segen aufbewahre für Jahre, die an Früchten vielleicht weniger gesegnet sein möchten als dieses war!'

Sieh, nichts gehört in diesem Falle den Dienstleuten, sie haben keine Scheunen und Vorratskammern, und doch arbeiten sie um einen geringen Lohn, als gelte es für ihre Scheunen; denn sie wissen, dass auch sie nicht Not zu leiden brauchen, wenn der Herr alle Vorratskammern voll hat. Und siehe, im Tun eines rechtschaffenen Dienstboten liegt das ganze Verhältnis jedes wahren Menschen zu sich, zum Nächsten und zu Gott.

Der wahre Dienstbote sorgt für sich 6-fach, für seine Dienstgefährten, damit sie ihm wohlwollen, 60-fach und für seinen Dienstherrn 600-fach. Und dadurch sorgt er, ohne es zu wollen, dennoch 666-fach für sich. Denn die Nebendiener werden ihrem Gefährten, bei dem sie die wenigste Selbstliebe merken, am meisten wohlwollen und der Dienstherr wird ihn bald über alle setzen. Aber einen Diener, der nur für seinen Sack sorgt, bei der Arbeit gerne der letzte ist und seine Hände nur an die leichteste Arbeit legt, den werden seine Gefährten mit scheelen Augen ansehen, und sein Dienstherr wird es wohl merken, dass der selbstsüchtige Diener ein fauler Knecht ist. Er wird ihn daher nie über seine Dienerschaft setzen, sondern ihm den Lohn vermindern und ihn zu unterst am Speisetisch setzen. Und wird sich dieser selbstsüchtige, faule Knecht nicht bessern, so wird er mit schlechten Zeugnissen aus dem Dienste getan und schwerlich je wieder einen Dienst erhalten. So er aber noch einen einzigen Freund hat, dem er sich uneigennützig bewiesen hatte, so kann dieser ihn in seine Wohnung aufnehmen, wofür ihn der Herr nicht schmähen wird.

Ein jeder Mensch hat und muss einen gewissen Grad von Eigenliebe haben, ansonsten er nicht leben könnte. Aber, wie gezeigt, nur den möglichst geringen Grad. Ein Grad darüber hebt schon das reine Verhältnis auf. Und so ist die Sache in der göttlichen Ordnungswaage auf ein Haar abgewogen! Nun sind dir die Grenzlinien gezeigt, und wir wollen sehen, wie du diese tatsächlich befolgen wirst."

Sagt Judas: "Dazu gehört aber viel tiefste Weisheit, um beurteilen zu können, ob man das genaue Maß mit der Eigenliebe getroffen hat! Wie kann der kurzsichtige Mensch das beurteilen?"

Sagt der Herr: "Er tue mit redlichem Willen das, was er kann; das Abgängige wird schon von Gott aus hinzugetan werden."

Der heiligende Zweck

Tief enthüllt die letzten Untergründe und das gesamte Wesen der Liebe auch folgendes Gespräch des Herrn mit einem andern Jünger namens Ahab. Einem wunderbaren Gleichnis von der Liebe eines selbstlosen und eines selbstsüchtigen Sohnes zur gemeinsamen Mutter fügte der Herr an: "Wer Mich nicht so wie der echte Sohn seine Mutter um Meiner selbst willen liebt, wird nicht dahin kommen, wo Ich sein werde. Der Mensch muss Gott lieben ohne Gewinnsucht, wie Gott ihn liebt, ansonsten er Gottes völlig unwürdig ist.

Hierauf erwiderte Ahab: "Das ist eine hohe und tiefe Wahrheit. Aber dennoch möchte ich dazu bemerken, dass es eine völlig uninteressierte Liebe wenigstens bei den Menschen nicht geben kann. Denn soviel ich über die Liebe nachgedacht habe, so geht diese Liebe, ist sie auch noch so rein, doch immer mehr oder weniger auf einen Raub aus.

Siehe, ich liebe Dich doch sicher so innig, als Dich nur je ein Mensch lieben kann; ja, so es möglich wäre, möchte ich Dich aus reiner Liebe ganz in mein Herz hineinziehen! Aber nun frage ich, ob ich das auch für irgendeinen anderen, ganz gleichgültigen Menschen fühlen kann? Ich muss gestehen — nein! Und warum nicht? Warum fühle ich das nur bei Dir?

Die Antwort gibt die Sache selbst: Ich weiß, wer Du bist, und was Du vermagst, und weiß nun auch, was ich durch Dich und die Beachtung Deiner Lehre erreichen kann. Und das ist denn auch der unbestreitbare Grund meiner heißen Liebe zu Dir. Denn wärest Du nicht das, was Du bist, so wäre meine Liebe zu Dir sicher bedeutend schwächer. Ich habe also an Dich und für Dich ein übergroßes Interesse, und darum will und liebe ich Dich!

Ich will nicht behaupten, dass ich Dich nun eines besonderen Gewinnes wegen liebe, denn ich verlasse ja alles auf der Welt um der Liebe willen zu Dir. Aber dennoch geht hier meine Liebe auf einen ganz besonderen Raub aus; denn sie hascht nach Dir, weil Du ihr mehr bist als die ganze Welt!

Es bestimmt stets der größere, entweder materielle oder geistige Wert den Zug der Liebe. Der Kaufmann, der Perlen suchte, verkaufte alles und kaufte die große Perle, die er fand. Warum denn? Weil sie viel mehr wert war denn alles, was er ehedem besaß. Es ist das freilich ein edles Interesse, aber es bleibt dennoch ein Interesse, und ohne das gibt es wenigstens beim Menschen keine Liebe. Wer mir von einer uninteressierten Liebe, die vielleicht höchstens in Gott Platz haben mag, etwas weismachen will, dem sage ich: 'Freund, du magst viel Weisheit haben, aber über den Punkt der Liebe hast du noch nie tiefer nachgedacht!'

Ja, die göttliche, wahre Liebe unterscheidet sich von der höllischen freilich ganz gewaltig darin, dass die göttliche Liebe zwar auch raubt, gleich der höllischen; aber sie gibt alles wieder her! Sie sammelt nur des Wiedergebens willen, während die höllische Liebe bloß für den eigenen Rachen raubt und nichts wiedergeben will.

Wenn wir uns aber die Liebe der Himmel aneignen, so wissen wir, dass wir dabei nie zu einem Verlust gelangen können, sondern nur in jeder Hinsicht desto mehr zu gewinnen haben, je mehr wir hergeben.

Wir gleichen da einer Grube, die ins Erdreich gegraben wird: je mehr Erdreich sie verliert, desto größer wird ihr innerer Raum zur Aufnahme des Lichtes und der himmlischen Luft. — Herr, ich meine, dass ich darin nicht unrecht habe. Was sagt Deine unendlich höhere Weisheit dazu?"

Sagt der Herr: "Nichts, als dass du darin vollkommen recht hast! Denn wäre die Liebe nicht ein Räuber so oder so, dann wäre sie keine Liebe. Alle Liebe begehrt und will haben. Aber im Zweck des Habens liegt ein unendlicher Unterschied. Und das scheidet Himmel und Hölle für ewig auseinander!"

Viel Wissen oder viel Handeln?

Ein Mangel am vernunftvollen Maß und im Grunde eine versteckte Art Selbstliebe ist auch das viele Lesen, Hören und Studieren mancher tatlosen Weisheitshelden und Worteiferer. Ihnen sagt der Herr:

"So jemand nur weniges weiß von Meiner Lehre, tut aber sogleich danach, der wird davon einen größeren und lebendigeren Nutzen haben, als wer zwar mit aller Ehrfurcht von Mir und Meiner Lehre spricht, sich aber nie zur Tat entschließen kann. Der erstere wird durchs Handeln nach dem wenigen, das er vernahm, das Vernommene in seiner Seele beleben. Es wird aus dem kleinen Samenkorn bald eine große Ernte des lebendigen Geistes erfolgen, die keine böse Macht je mehr zu zerstören imstande ist. Der zweite Lobredner Meiner Lehren dagegen wird, vom geistigen Hunger geplagt, auch alle anderen Lehren zusammenraffen und dabei dennoch geistigen Hungers sterben. Wird Mich dann drüben, im anderen Leben, seine Seele wohl erkennen, wenn sie sich hier auf Erden nicht durch ihre Tätigkeit den wahren Geist Meiner Worte in aller Wahrheitsfülle zu eigen gemacht hat?

Ich setze den Fall, es wüsste jemand von Meiner Lehre nicht mehr als das nur, dass man Gott über alles und seinen Nächsten wie sich selbst lieben soll, und dächte darüber ganz ernstlich: 'Sieh, das ist eine gute Lehre und ich will fürder strenge danach handeln!' Dieser Mensch tut nun das und sucht auch seine Umgebung dazu zu bewegen, teils durch sein Beispiel und teils durch seine ganz einfache Lehre und bildet so sein Haus zu einer wahren Musterstätte gottergebener Menschen. Was sind da in Kürze die Früchte solch eines löblichen Unternehmens? Die Menschen leben in Frieden und keiner erhebt sich über den anderen. Der Verständige gibt sich in Geduld die ernste und mit Liebe erfüllte Mühe, den Unverständigen zu sich heraufzubilden, und freut sich, den Schwächeren zu stärken. Weil solches aber in der Tat geschieht, so wird das auch ins Leben der Seele aufgenommen. Die Seele wird dadurch stets tätiger und lebenskräftiger. Je tätiger es aber in der Seele zugeht, desto heller wird es auch in ihr, denn das Grundelement des Seelenlebens ist das Tätigkeitsfeuer des Geistes.

Gelangt nun solch ein Mensch durch tatfertige Liebe schließlich in alle Weisheit, war daran wohl etwa das die Schuld, dass er jegliches Meiner Worte genau und unverändert übernommen hatte? O nein! Ihm kam nichts zu Ohren als bloß das Gesetz der Liebe. Die gewissenhafte und tatsächliche Beachtung desselben hat ihm alles andere erworben!" (GEJ 05, 122 ff.)

Keine Weltflucht, sondern weise Benützung des Gegebenen

Von diesen Gesichtspunkten aus ist es auch zu verstehen, dass dem ewig tätigen Schöpfer und Erhalter der Unendlichkeit kein schwärmerisch asketisches oder klösterlich zurückgezogenes Glaubensleben gefallen kann. Hat sich doch auch der Herr selbst nicht von der Welt abgezogen — vielmehr ist Er zur Entfaltung der größten Wirksamkeit mitten unter die Menschheit getreten und hat das Licht der Frohbotschaft allen Bedürftigen und Empfänglichen gebracht. Dem wahren Gottes- und Menschenfreunde ist daher die finstere Weltentsagung der mittelalterlichen Asketen oder sonstigen Fanatiker ebenso fremd wie die beschauliche Zurückgezogenheit christlicher und buddhistischer Einsiedler und Mönche.

Im "Großen Evangelium" spricht der Herr: "Wer Mein Wort völlig in sich aufnimmt und unabweichlich danach handelt und lebt, der nimmt dadurch Mich selbst mit all Meiner Liebe, Weisheit, Macht und Kraft in sich auf und wird so zu einem wahren Kinde Gottes, dem der Vater im Himmel nicht eines vorenthält, was Er selber hat. Bedenket dies allzeit, so werdet ihr über die materielle Welt leicht Sieger werden! Ich will damit aus euch keine Kopfhänger und Verflucher der Welt machen, sondern weise Benützer derselben!

Wäre der nicht ein Tor zu nennen, der sich in ein brauchbares Werkzeug zum Betriebe seiner Kunst so verliebte, dass er es gar nicht zu dem bestimmten Zweck gebrauchen möchte, sondern nur verwahrte in einem Schrein, dass es nicht rostig und dadurch weniger schön würde? Die Welt ist für euch ein Werkzeug, mit dem ihr, zweckvoll angewendet, überaus viel Gutes und Herrliches schaffen könnt. Aber ihr müsst als Meine Jünger dies Werkzeug so gebrauchen, wie Ich als euer einzig wahrer Meister es euch gelehrt habe. Gebraucht ihr es anders, so wird dieses Werkzeug gleich einem überscharfen Messer in den Händen unmündiger Kinder euch nur zu leicht eine tödliche Wunde versetzen, die schwerlich ein Arzt zu heilen imstande sein wird. Recht angewendet aber wird es euch das ewige Leben bereiten und befestigen." (GEJ 01, 83, 3 ff.)

"Der Mensch kann sich freilich von der Welt ganz abziehen gleich den Einsiedlern des Karmel und Sion, die da kein Weib ansehen und sich kümmerlich von Wurzeln, Beeren, wildem Honig und Johannisbrot ernähren. Auch verschneiden sie sich sogar des Reiches Gottes wegen, weil sie dann in keine Versuchung geraten können, in der sie irgendein Gebot Mosis übertreten könnten. Sie haben darum kein Eigentum, haben keine Eltern, keine Weiber und Kinder, haben selbst keine Männlichkeit. Sie bewohnen wilde Bergschluchten, damit die Schönheit der üppigen Erdfluren sie nicht reizt. Sie reden nicht miteinander, damit nicht jemandem ein Wort aus dem Munde fahre, das ihn oder seinen Nachbar ärgern könnte.

Unter solchen höchst dummen Lebensverhältnissen und Verwahrungen vor der Möglichkeit, eine Sünde zu begehen, halten sie freilich die Gesetze Mosis; aber zu wessen Nutzen und Frommen? Ich sage es euch: Das alles nützt ihnen nichts und den anderen Menschen auch nichts! Denn Gott hat dem Menschen die verschiedenen Kräfte, Anlagen und Fähigkeiten nicht darum gegeben, dass er sie in einer Klause als Einsiedler verschlafe, sondern dass er nach dem geoffenbarten Willen Gottes tätig sei und dadurch sich und seinem Nächsten nütze.

So hat Gott zu den Menschen auch niemals gesagt. 'Verstümmle und verschneide dich, auf dass dich das Fleisch des Weibes nicht reize und du dich der Hurerei und des Ehebruches enthaltest!' Sondern Gott hat zu Adam, als Er ihm das Weib gab, gesagt: 'Gehet hin, vermehret euch und bevölkert die Erde!'

Der Mensch muss also in der Welt wirken und freiwillig den bösen Verlockungen widerstehen. Dadurch wird seine Seele stark und die Kraft des Geistes Gottes wird sie durchdringen. Aber durch ein Leben des Faultieres kommt kein Mensch je zum wahren ewigen Leben, das in sich die höchste und vollendetste Tätigkeit in all den zahllos vielen Lebensschichten und Sphären bedingt.

Solche Menschen sündigen freilich so wenig wie ein Stein, aber ist das etwa ein Verdienst für den Stein? Es wird aber die Seele ihren verstümmelten Leib ablegen müssen; was wird sie dann jenseits machen in ihrer vollen Schwäche und gänzlichen Untätigkeit? Dort werden dann doch Prüfungen aller Art über sie kommen, die sie zur vollen und wahren Lebenstätigkeit aneifern sollen. Und diese Prüfungen werden für die Seele jenseits stärker sein als hier, weil in der geistigen Welt das, was eine Seele denkt und will, sich auch schon wie in der Wirklichkeit vor sie hinstellt. Wen schon im irdischen Leben z.B. der bloße Gedanke an seines Nachbars schönes, junges Weib mit brennender Leidenschaft erfüllt, wie wird es dem drüben ergehen, so ihm solcher Gedanke des Nachbars Weib ganz nach seinen Wunsch und Willen in vollster, wennschon nur scheinbarer Wirklichkeit darstellen wird! — Darum ist es also mit der frommen Trägheit der Einsiedler und Weltflüchtlinge nichts, denn sie hat vor Mir keinen Wert für das ewige Leben!" (GEJ 07, 156, 4 ff.)

Tätigkeit über Tätigkeit

Mit eindringlichen Worten preisen daher immer wieder die Schriften der Neuoffenbarung den Wert des Tatlebens in der Ordnung Gottes. Im "Großen Evangelium" vernehmen wir den Herrn:

"Meine lieben Freunde und Brüder, Ich rate euch wiederholt: Nur Tätigkeit über Tätigkeit zum allgemeinen Wohle der Menschen! Denn alles Leben ist eine Frucht der beständigen, nie ermüdenden Tätigkeit Gottes und kann daher nur durch die wahre Tätigkeit erhalten und für ewige Dauer bewahrt werden, während aus der Untätigkeit nichts als der Tod zum Vorschein kommen muss.

Legt eure Hände auf euer Herz und merket, wie es in einem fort Tag und Nacht tätig ist! Davon hängt ja das Leben des Leibes allein ab. So das Herz einmal stillzustehen anfängt, da dürfte es mit dem natürlichen Leben des Leibes wohl aus sein. Wie aber die Ruhe des leiblichen Herzens offenbar der Tod des Leibes ist, so ist auch die Ruhe des Seelenherzens der Tod der Seele.

Das Herz der Seele aber heißt Liebe, und sein Pulsen spricht sich in voller Liebtätigkeit aus. Die unausgesetzte Liebtätigkeit ist demnach der nie zu ermüdende Pulsschlag des Seelenherzens. Je emsiger das Herz der Seele pulst, desto mehr Leben erzeugt sich in der Seele. Und wenn dadurch ein hinreichend hoher Lebensgrad entsteht, so dass er dem göttlichen, allerhöchsten gleichkommt, dann weckt solch ein Lebensgrad das Leben des göttlichen Geistes in der Seele. Dieser Geist als pures Leben ergießt sich dann in die ihm durch die Liebtätigkeit gleichgewordene Seele und das ewig unverwüstbare Leben hat im Menschen seinen vollen Anfang genommen. Seht, das kommt alles von der Tätigkeit, nie aber von einer faulen Ruhe her! Daher fliehet die letztere und suchet die volle Tätigkeit. Und euer Lohn wird sein das ewige Leben!" (GEJ 01, 221, 5 ff.)

Auf dem Liebesweg zur geistigen Wiedergeburt

Wie sich dem Pilger auf dem Weg der reinen, tätigen Liebe die geistige Wiedergeburt und der ewige Tag des seligen Lebens in Gott nach und nach erschließt, schildert der Herr im "Großen Evangelium" unter dem Bilde des Sonnenaufgangs:

"Seht, der Aufgang der Sonne hat eine große Ähnlichkeit mit dem geistigen Lebensmorgen des Menschen und mit dem Aufgang der geistigen Sonne der Himmel in seiner Seele! Wenn der Mensch das Wort Gottes hört, beginnt es in seiner Seele zu morgendämmern. Wenn er dem vernommenen Worte glaubt, so wird es schon heller in ihm. Er fängt dann an, stets größere Freude an der Lehre zu bekommen und wird danach tätig. Da werden diese Taten gleich den Morgenwölkchen von der Liebe gerötet, und es wird dadurch schon heller im Menschen. Aus seiner Freude am Guten und Wahren aus Gott gelangt der Mensch nun zur stets klareren Erkenntnis Gottes, und sein Herz entbrennt in voller Liebe zu Gott. Und das gleicht ganz diesem nun schon strahlend hellen Morgenrot. Die Erkenntnisse über Gott und daraus auch über sich selbst und die eigene große Bestimmung steigern sich so, wie durch die schon große Helle des Morgenrotes jetzt auch die schönen Gegenden der Erde ringsum wohlerkenntlich werden.

Es wird aber weiterhin immer noch heller. Die der aufgehenden Sonne zunächst stehenden Wölkchen — gleich den Taten aus reiner Liebe zu Gott — werden zu hellstrahlendem Gold. Endlich erglüht es im Morgen. Und seht, die Sonne selbst steigt in aller Lichtglorie und Majestät über den Horizont herauf. Und wie der neue Tag aus der Nacht durch die Lichtkraft der Sonne neu geboren wird, so auch der Mensch durch die Kraft des Wortes Gottes und durch die stets steigende Liebe zu Gott und zum Nächsten. Denn eben darin besteht die geistige Wiedergeburt im Menschen, dass er Gott stets mehr und mehr erkennt und sonach auch stets mehr und mehr liebt.

Hat er es in seinem Herzen zu einer wahren Glut gebracht, dann geht Gottes Geist gleich der Morgensonne in ihm auf, und im Menschen ist es vollkommen Tag geworden. Aber es ist das nicht wie ein Tag dieser Erde, der mit dem Abend wieder sein Ende hat, sondern das ist dann ein ewiger Lebenstag und die volle Neu- oder Wiedergeburt des Geistes Gottes in der Menschenseele.

Wahrlich, Ich sage euch: Bei wem solch ein Tag in seiner Seele anbricht, der wird keinen Tod mehr sehen, fühlen und schmecken in Ewigkeit. Und beim Austritt aus seinem Leibe wird er einem Gefangenen gleichen, der begnadigt wurde und dessen Kerkermeister mit freundlicher Miene die Kerkertür öffnet und zum Gefangenen spricht: 'Erhebe dich; denn du bist frei! Hier ziehe an das Kleid der Ehre, verlass diesen Kerker und wandle hinfort frei vor dem Angesichte dessen, der dir solche Gnade erwies!'

Wie sich darob ein Gefangener sicher im höchsten Grade freut, so und noch mehr wird sich ein im Geiste wiedergeborener Mensch freuen, so Mein Engel zu ihm kommt und sagt:

'Unsterblicher Bruder, erhebe dich, ziehe an das Lichtgewand der Ehre in Gott, und wandle hinfort frei und selbständig in der Fülle des ewigen Lebens im Angesichte Gottes."






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Kapitel 44
Der Vollendungsweg des Königs Abgarus

Besonders zu Herzen dringend ist der wahre Heilsweg der Gottes- und Nächstenliebe geschildert in der durch Jakob Lorber erfolgten Wiedergabe des kostbaren Briefwechsels Jesu mit Abgar Ukkama, dem Fürsten von Edessa. Zur weiteren Beleuchtung der Heilslehre möge darum der Inhalt dieses einzigartigen Schrift-Denkmals hier in Kürze wiedergegeben werden.

Aus geschichtlichen Berichten wissen wir, dass Abgar Ukkama ein heidnischer, armenischer König war im Lande Mesopotamien. Und dass er auf einer Reise nach Persien von einer schweren Krankheit (vermutlich Aussatz) befallen in dauerndem Siechtum lebte, in dem ihm kein irdischer Arzt helfen konnte und durch das er schließlich auch noch an beiden Beinen gelähmt wurde. Also schwere, irdische Not eines Menschen, der mitten im Leben stand!

Ganz so fängt der himmlische Vater meist mit uns allen unsere Erziehung und Herzensbildung an. Er lässt uns, die wir in unserem naturmäßigen Zustand meist ganz für die Interessen der Welt leben, in Not kommen, um uns vom Äußeren nach innen, von der Welt und Zeitlichkeit zum Geist und zum Ewigen zu lenken und uns schließlich nach Ihm, dem allmächtigen Helfer und Retter suchen zu lassen.

So kam es auch, dass der Heide Abgarus, als er durch seine Diener von dem mit göttlichen Kräften begabten Wunderheiland Jesus hörte, an diesen flehentlich schrieb: Nachdem ich diese Dinge von Dir gehört habe, so habe ich bei mir geschlossen, entweder Du seiest Gott, vom Himmel herabgekommen, oder Du, der diese Dinge tut, seiest doch zum wenigsten ein Sohn des großen Gottes. Ich ersuche Dich daher durch dieses Schreiben, Dich zu mir zu bemühen, um die Krankheit, die ich habe, zu heilen … Du sollst von jedermann auf Händen und im Herzen getragen sein! Ich erwarte Dich mit der größten Sehnsucht meines Herzens."

Auf diesen Ruf in der Not antwortete der Herr durch eine von einem Jünger geschriebene Antwort: "Abgarus, du bist selig, weil du Mich nicht gesehen und doch Glauben hast!" Weil also der Herr bei dem in so große Not gekommenen Abgarus Glauben sah, erklärte Er ihn für selig, d.h. geborgen in Gott.

Was war das nun für ein Glaube bei Abgarus, auf den der Herr eine solch schöne Zuversicht geben konnte? Es war kein leichtsinniger Blindglaube, denn Abgarus hatte sich durch seine Diener über den jüdischen Heiland, seine Wundertaten, Fähigkeiten und Gesinnung gründlich erkundigt. Aber es war auch nicht ein bloßes Fürwahrhalten, kein bloßer Verstandesglaube; sondern der leidgeprüfte und gutherzige Fürst hatte sich durch seinen inneren Gottesfunken belehren lassen, dass dieser weise, gütige und mächtige Heiland ein Gott oder Gottessohn sein müsse. Er hatte aus seiner Glaubenserkenntnis zu ihm die "größte Sehnsucht" in seinem Herzen, also nicht bloß einen Verstandesglauben, sondern einen Herzensglauben, eine wahre Herzensliebe gefasst. — Und nur weil sein Glaube so beschaffen war, dass er auf festem Erkenntnisgrund in sich eine heilige Liebe trug, konnte Jesus dem Rufenden antworten: "Du bist selig, weil du Glauben hast!"

Aber noch war freilich Abgarus erst im Anfang seiner Glaubens- und Liebesentwicklung. Noch hatte er gemeint, Jesus, als ein gotterfüllter Arzt, müsse sich persönlich-leiblich zu ihm verfügen, um ihn heilen zu können. Auch hatte Abgarus in seinem Hilferuf nur an seine persönlich leibliche Heilung und sonst nichts weiter gedacht. Und so gab ihm denn Jesus im ersten Antwortschreiben weiter den merkwürdigen, Abgarus sicher nicht so recht befriedigenden Bescheid. "Sei aber geduldig in deiner leichten Krankheit! So Ich werde in den Himmel aufgenommen sein, alsdann werde Ich einen Jünger zu dir senden, damit er deine Krankheit heile und dir und allen, die bei dir sind, die wahre Gesundheit gebe!"

Mancher von uns hätte auf solchen Bescheid gesagt: Das ist mir ein schöner Heiland! Solch eine nichtssagende Vertröstung hätte mir jeder schreiben können. Und dabei soll ich auch noch durch meinen Glauben selig werden? Nein, mit diesem Wunderheiland kann es nichts sein. Was mir berichtet wurde, ist sicher alles nur ein Märchen!

In der Seele des Abgarus mag sich vielleicht auch im ersten Augenblick eine ähnliche Stimme bemerkbar gemacht haben. Aber der durch sein Leiden nach innen gerichtete König lauschte bald auf das zarte Säuseln der Gottesstimme in seinem Herzen, die ihm die Antwort des Herrn im wahren Lichte erklärte und in dieser Probung sein Vertrauen und seine Liebe so stärkte, dass er in seinem Glauben nicht wankte.

Als kurze Zeit darauf sein ältester Sohn und Thronerbe in eine unheilbare Fieberkrankheit verfiel, wandte sich Abgarus in seiner großen Betrübnis abermals an Jesus, indem er Ihm schrieb:

"Ich weiß, wie es mir mein Bote beteuert hat, dass Du derlei Kranke ohne Arznei, bloß durch Wort und Willen sogar in die Ferne heilst. O Jesus, Du gute Heiland, Du wahrhaftiger Sohn des allerhöchsten Gottes, lasse also auch meinen Sohn, der Dich so sehr liebt, dass er für Dich sogar in den Tod gehen möchte, wieder gesund werden durch Deines Willens mächtiges Wort! O Jesus, du guter Heiland! Bescheide mich, der ich auch krank bin, nur dieses Mal nicht auf die Zeit Deiner mir verkündeten Himmelfahrt, sondern hilf sogleich meinem Sohn!"

Der Glaube des Abgarus ist also hier, obgleich er selber von seiner Krankheit nicht geheilt ward, so weit gewachsen. Auf diesen Fortschritt im Glauben und in der Liebe lässt der Herr dem Hilferufenden sogleich antworten: "Abgarus, groß ist dein Glaube! Und darum könnte es mit deinem Sohne wohl besser werden. Aber da Ich bei dir Liebe gefunden habe mehr als in Israel, so will Ich dir auch mehr tun, als so du nur allein geglaubt hättest!" Worin besteht nun dieses der Liebe widerfahrende größere "Mehrtun"?

"Du wirst", lässt der Herr durch seinen Jünger weiterschreiben, "wohl deinen Sohn dem Leibe nach verlieren in der Welt, aber dem Geiste nach tausendfach gewinnen in Meinem ewigen Reiche!"

Wem von uns wäre dies nicht auch schon widerfahren? Es ist so, wenn wir unser Herz ganz Gott zuwenden, dann verlieren wir "dem Leibe nach" in der Welt. Denn wir können nicht am Zeitlichen und Vergänglichen hängen bleiben, wenn wir das Ewige und Unvergängliche ergreifen wollen. Daher, setzt der himmlische Vater uns hier in dieser Welt auf "schmale Ration", wenn Er uns vorbereiten will, in seinem geistigen Reiche von den Seligkeiten des Himmels zu leben.

Der Herr stärkt Abgarus aber auch weiter mit der Verheißung: "Glaube aber ja nicht, dass dein Sohn, so er stirbt, im Ernste sterben wird! Nein, nein! Sondern wenn er stirbt, da erst wird er erwachen vom Todesschlafe dieser Welt zum wahren, ewigen Leben in Meinem Reiche, welches ist geistig und nicht leiblich!"

Auch diese Worte gelten wiederum uns allen, die wir in der Liebe zu Gott Irdisches hingeben und verlieren. Denken wir daher in solchem Falle stets an diesen Bescheid des Herrn und die dein Abgarus gemachte Verheißung!

Mit dem hingebenden Jünger Abgarus ging der Herr in seiner Schulung noch im selben Antwortbrief um eine Stufe weiter, indem Er ihm am Schluß schreiben ließ: "In den nächsten Tagen aber wird ein armer Jüngling in deine Stadt kommen. Diesen nimm auf, so wirst du darob Mein Herz erfreuen. Und tue ihm Gutes darum, dass Ich deinem Sohn eine so große Gnade erweise und ob seiner Liebe ihn dahin gehen lasse, wohin auch Ich hingehen werde nach der Erhöhung am Pfahle."

Wieso war denn das nun ein Weiterschreiten in der Erziehung zur Liebe? Blicken wir zurück auf Abgarus ersten Brief an Jesus, so sehen wir, dass in diesem Notrufe der Fürst nur für sich selbst um Hilfe schrie. Es war also hier in ihm, dem Anfänger im Glauben und in der Liebe, vorerst noch lediglich die Selbstliebe regsam und hatte ihn getrieben, für das eigene leibliche Heil den jüdischen Wunderheiland anzurufen. So beginnt es auch in der Regel bei uns allen. Aus eigener Not, in die uns die weise Führung Gottes geraten lässt, suchen wir, wenn alle anderen Mittel versagen, Hilfe beim unsichtbaren, in unserem Herzen wohnenden Gott. Und schon diesen Anfang pflegt der Gesuchte in seiner Gnade zu segnen, indem Er das von der Selbstliebe nach Ihm ausgeworfene Seil in seinem festen Lebensgrunde verankert. Aber dabei lässt Gott es nicht bewenden. Unsere Liebe soll sich vom Punkt unseres Ich aus ausweiten, um nicht bloß die nächsten, sondern schließlich alle Wesen der Schöpfung unseres himmlischen Vaters zu umfassen.

Im zweiten Briefe des Abgarus, dem Notruf für seinen Sohn, sahen wir daher den gelehrigen Schüler der Ewigen Liebe schon fortgeschritten zu der nächsthöheren Stufe, der Liebe für den seinem Herzen am nächsten stehenden Sohn. Diese Liebe für die eigenen Kinder ist ja schon eine Art der Nächstenliebe, durch die der himmlische Vater die Menschen (und auch schon im höheren Naturreiche die Tierseelen) lehrt, von sich selbst abzusehen und ihr liebendes Trachten anderen Wesen, nämlich ihren Kindern oder Jungen zuzuwenden.

Diese Art der Nächstenliebe für die leiblichen Nachkommen oder sonstigen Blutsverwandten hat als unterster Grad freilich noch viel Selbstliebe zur Grundlage. Sie gilt vor unserem himmlischen Vater nur als ein Anfang und ist ferne davon, uns vor Ihm vollendet erscheinen zu lassen. Ja, es ist nicht selten, dass in dieser Art Liebe der Mensch in seiner geistigen Entwicklung steckenbleibt und in der verzärtelten Liebe zu den Kindern oder Angehörigen in Wahrheit nur sich selbst liebt.

Darum geht der Herr mit seinem gelehrigen Schüler im angefangenen "Heilkursus" sogleich eine Stufe weiter. Denn nun kommt für Abgarus eine Gelegenheit, seine Liebe auszudehnen auf einen ganz fremden armen Wanderburschen, einen der Geringsten! Diesem solle er Gutes tun!

Abermals hätte wohl mancher von uns gesagt: "Das ist mir ein schöner Ersatz für meinen Sohn und Erben!" — Wie aber verhält sich Abgarus in dieser Schule des Glaubens, der Liebe und des geistigen Heils?

Im dritten Briefe finden wir die Antwort. Dort dankt Abgarus für die himmlische Verheißung bezüglich seines Sohnes und lässt ganz kurz mit einfließen, dass der angesagte junge Mensch sich nun schon "bestgehalten" bei ihm befinde. Abgarus hat also den armen, von der langen Reise gewiss heruntergekommenen Wanderburschen dem Wunsche des Herrn entsprechend freundlichst aufgenommen in beste Wahrung und Pflege. Damit sehen wir König Abgarus von der Selbst- und Blutsverwandtenliebe fortgeschritten zu der völlig selbstlosen Liebe an einem ihm fremden, geringsten Mitmenschen.

Und nun berichtete uns derselbe Abgarusbrief weiter etwas sehr Denkwürdiges: Dass nämlich durch ebendiesen armen Jüngling der König und sein Sohn auf wunderbare Weise zu einem getreuen Bildnis des Herrn Jesus kamen.

"In meiner Stadt", berichtet Abgarus, "lebt ein großer Künstler der Malkunst. Dieser malte mir sogleich nach der Darstellung des jungen Menschen Deinen Kopf mit der Brust. Mich und meinen Sohn überraschte dieses Bild umso erfreulicher, als mir der arme junge Mensch beteuerte, dass Du, o Herr, gerade so aussähest."

Was hat nun diese Sache geistig zu bedeuten? Der Empfang des Bildes durch Abgarus will bedeuten, dass in uns allen, wenn wir von der Selbstliebe fortschreiten zur reinen Nächstenliebe, nunmehr in Gestalt des unserer Seele eingezeugten reinen Geistfunkens das sprechende Bild des Herrn lebendig bemerkbar wird, uns zum Heil und zur höchsten Seligkeit.

Der Herr lässt Abgarus auf die letzte Nachricht denn auch schreiben: "O Abgarus! Wüßtest du und könntest du es fassen, wie sehr Ich dich darum liebe und welch große Freude du Meinem ewigen Vaterherzen machtest, dich würde die zu große Seligkeit erdrücken, so dass du nimmer leben könntest!"

Und über die große, in Abgarus nun zum Ausdruck gekommene Gottes- und Bruderliebe schreibt der Herr: "Die da glauben Meiner Lehre, dass sie von Gott ausgegangen ist, sollen auferweckt werden am Jüngsten Tage, da ein jeder sein rechtes Gericht finden wird. Aber die Mich wie du lieben, werden den Tod nimmer schmecken, sondern: wie da ist der schnellste Gedanke, so schnell werden sie aus diesem Leben des Leibes in das allerhellste, ewige Leben verklärt werden und werden Wohnung nehmen bei Mir, ihrem Vater von Ewigkeit."

Im Besitze dieser herrlichen Verheißungsworte und des beseligenden Bildnisses des Herrn konnte Abgarus in seinem nun folgenden vierten Briefe in tiefem Seelenfrieden dem Herrn schreiben, dass sein Sohn vor einigen Tagen heimgegangen sei mit der Bitte, er, Abgarus, möchte dem Herrn den innigsten Dank ausdrücken dafür, dass Er den Sohn wirklich so gnädigst habe dahinscheiden lassen. Der Sohn sei in der reinsten Himmelsfreude gestorben mit dem Rufe: "Du allein, ja Du bist meine Liebe in Ewigkeit! Ich lebe, ich lebe durch Dich, in Dir — ewig!"

Auf diese freudige Hingabe des Liebsten, was die Welt ihm geboten hatte, und auf diese Kundgabe zuversichtlichsten Glaubens und glühender Liebe berichtet unser Briefwechsel nun wiederum über ein neues, noch bedeutsameres Geschehnis: Während die bisherigen Briefe der Herr nicht persönlich, sondern durch seine Jünger geschrieben hatte, kommt nun eine eigenhändige Antwort des Herrn, und zwar in griechischer Sprache, der Verkehrssprache der Heidenvölker, während die früheren in jüdischer Sprache abgefaßt waren.

Auch in diesem scheinbar unwesentlichen Geschehen liegt eine entsprechungsvolle Lehre! Wenn wir so weit sind, dass wir in unerschütterlichem Glauben und in glühender Liebe zum Herrn alles Irdische, selbst das Teuerste hingeben und uns des selbstischen Eigenbesitzes völlig entäußern, dann kommt der Herr, der bis dahin durch seine Diener (Schutzgeister und Engel) mit uns verkehrte, in eigener Person und spricht zu uns im Kämmerlein unseres Herzens nicht mehr nur in "altjüdischer Zunge", d.h. im äußeren, biblischen Gotteswort, sondern durch das innere Wort in unserer eigenen Sprache des Herzens (entsprechend der dem Abgarus gebräuchlichen griechischen Verkehrssprache).

Und was lehrt uns diese Stimme: "Sei fortan sehr barmherzig, so wirst du auch eine große Erbarmung finden! Vergiß der Armen nicht! Diese sind allzumal Meine Brüder. Was du ihnen tust, das tust du Mir, und Ich werde es dir vergelten hundertfältig. Suche das Große, d.h. Mein Reich, so wird dir auch das Kleine dieser Welt zukommen! So du aber suchest das Kleine, dann könntest du des Großen nicht wert erachtet werden."

Diese Worte, welche der Herr mit der bedeutsamen Anrede "Mein geliebter Sohn und Bruder" nunmehr persönlich und in der wohlverständlichen eigenen Sprache an Abgarus richtet, sind auch der Kern aller von Ihm an uns gerichteten Lehren.

Bei Abgarus aber geht der Herr im selben Briefe gleich wieder weiter fort zur höchsten und letzten Stufe der Nächstenliebe, nämlich der Feindesliebe, indem Er scheinbar ganz wie zufällig anfügt: "Du aber hast in deinem Gefängnis einen Verbrecher, der nach deinem weisen Gesetze den Tod verdient hat. Ich aber sage dir, Liebe und Erbarmung stehen höher als Weisheit und Gerechtigkeit! Handle daher mit ihm nach der Liebe und nach der Erbarmung, so wirst du eins sein mit Mir und dem, der in Mir ist, von dem Ich als Mensch wie deinesgleichen ausgehe."

Nun, das war für Abgarus wiederum keine kleine Zumutung. Unser königlicher Freund wurde vor eine neue, gewaltige Herzensprobe gestellt und sollte nun in seiner Entwicklung auf dem Heilsweg auch noch das Schwierigste lernen: einen Staatsverbrecher, also einen höchst gefährlichen Menschen, der dem König nach Thron und Leben gestellt hatte und den er nun in seinem Kerker verwahrte, nicht mit Weisheit und Gerechtigkeit, sondern mit Liebe und Erbarmung zu behandeln! Aber auch diese Schule und Probung bestand Abgarus. Schon nach drei Wochen konnte er im fünften Brief an den Herrn schreiben: "Den großen Staatsverbrecher habe ich nach Deinem Wunsch nicht nur sogleich aus dem Kerker gehoben, sondern ihn auch in meine Schule und an meinen Tisch bringen lassen. Ob ich daran recht tat oder etwa des Guten zu viel getan habe, das zu beurteilen reicht mein menschlicher Verstand nicht hin. Darum komme ich, o Herr, auch in diesem Stück zu Dir, dass Du mir darüber die rechte Weisheit gnädigst erteilen möchtest."

Und Abgarus, der auf dieser Stufe der Liebe nun in Jesus, dem äußerlich ganz einfachen Menschen, das unendliche, das ganze All gestaltende und beherrschende Gottwesen erkennen darf, möchte aus dankbarem Herzen in seinem ganzen Staate sogleich alles einführen, was der Herr ihm gebieten möchte.

Auf diese volle Hingabe verheißt der Herr in seiner Antwort seinem "geliebten Sohn und Bruder Abgarus", dass Er ihm, dem Heiden, das volle Licht und die volle Seligkeit der Gotteskindschaft geben werde und enthüllt ihm die Grundlage seines ganzen Reiches und allen Heils mit den Worten: "Mein Gesetz ist nichts als Liebe!" — Freilich, heißt es weiter, liege dann in Gottes Willen, aus diesem Grundgesetz sich ableitend, noch so manches, was Abgarus jetzt noch nicht fassen könne. Aber wenn der Geist Gottes demnächst über ihn komme, dann werde ihn dieser in allen Dingen unterweisen. Mit dem Verbrecher habe Abgarus völlig recht getan. "Denn siehe, Ich tue mit euch Heiden ja dasselbe. Deine Tat ist dir ein guter Spiegel dessen, was Ich schon jetzt tue und später in der Fülle noch tun werde."

Nun, da Abgarus mit der edelmütigen Behandlung seines schlimmsten Feindes auf der höchsten Stufe der Geschöpfesliebe angelangt war, sollte man meinen, dass es ihm irdisch aufs beste hätte ergehen sollen und dass seine, auf sein ganzes Volk ausgedehnte Liebe sich nun auch ungestört hätte auswirken dürfen. Aber der sechste Brief und Notruf des Abgarus meldet uns — wiederum sehr denkwürdig und entsprechungsvoll — etwas ganz anderes! Denn da schreibt der Vielgeprüfte:

"O Herr, vergib mir mein unverschämtes Zudringen! Aber Du weißt ja, dass gute Ärzte bei den Menschen stets die größte Arbeit haben. Ich kann daher auch Dir allein nur meine gegenwärtige sonderbare Staatsnot vortragen. Siehe, vor zehn Tagen ist hier ein Erdbeben verspürt worden, welches äußerlich zwar ohne besondere Spuren vorüberging. Ein paar Tage danach fing jedoch alles Wasser an trübe zu werden, und jeder Mensch, der das Wasser trank, bekam Kopfschmerzen und ward darauf ganz unsinnig. Abhilfe war bis jetzt nicht möglich. Darum bitte ich Dich, o Herr, in aller Demut und Zerknirschtheit meines Herzens, Du wollest mir und meinem Volke aus dieser Not helfen!"

In diesen Worten des Abgarus fällt uns auf, dass er nach dieser neuen Heimsuchung nicht mit Unmut vor den Herrn tritt, nicht in geistigem Hochmut spricht:

"Herr, warum lässest Du solches über mich kommen?" Sondern trotz des neuen Landesunglücks schreibt er in der vollsten Zuversicht weiter: "O Herr, ich weiß, dass Dir alle guten und bösen Mächte untertan sind und Deinem Winke weichen müssen." Inmitten dieser schweren Probung sehen wir also den in den ersten Briefen zutage getretenen Glauben des Abgarus zum vollen Wissen und zum allerhöchsten Vertrauen fortgeschritten!

Und nun berichtet uns der Briefwechsel wiederum recht bezeichnend. "Als der Herr diesen Brief gelesen hatte, erregte Er sich tief und sprach laut: 'O Satana! Wie lange willst du Gott, deinen Herrn, noch versuchen! Auf dass du aber wieder erfahrest, dass Ich dein Herr bin, so habe es in diesem Lande von diesem Augenblick an ein Ende mit deiner Bosheit!" — Und dem Abgarus schreibt der Herr: "Diesen argen Streich hat dir nicht dein Feind, sondern Mein Feind gespielt. Fürchte dich aber nimmerdar! Denn für dich und dein Volk habe Ich ihn nun geschlagen!"

Was besagt nun diese Antwort des Herrn und was bedeuten alle diese letztgeschilderten Ereignisse im Leben und in der Seelenentwicklung des Abgarus?

Wenn der Gegenpol Gottes, der Fürst dieser Welt, bemerkt, dass eine wertvolle Seele ihm durch die Reifung im Glauben und in der Liebe völlig aus seinem Bereich zu entschwinden droht, setzt er alles in Bewegung, um dieses Entrinnen zu vereiteln. Da er eine solche Seele aber nicht mehr unmittelbar in ihrem geistigen Besitz, d.h. ihrem Glauben und ihrer Liebe zu Gott, anfassen und erschüttern kann, so macht er sich an des Menschen materielle Grundlage (seinen "Erdboden"). Er bewirkt da mit aller Macht ein möglichst gewaltiges "Erdbeben", indem er dem Menschen seine materielle Existenz erschüttert und zu vernichten sucht und überdies, wenn solches nicht zum Ziel führt, die Quellen und Brunnen vergiftet, d.h. mit giftigen Verleumdungsfluten den Menschen zu verderben strebt. — Ist dies nicht eine im geistigen Leben häufig zu beobachtende Tatsache? Wir haben vielleicht alle schon mehr oder weniger etwas davon gespürt.

Wenn der Mensch sich aber auch von solch äußerster materieller Probung auf dem Boden der Demut nicht erschüttern lässt, vielmehr gesteigert seine Zuversicht auf den himmlischen Vater und dessen Allmacht setzt — dann kommt der Augenblick, wo das Böse sowohl seine versuchende wie auch seine bedrängende Macht an ihm verliert und der Herr für diesen Menschen den "Feind schlägt und bindet" — weil für diese nunmehr gereifte Seele die Macht des Gegenpols als Erziehungs- und Festigungsmittel fürder nicht mehr notwendig ist.

Diesen tiefen Sinn seiner letzten Erlebnisse erklärt denn auch der Herr dem Abgarus mit den herrlichen Worten: "Siehe, weil du Mich liebst, ist dir Arges begegnet. Weil aber deine Liebe zu Mir mächtiger ward in der Bedrängnis, so hat deine Liebe gesiegt über alle Macht der Hölle, und du bist nun für alle Zeit frei von solchen höllischen Anfechtungen!"

Nachdem Abgarus diese tiefe Aufklärung über die wunderbaren Führungs- und Erziehungswege Gottes empfangen hat, so hat in seinem Herzen nichts anderes mehr Raum als allein der Herr! In überschwenglichster Dankbarkeit und Liebe kann er nur noch rufen: "O mein Gott, mein Herr, Du alleiniger Erfüller meines Herzens und vollster Inbegriff aller meiner Gedanken!" Und nur noch an den Herrn und dessen bevorstehendes Kreuzesschicksal kann er denken, und sein Sinn und Wille ist nur noch: "O Herr, lasse mich wissen, was ich für Dich tun soll! Dein allzeit heiliger Wille geschehe!" Wir sehen hier den Abgarus also in höchster geistiger Feuerglut und in jener Erzbereitschaft der vollendeten Engel, die nur noch auf den Herrn schauen, nichts Eigenes mehr wollen, sondern nur noch durch und durch Bereitschaft sind, den Willen Gottes zu vollführen.

"Herr, lasse mich wissen, was ich für Dich tun soll!" Das ist der auf dem Heilswege des Glaubens und der Liebe erklommene Gipfel der Vollendung, auf dem jene Geister als Engel und Engelsfürsten stehen, welche die schwere irdische Fleisches-Lebensschule durchgemacht und, der göttlichen Führung folgend, das Ziel erreicht haben. Ihnen kann nun der Herr zur Erfüllung ihrer Aufgaben die tiefsten Geheimnisse des Schöpfungs- und Heilsplans vollends enthüllen. Und so eröffnet der Herr in seinem letzten Antwortschreiben dem Abgarus, dass und warum mit Ihm, dem Herrn, alles so geschehen müsse. Das Geheimnis des Kreuzes wird vor ihm aufgetan: "Mein Kreuz, an das Ich geheftet werde, erschrecke dich nicht! Denn siehe, gerade dieses Kreuz soll für alle künftigen Zeiten der Grundstein zum Reiche Gottes und zugleich die Pforte in dasselbe werden."

Aber auch das sieghafte Ergebnis des großen Geschehens wird ihm vorhergesagt: "Nur drei Tage lang werde Ich dem Leibe nach tot sein. Am dritten Tage aber werde Ich als ein ewiger Überwinder des Todes und der Hölle wieder vom Tode auferstehen und Mein allmächtiges Gericht wird alle Täter des Übels treffen. Für die aber, "die mit Mir eines Herzens sind, werde Ich dann die Pforte der Himmel weit auftun vor ihren Augen!"

Wenn wir von dieser Höhe aus den durch Jakob Lorber wieder gegebenen Briefwechsel rückschauend überblicken, so sehen wir also, dass in diesem kleinen, tiefsinnigen Evangelium in der fasslichsten und innigsten Weise und in Form einer lebenswahren Geschichte eine klare und überzeugende Lehre vom allein wahren, zuverlässig zu Gott führenden Heilsweg gegeben ist. Wir sehen alle Stufen der geistigen Entwicklung, vom einfachen Glauben an den göttlich begnadeten Wunderheiland bis zum unbedingten, unerschütterlichen Wissen von der Allliebe, Allweisheit und Allmacht Gottes in Jesus — und andererseits auch alle Arten und Stufen der Liebe, von der nur auf die eigene, leibliche Heilung bedachten Selbstliebe bis zur allerhöchst geistigen, reinsten und erzbereiten Jesusliebe.

Wer könnte, wenn er die herrliche kleine Niederschrift in dieser Weise erkannt hat, darüber zweifeln, dass diese Schrift wahrlich nicht Menschen-, Geister- oder gar Dämonenwerk ist, sondern dass solches Licht nur aus den höchsten Himmeln, nur aus der reinsten Quelle göttlicher Wahrheit und Liebe zu uns kommen konnte.

Möchten dies doch bald viele, ja alle Menschen einsehen und ihre kurzsichtigen Meinungen und Streitigkeiten über den Weg des Heils zu Grabe tragen, indem sie dieses Evangelium, das den heidnischen König Abgarus vor die geöffnete Pforte des Himmels führte, sich durch Tat und Wandel zu eigen machen!

IX. Was sollen wir also tun?






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IX. Was sollen wir also tun?

Kapitel 45
Die Ehe auf Erden und im Himmel

Wenn wir Bürger dieser oft so sturmbewegten Erde durch die Schriften des Himmelsboten Jakob Lorber die Liebe-Heilslehre in ihrer grundlegenden Bedeutung kennen, so erhebt sich immer wieder die Frage: Was sollen wir demnach in dieser oder jener Lebenslage tun?

Auf alle diese Fragen geben die Neuoffenbarungsschriften in klarer und überzeugender Weise Aufschluss. Von dem heiligen Grundgesetz der Schöpfung, dem Gebote der Gottes- und Bruderliebe aus werden hier in Wahrheit alle Lebensverhältnisse, in die wir Menschen hienieden gestellt sind, von Herrn und Meister des Lebens, dem gütigen Allvater auf die wunderbarste Weise beleuchtet. Es ist, als ob mit einem Zauberstab alle Wirrnisse enträtselt, alle Schleier gelüftet würden. In Fragen und Nöten, in welchen wir Erdgeborenen keine Lösung sehen, klärt sich uns in diesem göttlichen Lichte alles und zeigen sich ungeahnte Wege befreiender Erkenntnisse.

Eines der wichtigsten, in dieser Weise aufgehellten Gebiete ist die Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Weib — die Ehe.

Diese Urzelle des Volkskörpers, auf der das Leben der Familie und mithin des ganzen Volkes beruht, ist heute in dieser großen Weltwende vielfach in voller Zersetzung begriffen. Ein verblendeter Geist will, den Drucke unseliger Geistes- und Wirtschaftsverhältnisse folgend, aus dem heiligsten, für die Ewigkeit bestimmten Bunde der Herzen eine nur dem flüchtigen Bedürfnis der Sinne dienende, zeitbegrenzte Geschlechtsgemeinschaft machen. Wo aber der Ehe die Haupteigenschaft zeitlicher und ewiger Dauer genommen wird, da zersplittert die wichtigste Grundlage des ganzen Volkslebens.

Kaum ein anderes Lebensgebiet ist daher heute der Klärung in einem wahren Heilslichte bedürftiger. Jedem Menschenfreunde müssen die tiefgründigen Eröffnungen daher doppelt willkommen sein. Die Lehren des neuen Gotteswortes über die Ehe zeichnen sich dadurch aus, dass sie uns bei Betrachtung dieses Verhältnisses von vornherein auf den höchstmöglichen Standpunkt stellen, uns den Ehebund im großen Zusammenhange des ganzen göttlichen Schöpfungsplans zeigen und uns dadurch eine unendlich klare Überzeugung von ihrem ewig heiligen Sinn verschaffen.

Warum Trennung in zwei Geschlechter?

Wer das Schöpfungsleben betrachtet, dem wird sich die Frage aufdrängen: Warum hat denn Gott männliche und weibliche Wesen geschaffen und dadurch das gezeitigt, was wir Liebes- und Ehenot nennen?

Von den "im Anfang" der Schöpfung aus Gottes Händen hervorgegangenen urgeschaffenen Geistern oder "Urgeistern" wissen wir durch Jakob Lorber, dass sie in ihrem reichgestalteten Wesen das männlich-positive und das weiblich-negative Prinzip vereinigen. Noch heute ist es bekanntlich bei den meisten Pflanzenarten ebenso. Im Kelch der Blumen sehen wir wie in einem heiligen Tempel die männlichen und weiblichen Lebensorgane vereinigt. Doch während dies im Pflanzenreich noch die Regel bildet und nur Ausnahmen gegeben sind, sehen wir im nächst höheren Naturreiche der Tiere die Trennung der beiden geschlechtlichen Wesensteile in zwei gesonderte Selbstwesen als Regel. Und so ist es auch beim Menschen der Fall, der die Stufenreihe der Seelenentwicklung in der materiellen Welt krönt, um sich nach dem leiblichen Tod als ein jenseitiges Wesen bis zum vollendeten Engel und Gotteskinde weiter zu entwickeln.

Die auf dem Wege vom Pflanzen- zum Tierreich vorgenommene und auf der Menschenstufe festgehaltene Spaltung der Geschlechter in ein männliches und ein weibliches Sonderwesen hat ihre verständlichen Gründe. Wir wissen durch Lorber, dass die — im Reiche der Natur von der Einfachheit und Gebundenheit im Mineral durch die Pflanzen- und Tierwelt aufsteigenden — Naturseelen sich von Lebensstufe zu Lebensstufe durch Aufnahme immer neuer Lebensfunken mehr und mehr anreichern. Dies ergibt schließlich auf den höheren Stufen für den Schöpfer die Möglichkeit, die zeugenden männlichen und die ausreifenden weiblichen Elemente zu sondern und aus jedem Teil ein reichveranlagtes Sonderwesen zu schaffen. Und da in der Schöpfung Gottes alles auf die göttliche Grund- und Haupteigenschaft der gegenseitigen dienenden Liebe abgestellt ist, so hat auch diese Sonderung der Geschlechter keinen anderen Grund als den: durch die Trennung in zwei Hälften die beiden Wesen sich gegenseitig ergänzen und dienen zu lassen. Denn indem nun jede Hälfte zu ihrer Ganzheit und Vollendung in geistiger und leiblicher Beziehung alles das benötigt, was der Schöpfer der anderen Hälfte gegeben hat, können und müssen beide Teile sich gegenseitig dienen und werden sich daher auch gegenseitig suchen, lieben und austauschen. Erziehung zur dienenden Liebe ist also der geistige Grund der vom Schöpfer auf den höheren Seinsstufen vorgenommenen Trennung der Geschlechter.

In der Heiligen Schrift ist dies bezüglich des Menschen angedeutet in den bekannten Worten: "Und Gott der Herr sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei. Ich will ihm eine Gehilfin schaffen, die zu ihn passt. … Da ließ Gott einen tiefen Schlaf auf den Menschen fallen, und als er entschlafen war, nahm Er eine von dessen Rippen, gestaltete sie zu einem Weibe und führte dieses dem Menschen zu. Da rief der Mensch aus: Diese endlich ist Bein von meinem Gebein und Fleisch von meinem Fleisch! Sie soll Männin heißen; denn vom Manne ist sie genommen!"

Herzensehe

Die Bekundungen der Heiligen Schrift und der Neuoffenbarung über die Erschaffung des ersten Vollmenschenpaares werfen aber auch ein Licht auf ein Ehegeheimnis, das uns Nachgeborene alle ohne Ausnahme angeht. Wenn Eva von Adam "genommen" ist, dann liegt nahe, dass auch jedes andere Weib von irgendeinem bestimmten Mann genommen ist, um seine ewige "Gehilfin" und einzig taugliche Ergänzung zu bilden. Oder mit anderen Worten: Für jeden Mann hat Gott aus dessen Wesen ein Weib geschaffen, das vom Schöpfer und himmlischen Vater dem Mann zur ehelichen Ergänzung und zur ewigen Lebensgefährtin bestimmt ist.

Wenn wir uns erinnern, dass das innerste Haupt- und Grundleben eines jeden Menschen nicht der sichtbare Leib, noch die aus dem Gerichte der Materie aufsteigende Seele, sondern der reine, göttliche Geist ist, so liegt die Vorstellung nahe, dass Gott für die ewige, wahre eheliche Ergänzung eines jeden Menschen schon in der geistigen Grundlage gesorgt hat und mithin der Geist des Weibes vom Geiste des ihr bestimmten Mannes genommen ist, so dass jeder wahre, von Gott ersehene Gatte mit Adam ausrufen kann. "Siehe, dieser Gefährte ist Geist von meinem Geist!"

Nach den Enthüllungen, die uns in der Neuoffenbarung über den Geist des Menschen gemacht sind, werden wir auch — obwohl es in den Lorberwerken nirgends ausdrücklich ausgesprochen sein dürfte — die Wege verstehen, auf welchen die Vorsehung des Schöpfers dies bei jedem einzelnen Menschenpaare zustande bringt.

Bei allen jenen urgeschaffenen "Urgeistern" war und ist wie erwähnt, das männlich-positive und das weiblich-negative Prinzip vollkommen gegenwärtig. Und so stellt nach Lorber ein jeder Urengel in sich die "vollkommenste Ehe der Himmel Gottes" dar. Es hängt daher, so wird im "Großen Evangelium" gesagt, ganz von diesen Wesen ab, ob sie sich in der männlichen oder der weiblichen Form zeigen wollen.

Wenn wir uns das über die Erschaffung Adams und Evas Geoffenbarte vorhalten, dann gelangen wir zu der Anschauung, dass Gott auf einer gewissen Stufe der Entwicklung eines jeden Urgeistes dessen männlich-positiven und weiblich-negativen Wesensteil trennt und jeden auf gesonderten Lebenswegen in die Welt schickt, um auf den verschiedenen Stufen des materiellen Naturlebens eine Seele aus dem Gerichte der Materie zu erlösen und durch Demut und Liebe zur Vollendung zu führen.

Der männlich-positive Wesensteil des urgeschaffenen Geistes wird als Mann, der weiblich-negative als Weib seine Lebensschule zu durchlaufen haben. Eines Tages aber werden sich nach Gottes Ratschluß in einem bestimmten Zeitpunkt der Reife, sei es im Diesseits oder im Jenseits, die beiden ursprünglich zusammengehörigen Hälften wiederfinden dürfen, bereichert durch die mit heiliger Engelsliebe erlösten und zu himmlischer Vollkommenheit geläuterten Seelenelemente. Mit tiefem, aus dem Innersten des Herzens quellendem Empfinden werden sie sich als zusammengehörig erkennen. Und solch ein auf der Liebe von Geist zu Geist begründeter Bund ist dann, wenn die Beiden in ihrem Fühlen und Streben auch seelisch vollkommen eins geworden sind, wiederum wie im Uranfang eine "vollkommenste Ehe der Himmel Gottes".

Eine solche Geistes- oder Herzensehe ist — als von Gott selbst geschlossen — ewig und unlösbar und für beide Teile restlos beglückend. Der Mann wie das Weib könnten die ganze Unendlichkeit durchschweifen und wurden nirgends eine Ergänzung finden, die besser und in beseligenderer Weise zu ihr paßte als eben diese, vom liebevollsten Schöpfer uranfanglich für sie geschaffene Hälfte.

Fleisches- und Weltehen

Das hohe Glück, schon in diesem Erdenleben seine wahre geistige Hälfte, sein "Dual", zu finden, ist freilich in der Zeit, in der wir leben, nur wenigen Menschen gegönnt. Die meisten Seelen, sowohl der Männer wie der Frauen, lassen sich heute, wie zu den Zeiten Noahs, nicht mehr vom Geiste, sondern vom Fleische und von der Weltlust leiten. Sie denken, fühlen und streben nicht im Hinblick auf Gott und schätzen im Ehegefährten nicht die himmlischen Eigenschaften der Gottes- und Nächstenliebe, sondern suchen in der Ehe nur die Befriedigung ihrer sinnlichen Natur oder weltlichen Ansprüche. Die Gattenwahl erfolgt zumeist nach leiblichen Reizen, irdischem Reichtum, angesehener Stellung, Versorgungsmöglichkeiten und dergleichen. Solche Ehen sind dann natürlich weit entfernt von der Vollkommenheit der Herzensehen; sie tragen nicht die Gewähr und Bestimmung ewiger Dauer, sondern im Gegenteil das Los der Vergänglichkeit allen Fleisches. Solche Gatten werden auch niemals das tiefe Gefühl beseligender Ergänzung genießen, wie solches selbst in Zeiten seelischer Kämpfe und Auseinandersetzungen einem geistig verbundenen Paar vergönnt ist.

Auch noch allerlei andere Gründe der Entwicklung und Reife können manch wohlgesinntes Menschenkind in diesem irdischen Leben seine wahre eheliche Ergänzung nicht finden lassen. Umstände aus einem menschlichen Vordasein oder aus der Person des anderen Teiles mögen da mitspielen. Und da nur wenige aus Liebe zu Gott das vertrauensvolle Warten verstehen, werden auch von diesen Menschen im Erdenleben oft Ehen geschlossen, die nicht das unverbrüchliche Siegel göttlicher Berufung tragen.

Eheliche Liebe

Ob nun aber eine reine Herzensehe oder eine Sinnen- oder Weltehe vorliegt — in allen Fällen ist dieser Bund für Mann und Weib eine hochbedeutsame Lebensschule. Beide Teile sollen hier noch mehr, als es im Leben des ledigen Standes möglich ist, durch gegenseitiges Dienen die tragfähige und tatfertige Liebe lernen, dem Gatten wie auch den der Ehe entspringenden Kindern gegenüber. Und so predigen auch die Neuoffenbarungsschriften den Ehegefährten als den Willen Gottes und als Grundbedingung einer glücklichen Ehegemeinschaft die selbstlose, tatkräftige Liebe in guten wie in bösen Tagen.

Keine abgöttische Anbetung, aber eine ernste, treue Fürsorge schuldet ein Gatte dem andern. "Die bloße Weiberliebe", heißt es in "Robert Blum" (Bd. 2, 157), "ist Eigenliebe. Denn wer von der Weiberliebe sich so weit verziehen lässt, dass ihn daneben die Nächstenliebe und aus dieser die Gottesliebe zur Last wird, der liebt sich selbst im Wesen des Weibes. Lass dich daher von der reizenden Gestalt eines Weibes nicht gefangennehmen übers rechte Maß, ansonst du untergehst in der Schwäche des Weibes, während doch das Weib in deiner Kraft erstehen soll zu einem Wesen mit und in dir!"

So schreibt auch der Apostel Paulus in seinem durch Jakob Lorber nach langer Verschollenheit aufs neue kundgegebenen Brief an die Laodizener: "Höret aber auch, ihr Weiber zu Laodizea: Also will es der Herr, unser Gott von Ewigkeit, dass ihr untertan sein sollet euren Männern in Christo, dem Herrn; denn im Manne habt ihr das Haupt Christi. Ihr Männer aber, liebet eure Weiber gerechten Maßes und seid nicht hart gegen sie. Aber treibet es mit der Liebe eurer Weiber nicht zu bunt, dass ihr darob des Herrn vergessen könntet."

Ehelicher Verkehr

Von den hohen Gesichtspunkten des göttlichen Schöpfungs- und Menschenbildungsplans aus werden in den Schriften der Neuoffenbarung den Eheleuten auch über den weiteren Hauptzweck ihres Bundes, die Zeugung einer gesunden, lebenstüchtigen Nachkommenschaft, bedeutsamste Eröffnungen und Ratschläge erteilt.

"Wenn das Leben des Menschen kein tändelnder Scherz, sondern ein sehr geheiligter Ernst ist, so kann auch der Entstehungsakt desselben durchaus keine Tändelei, sondern auch nur ein sehr geheiligter Ernst sein. Fasse du den Grund recht, und es wird dir darauf bald von selbst alles klar werden!

Die wohltuenden Empfindungen sollen nicht der Beweggrund zur Vornahme des Zeugungsaktes sein, sondern allein der Wille, dass ein Mensch gezeugt werde; denn die Empfindungen sind nur begleitende Erscheinungen und für die sinnliche Natur des Menschen notwendige Anreize zum höheren Zweck der Zeugung.

Drängt dich der Hauptgrund, so gehe und handle, und du hast keine Sünde! Aber es ist dabei dennoch so manches in Berücksichtigung zu ziehen. Dieses Tun darf nie außerhalb der Sphäre der wahren Nächstenliebe geschehen. Es hat also ein jeder, der nach Gottes Ordnung und Wohlgefallen leben will, auch bei ganz ordnungsmäßigen, der Keuschheit nicht widersprechenden Handlungen noch auf alle andern menschlichen Nebenumstände sein Augenmerk zu richten, so er sich nicht gegen irgendein Gebot der Nächstenliebe versündigen will." (GEJ 03, 215, 1ff.)

"Um eine rechte und gesunde Frucht zu zeugen, müssen zwei reife Menschen eine rechte Seelenverwandtschaft untereinander haben. Sind ein Mann und ein Weib in ihrem Herzen (d.h. ihrem Geiste) und in ihren Seelen verwandter Natur, so sollen sie sich denn auch ehelichen und sich nach der Ordnung der Natur des Zeugungsaktes lediglich zu dem Behufe bedienen, um zu einer lebendigen Frucht nach ihrem Ebenmaße zu gelangen. Ein mehreres, als eben dazu vonnöten, ist wider die Ordnung Gottes und die Natur und somit ein Übel und eine Sünde.

Kann irgendein Zeugungsfeuriger bei all seiner Not zu keiner natürlichen Löschung seines ihn quälenden Feuers gelangen, dem rate Ich als bestes Naturmittel das Fasten (nach dem Beispiel des Täufers Johannes), ein fleißiges Baden im kalten Wasser und ein recht inbrünstiges Gebet um Linderung dieser Plage, so wird ihm solche ehestens abgenommen werden. Jede andere Löschungsart aber ist vom Übel und erzeugt abermals Übel und Sünde.

Zugleich aber soll allen Eltern ans Herz gelegt sein, dass sie ihre Kinder nicht den Reizungsgefahren aussetzen, denn ein brennbares Material kann leicht in Brand geraten. Wenn aber einmal die Flammen auf allen Seiten lichterloh aufschlagen, dann geht es mit dem schnellen Löschen oft gar nicht mehr. Und ohne Opfer schlägt keine Flamme auf; wenn sie gelöscht ist, zeigt sich der Schaden.

Darum sollen besonders die Jungfrauen wohl gekleidet, aber nie reizend geziert einhergehen. Die Jungfrauen und Jünglinge sollen nicht dem Müßiggange preisgegeben werden; denn der Müßiggang ist stets der Zeuger aller Sünden." — Und für beide Geschlechter ist auch eine einfache, mäßige und naturgemäße Ernährungsweise unerlässlich.

Eheliche Geduld

Für die Erfüllung der an die Selbstsucht der Ehegatten gestellten Forderungen ist freilich die Natur der meisten Menschen nicht so bald reif. Dies gilt besonders in Zeiten wie den gegenwärtigen, wo durch übersteigerte Genußmöglichkeiten und sonstige Unnatur der Zivilisation die Sinne überreizt werden und die von Gott und vom Glauben losgelösten Seelen keine wahre Glückseligkeit und Lebensfreude an den unvergänglichen Gütern des Geistes mehr kennen. Der entwurzelte, ganz diesseitige Mensch kann nicht einsehen, warum er der ewigen Ordnung eines unbekannten Gottes zuliebe seine erhitzten Triebe zügeln soll. Und auch der fürs Geistige schon mehr Erschlossene wird in dieser vom Gegenpol so stark versuchten Welt je nach Veranlagung, Alter und Erfahrung oft schwer um das Hochziel der Keuschheit zu ringen haben.

Daher ist geduldige Rücksichtnahme und liebevolle Nachsicht als eine Pflicht wahrer Gattenliebe auch in der vom Herrn im "Großen Evangelium" (Bd. 3, 66 ff.) gegebenen "Ordnung des geschlechtlichen Lebens" einem fortgeschritteneren Ehegatten ans Herz gelegt. "Geduld ist stets besser als das allerbeste Recht."

Eheberatung

Was im Hinblick auf die vielen Fragen und Nöte des Ehelebens heutzutage von vielen einsichtigen Menschenfreunden erstrebt wird — eine staatliche Eheberatung –‚ das ist schon vor bald 100 Jahren vom Vater des Lichts durch Jakob Lorber im "Großen Evangelium" als alte Lehre des Herrn den Menschen aufs neue in Vorschlag gebracht worden.

"Es soll", so erklärt der Herr dem römischen Statthalter Cyrenius, "vom Staate aus eine gesetzliche Vorschrift dahin getroffen werden, dass die Ehen sittlich so gut als möglich gehalten und Menschen, die mit (sehr großen) leiblichen und seelischen Gebrechen behaftet sind, zur Ehe nicht zugelassen werden. Denn aus solchen Ehen kann nie eine völlig gesegnete Zucht hervorgehen.

Es soll daher mit allen, auch den sonst Gebrechenlosen, eine Prüfung vorgenommen werden, ob der Bräutigam und die Braut für einander taugen. Findet da ein bevollmächtigter weiser Prüfer irgendwelche Hindernisse, so soll er mit der Bewilligung zum Ehebündnis zurückhalten, den Ehelustigen die argen Folgen recht ans Herz legen und ihnen bedeuten, dass die Ehebewilligung so lange nicht erteilt werden kann, als die verderblichen Umstände fortbestehen. Auch soll ein solcher vom Staat bevollmächtigter Eheschließer den Heiratslustigen den Lebensernst der Ehe und den hohen, himmlischen Zweck derselben recht helle machen.

Zeigt es sich, dass dadurch die Ehelustigen nüchterner werden und die Hindernisse beseitigen, so dass sie sich nur des gegenseitigen Menschenwertes wegen ehelich verbinden wollen, dann erst soll der Bevollmächtigte die Bewilligung zum vollgültigen Ehebündnis erteilen. Er soll das Treuegelöbnis zum Zeichen der Unauflösbarkeit der Ehe in ein Buch eintragen. Weiterhin soll er aber auch stets in Kenntnis der nachfolgenden Eheverhältnisse bleiben und darüber wachen, wie sich diese gestalten.

Darum sollen zu solchen für die Schließung der Ehe Bevollmächtigten keine gemeindefremden Menschen bestellt werden, sondern allenthalben nur Einheimische, welche die Gemeindeglieder, jung und alt, bestens kennen. So werden sicher viele Mißehen verhindert und es wird viel Segen geben in einer solchen Gemeinde. Es wäre darum gut, in jeder größeren Gemeinde ein Ehegericht zu bestellen, das über alle Ehesachen zu wachen hätte. Freilich müsste solch ein Gericht höchst unbescholtenen Charakters sein und an seiner Spitze sollte allenthalben ein von Gott erleuchteter tatkräftiger Mann stehen.

Dieser Mann sollte auch darauf sehen, dass ein junger Mann nie unter 24 Jahren, und eine Maid nie unter 20 Jahren ein Ehebündnis schließt. Denn diese Zeit ist mindestens notwendig zur nötigen Reife für eine gute, auch im Geiste haltbare Ehe. Ein solcher Oberrichter wird ferner auch die Erziehung der Kinder seiner Gemeinde im Auge und in Herzen festzuhalten und allen Ärgernissen mit den entsprechenden Mitteln vorzubeugen haben. Die Widerspenstigen wird er züchtigen und die Eifrigen für alles Gute und Wahre beloben und sie einleuchtend auf den Segen einer recht geführten Haushaltung aufmerksam machen.

Wenn ein Ehegericht in dieser Art sein Amt erleuchteten Sinnes führt, dann werden auch für den Gesamtstaat und dessen gesalbtes Oberhaupt die größten sittlichen und natürlichen Vorteile hervorgehen. Denn werden die Ehen in guter Ordnung gehalten, so werden aus solchen auch Kinder in guter Ordnung hervorgehen. Und aus ordentlichen Kindern werden dann auch ordentliche Staatsbürger, die in ihrem Herzen auch vollkommene Bürger des Gottesreiches werden können. Und damit ist alles erfüllt, was die göttliche Ordnung von den Menschen dieser Erde verlangen kann." (GEJ 03, 72, 8 ff.)

Ehescheidung

Vom Standpunkt der Geduld und ausdauernden Liebe aus wird in den Schriften der Neubotschaft auch die Scheidung der Ehe behandelt.

"Ich bin", spricht der Herr in "Jugend Jesu" (Kap. 102, 11 ff.), "nicht ein Herr dessen, was der Welt ist. Daher seid ihr von Mir aus in allem Weltlichen frei. Habt ihr aber eine wahre Liebe in euren Herzen zueinander gefasst, dann sollt ihr diese nicht brechen. Es gilt bei Mir kein anderes Gesetz für die Ehe, als welches da mit glühender Schrift (des Geistes) geschrieben steht in euren Herzen. Habt ihr euch schon beim ersten Anblick laut dieses lebendigen Gesetzes (d.h. durch die Stimme des göttlichen Geistes) erkannt und verbunden, dann sollet ihr euch nicht mehr trennen, so ihr nicht sündigen wollet vor Mir. Ich halte aber kein bloß weltliches Eheband für gültig, sondern allein das des Herzens. Wer dieses bricht, der ist ein wahrhaftiger Ehebrecher vor Mir. …Wehe aber der Liebe, deren Grund die Welt ist. Sie sei verflucht!"

Im allgemeinen gilt also: "Was Gott verbunden hat, das soll kein Mensch mehr trennen, und es bleibt sonach eine wahre (vom Geist mit dem Geiste) geschlossene Ehe für ewig unauflöslich" (GEJ 01, 236, 19). — "Hatte den jungen Eheleuten der Ehe Honig gemundet, so müssen sie (bei eintretenden Lebensschwierigkeiten) dann auch mit der Galle der Ehe sich zufrieden stellen. Der Ehe Honig ist ja ohnehin der schlechteste Teil derselben; erst mit dem gallischen Teil nimmt des Lebens goldener Ernst seinen Anfang. Käme dieser nicht, dann ginge es mit der Saat für den Himmel schlecht. Im oft bittersten Lebensernst beginnt erst der geistige Same sich zu beleben und zu entfalten, der im beständigen Honigleben erstickt wäre." (GEJ 03, 70)

Nur in einigen wenigen, ganz besonders mißlichen Fällen, deren wichtigste Beispiele im "Großen Evangelium", Bd. 3, 70, angegeben sind, kann eine solche Ehe fürs zeitliche Leben zum Teil oder vollkommen geschieden werden.

Von den Weltehen und ihrer Auflösung dagegen sagt der Herr. "Eine reine Weltehe ist ohnehin kein Bund vor Gott und ist somit auflöslich wie die Weltmenschen und alle ihre Bündnisse." (GEJ 01, 236, 19)

Zusammenfassend finden wir diesen Unterschied auch in einer durch Jakob Lorber empfangenen Kundgabe in den "Supplementen", Seite 95, betont. Auf die Frage: Ist das Eheband ein ewig unauflösliches? erfolgt die Antwort: "Allerdings, wenn es aus wahrer, reiner Liebe hauptsächlich in Anbetracht Meiner wie dann auch in Anbetracht des gegenseitigen Menschenwertes geschlossen wurde oder wenigstens danach vollends so manifestiert ward. Ist aber solches nicht der Fall, dann hat das, was Ehe genannt wird, für den Himmel gar keinen Namen und Wert, aber einen desto größeren für die Hölle. Verstehe es jeder!"

Für die Auflösung der Weltehen wie überhaupt für alle Ehen gelten natürlich aber auch die Weltgesetze: "Denn solange der Mensch nicht völlig im Geiste wiedergeboren ist, sind ihm äußere Staatsgesetze notwendig, weil sie ihn in der Demut und Geduld üben, die zur Erreichung der vollen Wiedergeburt höchst notwendig sind, andernteils aber auch den finsteren und bösen Menschen abhalten, seinen Nebenmenschen Böses in zu großem Maße zuzufügen, indem sie mit scharfgezogenen Linien jedem das Seinige zuweisen und den mutwillig dawider Handelnden züchtigen." (GEJ 08, 22, 5)

Wenn in einem durch geistige Herzensehe verbundenen Paar die einst getrennten Urgeist-Hälften nach langer Lebensfahrt sich in dem durch Gottes Ratschluß bestimmten Zeitpunkt endlich gefunden und ihre aus der Materie gelösten Seelen völlig vergeistigt haben, dann werden diese geistig Wiedergeborenen "wie die Engel Gottes im Himmel sein", d.h. es wird in ihnen nichts Fleischlich-Sinnliches noch Weltsüchtiges mehr Macht haben. Sie werden daher auch, wie der Herr es den Sadduzäern erklärte, nicht mehr in irdischer Art nach fleischlichen oder weltlichen Gründen "freien und sich freien lassen", sondern sie werden als von Gott Verbundene ewig beisammen bleiben in himmlischer Harmonie und Vollkommenheit.

Da keine Menschenseele, wenn sie einmal aus den Elementen des Naturreichs gebildet wurde, ihre Persönlichkeit je mehr verliert, wird auch bei einem solchen geistig wiedergeborenen und vollendeten Paar der Mann sowohl wie das Weib ewig eine gesonderte Persönlichkeit bleiben. Aber infolge der ursprünglichen geistigen Zusammengehörigkeit wird zwischen ihnen in alle Ewigkeit eine ganz besondere, einzigartig wohlgestimmte und höchst wonnevolle gegenseitige Ergänzung und Wechselbeziehung stattfinden. Ein Lebenszusammenklang wird sich ergeben, würdig des großen Meisters, der in der Tiefe seiner Schöpferliebe vor Urzeiten sein Werk erdacht und es mit unergründlicher Weisheit und Macht auf wunderbarsten Wegen zur Vollendung geführt hat.

Wohl dem Paare, das so im großen Schöpfungsganzen eine ewige Lebens-Zelle bilden darf, vom Schöpfer selbst eingereiht in sein unvergängliches Lebensreich! Für uns alle ohne Ausnahme hat die Ewige Liebe diese Seligkeit vorgesehen, wir dürfen uns nur willig der heiligen Führerhand überlassen.






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Kapitel 46
Ehenot

Ein Wort für unsere Zeit, durch die innere Stimme des Geistes empfangen.

Ehenot heißt eine der Geißeln, mit welchen Ich (der Herr) die Menschheit der Erde heute züchtigen muss. Aber auch diese Völkergeißel habe nicht Ich den Menschen geflochten; vielmehr waren und sind sie selbst die Verfertiger dieses harten Zuchtmittels. Würden sie auf Meine Stimme lauschen und den Geboten Meiner heilvollen Lebensordnung gehorchen, dann wüssten sie nichts von Ehewirren, sondern würden als seelen- und leibesgesunde Gatten selige Freuden genießen durch die enge Verbindung mit Mir und Meiner göttlichen Kraft.

Auf eigenen Wegen zum Abgrund

Auf eigenen Wegen der Glaubenslosigkeit und Selbstliebe wandelnd, haben sich die Menschen in allen Erdzonen von den wichtigsten Grundlinien Meiner Naturordnung entfernt und haben auch fast ganz die Verbindung mit Meinem Heiligen Geiste aufgegeben. Mit einer Verblendung und Hartnäckigkeit sondergleichen zerstörten sie die aus Mir strömenden Lebenskräfte und sehen sich nun vor einem Trümmerfelde.

Auch das Glück eines wahren Ehelebens ging verloren. Achtete man doch nicht mehr Meines ersten Grundgesetzes der Ehe, dass nur ein Weib für einen Mann von Mir geschaffen und zur gegenseitigen Ergänzung bestimmt ist. Die Unersättlichkeit der selbstischen Genusssucht in den Menschen beiderlei Geschlechts ließ sich nicht mehr zügeln von der Stimme Meines Geistes. Vielmehr gewannen die satanischen Geister der Fleischeslust die Herrschaft im Menschen und gaben ihm "Vernunftslehren" ein, der Mensch müsse sein kurzes Erdenleben voll und ungehemmt genießen, solange er jung und genussfähig sei.

Damit war schon der Grund und Boden der Ehe aufgelöst und Mann und Weib zu Zerstörern des himmlischen Glücks der wahren, ewigen Ehe geworden. Es wurden nun die kostbarsten Säfte und Kräfte beider Geschlechter unheilvoll vergeudet. Elemente des Leibes und der Seele, die zu lust- und lebensvollen Strahlungskräften von Mann und Weib werden sollten, wurden elend vertan. Jene Strahlkräfte aber sind das wichtigste Band der Ehe. Auf ihnen beruht die geheime, aber mächtige Anziehung der Geschlechter.

Mann und Weib bedürfen und genießen voneinander diese leiblich-seelischen und auch reingeistigen vom Menschen ausgehenden Kräfte, die in hochlebendigen, gleichsam elektrisch geladenen Lebensfunken bestehen. Wenn die Ehegatten inner- oder außerhalb der Ehe die Säfte, aus welchen diese Lebensfunken gereift werden, vergeuden, so ist klar, dass von jener Strahlung keine Kraft mehr erwartet werden kann. Weder der Mann noch das Weib kann dann vom andern Teil jene erquickende, belebende Einwirkung, welche das seelische Liebesempfinden weckt und nährt, im Umgang des täglichen Lebens mehr empfangen. So erkaltet die gegenseitige Anziehung und Liebe, ja es entsteht Abneigung, Ekel und Hass. Und der Zustand glücklichen, liebegenährten Friedens weicht dem Geiste des Unfriedens, des Zankes und Kampfes, und aus der Ehe wird ein ewiger Krieg. Die Ehenot ist fertig.

Wenn in solch einer Ehe Kinder kommen, sind sie höchst störende und unwillkommene Erscheinungen, und das Streben besteht, ihre Zeugung oder Geburt zu verhindern. Ich aber habe das Zeugungsvermögen den Menschen nicht zur leeren, eitlen Lust gegeben, sondern zur Fortpflanzung ihres Geschlechtes. Den Lustreiz habe Ich nur als Mittel zu diesem heiligen Zweck beigefügt, und die Kräfte der Zeugung soll der Mensch nicht genusssüchtig vergeuden, sondern in sich zur Vollreife bringen. Wenn er damit nicht ein neues Menschenleben zeugen will oder kann, dann soll er sie in sich sammeln oder umsetzen in die geistigen Schöpferkräfte, die jeder Mensch — Mann oder Weib — im täglichen Leben auf die verschiedenste Weise benötigt und zu seinem großen Nutzen und Heil verwenden kann.

Wahres Glück in der Ordnung Gottes

Neue fruchtbare Gedanken entstehen licht- und kraftvoll im Menschen, der seine Fruchtkeimsäfte bei sich sammelt und vergeistigt. Und zu den guten Gedanken hat ein solcher vernunftvoll keuscher Mensch auch die Willens- und Tatkraft zu erfolgreicher Ausführung. Das wahre Geheimnis des Erfolgs ist die Keuschheit und Enthaltsamkeit. Wer das Geld hinaus in den Rinnstein wirft, wird bald ein Bettler sein. Und wer die von Mir verliehenen Zeugungskräfte verschwendet, dem geht es ebenso; wer sie aber sammelt, der kommt zu erstaunlicher Macht in allen Dingen. Nicht nur seine schöpferischen Gedanken und Taten mehren und verstärken sich — auch seine Strahlkräfte werden mächtig geladen mit Lebensenergien, die wonnig und belebend von der ganzen Umgebung und besonders von dem andern Ehegatten empfunden werden.

In solch einer Ehe tritt das äußere wie das geistige Glück und Wohlergehen zur Türe herein. Kinder sind einem solchen Paar keine Last und unwillkommene Erscheinung, sondern werden mit Freuden in Empfang genommen aus Gottes Hand und mit Liebe und tiefem Verantwortungsgefühl gepflegt und erzogen. Auch wird hier des Himmels Segen nicht fehlen. Und mit dessen Unterstützung wird auch in schwierigen Zeitläufen ein keusches, gottverbundenes Ehepaar eine stattliche Zahl gesund und gut gearteter Kinder zu reifen, glücklichen Menschen erziehen können, die einst im Alter ihre Stütze und unversiegbare Freude sein werden.

So kann also die Ehenot in heutiger Zeit durch ein auf Mich und Meine ewige Ordnung gegründetes keusches Eheleben behoben werden. Durch ein solches Leben werden auch nach und nach alle wirtschaftlichen Nöte beseitigt, die ihre letzte Ursache ebenfalls in der ungezügelten Selbstsucht der heutigen Menschheit haben. Wer den Menschen und sich selbst helfen will, der strebe also nach der Wiederverbindung mit Mir, dem Urquell alles Lebens und wahren Glückes, und der halte Meine Gebote und Ordnungsregeln. Darin liegt das einzig wahre und wirklich durchgreifende Heilmittel für die ganze Menschheit.

Neuzeitliche Vorschläge

Wenn nun die Menschen heute nach Lösungen suchen, so werden die Vorschläge zur Abhilfe gar sehr verschieden sein. Die völlig Ungläubigen, nur mit der sichtbaren Welt rechnenden sogenannten Freidenker werden auch nur an materielle Mittel und Wege denken, und zwar an solche, die den Sinnengenuss nicht zügeln, sondern ungehemmt entfalten lassen. Sie verkünden leicht lösliche Eheverbindung, Verhütung der Empfängnis und möglichst gefahrlose Geburtenverhinderung. Das ist dieser Verblendeten echt satanische, lebenvernichtende Weisheit! Dabei meinen sie noch vernünftig zu handeln und bedenken nicht, welch furchtbare Lebensvernichtung sie damit anbahnen und wie vollkommen dadurch die Zelle des Volkskörpers, die Familie, zerstört wird.

Andere, die noch dem christlichen Geiste näherstehen, werden auf Mein Gebot verweisen und auch in der heutigen Zeit mit Strenge die Durchführung verlangen — wenigstens von den andern! Wie sollen sie aber durchdringen mit ihrem toten Glaubenseifer, wenn sie den Menschen nicht mehr die wahre Liebe zu Mir, dem himmlischen Vater in Jesus beibringen können, da sie selber ein kaltes Herz und nur Verstandesglauben besitzen? Diese Buchstaben- und Scheinchristen werden nichts ausrichten gegenüber der ungeheuren Masse der Ungläubigen, denn ihre Predigt hat weder wahres Licht noch feurig belebende Kraft. Sie wird abprallen und verhallen bei den sinnengierigen Weltmenschen, die nach Sinnenfreiheit lechzen und darüber zur Tagesordnung hinweggehen.

Ratschläge für die Gottes-Kinder

So wird also in den nächsten Zeiten in all diesen Fragen keine glückliche Lösung von den Völkern durchgeführt werden können. Es wird sich dabei nur um Notmaßnahmen oder Stückwerk handeln. Und jede der von der gegenwärtigen weltsüchtigen Menschheit ergriffene Maßregel wird neben geringem Guten überwiegend Arges und Unheilvolles aufweisen, denn Mein Segen fehlt und muss fehlen.

Darum, Meine Lieben, die ihr in Meinem Lichte steht, zerbrecht euch nicht den Kopf darüber, was zu tun sei, um der großen Ehenot der heutigen Zeit zu steuern. Diese Zeit und Weltmenschheit muss vergehen und zuvor ihr Wesen völlig auswirken, damit das Menschengeschlecht durch die sich ergebenden Erfahrungen belehrt und für die Aufnahme Meines himmlischen Lichtes reif und sehnsüchtig gemacht werde.

Überlasset daher den Weltmenschen ihre Entschlüsse und begebet euch selbst möglichst getreu in Meine euch wohlbekannte Ordnung. So werdet ihr nicht nur für euch das seligste Familienglück finden, sondern durch euer Lebensbeispiel auch den blinden Weltmenschen die wirkungsvollste Lehre geben und die Entwicklung des Weltgeschehens zum Guten beschleunigen.

Es wird mehr und mehr ein neuer Glaube der Liebe erwachen und sich ausbreiten in allen Völkern. Und schließlich werden die Geweckten mit Meiner Hilfe die Macht ergreifen und alles im Sinne Meiner Ordnung neugestalten. Dann wird auch das heilige Wesen der Ehe aufs neue enthüllt und zur Geltung gebracht, und die Ehenot wird allenthalben schwinden, wo Mein Geist und Meine Ordnung herrscht.

In der Zwischenzeit aber gehet nicht zu scharf ins Gericht mit denen, die noch blind und unreif sind oder denen die Glut ihrer Veranlagung das Leben in Meiner Ordnung noch nicht gestattet. Ich selber bin nachsichtig, weil Ich gar wohl weiß, dass ihr Menschenseelen alle Gefallene und Verirrte seid und aus den schweren Banden der Materie nur ganz allmählich erstehen könnt. Darum seid auch ihr wohl streng gegen euch selbst, aber voll Nachsicht gegen eure Brüder und Schwestern. Es verurteile und verlasse kein fortgeschrittener Ehegatte den minder fortgeschrittenen, sondern trage seine Unreife und Schwäche, bis auch er durch Mich und Meine Diener gereift ist!

Ich dränge ja auch keinem Menschen Meinen Willen auf, sondern erziehe euch zur wahren Selbständigkeit und Vollkommenheit in der größtmöglichen Freiheit. Erzwungenes Halten Meiner Ordnung hat vor Mir keinerlei Wert. Und mit Gewalt werdet auch ihr nicht das geringste Gute reifen können an eurem Gatten oder sonstigen Mitmenschen. Dagegen segne ich eure sanfte Liebe, Geduld und Barmherzigkeit auch in der Ehe mit den reifenden Strahlen Meiner Lebenssonne, und ihr werdet Früchte erleben dürfen an Seelen, wo ihr es kaum zu hoffen wagtet.

Für heute nehmt nun diese Winke über jene Fragen der Zeit, die euch und viele andere beschäftigen! Im Lichte der Ewigkeit ist alles einfach und klar, was im Spiegel der Welt oft trüb und unheilschwanger erscheint. Amen.






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Kapitel 47
Kindererziehung und Jugendpflege

Der Segen wahren Familienglücks beruht nächst der Festigkeit und Reinheit der Ehe in besonderem Maße auf einer rechten, von Liebe und Vernunft geregelten Zucht und Pflege der Kinder.

Auch dieses wichtige Lebensgebiet findet in den Schriften der Neuoffenbarung eine bedeutsame Beleuchtung. Die dabei zur Geltung gelangenden Gesichtspunkte heißen: Herzensbildung, wahre Verstandeserleuchtung und Willensfestigung auf dem Boden der Ordnung Gottes. Das Ziel ist nicht, einen in irdisch vergänglichen Dingen erfolgreichen Weltmenschen, sondern einen vom Geiste tätiger Gottes- und Nächstenliebe geadelten Himmelsbürger heranzubilden, der durch seine und Tatkraft unter göttlichem Segen auch das irdische Leben meistert.

Sondern die

Kinderzeugung

ist ein heiliges Werk von größter Verantwortung, die einen neuen Menschen ins Dasein ruft.

"Daher soll auch bei der Zeugung gar wohl beachtet werden, dass diese Handlung nicht aus gemeiner Sinnengier, sondern aus wahrhafter Herzensliebe und seelischer Neigung geschieht — und zweitens, dass das einmal empfangen habende Weib während der Schwangerschaft und weiterhin noch gut sieben Wochen nach der Ausgeburt ihrer Frucht ungestört in Ruhe gelassen wird. Wer sein Weib während der Schwangerschaft stört, verdirbt die Frucht schon im Mutterleib und pflanzt derselben den Geist der Unzucht ein; denn der Geist, der die Gatten reizt und nötigt, sich über die natürliche Gebühr zu beschlafen, geht verstärkt in die Frucht über.

Kinder auf reine Art gezeugt und im Mutterleib ungestört ausgereift, werden schon leiblich vollkommener in die Welt kommen, weil die Seele in einem vollkommen ausgebildeten Organismus eher und leichter für ihren geistigen Herd sorgen kann als in einem ganz verdorbenen, an dem sie gleichfort zu bessern und zu flicken hat. Und zweitens ist sie selbst in sich reiner und heller, weil sie nicht von den Unzuchtsgeistern gestört wird, die durch die oft täglichen Nachzeugungen in des Embryo Fleisch und auch Seele hineingezeugt werden.

Wie leicht kann solch eine Seele ihr Gemüt schon in der zartesten Kindheit zu Gott erheben aus kindlicher, allerunschuldigster Liebe! Bei solchen Kindern fängt sich schon frühzeitig eine Außenlebenssphäre zu bilden an. Sie werden bald und leicht hellsehend, und ihrem Willen wird sich alles in Meiner Ordnung Seiende zu fügen beginnen. Was sind dagegen die schon im Mutterleibe verdorbenen Kinder?

Ich sage euch: Kaum mehr als scheinbelebte Schattenbilder des Lebens! Und was ist hauptsächlich daran schuld? Das, was Ich euch sattsam als Folge der Wollust gezeigt habe.

Wo irgend in der späteren Zeit Mein Wort von euch gepredigt wird, sollte diese Lehre nicht fehlen! Denn sie bearbeitet des Lebens Grund und Boden und macht ihn frei von Dornen, Gestrüpp und Disteln, von denen noch nie ein Mensch Trauben und Feigen geerntet hat."

Dem hohen Ziel der Heranbildung wahrer Himmelsbürger entsprechen in den Neuoffenbarungsschriften auch die

Grundsätze der rechten Erziehung.

Im "Großen Evangelium" hören wir aus dem Munde des Herrn:

"Das Kind muss vor allem gelehrt werden, seinen noch stark tierischen, selbstsüchtigen Eigenwillen zu beugen, und darf nicht verzärtelt werden. Ein Hauptgrund der Verderbung der Menschenseelen liegt in einer häufig affenliebigen Erziehung der Kinder. Man lässt das Bäumchen wachsen, wie es will, und trägt durch Verzärtelung noch alles mögliche dazu bei, um den Stamm recht krumm wachsen zu lassen. Ist aber der Stamm einmal erhärtet, nützen alle späteren Beugungsversuche nichts mehr.

Darum beuget eure Kinder in ihrer leicht lenksamen Jugend, dann wird es bald weniger materielle Seelen geben, die das Geistige nicht verstehen und sich nicht der wahren Lebensordnung fügen Ein Kind ist bis ins siebente Jahr stets bei weitem mehr Tier als Mensch und hat darum noch sehr viel tierische und wenig wahrhaft menschliche Bedürfnisse. Den Kindern werde daher nur das Nötigste gereicht und man gewöhne sie frühzeitig an allerlei Entbehrungen!

Man lasse sie sich üben in allerlei Gutem und Nützlichem, mache jedoch ein noch so braves Kind nie selbstliebig und sich überschätzend. Man lobe die Braven nie übertrieben, sei aber auch gegen Minderbefähigte oder Minderbrave nie zu hart, sondern behandle sie mit rechter Liebe und Geduld. Man mache auch die Kinder, besonders wenn sie schön gestaltet sind, nie durch schöne und reiche Kleidung eitel und stolz! Man halte sie rein, mache aber nie Hausgötzen aus ihnen!

Wer seine Kinder wahrhaft liebt, dem muss vor allem daran gelegen sein, ihre Seelen so zu erziehen, dass sie nicht von der Materie verschlungen, sondern fähig werden, den Geist Gottes in sich aufzunehmen. Gewöhnt darum eure Kinder schon frühzeitig daran, das wahre Reich Gottes im Herzen zu suchen. Dann schmücket ihr sie dadurch mehr als königlich und erwerbt ihnen das größte und beste Erbteil für Zeit und Ewigkeit.

Durch eine solche geistig gerichtete Erziehung wird eine Jungfrau voll Keuschheit und Züchtigkeit den Stand einer ehrbaren Mutter erreichen. Und der Jüngling wird mit reifer Seele und gewecktem Geiste in das Mannesalter treten und ein Segen sein für die Seinen und für die Erde und all ihre Kreatur. Gebt ihr aber den tierischen Begierden und Leidenschaften eurer Kinder zu sehr nach, dann werdet ihr allen Lastern ein weites Tor eröffnen. Und sind diese einmal scharenweise da, so werdet ihr vergeblich mit allen Waffen gegen sie zu Felde ziehen und nichts ausrichten gegen ihre große Gewalt."

Strenge und Liebe

In der Behandlung der Kinder und der reiferen Jugend ist der wahren Weisheit gemäß jedoch ein wesentlicher Unterschied zu machen.

Da heutzutage die meisten Kinder nicht in der Ordnung Gottes gezeugt, sondern Früchte eines tierischen Trieblebens sind, ist ihre schwache Seele zumeist stark belastet mit selbstischen, niederen Seelenfunken und ihr Wille demgemäß arg und hartnäckig. Dieses Unkraut ist bei den Kleinen schon in frühestem Alter durch strenge, unnachgiebige Zucht so gut als möglich auszurotten. In der Zeit der Unreife sind Kinder ihren Eltern sonach unbedingten Gehorsam schuldig. Den Ungehorsamen ist mit allem Ernst zu begegnen. "Ihre Seelenkrankheiten", sagt der Herr im "Großen Evangelium", "können am besten geheilt werden durch eine gut geordnete Zucht, bei der auch die Rute nicht fehlen soll."

Für aufbrausende, zornmütige Kinder ist ein zweckmäßiges Fasten jedoch eine bessere Strafe als Schläge. Nichts heilt den Zorn besser als Fasten. Man soll den Kinder dabei sagen, der himmlische Vater habe verboten, ihnen Brot zu geben, weil sie schlimm gewesen seien. Wenn sie Ihn um Verzeihung bitten und wieder brav sind, werden sie wieder eins bekommen. Sind die Kinder ruhig und sittsam geworden, dann soll man ihnen sagen, welch große Freude der himmlische Vater an ihnen hat. Zeigen die Kinder große Gefühlserregbarkeit, so sollen sie auch später sehr mäßig leben, früh schlafen gehen, von geistigen Getränken sich enthalten, kein Fleisch unreiner Tiere essen, keine Schaulustorte besuchen, besonders nicht solche, wo aufreizend getanzt und gespielt wird. (Erde und Mond, 62, 5. 181 ff.)

Eine andere Behandlungsart ist dagegen der reiferen Jugend gegenüber am Platze. — "Es tut wohl jeder Vater recht, so er die kleinen, unartigen Kinder mit der Rute straft, aber den erwachsenen Söhnen und Töchtern soll er stets ein weiser und sanfter Lehrer sein! Nur wenn ein herangewachsenes Kind sich auflehnt gegen die Eltern, dann soll ihm gedroht werden. Bekehrt es sich, dann soll es wieder in den alten Frieden gesetzt werden." (Jugend Jesu, 168, 13-16)

Im übrigen soll aber bei Kindern, die zur Erkenntnis des Gotteswillens gelangt sind, "statt des Gehorsams, den sie dann nur Gott allein schuldig sind, die kindliche Liebe und Achtung" den Eltern gegenüber Platz greifen.

"Die Seelenkrankheiten der erwachsenen Menschen werden geheilt durch weisen und liebevollen Rat, durch gediegene Lehre, liebevolle Ermahnungen und Aufklärungen über die notwendigen schlimmen Folgen, die aus der Beibehaltung der Seelenschwächen mit der Zeit entstehen müssen. Nur wenn dies alles bei sehr verstockten, blinden und tauben Seelen nichts fruchtet, dann ist auch bei Erwachsenen zu einer schärferen Behandlung überzugehen, hinter der aber dennoch die Nächstenliebe im Vollmaße vorhanden sein muss. Denn nur aus der reinen Liebe und Weisheit kann ein Segen hervorgehen. Handelt dagegen der Erziehungsleiter aus Zorn und höllischer Straflust, dann ist alle Mühe vergebens. Denn anstatt die kranken Seelen zu wahren Menschen zu heilen, werden aus ihnen Teufel gezeugt, deren Rachedurst fürder keine Macht mehr zu stillen vermag." (GEJ 01, 79, 3 ff.)

Erziehung zur Demut und Gottesliebe

Nächst der Überwindung der niederen Triebe und selbstsüchtigen Neigungen ist eine Hauptaufgabe der Jugenderziehung nun aber weiterhin der positive Teil:

Die Hinwendung des kindlichen Gemüts auf Gott und die Erweckung und Pflege der Demut und Gottesliebe. Denn aus Ihm, dem Ursprung alles Seins und himmlischen Allvater, empfangen wir ja alle Kräfte des Lebens und gesegneten Gedeihens. Auch mit dieser Bearbeitung des Gemüts ist daher schon in zartester Kindheit zu beginnen. "Denn wahrlich, Ich sage euch: Der Unterricht in der Wiege (d.h. im frühen Kindesalter) ist mehr wert als alle Hochschulen der Welt."

"Lehret früh die Kindlein den Vater im Himmel lieben! Zeiget ihnen, wie gut und liebevoll Er ist; wie Er alles, was da ist, zum Besten der Menschen höchst gut, schön und weise erschaffen hat und wie gar sehr Er besonders den Kleinen, Ihn über alles liebenden Kindlein zugetan ist. Machet sie bei jeder Gelegenheit darauf aufmerksam, dass alles, was da geschieht, der Vater im Himmel anordnet oder geschehen lässt! So werdet ihr die Herzen der Kleinen zu Mir kehren und Meine Liebe wird in ihnen zu wuchern anfangen. Eure leichte Mühe aber wird euch bald die gediegensten Früchte tragen."

Der Herr als Gotteslehrer für Kinder

Wie dem einfachen Verstand und Gemüt der Kinderseele die rechten Begriffe von Gott, dem All-Schöpfer und Vater in Jesus beigebracht werden können, zeigt der Herr selbst in einer Szene des "Großen Evangeliums". Er begrüßt dort eine Schar Hegekinder der Essäer. Und wir lesen:

"Darauf segnete Ich die Kindlein, herzte und küßte sie und wollte nun gehen. Aber diese, zu Mir Liebe und Vertrauen fassend, umringten Mich und baten, dass Ich doch noch eine kurze Zeit bei ihnen verweilen möchte. Und Ich sagte: 'Ja, diesen Bittstellern kann Ich nichts abschlagen und will darum noch eine halbe Stunde bei ihnen verweilen.'

Als die Kindlein solches von Mir vernahmen, da wurden sie überfröhlich und ein Knabe fragte Mich ganz vertrauensvoll: 'O du lieber, höchst guter Herr! Du hast uns ehedem von dem überguten Geistvater im Himmel etwas gesagt, dass wir Ihn kennen und über alles lieben lernen sollen. Ja, das werden wir auch ganz sicher, so wir Ihn einmal werden erkannt haben! Aber wie werden wir Ihn erkennen? Wer wird Ihn uns zeigen? Kennst du Ihn etwa so gut? Dann beschreibe Ihn uns, und wir werden Ihn dann auch gleich über alles zu lieben anfangen.'

Sagte Ich: 'Ja, Meine lieben Kindlein, diese Sache ist freilich noch ein wenig schwer, weil ihr von Ihm noch keine Vorbegriffe habt. Aber Ich werde es dennoch versuchen, euch welche zu geben, und so höret Mich nun recht aufmerksam an:

Der Vater im Himmel ist der reinste, vollkommenste und ewiglebendige Geist, der nie einen Anfang genommen hat und auch nie ein Ende nehmen wird. Er hat schon von Ewigkeit her aus sich den Himmel und diese Erde und alles, was auf ihr ist, mittels seiner Allmacht erschaffen. Will ein Mensch auf dieser Erde etwas schaffen, muss er dazu einen geeigneten Stoff und allerlei Werkzeuge haben. Der Vater im Himmel aber braucht dazu weder einen schon vorhandenen Stoff noch ein Werkzeug. Sein Stoff und Werkzeug ist sein allmächtiger Wille.

Er hat denn auch die Menschen erschaffen, dass sie Ihn erkennen und über alles lieben sollen, auf dass sie von Ihm das ewige Leben erhalten. Damit aber die Menschen wissen, wie sie untereinander zu leben haben, so hat ihnen der Vater im Himmel durch gewisse Himmelsboten, genannt Propheten, seinen Willen geoffenbart. Wer danach lebt und handelt, der überkommt das ewige Leben. Menschen, die recht fromm sind und den Vater über alles lieben und nach seinen Geboten leben, bekommen schon in dieser Welt die Stimme des Vaters zu hören und auch sein Angesicht zu sehen.

Seid ihr, Meine lieben Kindlein, darum auch recht fromm, so werdet ihr solch größtes Glück auch schon auf dieser Welt genießen!'

Die Kindlein versprachen alles, was Ich ihnen angeraten zu tun, wenn sie nur einmal den Vater im Himmel hören und sehen könnten, und fragten Mich, ob Ich den Vater im Himmel schon oft gehört und gesehen habe, und wie Er wohl aussehe.

Da sagte Ich mit freundlicher Miene: 'Meine lieben Kindlein! Ich höre und sehe den Vater immer, und Er sieht geradeso aus wie Ich, und seine Stimme klingt auch so wie die Meine. Wer sonach Mich sieht und hört, der sieht und hört auch den Vater im Himmel. Sehet Mich daher nur recht gut an und ihr könnt dann sagen, dass ihr den Vater im Himmel gesehen und gehört habt!'

Hier schauten die Kinder Mich fest an und sagten nach einer Weile: 'Wenn der Vater im Himmel so aussieht wie du — da muss Er sehr gut sein, und wir lieben Ihn schon jetzt über alles!" (GEJ 08, 219, 12 ff.)

Erziehung zur Nächstenliebe

Aus der Liebe zu Gott, dem Vater aller Menschen, soll das Kind auch frühzeitig die reine, in Werken sich äußernde Liebe zu allen Mitmenschen und Mitgeschöpfen lernen. Denn im Grunde ist es ja die selbstlos tätige Liebe zum Nächsten, worauf der göttliche Menschenbildungsplan hinzielt. Und gerade in der Liebetätigkeit sollen wir vollkommen werden wie Er selbst. So vernehmen wir im "Großen Evangelium" (Bd. 8, 150, 14 ff.) vom Herrn die Worte, die in besonderem Maße auch für die Jugend und die Jugenderziehung gelten:

"Suchet vor allem das Lebensgefühl (Gemüt) nach Meiner Lehre zu bilden und zu stärken! Fühlet mit dem Armen seine Not und lindert sie nach euren Kräften, tröstet die Traurigen, bekleidet die Nackten, speiset die Hungrigen, tränket die Durstigen! Helfet, wo ihr könnt, den Kranken, erlöset die Gefangenen, und den Armen im Geiste predigt Mein Evangelium! Das wird euer Gemüt bis in die Himmel erheben, und eure Seele wird auf diesem wahrsten Lebensweg bald mit ihrem Geiste aus Gott eins und dadurch auch aller seiner Weisheit und Macht teilhaftig werden. Und das wird sicher mehr sein, als vieles in der Welt zu wissen, dabei aber gegen seine Nebenmenschen gefühllos zu sein und durch sich selber das Zeugnis zu geben, dass man dem wahren Leben im Geiste noch sehr ferne steht.

Ich sage euch: Der allein lebendige Geist im Menschen ist pur Liebe. Wer diese Liebe und ihr ewig wohlwollendes Gefühl in seine eigenliebige Seele stets mehr aufnimmt und in deren Auswirkung immer kräftiger, mutiger und gefügiger wird, fördert dadurch die volle Einung des Geistes mit der Seele. Und wird dann die Seele ihrem zartesten Gefühle nach ebenfalls zu reiner Liebe und Weisheit, so ist sie völlig eins mit ihrem Geiste und dadurch auch im lebendigsten Besitz all der wunderbaren Lebens- und Seinsfähigkeiten ihres Geistes. Und das ist mehr wert als alle Schulen der Weltweisen dieser Erde!"

Verstandes- und Wissenspflege

Wenn sonach die Gemütsbildung durch Pflege der Gottes- und Nächstenliebe an der Spitze der göttlichen Erziehungsratschläge steht, so ist damit freilich nicht gesagt, dass dem Verstand und der Wissensbildung nicht auch eine berechtigte Bedeutung beizumessen wäre.

Der im Kopf wohnende menschliche Verstand hat als ein durch die Leibessinne vermitteltes Erkenntnislicht der Seele zwar die Unvollkommenheit alles Seelischen an sich. Wenn er nur im Dienste und unter dem Einfluss der kalten menschlichen Selbstsucht und Selbstherrlichkeit steht, kann er in der Welt nichts wahrhaft Gutes erkennen noch wirken. Anders dagegen, wenn er sich erleuchten und leiten lässt von dem im Herzen wohnenden göttlichen Geist, dessen Wesen und Wille Demut und Liebe heißt. Ein scharfer, vom göttlichen Geistfunken erhellter Verstand und ein auf diese Weise erleuchtetes Wissen ist eine segensvolle Gottesgabe, durch die der Mensch fähig wird, im irdischen wie im jenseitigen Reiche unseres himmlischen Vaters viel Gutes zu wirken. Darum ist eine vernünftige Verstandes- und Wissensschulung der Kinder durchaus nicht zu vernachlässigen:

"Lehret die Kinder", so heißt es im "Großen Evangelium", "zuerst lesen, schreiben, rechnen. Dann enthüllet vor ihnen die Gestalt der Erde und zeiget ihnen überall den wahren Grund alles Geschaffenen, soweit sich dies für sie geziemt und sie es zu fassen vermögen. Bereichert sie mit allerlei nützlichen Kenntnissen, lasset sie auch allerlei Erfahrungen machen und begeistert sie für alles Gute und Wahre." (GEJ 05, 134, 4.)

Zu diesem Zwecke soll jede Gemeinde "ein eigenes Schulhaus errichten und es mit wohlerfahrenen, sittsamen Lehrern versehen". (GEJ 08, 90, 1.)

Auch der Sinn für das Schöne soll geweckt werden. — "Dass die Menschen auch eine Freude an der schön gezierten Erde haben, habe Ich ihnen nie untersagt. Nur sollen sie dabei allezeit in ihrem Herzen dessen gedenken, der die Erde so schön gemacht hat; dadurch werden sie in ihrem Gemüt erbaut werden. Wer Gottes Werke so mit den rechten Augen betrachtet, darf daran auch seine Lust haben, und solche Freunde der schönen Erdnatur sind sicher auch bessere Menschen und leicht zum Reiche Gottes reif zu machen."

Bei aller Verstandes- und Wissensbildung ist jedoch ein vernünftiges Maß einzuhalten:

"Es sind zwar die angezeigten Kenntnisse dem Menschen auch nötig, um zur wahren Lebensweisheit zu gelangen. Aber es soll dabei dennoch wohl darauf geachtet werden, dass die Menschen diese Vorkenntnisse und ihre Erlernung nicht zur Hauptsache machen und dabei die innere, geisterweckende Bildung vergessen, in der am Ende doch allein aller Lebenswert besteht. Denn was nützte es einem Menschen, so er alle Schriften der Welt lesen und verstehen und aller Menschen Sprache reden könnte, an seiner Seele aber Schaden litte? Daher suchet auf Erden vor allem das Reich Gottes, suchet es in euch! Alles andere wird euch dann schon mit dem Gottesreich in euch gegeben werden, aber ohne dasselbe hat der Mensch — und besäße er auch alle Schätze der Erde und die Wissenschaften aller Weltweisen — so viel wie nichts. Ein Besitzer des Reiches Gottes im Herzen dagegen hat alles. Er hat die höchsten und tiefsten Wissenschaften in sich und hat das ewige Leben und seine Kraft, Macht und unvergängliche Seligkeit." (GEJ 07, 126, 8ff.)

Erziehung zur Keuschheit und Sittenreinheit

Als eine Hauptpflicht der Erzieher betonen die Neuoffenbarungsschriften ferner, der Jugend die Reinheit der Seele zu bewahren.

"Die Fleischeslust ist für alle Menschen mehr oder weniger ein Hauptübel. Aus ihr entspringen viele leiblichen Krankheiten und Gebrechen der Seele. Daher sollt ihr eure Augen abwenden von den gefährlichen Reizen des Fleisches so lange, bis ihr Meister über eure Sinne geworden seid. Die Kinder aber wahret vor dem ersten Fall und erhaltet ihnen ihre Schamhaftigkeit, so werden sie als Erwachsene ihr Fleisch eher beherrschen können und nicht leicht zu Fall kommen. Ein einmaliges Versehen nur, und des Fleisches Teufel hat von der Seele Besitz genommen. Kein Teufel aber ist schwerer aus dem Menschen zu vertreiben als eben der Fleischteufel, der nur durch vieles Fasten und Beten hinausgeschafft werden kann. Hütet euch daher auch, die Kinder durch übermäßiges Putzen und reizende Kleidung fleischlich zu entzünden. Wehe dem, der sich so an der Natur der Kleinen versündigt! Solch einen Frevler an der Natur der Jugend werde Ich züchtigen mit aller Macht Meines Zorns.

Ist das Fleisch einmal brüchig geworden, hat die Seele keine feste Unterlage mehr und ihre Vollendung geht schlecht vonstatten. Welche Arbeit ist es dann für eine schwache Seele, ihr brüchiges Fleisch wieder zu heilen und narbenlos zu machen! Welche Angst steht sie dabei aus, so sie ihres irdischen Hauses Brüchigkeit und Schwäche merkt. Sehet an die Blinden alle, die Tauben, die Krüppel, die Aussätzigen, die Gicht-brüchigen! Seht weiter an die mit allerlei anderen Leibesübeln behafteten Kinder und Erwachsenen! Alles sehr oft Folgen einer zu frühen Fleischbrüchigkeit der Eltern oder Kinder!" (GEJ 04, 80, 2 ff.)

Groß und segensvoll sind dagegen die Früchte keuscher Jugenderziehung und Lebensführung. In "Großen Evangelium" spricht der Herr: "Ich sage euch, wenn die Eltern es verstünden, ihre Kinder so zu erziehen, dass diese ihre Unschuld und Reinheit sich erhalten, würden denselben auch unmittelbar aus den Himmeln Lehrer und Führer gegeben werden. Bei den Patriarchen war dies sehr häufig der Fall und hie und da geschah solches auch noch in der jetzigen Zeit (d.h. zu des Herrn Erdenzeit). Meines Leibes Mutter wie auch Mein Nährvater Joseph, dann auch der alte Simeon, die Anna, der Zacharias, sein Weib Elisabeth und sein Sohn Johannes und noch etliche sind unmittelbar von den Engeln aus den Himmeln erzogen worden. Aber die Genannten sind von ihren Eltern auch in größter Sitten- und Seelenreinheit von der Wiege an erhalten worden."

Früchte schlechter und guter Erziehung

Gottferne, weltsüchtige Menschen haben von diesen Dingen freilich keine Ahnung und verstehen ihre Nachkommenschaft nicht anders zu erziehen, als in ihrer weltklugen Art, durch die sie selbst zum "Weltglück" emporgekommen sind. "Sie lassen ihre Kinder allerlei lernen, aber alles nur für die Welt. Da wird auf die Bildung des Gemüts nicht die geringste Rücksicht genommen, weil die Eltern und die ihnen aus Gewinnsucht gefälligen Erzieher selbst keinen Begriff vom Gemüt einer Seele haben. Alles wird auf früheste Bildung und Schärfung des Verstandes verwendet. Dazu wird das Kind durch allerlei Geschenke und Auszeichnungen so viel wie möglich angeeifert. Es wird dabei in frühestem Alter auch in der Selbst- und Gewinnsucht möglichst geübt, trägt feine und geschmückte Kleider und kennt sich oft schon im zehnten Lebensjahr nicht mehr vor lauter Hochmut. Wehe einem Armen, der solch einem verbildeten Kinde die gewünschte Ehre nicht bezeugt! Aber wo ist bei einem solchen verdorbenen Menschenkind noch an eine wahre, innere Lebenskraft zu denken? Wo ist da des Menschen Herrschaft über die Natur und über die Elemente alles Geschaffenen?

Wird aber beim Menschen vor allem das Gemüt gebildet und tritt darauf erst eine leicht zu bewerkstellende, wirkungsreiche Ausbildung des Verstandes hinzu, so wird der so geweckte Verstand zum lebendigen Lichtäther, der die Seele umfließt, wie das Licht die Sonne umflutet und alle jene herrlichen Wirkungen zum Vorschein bringt, welche diese Erde beleben.

Bei der rechten Bildung des Menschen ist und bleibt die Seele ein Inwendiges und Tätiges; und das, was ihr "Verstand" nennt, ist die ausströmende Wirkung der inneren Tätigkeit der Seele. Dieses Äußerliche des Verstandes erleuchtet dann der Seele alle noch so kritischen äußeren Verhältnisse, und der Wille der Seele geht in dieses Außenlicht über und wirkt wunderbar alles Gedeihen. Denn wie des Menschen Ordnung nach Meiner Ordnung gestellt ist, so ist der vertrauensvolle Wille (des in Gottes Ordnung stehenden Menschen) auch ein aus Meinem allmächtigen Willen hervorgehender, dem sich alle Kreatur fügen muss. Was dann ein solcher (völlig) geordneter Mensch will, das muss geschehen im weiten Umkreise, weil seine Außenlebenssphäre von Meinem Geiste durchweht wird, dem alle Dinge möglich sind." (Gr. Ev. Bd. 4, 217, 4-8)

Vorbildliche Jugendschulen

Mit diesen Grundsätzen im Einklang sind die Bekundungen, die wir in dem Lorberwerk "Die natürliche Sonne" über die Erziehungsweise auf unserer Sonne lesen. Wir vernehmen da von eigenartigen Willensschulen, die darin bestehen, die Jugend in einer starken, unerschütterlichen Willensanspannung zu üben, sei es zur Überwindung von Begierden und Untugenden (Kap. 17, 11 ff.), sei es zu gottverbundener Werktätigkeit. (Kap. 31, 14 ff.) — Beachtenswert sind auch die im "Großen Evangelium" beschriebenen Prophetenschulen im alten Volke Israel. (Bd. 9, 56, 6 bis Kap. 57, 11)

Die eingehendste Schilderung einer wahrhaft göttlichen Schule der geistigen Lebensvollendung jedoch findet sich in dem Werke "Die geistige Sonne", wo die in der geistigen Sonnensphäre von den Engeln Gottes geleitete Reifung und Vollendung der im Kindesalter von der Erde abgeschiedenen Menschenseelen gezeigt wird.

Die Art und Weise, wie hier im sogenannten "Kinderreich" den kindlichen Seelen das Sprechen und Lesen, die Entsprechungsdeutung, die Schöpfungslehre, die Gottes- und Menschenkunde sowie die Sittenlehre beigebracht wird im ständigen Hinzielen auf ihre geistige Seelenvollendung — all dies wäre auch für den Jugendunterricht auf Erden im höchsten Grade vorbildlich.

"Solches könnt ihr", wird in dem genannten Werke gesagt, "gar wohl annehmen, dass hier im Reiche der vollkommenen Geister in entsprechender Weise alles unendlich weiser angestellt wird, um irgendeinen guten Zweck zu erreichen, als auf Erden. Und das schon aus dem einfachen Grund, weil man hier — bildlich gesprochen — nicht bei Eins bis ins Unendliche zu zählen anfängt; sondern man beginnt hier gewissermaßen beim Unendlichen (bei Gott) und zählt von da bis auf Eins (d.h. zum geschöpflichen Gegenstande) zurück. Oder, was dasselbe ist, man geht hier nicht von innen nach außen, sondern von außen nach innen.

Es sind auch auf Erden alle Menschen vom Herrn auf diesen besten Weg hingewiesen und belehrt worden, sich die innerliche, geistige Seelenbildung anzueignen. Aber sie lassen die heilige Schule des Herzens ruhen und plagen sich lieber ihr ganzes Leben lang mit nichtigen Erkenntnissen der toten Natur. Wenn sie sich dann am Ende ihres Lebens fragen: Was haben wir nun durch unser mühsames Studium Großes erreicht? — so wird ihnen ihr eigenes Gefühl die Antwort geben: Wir haben es so weit gebracht, dass wir jetzt im wichtigsten Augenblick unseres Lebens nicht einmal wissen, ob wir noch ein Leben zu erwarten haben oder nicht. Sind Himmel, Hölle und Geisterwelt Märchen oder sollte wohl etwas daran sein? Ist nichts daran, was wird dann mit uns? Ist aber etwas daran, wo kommen wir dann hin — aufwärts oder abwärts?

Seht, das sind sichere Früchte weltlicher, äußerer Gelehrtheit. Zur Erlangung der Wiedergeburt des Geistes aber — ohne die keiner in das Himmelreich kommt — ist die Beachtung der heiligen Schule des Lebens in all ihren Teilen notwendig, die der große Meister alles Lebens mit eigenem Munde den Menschen der Erde gepredigt und mit seinem eigenen Blut besiegelt hat." (Geistige Sonne, Bd. 2, 71, S. 300.)

Das höchste Beispiel göttlicher Lebensvollendung

bildet in ewig leuchtender Herrlichkeit die Entwicklung Jesu, des Herrn und Meisters selbst. In dem Lorberwerk "Die Jugend Jesu", der Wiedergabe des verschollenen Jakobusevangeliums, besitzen wir eine ausführliche Schilderung der Kindheit Jesu bis zu dessen 12. Lebensjahr. Im letzten Kapitel (299) wird über den Inhalt der weiteren, entscheidungsvollen Jugendzeit kurz berichtet:

"Wie lebte nun Jesus, der Herr, von seinem zwölften bis zu seinem dreißigsten Jahre?

Er fühlte in sich fortwährend auf das lebendigste die allmächtige Gottheit. Er wusste es in seiner Seele, dass alles, was die Unendlichkeit fasst, seinem leisesten Wink untertan ist und ewig sein muss. Dazu hatte Er den größten Drang in seiner Seele, zu herrschen über alles. Stolz, Herrschlust, vollste Freiheit, Sinn fürs Wohlleben, Weiberlust und dergleichen mehr, sowie auch Zorn waren die Hauptschwächen seiner (menschlichen) Seele.

Aber Er kämpfte aus dem Willen der Seele gegen alle diese gar mächtigen, tödlichen Triebe.

Den Stolz demütigte Er durch die Armut; aber welch ein hartes Mittel war das für den, dem alles zugehörte und der aber dennoch nichts 'Mein' nennen durfte! Die Herrschlust bändigte Er durch den willigen Gehorsam gegenüber denen, die, wie alle Menschen gegen Ihn wie gar nichts waren. Seine ewige, allerhöchste Freiheit besiegte Er damit, dass Er sich den Menschen wie ein Knecht zu niedrigen Arbeiten hergab.

Den Hang zum Wohlleben bekämpfte Er durch oftmaliges Fasten, aus Not und auch aus dem freien Willen seiner Seele. Die Weiberlust bekämpfte Er durch nicht selten schwere Arbeit, durch magere Kost, durch Gebet und durch den Umgang mit weisen Männern. Ja gerade in diesem Punkte hatte Er ungemein viel auszustehen, da sein Äußeres und der Ton seiner Rede von höchst einnehmender Art waren. Dennoch musste Er allezeit zu jeder, die Ihm nahen wollte, sagen: 'Noli me tangere!'

Da Er ferner die Bosheit der Menschen mit einem Blick durchschaute und ihre Hinterlist und Heuchelei, Verschlagenheit und Selbstsucht sah, so ist auch begreiflich, dass Er sehr erregbar war und leicht beleidigt und erzürnt werden konnte. Aber da mäßigte Er sein göttliches Gemüt durch seine Liebe und Erbarmung. So übte Er sein Leben durch lauter schwerste Selbstverleugnungen, um dadurch die zerrüttete ewige Ordnung wiederherzustellen."

Damit erreichte der Herr denn auch, ohne je der Versuchung der Sünde zu erliegen, schon in seinem dreißigsten Jahre einen solchen Grad der geistigen Wiedergeburt, d.h. der Einswerdung seiner Seele mit dem in Ihm wohnenden Gottgeist, dass Er nun die große, heilige Sendung als Lehrer, Heiland und Erlöser der Welt antreten konnte.

Aber auch für uns Menschen alle gilt dieses Hochziel in einem entsprechenden Maße. Im "Großen Evangelium" bekundet es uns der Herr mit allem Ernst seiner unendlichen Liebe:

"Jeder Mensch sollte längstens bis zu seinem dreißigsten Jahre so weit mit der Bildung seines Ich fertig sein, dass ihm das ewige, freieste und seligste Leben nach dem Tode des Leibes so vollbewusst und sicher ist wie einem Aar der Flug in der hohen, freien Luft!" (GEJ 02, 210, 4.)






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Kapitel 48
Glaubenspflege

Von großer Bedeutung für die Erreichung des uns durch Jesus Christus aufgestellten Vollendungs-Vorbildes ist auch eine rechte Glaubenspflege. Auch darüber sind in den Schriften der Neuoffenbarung dem redlich strebenden Menschen tiefe Aufschlüsse gegeben.

Ist doch ein vernunftvoller, wahrer und lebendiger Glaube die Grundlage, auf der wir unsere geistige Entwicklung beginnen und unser Leben samt all unserem Streben, Lieben und Hoffen aufbauen müssen! Gerade die Glaubensgrundlage wird aber heute in besonderem Maße von der glaubenslosen Welt mit schärfsten Waffen angegriffen. "Ist denn euer Glaube", so wird den Kindern Gottes täglich zugerufen, "nicht nur eine Fiktion, ein Wahn? Wo sind die Beweise, dass ein Gott im Regiment sitzt und als ein Vater und Erzieher seiner Kinder sich um die Menschen und ihr Wohl und Wehe kümmert?

Wohl mag unsere Vernunft einen Allgeist als Weltenbaumeister anerkennen, ja im Hinblick auf Zweckmäßigkeit und Vollkommenheit aller Schöpfungsgebilde ihn sogar logischerweise fordern. Aber dass dieser Allgott, der die undenkbar großen Sonnensysteme erschuf und im Gang erhält, sich auch um den Menschheitsstaub kümmert, der wie ein Hauch auf der Rinde unseres armseligen Weltballs klebt — und dass er gar jedes einzelnen Menschen gedenke — das sind doch Vermutungen, die dem gesunden Menschenverstand nicht ohne weiteres einleuchten, ja die ihm offen zu widerstreiten scheinen!

Sollen und dürfen wir in dieser unerbittlichen Welt der rauhen Tatsachen und blinden Naturgesetze überhaupt glauben, was wir nicht bestimmt wissen? Setzen wir uns dadurch nicht in die Gefahr, uns in Träume, in uferlose Phantasien zu verlieren und von den wahren Wirklichkeiten des Lebens verschlungen zu werden?"

Dies sind Fragen, die in der Tat ewig wichtig bleiben und gerade heute mehr als je eine klare Beleuchtung und Entscheidung erheischen.

Blindglaube

Die kirchlichen Richtungen unserer Zeit wie auch die meisten Sekten, nicht weniger aber auch die Gemeinschaften fanatischer "Ungläubiger" verlangen von ihren Anhängern einen unbedingten, blinden Glauben an ihre, sei es bejahenden, sei es verneinenden Lehrsätze und Bekenntnisse.

Die Kirchen der christlichen Konfessionen bekennen zum Beispiel, dass ihr Hauptdogma, die Lehre vom dreipersönlichen Gott, mit der Vernunft nicht begriffen werden kann. Sie verlangen dennoch unbedingt das Festhalten dieser Lehre von jedem ihrer Mitglieder und machten sie sogar zur Hauptgrundlage des ganzen Lehrgebäudes. Sie fordern ferner den Glauben an die "Erbsünde", an das "Fortleben", ohne dafür andere Beweise als das Wort der Schrift aufzustellen. Aber wie steht es mit diesem Schriftzeugnis für den, der an den Offenbarungscharakter der Heiligen Schrift nicht glauben kann, dem die Göttlichkeit dieser Schriften erst erwiesen werden muss? Bringen die Kirchen solchen mehr kritisch veranlagten Menschen lichtvolle Vernunftgründe für ihre vielfältigen Glaubens- und Heilslehren? Leider nein! — So wenig wie das dreieinheitliche Wesen der Gottheit wird das Geheimnis der Erbsünde, des Kreuzesopfers, der Auferstehung, des Fortlebens und der Wiedergeburt in den Kirchen und Sekten dem prüfenden Menschen vernunftvoll erklärt und überzeugend dargelegt. Es heißt einfach: "Glaube und werde selig!" Oder "Glaube nicht und sei verdammt!"

Ein wenig vernunftgemäßer gehen die Freidenker mit ihrem Unglauben vor. Sie sagen: Es gibt keinen Gott. Alles baut sich nur aus Stoff und Kraft und durch blinde Naturgesetze auf. — Das ist ihr Dogma. Aber wenn die Freidenker sich auch alle erdenkliche Mühe geben, diese Lehrsätze wissenschaftlich zu beweisen, so ist es dennoch trotz allen Scharfsinns nicht gelungen, eine Welt ohne Weltenbaumeister, ein Gesetz ohne Gesetzgeber zu erklären — oder darzulegen, wie aus Stoff und Kraft beseeltes, geistiges Leben entsteht. In Wahrheit ist daher auch der Glaube der Freidenker — wie die erleuchtetere Wissenschaft heute auf allen Gebieten der Naturerkenntnis erwiesen hat — ein armer Blindglaube, der darum sich besonders unheilvoll auswirkt, weil seine meist nur halbgebildeten Anhänger sich einbilden, wissenschaftliche Wahrheit in Händen zu haben und auf festem Erkenntnisgrunde zu stehen, sich aber dabei der trostlosesten und entsittlichendsten Weltanschauung ausliefern, die den Menschen zum Opfer einer sinn- und erbarmungslosen Weltmaschine macht.

Blindglauben sehen wir also auf beiden Seiten der sogenannten Kulturmenschheit. Soll und muss es so sein und bleiben? Kann der Mensch in diesem irdischen Dasein überhaupt keine bessere Erkenntnis gewinnen?

Vernunftglaube

Die Glaubenslehre, die uns in den Schriften der Neuoffenbarung durch Jakob Lorber entgegengebracht wird, zeichnet sich von den kirchenchristlichen und vielen anderen Religionen dadurch aus, dass sie jeden Blindglauben vollkommen verwirft und alle Glaubenselemente jeden einzelnen Menschenkinde nach seiner Reife und Fassungskraft möglichst klar begreiflich machen will.

Hier gibt es kein mystisches Dunkel, keine Geheimtuerei "Eingeweihter", keine Priester und Laien, keine Illuminaten und gewöhnliche Sterbliche, keinen "Innen- und Außenkreis", keine "esoterische" und "exoterische" Schule! Vielmehr will in den Schriften der Neuoffenbarung der Vater des Lichts in seiner großen Liebe und Weisheit sein ganzes Wesen und Schöpfungswalten, das Heilsziel und den Heils- weg, das Diesseits und das Jenseits jedem wahren Gottsucher so vernunftgemäß und klar, so überzeugend und lebendig wie möglich enthüllen und verständlich machen — auf dass ein jeder Verstand, ein jedes Herz, ein jeder Wille erglühe und jedes Kind Gottes in Klarheit und Kraft sich auf den Weg zur Vollendung und zur Freiheit und Herrlichkeit der Himmelsbürger machen kann.

"Wo bei einem Menschen der Verstand unterentwickelt und der Glaube nur ein Gehorsam des Herzens und seines Willens ist", spricht der Vater des Lichts im "Großen Evangelium", "da muss solch ein Mensch mit aller Vorsicht behandelt werden, auf dass er nicht zu trügerischem Wahn erstarre oder auf die gräßlichsten Abwege gerate — wie dies bei den Heiden und in dieser (Jesu-)Zeit auch bei vielen Juden der traurige Fall ist." (GEJ 01, 155, 11)

"Darum soll ein Redner Jünger Meiner Lehre niemals etwas leichtfertig ohne vorangegangene genaue Prüfung annehmen. Erst wenn er von allem sich eine gründliche Einsicht und Überzeugung verschafft hat, soll er das Gute und Wahre sich zu eigen machen und danach klug und weise handeln. Er wird dadurch ganz sicher zu jenen Erfolgen gelangen, die man mit Fug und Recht als aus den Himmeln herab gesegnet auch andern anpreisen kann." (GEJ 05, 88, 1)

Die Lehrweise des Meisters

"Ich bin doch der Herr und der Meister von Ewigkeit, und ihr erkennt Mich nun vollkommen als solchen. Ich könnte zu euch nun sagen: dies und jenes, krumm oder gerade, weiß oder schwarz — und ihr würdet es Mir glauben, da ihr nun innerlich überzeugt seid, wer Ich bin. Da wäre sonach ein sogenannter Autoritätsglaube sicher am rechten Platz. Aber wer von euch kann sagen, dass Ich solchen von jemandem je verlangt habe? Ja, Ich verlange Glauben, aber keinen blinden und keinen toten, sondern einen vollauf lebendigen!

Ich lehre euch Wahrheiten, von denen der Welt nie etwas in den Sinn gekommen ist. Aber Ich sage dabei nicht: 'Glaubst du das?' — sondern: 'Hast du das wohl verstanden?' — Und so du sagst: 'Herr, dies und jenes ist mir dabei noch unklar', da erkläre Ich dir die Sache durch alle Mir zu Gebote stehenden Mittel so lange, bis du es vom tiefsten Grunde aus völlig begriffen hast und gehe dann erst wieder um einen Schritt weiter.

Ich könnte jedem wohl gleich anfänglich eine solche Erklärung geben, dass er eine von Mir neu vorgetragene Lehre sogleich vollauf begreifen müsste. Aber Ich kenne auch, was und wieviel er auf einmal zu ertragen fähig ist und gebe auf einmal nur so viel, wie jemand von euch zu fassen vermag. Auch lasse Ich dem Samen Zeit, zu keimen und Wurzeln zu fassen, und binde Mich selbst, nicht eher etwas Neues zu bringen, als bis das erste auf den Grund begriffen worden ist. Ich lasse euch Zeit zur Prüfung des Vorgetragenen und Gezeigten. Und Ich selbst sage euch: 'Prüfet alles und behaltet das Gute und Wahre!'

Tue Ich selbst aber das, um wieviel mehr müsst ihr es tun, die ihr der Menschen Gedanken gleich Mir nimmer zu durchschauen vermöget!" (GEJ 05, 88, 2-4)

Vernunftlicht — der große Vorzug der Neuoffenbarungslehre

In den zahlreichen Schriften der Neuoffenbarung durch Jakob Lorber, den großen Boten des himmlischen Wahrheitslichtes, sind denn auch alle jene Fragen des Glaubens und des Lebens, die bislang für Christen und Nichtchristen in schmerzlich drückenden Dunkel lagen, auf die wunderbarste Weise beleuchtet und erhellt. Verstand und Gemüt finden hier volles Genüge!

Das Wesen Gottes, der Schöpfungsvorgang, das Heilsziel, des Menschen Lebenssinn, der Heilsweg im Diesseits und Jenseits — das alles wird besonders im "Großen Evangelium", aber auch in den andern Lorberwerken durch den Mund des Herrn so tief und einleuchtend erörtert, dass es jeder wahre Gottsucher von Grund aus fassen und damit glücklich werden kann. Der schlichteste Mensch, der vielleicht nur eine bescheidene Schule in seinem engen Lebenskreise besucht hat, wird in der herrlichen Lehre: "Liebet die Liebe, die euch werden ließ und euch zur höchsten Seligkeit vollenden will!" alles Licht und volle Genüge finden. Und den philosophischen Kopf oder den wissenschaftlich Gebildeten und Forschenden werden die tiefen Erläuterungen der Liebelehre durch die Schöpfungs- und Jenseitslehre beglücken und befestigen.

Demut — Bedingung des Verständnisses

Freilich eine große Bedingung ist gesetzt für den Zutritt zu diesem Heiligtum der lichtvollsten Erkenntnisse! Sie heißt: Herunter vom Thron des alten luziferischen Hochmuts und selbstgefälliger menschlicher Einbildung!

Durch den Hochmut, die aufgeblähte Selbstherrlichkeit entfernte sich Luzifer, der große Lichtgeist von Gott und aus der Liebeordnung Gottes. Er und sein ganzer Anhang, zu dem auch unsere Seele gehört, beraubten sich selber der nährenden Lebensströme des Urlichts, indem sie dessen Lichtkreis flohen. Und so haben auch heute der Hochmut und die Selbstherrlichkeit nach der unwandelbaren Lebensordnung des göttlichen Wesenreiches immer noch dieselbe Folge wie vor Urzeiten: Der selbstherrliche Geist, der sich in seiner Einbildung von Gottes Licht- und Lebensquelle abkehrt und hochtrabend auf sein Wissen und Können sich gründet, wird auch das in den neuen, großen Offenbarungen des Herrn ausgegossene Erkenntnislicht nicht an- und aufnehmen können, weil er sich selber in den harten, undurchdringlichen Panzer seiner widergöttlichen, stofflich gerichteten Gedanken und Vorstellungen hüllt und gleichsam im Kerker seiner eigenen Materie sich vergräbt.

Mit nachdrücklichem Ernst rückt dies der Herr im "Großen Evangelium" einigen "stark weltweisen" Priesterinnen des Apollo vor die Seele:

"Solange ihr in eurem Hochmut verharrt, werdet ihr anstatt des Lebens nur den ewigen Tod in euch fühlen. Denn der Hochmut treibt die Seele mit aller Gewalt in ihres Leibes Fleisch. Und diese, sich in sich selbst stets mehr aufblähend, wird dadurch völlig eins mit ihrem Fleisch und kann in solch einem Zustand dann nichts anderes fühlen als den Tod des Fleisches. Welche Worte, Taten und Zeichen aber sollen dann einer totvollen Seele den Beweis liefern können, dass sie nach des Leibes Tode fortlebt und dass es einen einigen und wahrhaftigen Gott gibt? Ihr meint freilich, dass ein allwissender und allmächtiger Gott einem Menschen doch auf irgendeinem Wege ein Licht geben könnte, dass er gewahr würde, wie es mit ihm steht. Das tut Gott immer. Aber der Hochmut des Menschen lässt es nicht zu, dass der Mensch alles dessen innewerde." (GEJ 06, 111, 2 ff.)

Kopfverstand und Herzensverstand

Bei allem Wahrheitsuchen ist nämlich wohl zu beachten der große Unterschied zwischen dem matten, trügerischen Verstand unseres Kopfes und dem hellen Geistlichte des Herzens.

Unsere Seele ist ja, wie wir durch Lorber wissen, ein in Myriaden Lebensfunken aus dem Gericht der Materie aufgestiegenes, an sich noch materiell blindes und arges Wesen. Es ist nichts Gutes und noch wenig Licht in ihr. Sie hat nur eine geringe Intelligenz, mit der sie durch die fleischlichen Sinne in die Welt schauen und mit einer gewissen Logik ihre Beobachtungen verbinden und in einem oft sehr begrenzten Gedächtnis aufbewahren kann. Die meisten Sinne der seelischen Welterkenntnis haben ihre Organe im Kopf, ebenso befindet sich hier (im Gehirn) die Werkstätte des logischen Denkens und das Archiv des Gedächtnisses. Und so heißt dieses Erkenntnisvermögen der "Kopfverstand".

Damit nun aber unsere Seele Fortschritte in der Erkenntnis des göttlich Wahren und Guten sowie auch im guten Wollen und Handeln machen kann, ist ihr ein reiner Gottesgeist als Leiter und Vollender eingezeugt, der ständig mit dem Urfeuer und Urlicht der Ewigen Liebe (Gott-Vater) in Verbindung steht wie der Lichtstrahl mit der Sonne. Dieser reine Gottesgeist im Menschen ist durch seine Verbindung mit Gott allwissend, er kennt die Tiefen der Gottheit, die Geheimnisse der Schöpfung, das ewige Leben, das Heilsziel und den Heilsweg und kann die Seele entsprechend aufklären, leiten und vollenden. Da seine Wohnung im Herzen ist, heißt das auf ihn gerichtete Erkenntnisvermögen der Seele "Herzensverstand" oder "Inneres Lieht".

Nach welcher der beiden Erkenntnisseiten — Welt oder Geist — die Seele ihre Aufmerksamkeit vorwiegend wenden will, liegt in ihrem freien Willen. Richtet sie den Blick nur nach außen, auf die Welt, und forscht sie nur mit ihrem schwachen Kopfverstande, dann erkennt sie nur die Oberfläche der Dinge und Verhältnisse und erschaut nicht deren tiefere Zusammenhänge und wahre Grundkräfte und Gesetze. Insbesondere bleibt ihr die geistige Grundursache und Urwesenheit alles Bestehenden verborgen, weil ihr selber ja die reingeistige Vollkommenheit noch mangelt und bekanntlich nur Gleichgeartetes sich völlig verstehen und begreifen kann.

Die innere Licht- und Lebensquelle

Ganz anders ist das Ergebnis, wenn die Seele ihre Aufmerksamkeit mehr nach innen richtet, zu dem in der Kammer des Herzens wohnenden reinen Geist, dem Gottesfunken, dem "Christus in uns" — und sich von diesem belehren und mit Liebe, Weisheit und Kraft erfüllen lässt. Hier ist die von Gott angelegte innere Heilsquelle, wo die schwache und blinde — weil aus der Ordnung gefallene — Menschenseele das wahre ewige Leben sich holen kann. Mit diesen Erkenntniskräften dringt sie in die Tiefen der Gottheit, der Schöpfung und des Lebens, findet die wahren Zusammenhänge und Lebensgrundgesetze, insbesondere das große, ewige Grundgesetz der Liebe. Ihr ganzes Weltgefühl erhält dadurch Wärme, Leben und Seligkeit. Und dies zeigt sich bald in grundlegender Weise z.B. auch in unserem wissenschaftlichen Weltbild, unserem Glaubensleben und unserer ganzen Lebensführung. Allenthalben erglüht und leuchtet die Sonne des ewigen, göttlichen Geistes und zaubert Wunder des Lebens hervor.






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Kapitel 49
Vom äußeren Wort Gottes

Als der Herr von den Pharisäern gefragt wurde: "Wann kommt das Reich Gottes?" — da antwortete Er: "Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Gebärden. Man wird auch nicht sagen: Siehe hier ist es oder dort! Denn wisset wohl: Das Reich Gottes ist inwendig in euch!"

Was der Herr mit dieser Antwort meinte, wissen heute freilich nicht alle Christen. In manchen Bibelübersetzungen lauten die Schlußworte: "Das Reich Gottes ist mitten unter euch". Es soll damit gesagt sein, dass in der Person Jesu Christi das Himmelreich zu den Menschen gekommen sei — ein Gedanke, der ja an sich gewiss nicht fehlgeht. Da aber an dieser Stelle der Herr den Pharisäern, die mit äußeren Gesetzeswerken den Frieden mit Gott und unter äußerem Gepränge das Kommen des Messias und seines jüdischen Nationalreichs erwarteten, eine tiefsinnige Belehrung zugehen lassen wollte, dürfte doch Luthers Übersetzung die richtigere sein, in der auf das wahre innere Gottesreich im Herzen eines jeden Menschen hingewiesen wird, von wo aus auch das allgemeine Reich Gottes allein erkannt und errungen werden kann. Auch in jedem Pharisäer, jedem Sünder ist dieses Gottesreich!

Was aber meinte der Herr so recht eigentlich mit diesem "inwendigen Gottesreich"? Im Lichte der Neuoffenbarung kann es uns kein Rätsel sein. Der Herr meinte den einer jeden Menschenseele eingezeugten reinen Geist — den "Gottesgeistfunken", der berufen ist, in uns zum unbeschränkten König und himmlischen Vollender unseres Wesens zu werden. In heiligen Entsprechungsbildern lehrt uns solches alle Jahre das Geschehen der Weihnachtszeit:

Der Notstall zu Bethlehem ist unser Leib. Die Menschen und Tiere im Stall bedeuten unsere Seele. Das Kindlein in der Krippe ist unser reiner, göttlicher Geistfunke. — Und nun handelt es sich darum, dass wir mit all den verschiedenartigen Kräften unserer Seele es lernen, das Gotteskindlein als solches zu erkennen, zu lieben, zu hegen und zu pflegen. Dann wird das Kindlein zunehmen an Liebe, Weisheit, Kraft und Macht und schließlich die Königsherrschaft in unserem ganzen Seelen- und Lebensreich übernehmen.

Das Kindlein in der Krippe, der Gottesgeistfunke in unserer Seele ist freilich nur scheinbar — in unserem menschlichen Bewusstsein — ein schwaches, unmündiges Wesen. In Wirklichkeit ist es ein reiner Urgeist aus dem Herzen, d.h. dem innersten Grundwesen Gottes, ein allweiser und allmächtiger "Gott im kleinen Maßstab". Nur unserer Freiheit und Selbstbestimmung wegen gibt dieser reine, himmlische Geist sich den Anschein eines ohnmächtigen und hilfsbedürftigen Kindleins. Wie können wir es nun zu unserem ewigen Heil machen, dass das Kindlein zu einem starken Wachstum kommt, d.h. dass der Geist unser Inneres durchdringt, in unserer Seele Macht und Herrschaft gewinnt und schließlich wahrhaft ein unumschränkter König wird in unserem ganzen Wesen?

Auf diese wichtigste Grundfrage des Lebens antworten die Schriften der Neuoffenbarung mit großer Klarheit und lehren die Mittel und Wege der rechten Seelenpflege.

Vom Forschen im Buche der Natur

Bevor der Mensch den Gottesfunken in seinem Herzen entdecken kann, muss er, da sein ganzes Beobachten meist nur auf die ihn umgebende äußere Umgebung gerichtet ist, das Wirken und Walten einer göttlichen Macht zu nächst in der ihm allein bewußten äußeren Welt erkennen. Und so ist der erste Anfang der Glaubenspflege: Gottes Daseinsspuren zu suchen in ihren äußeren Erscheinungen, im Buche der Natur und des Lebens.

Freilich hat ein bedeutender Weltweiser aus vielfacher Beobachtung den Satz ausgesprochen: "Ein wenig Natur- und Lebensbeobachtung führt von Gott ab!", d.h. oberflächlich betrachtet scheint das Geschehen in der Natur und im Leben nur von einer blinden, mechanischen Naturgesetzlichkeit zu zeugen. "Aber" — so fährt der Weltweise aus seiner Erfahrung heraus weiter fort, "viel Natur- und Lebensbeobachtung führt zu Gott hin!" d h. dem tieferen Forscher erschließen sich in den zahllosen Gebilden der Schöpfung so viele Wunder der Weisheit und Zweckmäßigkeit, dass er bei einiger Vernunft nicht umhin kann, dort überall einen überaus weisen Schöpfer voll Liebe, Geduld und Tatkraft als Meister aller Werke zu erkennen.

Dies erlebten wir ja auch in jüngerer Zeit in der Wandlung der Anschauungen der Gelehrtenwelt. Die gottlose Welterklärung, die alles Bestehen und Werden in der Natur aus ungeistigen Elementen und mit blinden, mechanisch wirkenden Naturgesetzen erklären wollte, ist von vielen führenden Männern verlassen. Der "Baum der Wissenschaft" ward in unseren Tagen mit neuen, tieferen Erkenntnissen gesegnet. Die Forscher durften erkennen, dass die Grundelemente der Naturwelt (Elektronen und Atome) geistiger Art sind und dass eine weise und mächtige Kraft aus diesen "Urgedanken Gottes" mit meisterlicher Kunst die Wundergebilde der sichtbaren Naturwelt geschaffen hat und zu immer höheren Lebensformen entwickelt.

Der tiefer forschenden Menschheit wird heute die weite Flur der Erde und der Bau des Himmelszeltes wieder zu einem herrlichen Evangelium der Gottesweisheit und Gottesliebe. Und wie einst der große Astronom Johann Kepler, so sprechen nun auch heute wieder viele erleuchtete Naturfreunde. "Jeder Blick in den gestirnten Himmel ist mir ein Beweis vom Dasein und Walten Gottes!"

Belehrung durch die Boten Gottes

Nächst der machtvollen Schöpfungssprache dient der Seelenpflege des Menschen aber vor allem das durch die Propheten Gottes verkündete Offenbarungswort. Ja die meisten Menschen können das Buch der Natur und des Lebens überhaupt nur durch dieses Wort und seine heiligen Lehren richtig verstehen.

"Würde Gott", so heißt es im "Großen Evangelium", "sich den Menschen nie und auf keine Weise offenbaren, so hätten die Menschen das volle Recht, an keinen Gott zu glauben und jedem, der einen solchen verkündet, zu sagen: 'Was geht uns dein Phantasiegott an? Wenn er einer ist, so zeige er sich und gebe uns kund, was er von uns will!" Aber zurück bis auf Adam werden wir viele Zeitepochen finden, in denen sich Gott den Menschen auf die denkwürdigste Weise geoffenbart und seinen Willen samt seiner mit den Menschen verfolgten Absicht kundgetan hat. Aber weil dem Menschen sein freier Wille belassen werden muss, "so ging er mit dem göttlichen Worte nicht anders um als mit dem Worte eines Menschen. Ein kleiner Teil achtete eine Zeitlang darauf; aber der größte Teil vergaß dessen bald ganz und hielt am Ende alles für eine eitle Erfindung, genoß die Weltfreuden in vollen Zügen und hielt die Weisen für Toren und Schwärmer, die wegen eines höchst unsicheren und unbeweisbaren Himmelreiches das wahre Himmelreich dieser Welt mit Füßen treten!" (GEJ 06, 149, 7 ff.)

Gott aber ließ dennoch nie ab, sich den Menschen auf die mannigfachste Art immer wieder durch den Mund geweckter Propheten zu bekunden.

Echte und falsche Propheten

Echte Propheten sind von den falschen jederzeit leicht zu unterscheiden — an ihren Früchten.

"Der echte Prophet wird nie selbstsüchtig sein und ferne von ihm ist jeder Hochmut. Er wird wohl dankbar annehmen, was ihm gute und edle Herzen zu seinem Unterhalt spenden. Aber nie wird er an jemand eine taxenmäßige Forderung stellen, weil er weiß, dass dieses vor Gott ein Gräuel ist und weil Gott seine Diener (durch gutgesinnte Menschen) wohl erhalten kann! Der falsche Prophet aber wird sich zahlen lassen für jeden Schritt und Tritt und für jede sogenannte gottesdienstliche Handlung zum vorgeschützten Wohle der Menschheit.

Der falsche Prophet wird von den Gerichten Gottes donnern und selbst in Gottes Namen richten mit Feuer und Schwert. Der echte aber wird niemand richten, sondern nur ohne alles eigensüchtige Interesse die Sünder ermahnen zur Buße und wird keinen Unterschied machen zwischen Groß und Klein, denn ihm gilt nur Gott und sein Wort — alles andere ist für ihn eitle Torheit.

Den echten Propheten kann nie jemand beleidigen. Wie ein Lamm wird er alles ertragen, was immer die Welt ihm antun mag. Nur gegen Lüge und Hochmut wird er einen Feuereifer aufwallen und sie beide allezeit schlagen. — Der falsche Prophet dagegen ist stets ein Todfeind der Wahrheit und jedes besseren Fortschrittes im Denken und in den Werken. Niemand außer ihm soll irgendeine Erfahrung haben, auf dass ein jeder genötigt wäre, sich in allen Dingen teuren Rat bei ihm ums Geld zu holen."

Echte Propheten gab und gibt es immer wieder bei allen Völkern. Denn alle Menschen, gleichviel welcher Rasse und Hautfarbe, sind Gottes Kinder. Alle werden von Ihm in einer ihrer Eigenart und Fassungskraft entsprechenden Form und Weise belehrt.

"Sehet", spricht der Herr im "Großen Evangelium", "die Religionen fremder Nationen, z.B. der Türken, Perser, Hindus, Chinesen, Japaner — wie sehr sind sie verschieden von der Religion, die Ich den Kindern aus den Himmeln aller Himmel gab. Und doch waltet auch in ihnen, wenn schon um vieles tiefer verborgen, derselbe Geist Gottes!" (GEJ 01, 134, 17)

Von großer Bedeutung für die Glaubenspflege ist daher das in den heiligen Schriften aller Völker niedergelegte Gotteswort. Und ein wichtiges Stärkungsmittel für die Seele eines jeden Menschen ist

das Lesen der göttlichen Offenbarungsschriften.

"Wer Mein Brot isst" — diese Worte beziehen sich im besonderen auf die Aufnahme des in den echten Offenbarungsschriften dargereichten Himmelsbrotes. Der christlichen Welt dient in dieser Hinsicht vor allem die Bibel. Die vom Volke Israel im Laufe von über tausend Jahren zusammengestellten Schriften des Alten Testamentes können freilich nicht in allen Teilen als reines Gotteswort angesprochen werden. Selbst die Bücher des Moses wurden vom späteren Priestertum durch Überarbeitungen und Tempelsatzungen in bedauerlicher Weise entstellt.

Zu den Schriftgelehrten des Tempels spricht der Herr im "Großen Evangelium":

"Wie habt denn ihr euch die Freiheit zu nehmen getraut, das Gesetz Mosis so arg nach eurem Gutdünken und zu eurem materiellen Wohl umzuändern, dass ihr nun tatsächlich auch nicht ein Häkchen von dem mehr beobachtet, was Moses und die Propheten gelehrt und anbefohlen haben! So euch Mosis Gesetze und seine Schriften gar so heilig sind, warum habt ihr dann das sechste und siebte Buch Mosis und den reinen, prophetischen Anhang als "unecht" verworfen und euer Menschenwerk an dessen Stelle gesetzt?"

Reiner und den Bedürfnissen unserer Zeit entsprechender (GEJ 04, 100, 7) ist die göttliche Heilslehre in den Schriften des Neuen Testaments geboten. Aber auch hier liegen uns nirgends die ganz wortgetreuen "Urevangelien" vor.

"Die Originale", so hören wir, "sind aus dem einfachen Grunde, dass in Kürze mit solchen Reliquien keine Abgötterei getrieben werde, weise aus dem Wege geräumt worden. Denn Ich sage euch, es würde mit ihnen bei weitem noch mehr Abgötterei getrieben als mit dem sogenannten Heiligen Grabe in Jerusalem." (GEJ 01, 134, 14)

In der Schrift Himmelsgaben Bd. 3, 337, empfiehlt uns der Herr selbst in erster Linie

das Johannesevangelium.

"Haltet euch", so heißt es, "(hauptsächlich) nur an den Evangelisten Johannes! Denn dieses Evangelium sowie die "Offenbarung" sind von dieses Jüngers eigener Hand geschrieben — Solange Johannes mit Mir umherreiste, verfasste er freilich nur Bruchstücke, indem er das Denkwürdigste aufzeichnete. Aber in seiner sogenannten Verbannung auf der Halbinsel Patmos (wo ihn ein redlicher, machthabender Römer der Verfolgungswut der Juden entzog) konnte er in der Feste des Griechen Cado an der Seite der Maria unbeanstandet sein Evangelium in die rechte Ordnung bringen und gab darin der Nachwelt soviel kund, als sie zu ihrer Beseligung nötig hat. Von allein andern aber sagte er am Ende, dass Ich noch gar vieles getan und gelehrt habe, was die Welt, so es niedergeschrieben würde, nicht fassen würde. Mit dieser triftigen Bemerkung schloss er sein Evangelium nahe um die Zeit, als Jerusalem von den Römern zerstört wurde (i.J. 70 n.Chr.).

Johannes lebte darauf noch eine geraume Zeit und brachte seine Gesichte unter dem Titel "Offenbarung des Johannes" aufs Pergament. Er ward bei dieser Gelegenheit von einem ihm sehr geneigten Freunde mit dem Taufnamen Johannes im Schreiben unterstützt, da er in dieser Zeit schon über hundert Jahre Alters zählte.

Und so wisset ihr nun, wie es sich mit Johannes und seiner Schrift der Wahrheit nach verhält. Er war, ist und bleibt (seines reinen Liebegeistes wegen) Mein Liebling. Und wer nach seinem Evangelium lebt und handelt, wird von Mir aus ihm gleich gehalten werden." (S. 356/357)

Von bedeutendem Wert ist, der erwähnten Schrift "Himmelsgaben" Bd. 3 zufolge, sodann auch

das Markusevangelium.

Wir hören: "Nach Johannes ist Markus am meisten zu berücksichtigen. Denn das, was er in aller Kürze gibt, hat er zumeist aus den Schriften und Lehren des Apostels Paulus geschöpft."

Danach war Markus, wie heute auch viele Evangelienforscher annehmen, ein Schüler und Mitarbeiter des Paulus; und man setzt ihn mit jenem Johannes, genannt Markus gleich, der in der "Apostelgeschichte" wie auch in den "Briefen" des Paulus mehrfach erwähnt wird.

Wenn nun in den "Himmelsgaben" Bd. 3, (S. 338) bekundet wird, der Evangelist Markus habe "aus den Schriften und Lehren des Paulus geschöpft", so ist natürlich aber weniger an die in der Bibel überlieferten Lehrbriefe des Apostels zu denken, da Markus hieraus ja offensichtlich nur weniges für seinen Evangelienbericht entnehmen konnte. Vielmehr liegt nahe, dass der Apostel Paulus für die Zwecke der Heidenmission zu seinem eigenen Gebrauche sich von den Aposteln und anderen Augenzeugen möglichst viel Tatsächliches aus dem Leben, Wirken und Lehren Jesu gesammelt und die sich ergebende Darstellung ergänzt hat durch das ihm innerlich durch die Stimme des Geistes Geoffenbarte (1. Kor. 11, 23). So dürfte ein auf Paulus zurückgehender Urbericht entstanden sein, den der Apostel bei der Mission verwendet und auch seinen Schülern und Mitarbeitern zu diesem Zwecke anvertraut hat. Aus dieser bedeutsamen Quelle hat wohl nicht nur Markus, sondern — wie die Texte erweisen — auch der Verfasser des Matthäusevangeliums sowie der Evangelist Lukas geschöpft. Dieser Überlieferung einen hohen Beweiswert zuzusprechen, erscheint daher in der Tat sehr berechtigt.

Über das Matthäusevangelium,

das von den Zusammenstellern der Bibelschriften ob seiner Reichhaltigkeit an die Spitze des Neuen Testaments gesetzt worden ist, finden sich in den Lorberschriften ebenfalls denkwürdige Hinweise.

So ergibt sich aus einer Szene im "Großen Evangelium" (Bd. 10, 157, 2), dass nicht der Apostel Matthäus, sondern ein anderer Mann gleichen Namens der unmittelbare Verfasser ist.

Weiteres Wichtige über den Apostel Matthäus und sein Ur-Evangelium lesen wir in der Lorberschrift "Himmelsgaben" (Bd. 3, S. 328):

"Da Matthäus gut bei Feder war", heißt es dort, "und sich von Mir nicht mehr trennen wollte, so ward er von Mir als Schreiber aufgenommen. Aber mehr für die Tatsachen, während Mein Johannes das Wort, d.h. was Ich lehrte, aufzuzeichnen hatte. Denn Matthäus hatte für Tatsachen ein gutes Gedächtnis, aber für die Lehre ein schwaches.

Dieser Apostel Matthäus selbst hat sein Evangelium ganz ordentlich und richtig zusammengestellt und machte dann damit (nach des Herrn Tod) eine Reise in die südöstlichen Gegenden Asiens. Es haben sich aber dann in Jerusalem, in Galiläa, in Samaria, dann in Tyrus und Sidon fünf Matthäusse hervorgetan, und es schrieb ein jeder ein "Evangelium Matthäi". Darunter war das zu Sidon erschienene unstreitig das annehmbarste. Die andern vier wurden bei der großen Kirchenversammlung zu Nizäa, als mit diesem, wie auch untereinander nicht übereinstimmend, verworfen und das Sidonische als verhältnismäßig bestes behalten. Und so ist auch dieses teilweise apokryph, obschon der Schreiber sich alle erdenkliche Mühe gab, die Sache so wahr als möglich darzustellen.

Er selbst schrieb eigentlich vierzehn Evangelien, je nachdem ihm die Sache von seinwollenden Augenzeugen bekanntgegeben wurde. Aus diesen vierzehn schrieb er dann ein fünfzehntes, das nach der Beurteilung vieler Sachkundiger als das wichtigste und wahrste erklärt wurde. Und dieser Pseudo-Matthäus, der eigentlich L‘Rabbas hieß, ist also der Schöpfer des heutigen Matthäusevangeliums.

Das wirkliche Urevangelium des Apostels Matthäus aber befindet sich heutzutage noch in einer großen Bücher- und Schriftensammlung einer bedeutenden Bergstadt Hinterindiens, zu welcher Sammlung aber leider nur die hohen Priester, die unter dem obersten Priester Brahmas stehen, Zutritt haben. Die Birmanen allein besitzen eine echte, aber sehr abgekürzte Abschrift.

Ihr möchtet wohl auch wissen, was es mit dem Apostel Matthäus in diesen Ländern Indiens für ein Ende genommen hat? Er ist daselbst ganz gut gehalten worden, durfte aber seine Lehre nur den Priestern und keinem andern Menschen mitteilen. Er fand jedoch in seinen alten Tagen, von Meinem Geiste geleitet, eine Gelegenheit, zu den Birmanen zu entkommen, lehrte sie göttliche Weisheit und schrieb für sie dann auch das oben erwähnte kurze Evangelium."

Ebenfalls eine spätere Zusammentragung unter Benützung des Paulus-Markus Berichts und anderer Quellen ist

das Lukasevangelium.

"Diese Schrift", so wird in "Supplemente" gesagt, "ist eine Sammlung von Tatsachen, die Lukas durch sein Forschen in und um Jerusalem über Mich und Meine Taten und Lehren durch verschiedene Menschen in Erfahrung gebracht hat. Lukas selbst hat sie hernach in seiner Art und Weise geordnet.

In der Zeit, als der Apostel Paulus Mein Wort in Griechenland da und dort predigte, ward Lukas von seinem Freunde Theophilus, der auch in Griechenland wohnte, ernstlich aufgefordert, über Mich verlässliche Erkundigungen einzuziehen, sie aufzuzeichnen und sie ihm dann zu übersenden.

Als Lukas dieses Schreiben in seine Hände bekam, nahm er sich der Sache ernsthafter an und erkundigte sich über alles, was Meine Person und Meine Lehre betraf. Er bekam aber auch, was er aufschrieb, nicht leichtlich aus dem Munde Meiner wirklichen Jünger, sondern zumeist von andern, auf Mich und Meine Lehre haltenden Menschen, die Mich zum Teil noch persönlich gekannt und zum größten Teil aber von Meinen Jüngern Kunde über Mich erhalten hatten. Denn zwischen Meinem Menschsein auf Erden und der Vollendung des Evangeliums des Lukas verstrichen fünfunddreißig Jahre, nach welcher Zeit er die Schrift erst an seinen Freund Theophilus nach Griechenland absenden konnte.

Wie es aber mit dem Evangelium des Lukas steht, so steht es noch mehr mit seiner "Apostelgeschichte", die er ebenfalls auf Aufforderung seines Freundes Theophilus aufs Pergament brachte, und zwar erst in seiner letzten Lebenszeit, also in einer Zeit, in der sich nicht einer Meiner ersten Apostel und Jünger mehr in Jerusalem befand.

So geschah es denn auch, dass sowohl in dem Evangelium des Lukas wie noch mehr in seiner nachträglichen Apostelgeschichte Dichtungen und Übertreibungen vorkamen, von denen Meine wirklichen Apostel und Jünger selbst wenig oder nichts wussten. Denn sie hielten sich in Jerusalem sehr wenig auf und hatten ihr Wesen mehr in Galiläa, Samaria und in den andern, von Jerusalem weiter entlegenen Landschaften.

Was aber das Geistige unseres Evangelisten Lukas betrifft, so war er voll Eifers um Meine Sache. Er war, ist und bleibt daher ein tüchtiges Rüstzeug Meiner Liebe- und Gnadenerweisungen sowohl für seine Zeit als für die Jetztzeit. Denn er war in den Schriften des Alten Bundes besser bewandert als mancher hochangesehene Schriftgelehrte des Tempels und konnte daher auch leicht Meine Taten, von denen er Kunde erhielt, als wahr beurteilen und sie auch den andern, die ihn darum angingen, darstellen."

Der Buchstabe tötet, der Geist macht lebendig

Wenn infolge dieser Entstehungsgeschichte der Evangelien sich auch manches Widersprechende in die Berichte eingeschlichen hat (was bei einem aufmerksamen Vergleich der Texte niemandem entgehen kann) — so kommt doch in allen Schriften des Neuen Testamentes der Kern der Jesulehre, die Liebe-Heilslehre als deren "Geist" für jeden ernsten Wahrheitssucher klar und deutlich zum Ausdruck.

Und wenn die Schriften auch noch weiterhin im Laufe der Jahrhunderte von den zahlreichen Nachschreibern und Übersetzern vielfach verändert wurden, so leuchtet auch heute noch das von heiligster Liebe getragene Erdenwallen des Heilands und Erlösers wunderbar heraus, und machtvoll klingt an unsere Herzen seine Botschaft in den ewigen, unvergänglichen Worten.

"Der Geist, der in den Urschriften lag", spricht der Herr selbst im "Großen Evangelium", "ist auch in den Nachschriften völlig beibehalten worden. Am Buchstaben aber liegt ja ohnehin nichts, sondern nur am Geiste. Oder ist wohl ein Unterschied, so der Gottesgeist schon hier auf dieser Erde und noch mehr auf einer Sonne endlos mannigfaltig in den sich unähnlichsten Formen wirkt? Sehet, es ist und bleibt stets ein und derselbe Heilige Geist! Und so ist es auch bei den Nachschriften Meines Wortes der Fall. Mögen sie sich äußerlich noch so unähnlich sehen, so sind sie aber im Innersten dennoch von ein und demselben Geiste erfüllt. Und mehr braucht es nicht."

Wer nach diesem leicht zu erkennenden Geist allumfassender Gottes- und Nächstenliebe handelt und wandelt, der wird nimmer fehl gehen und das Ziel des ewigen Lebens, das inwendige Gottesreich, schon in diesem irdischen Dasein erreichen.

Das Gotteslicht der Neuoffenbarung

Ein solcher Gottesfreund, der in der Freiheit seines wahren Liebegeistes den Banden und Umklammerungen des Buchstabens entronnen ist, wird dann auch die großen Enthüllungen fassen können, welche Gottes Liebe der heutigen Menschheit und den Geschlechtern der Zukunft in den Schriften der Neuoffenbarung durch Jakob Lorber und andere dargeboten hat, um mit einer echt göttlichen Auslegung und Ergänzung alle Dunkelheiten zu lichten und alles Unvollkommene vollkommen zu machen.

In diesen das Licht der Bibel erneuernden und voll entfaltenden Schriften wird die wahre, von Jesus Christus, dem menschgewordenen Himmelsvater selbst, vor nahe 2000 Jahren verkündete und vorgelebte Lehre neu und in völliger Klarheit und Reinheit wiedergegeben. Gemäß der Verheißung (Joh. 14, 26) lehrt uns in ihnen der Heilige Geist "alles Weitere" und "erinnert uns alles dessen, was Jesus selbst gelehrt und getan hat". Alle Mängel und Unvollkommenheiten der bisherigen Überlieferung werden hier beseitigt, alle menschlichen Auslegungen und Dogmen (Lehrsätze) werden überflüssig und hinfällig. Mit wahrhaft himmlischer Klarheit und Geisteswucht wird als Kernwahrheit und als Grund- und Hauptgesetz herausgehoben und in den Vordergrund gestellt die erwähnte große Tatsache, dass Gottes Grundwesen ewig tätige Liebe ist und daher der Mensch nur auf dem Wege der reinen, selbstlos tätigen Liebe sich Ihm nahen und selig werden kann. — Zur Erläuterung dieser entscheidenden Heilswahrheit sind der Menschheit endlos tiefe und umfassende Blicke in das Wesen Gottes, die heiligen Wunder und Ziele der Schöpfungsentwicklung und in die Geheimnisse unserer Vollendung im Jenseits gewährt.

Wer durch eifriges Lesen in diesen Schriften auch mit diesem neuen Brot seine Seele nährt und stärkt, bei dem muss und wird der Funke des göttlichen Liebegeistes anfangen sich zu regen und schließlich den ganzen Menschen durchdringen. Da kann dann im Menschen ein ganz neues geistiges Innenleben beginnen, das vom Innern sich wieder nach außen wendet und in Taten und Werken himmlischer Liebe sich immer stärker bezeugt.






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Kapitel 50
Vom lebendigen inneren Wort Gottes

Die zur Läuterung und Vervollkommnung unseres Wesens erforderliche und unentbehrliche Belehrung lässt uns der himmlische Menschenerzieher und Seelenbildner, wie wir im vorhergehenden Kapitel ersahen, in erster Linie durch sein geoffenbartes äußeres Wort zukommen. Diese eine Art der Belehrung, die uns von außen her — im Buche der Natur und in den Schriften der Offenbarung aller Völker und Zeiten — dargebracht wird, könnte jedoch keine volle Wirkung haben, wenn wir nicht auch ständig von innen her durch die Stimme Gottes belehrt würden.

Diese innere Belehrung, die jedem Menschen zuteil wird, nennen wir das lebendige, innere Gotteswort. Jesus hat es bei seinem Scheiden von der Welt seinen damaligen Jüngern und uns anderen allen noch ganz besonders verheißen mit den Worten:

"Liebet ihr Mich, so haltet Meine Gebote! Dann will Ich den Vater bitten, und Er wird euch einen anderen Beistand geben, dass er bis in Ewigkeit bei euch bleibe: den Geist der Wahrheit. Die Welt kann ihn nicht empfangen, weil sie kein Ohr dafür hat und ihn nicht erkennt; ihr aber erkennet ihn, und bei euch bleibt er und in euch wird er ewig sein. Wer Meine Gebote hat und sie befolgt, der ist es, der Mich liebt. Wer aber Mich liebt, wird von Meinem Vater geliebt werden, und auch Ich werde ihn lieben und Mich ihm offenbaren! … Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in Meinem Namen senden wird, der wird euch über alles weitere belehren und euch an alles das erinnern, was Ich euch gesagt habe!" (Joh. 14, 15-26, Übers. von Menge.)

In diesen Worten Jesu ist unendlich viel, ja alles gesagt, was der Mensch über das innere Wort Gottes wissen muss.

Die Bibel über das innere Wort

Gute Aufschlüsse über das lebendige, innere Wort gibt aus reicher Erfahrung der deutsche Mystiker Johannes Tennhardt (1661-1720) in einem Schriftchen, das auch heute noch zum Besten gehört, was über die geheimnisvolle Stimme Gottes gesagt worden ist.

Katechismusartig wird in dieser kleinen Schrift alles Wissenswerte und von Tennhardt selbst Erfahrene unter zahlreichen Hinweisungen auf die Heilige Schrift in Frage und Antwort behandelt. Wir lesen vor allem:

"Hat denn solches innere Wort auch in der Bibel Grund?

Ja, Grund genug in der Heiligen Schrift selbst wie in der Erfahrung. Weil die ganze Heilige Schrift (im Wesentlichen) aus dem innern Wort geflossen und eigentlich nichts anderes als ein Ausdruck des innern Wortes Gottes ist. Denn was solches lebendige Wort in den Propheten, Evangelisten und Aposteln innerlich gesprochen hat, das haben diese äußerlich gepredigt und aufgezeichnet, woraus dann das Bibelbuch erwachsen ist. Das kann dich auch der bekannte Spruch Petri lehren:

"Die heiligen Menschen Gottes haben geredet, getrieben vom Heiligen Geiste". (2. Petr. 1, 19-21; 2. Tim. 3, 16.)

Haben denn die Propheten und andere fromme Menschen im Alten Testament auch schon dieses innere Wort gehabt?

Ja, alle Menschen Gottes, von Adam an bis auf Christus, haben es in sich gehabt, wie der angeführte Spruch Petri zu erkennen gibt, wie auch dasjenige, was Petrus im 1. Briefe 1, 10 schreibt: "Nach welcher Seligkeit gesucht und geforscht haben die Propheten, die von der euch zugedachten Gnade geweissagt und ergründet haben, auf welche Zeit deute der Geist Christi, der in ihnen war."

Kann man solches auch aus dem Alten Testament beweisen?

Ja, denn so sprach David lieblich in den Psalmen Israels: "Der Geist des Herrn hat durch mich geredet, und seine Rede ist auf meiner Zunge." (2. Sam. 23, 1-3.) Siehe auch unter vielen andern Stellen: 4. Mos. 12, 6-8; Sam. 3, 1, 7, 21; Nehem. 9, 30; Hiob 42, 5; Esra 5, 1; Amos 3, 7-8.

Aus diesen Stellen scheint aber zu sprechen, dass nur die Propheten als außerordentliche Boten Gottes dieses innere Wort gehabt haben?

Obschon die Propheten als außerordentliche Zeugen Gottes freilich einen näheren Zugang zu Gott und demnach dieses Wort in einem höheren Grade gehabt haben, so hat es doch auch andern frommen und gottgetreuen Seelen daran nicht gefehlt, die es gewissermaßen alle auch zu Propheten und Gottesfreunden gemacht hat. (Weish. 7, 27; 5. Mos. 8, 3 und 30, 11-14 mit Röm. 10, 6-8)

Hat dieses innere Wort nun aber auch im Neuen Testament fortgewährt?

Da hat es sich erst recht völlig in den heiligen Menschen hervorgetan, nachdem das Wort selbst Mensch geworden war. (Joh. 1, 14; Luk. 17, 20-21; Kol. 1, 25; 1. Kor. 2, 7-8.)

Vielleicht hat es sich aber nach Apostelgeschichte 2, usw. nur im Anfang des Neuen Testaments bei den Aposteln und apostolischen Zeugen Jesu Christi so sonderlich hervorgetan?

Nein, sondern auch bei allen wahren und rechtschaffenen Christen der folgenden Zeiten bis auf den heutigen Tag! Wiewohl freilich bei einem jeglichen nach seiner Fähigkeit und je nachdem er sich dazu geeignet hat.

Woher kann man solches beweisen?

Sowohl aus den Stellen Joh. 14, 21; 14, 26; 6, 45; 1. Joh. 2, 20, 27; Hehr. 8, 10-11; Joel 2,28-29 usw.; als auch insonderheit aus den beglaubigten Beispielen der bewährten Kirchengeschichte der Zeiten des Neuen Testaments, kraft deren sich jederzeit Leute gefunden haben, die wegen des bezeugten inneren Wortes von den wahren Christen hoch gehalten, von falschen aber unter allerhand Namen und Vorwand verworfen und verketzert worden sind.

Sollten sich wohl auch noch heutzutage solche Leute finden, die dieses innere Wort wahrhaftig haben und Gott in sich reden hören?

O ja, und werden solche meistenteils durch die wider sie ergehende Verfolgung genugsam bezeichnet; wiewohl auch noch manche, so dieser gnädigen An- und Einsprache gewürdigt werden, im Verborgenen sein mögen. (Ps. 31, 20-21.)"

Wie offenbart sich das innere Wort im Herzen des Menschen?

Darüber sagt Tennhardt:

"Das lässet sich durch die Gnade Gottes besser erfahren als aussprechen. Um mit einem Wort aber darauf zu deuten, so geht es etwa damit zu, wie da stehet 2. Kor. 4, 6; 1. Kön. 19, 9-13; Apostelgesch. 2, 1-2.

Ist die Art der Offenbarung dieses inneren Worts in allen Kindern Gottes gleich?

Nein, sondern in dem einen offenbart es sich mir einem stillen und sanften Säuseln oder lieblicher, Leib und Seele durchdringender Bewegung; in dem andern mit einem vernehmlichen und durchdringend-kräftigen, aber seiner Art und Herkunft nach unaussprechlichen Worte (2. Kor. 12, 1-4; Offenb. 1, 1-10.). Ja in einer Person offenbart es sich jetzt so, dann anders, je nachdem die Person Gottes Einwirkung oder Einsprache fähig und bedürftig ist. (Gal. 1, 12, 16.)

Läßt sich solches Wort zu allen Zeiten und sooft man es begehret, hören?

Was die vernehmliche Stimme desselben anlangt, so hört man solche nicht immerfort; am allerwenigsten, so man es etwa aus geistlicher Eigenliebigkeit über allerlei Kleinigkeiten gern hätte — sondern mehr nur in wichtigen Angelegenheiten und großen Leibes- und besonders Seelennöten, darin es sich gemeiniglich bei gutwilligen Herzen das erste Mal eröffnet und sie der wahrhaftigen innersten Gegenwart ihres Gottes und Vaters zu ihrem ewigen Heil und Trost versichert. Dabei ist jedoch nicht zu leugnen, dass, je getreuer die Seele diesem inneren Worte in allen seinen An- und Einsprüchen wird und je näher sie Gott in Christo Jesu und seiner heiligen Nachfolge kommt, desto mehr und öfter wird sie auch dasselbe in sich zu hören gewürdigt. (Joh. 14, 15-23.)"

Täuschungen und Gefahren des inneren Gehörsinns

Weshalb nicht alle Menschen diese innere Stimme klar und ungetrübt vernehmen können, ist begreiflich. Wie wir das äußere Wort aufnehmen durch den äußeren Gehörsinn, so nehmen wir das innere Wort des Geistes auf durch einen inneren, geistigen Gehörsinn — nämlich den nach innen zu unserem göttlichen Geist gerichteten Teil unserer Seele, das Gemüt. (Vgl. Kap. 48, 5. 303, Kopfverstand und Herzensverstand.)

Dieses innere Gehör unserer Seele aber wird auch von anderen geistigen Stimmen bestürmt, nicht nur vom Heiligen Geiste Gottes. Als ein zartes Empfangsinstrument ist es auch offen der Stimme unserer eigenen menschlichen Seele sowie den Stimmen von allerlei Wesen aus der großen, uns allezeit umgebenden Geisterwelt.

Darum unterliegt dieser innere Gehörsinn vielen Täuschungen. Unsere unvollkommene Seele flüstert ihm ihre törichten, unfertigen Anschauungen und ihre selbstischen Wünsche und Bestrebungen zu. Die Wesen der Geisterwelt bestürmen unser inneres Gehör ebenfalls mit ihren Anschauungen und Begierden, die vielfach noch einen ganz unreifen, ja dämonischen Charakter haben. Und so ist das Gewirr der Stimmen in unserem inneren Gehör oft ein großes und gefährliches; und die Geschichte der Christenheit zeigt eine Fülle von Beispielen, wie gerade durch diese ungewisse, vielseitige Beeinflussung der menschlichen Seele durch das geistige Gehör schon viel Verwirrung und Unheil angerichtet worden ist.

Es könnte uns daher schmerzlich bewegen, dass von Gott eine solche Trübung seines reinen inneren Worts bei den Menschen zugelassen wird. Warum muss diese kostbare Belehrung der suchenden Menschenseele so durchsetzt werden mit verderblichen Einflüssen, die auf Irrwege lenken und schließlich zu Klippen und Abgründen führen? Wäre es nicht besser, die innere Stimme Gottes strömte uns allezeit unvermischt zu — als eine sozusagen chemisch reine Quelle streng untrüglicher Wahrheit, deren Lebenskraft niemand zu widerstehen vermöchte?

Die göttliche Weisheit des sanften Säuselns

Gewiß wäre eine solche Belehrungsart für uns Menschen das trefflichste Mittel, um uns rasch und ohne Fehltritt zum Ziel der göttlichen Ordnung zu bringen. Aber wie stünde es dann mit unserem köstlichsten Gute: der Freiheit und Selbständigkeit unseres Urteils und unseres Willens und mit der Selbsttätigkeit unseres Suchens und Prüfens? Will uns doch die unendliche Liebe Gottes nicht zu Sklaven ihres Willens und nicht zu Maschinen-Geschöpfen heranbilden, sondern in unendlich weiser Erziehungsschule zu Ebenbildern Gottes, d.h. zu vollkommen frei und selbständig denkenden, schöpferisch tätigen Wesen hinanreifen. Daher darf auch die reine Gottesstimme in unserem Herzen nur zart und zwangslos wie ein leises Säuseln uns zugehen, und es darf nicht verhindert werden, dass auch andere Einflüsse uns mit dem Schein der Wahrheit sich nahen — damit das Urteil unseres Herzens sich übe und festige in der immer wieder nötigen Prüfung und Unterscheidung von göttlicher Wahrheit und verderblicher Scheinwahrheit.

Wir wollen darum mit Gott nicht hadern, dass unser inneres Gehör von Ihm aus auch freigegeben ist für die trügerischen Stimmen und Einflüsse unserer eigenen, unvollkommenen Seele und der niederen Geisterwelt, sondern wollen es lernen, diese Trugstimmen von der ewig reinen Stimme Gottes zu unterscheiden.

Ist uns doch auch gesagt, wie wir die innere Gottesstimme in uns stark und kräftig zu machen vermögen: indem wir die einfachen Demuts- und Liebesgebote des äußeren Gotteswortes von Herzen annehmen und in allen Lebenslagen hingebend und eifrig befolgen. "Wenn jemand Mich liebt", spricht Jesus, "wird er Meine Gebote befolgen, und Mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und — Wohnung bei ihm nehmen!"

Wie gelangt man zum inneren Wort Gottes?

Der einzige Weg zur Erlangung dieser göttlichen Gunst ist das Halten der Gebote, insbesondere das der Gottes- und Nächstenliebe (Matth. 22, 36 ff.), wie im Evangelium des Johannes (14, 21) vom Herrn mit besonderem Nachdruck betont wird. — Auch Paulus, der im 1. Brief an die Korinther (Kap. 12 ff.) ausführlich von den "Gaben des Geistes" spricht, sagt: "Strebet also eifrig nach diesen höchsten Gnadengaben! Und nun will ich euch noch einen ganz unvergleichlichen Weg zeigen, den Weg der Liebe! Strebet nach der Liebe und befleißiget euch der geistlichen Gaben, am meisten aber des inneren Wortes teilhaftig zu werden!"

Und bei Tennhardt, dem kundigen Praktiker, lesen wir:

"Wie kommt man denn zum Hören des inneren Wortes, oder wie hat man sich anzuschicken, dass man solches wahrhaftig in sich vernehmen möge?

Die beste Vorbereitung dazu ist, dass man zuvörderst seinem eigenen, gottgeregten Gewissen in allem, was es uns ratet oder verbietet, getreulich und fleißig nachkommt. (Luk. 16, 10-12) — Danach gehört insonderheit dazu:

1.) Verleugnung und Ablegung der Liebe des Irdischen. (Luk. 14, 33.)

2.) Keuschheit und Mäßigkeit in allen Dingen. (Weish. 1, 4-7; Luk. 21, 34; Röm. 13, 11-14.)

3.) Rechtschaffene Wachsamkeit. (Psalm 57, 8-9; Luk. 12, 35-36.)

4.) Am allermeisten aber ein ernstliches und unablässiges innerer Gebet, welches jedoch mehr mit einem steten, stillen und gelassenen Sehnen, Hungern und Dürsten nach dieser Gnade als mit vielen Worten geschehen muss. (Ps. 42, 2-3; Weish. 9; Sir. 51, 18; Luk. 11, 9-13.)

Wenn man aber über alle solche Bezeugungen dennoch nichts vernimmt, wie hat man dann solches anzusehen?

Ist dein Herz und deine Bezeugung rechtschaffen, auch deine Angelegenheit von sonderlicher Wichtigkeit, so wird sich das Wort des Herrn gewiss in dir eröffnen, sei es nun mit einer deutlichen Stimme oder mit heilsamen Gedanken oder mit heiligen Regungen der Seele, je nachdem es deinem himmlischen Vater dermal gefällig und dir erträglich ist. Dabei hast du dich aber zu hüten, dass du dir nicht selbst nach deinem eigenen Willen und Gefallen eine göttliche Antwort bildest oder von einem fremden und falschen Geiste einbilden lässest! Solltest du aber je durchaus nichts vernehmen, so prüfe dich, ob nicht noch eine verborgene Schuld als Hindernis an dir sei und du noch eine heimlich herrschende Sünde in dir habest, die dich und deinen Gott voneinander scheiden und welche du dann alsobald durch herzgründliche Demütigung und Buße abzutun hast. (Jes. 1, 12-18; Offenb. 3, 14-19.)

So aber auch dieses nicht wäre oder darüber nichts erfolgen sollte, dann denke getrost, dass dich Gott nur prüfe, ob du auch in der Einkehr zu Ihm und im wahren Geistesgebet aushalten, ob du auch ohne geistliches Gefühl Ihm dennoch Vertrauen und Ihn für deinen Gott und liebevollsten Vater halten wollest. Und werde demnach nur nicht müde, dich stets zu Ihm hinzuwenden! Er wird sich dir schon zu rechter Zeit mit seinem Wort der Gnade und der Liebe in deinem Inwendigen offenbaren. — Lasse dir inzwischen an dieser Gnade genügen, dass du dich gleichwohl zu Ihm als ein Kind zu seinem Vater wenden und Ihn mit deinem Bitten getrost angehen darfst. Und versichere dich, dass, ob Er sich schon dermal vor dir verbirgt, Er dennoch dein Verlangen hört, ja es selbst in dir wirket, erwecket und schärfet und sich solches wohl gefallen lässt. (Sprüche 2, 3-6; Hohel. 3, 1-4; Röm. 8, 26-27.)"

Wie lässt sich die Stimme Gottes von andern, falschen, unterscheiden?

Wenn demnach auch die Stimme Gottes oft säumt und dafür — unserer Eigenliebe und sonstigen Schwächen wegen — leicht andere Stimmen in unser inneres Gehör sich einschleichen, so ist doch das wahre Wort Gottes bei sorgsamer, vernunftvoller Prüfung unschwer von den falschen Einflüsterungen zu unterscheiden.

Gottes Grund- und Haupteigenschaften sind Liebe, Weisheit und Kraft. Und so sind diese drei Eigenschaften auch die Kennzeichen eines jeden echten Offenbarungswortes. Je mächtiger sie uns bei sorgfältiger Prüfung entgegentreten, desto reiner und volwertiger ist das Wort. Auch erfüllt eine solche echte Kundgabe der Ewigen Liebe des Menschen Herz — eben durch ihre wahrhaft göttliche Macht und Kraft — mit einen wunderbar erhebenden und beglückenden Wohlgefühl, das von keiner anderen irdischen Beeindruckung erreicht wird.

Bei Tennhardt heißt es:

"Du sagst, man soll sich hüten, dass man sich nicht eine göttliche Antwort von dem eigenen oder einem fremden Geist einbilden lasse. Wie kann man denn die Stimme des eigenen oder auch des verstellten bösen Geistes von der Stimme Gottes in sich unterscheiden?

Die Stimme des eigenen Geistes (d.h. der eigenen, unvollkommenen Seele) gibt sich genugsam zu erkennen, indem sie gemeiniglich aus ungeduldiger Eigenliebigkeit von uns selbst in unserm Sinne gebildet und ausgedrückt wird und das Herz unvergnügt lässt. (Ezech. 13. 2-6; Kol. 2, 18; Sirach 34, 5.)

Was aber die Stimme des Feindes anlangt — er mag sich verstellen, wie er will — so ergehet solche doch niemals im Grunde des Herzens, worein er sich (als in den eigentlichen Sitz Gottes) keineswegs einschleichen darf noch kann sondern nur in der Vorkammer der Sinne. Zudem ist sie kalt, ungeschmack und unkräftig, wo hingegen die Stimme Gottes voller Macht, Kraft und Nachdruck ist. Jene lässt das Herz leer, finster, trocken, rauh und ungebessert; dahingegen bringt die Stimme Gottes jederzeit einen gnädigen Regen und Segen zur täglichen Besserung und Erquickung mit sich. (Offenb. 3, 20.) Und ob jene schon auch Zuweilen eine Lust und Ergötzlichkeit mit sich zu führen scheinet, so ist es doch nur ein Blendwerk und Kitzel der Phantasie oder auch des Fleisches, womit für den, der ihm aus Unvorsichtigkeit Raum gibt, nachgehend nichts als Unlust, Bitterkeit und Betrübnis erweckt wird. Solche falsche Stimmen kann man demnach wohl von der Stimme Gottes unterscheiden, wenn man diese nur einmal wahrhaftig in sich gehört und gefühlt hat." (Joh. 8, 42-47; 1. Joh. 4, 1-6.)

Was Er sagt, das tuet!

"Welchem aber viel gegeben ist, von dem wird viel gefordert!" — Und so legt die große, heilige Gabe des inneren Gotteswortes dem Empfänger auch die Pflicht auf, mit größtem Eifer dem Vernommenen entsprechend zu handeln und die Gebote der Demut, Reinheit und Liebe durch die Tat ins Leben und in sein Eigentum umzusetzen.

Mit großem Ernst sagt der getreue Tennhardt:

"Ist es aber genug, dass man das Wort des Herrn so in sich höre, und darf man es dabei bewenden lassen?

Nein, sondern man muss dem, was man zu seiner Unterweisung gehört hat, auch getreulich und mit großem Fleiße nachkommen und darinnen beständig fortfahren, will man anders dieser Gnade nicht wiederum verlustig werden (Jak. 1, 21-25; Joh. 7,37, 8, 31-32, 15, 5-7), welches den gottliebenden Seelen um so viel leichter ist, da dieses Wort alle dazu nötige Kraft in sich führt. (Joh. 6, 63; Phil. 4, 13.)

Was hat man denn davon, wenn man dieses Wort in sich hört und befolgt?

Du magst sein in welchem Stande, Alter oder Anliegen du nur immer willst, so wird dich solches allezeit unterweisen, was du tun und unterlassen sollst, und dich lehren und führen, wie es dir am nötigsten und seligsten ist und sein wird. Es wird dich in guten und gesunden Tagen lehren, allenthalben vor, in und mit Gott zu wandeln — in Krankheits- und Leidenstagen aber alles mit Geduld und demütiger Gelassenheit zu ertragen; ja auch endlich in der letzten Todesnot die sterbliche Hülle wohlgemut und mit Freuden abzulegen und in deinen ewigen Ursprung wieder frei und siegreich einzugehen.

Dieses alles und noch mehr, als sich mit Menschen- oder Engelszungen aussprechen lässt, hat man von diesem Wort, und also wahrhaftig einen Vorgeschmack des ewigen Lebens, da eine selige Seele Gott auf das allertrauteste und vollkommenste in sich vernehmen und fühlen wird."

Der Herr über das innere Wort

Über den unvergleichlichen Wert des wahren, aus dem Grunde der Demut und Liebe ergehenden Herzenswortes sagt im "Großen Evangelium" (Bd. 2, 39) der Herr:

"Ich sage dir: Ein Wort, das dir ein Engel in dein eigenes Herz gelegt hat, ist für deine Seele heilsamer als tausend Worte, durch das Ohr von außen her vernommen! Denn was du im Herzen vernimmst, das ist schon dein Eigentum; was du aber von außen her vernimmst, das musst du dir erst zu eigen machen durch die Tat nach dem vernommenen Wort. Hast du das Wort nicht im Herzen, sondern nur im Gehirn, durchs Ohr dahin gebracht und sündigst, so sündigt das leere Herz mit und zwingt dich weder zur Erkenntnis noch zur Reue; die Sünde bleibt in dir, und du machst dich schuldig vor Gott und den Menschen.

Hast du aber das Wort im Herzen und sündigst deinem Außenwesen nach dennoch zuweilen, so ist dein Herz dabei nicht einstimmig und zwingt dich alsbald zur Erkenntnis der Sünde und der Reue, und du bist schon dadurch kein Sünder mehr."

Jakob Lorber über seine innere Gottesstimme

Machtvoll überzeugend ist endlich auch, was der große Bote Gottes, Jakob Lorber über die in ihm so gewaltig redende Stimme des göttlichen Geistes in aller Schlichtheit bekundet. An den ersten Verleger der großen Offenbarungswerke, Johannes Busch in Dresden, schrieb im Jahre 1858 der erleuchtete Prophet:

"Bezüglich des innern Wortes, wie man dasselbe vernimmt, kann ich, von mir selbst sprechend, nur sagen, dass ich des Herrn heiligstes Wort stets in der Gegend des Herzens wie einen höchst klaren Gedanken, licht und rein, wie ausgesprochene Worte vernehme. Niemand, mir noch so nahe stehend, kann etwas von irgendeiner Stimme hören. Für mich erklingt diese Gnadenstimme aber dennoch heller als jeder noch so laute materielle Ton. Das ist aber nun auch schon alles, was ich Ihnen aus meiner Erfahrung sagen kann. Aber es wandte sich jüngst eine dem Herrn höchst ergebene Frau durch mich an Ihn, und es ward ihr folgende Antwort zuteil, die ich Ihnen hier wörtlich mitteile. Sie lautete:

"Das, was nun Mein irdisch sehr armseliger Knecht tut, sollten eigentlich alle Meine wahren Bekenner tun können. Denn allen gilt das Evangeliumswort: Ihr müsset alle von Gott gelehrt sein! Wen nicht der Vater ziehet, der kommt nicht zum Sohne!" Das aber besagt soviel als: Ihr müsset von eurer werktätigen, lebendigen Liebe zu Mir und daraus zu jedem bedürftigen Nächsten zur inneren Weisheit aus Gott gelangen. Denn eines jeden wahre, werktätige Liebe bin ja eben Ich selbst so in seinem Herzen, wie der Sonne lebendiger Strahl wirkend ist in jedem Tautropfen, in jeder Pflanze und in allem, was die Erde trägt. Wer Mich sonach wahrhaft über alles aus allen seinen Kräften liebt, dessen Herz ist auch voll von Meiner Lebensflamme und deren hellstem Lichte! Dass dadurch zwischen Mir und dem Mich über alles liebenden Menschen ein steter und hellster Verkehr entstehen muss, ist ebenso klar, wie dass ein gesundes Weizenkorn in fruchtbarer Erde unter dem warmen Sonnenstrahl zur segensreichen Frucht emporwachsen muss. — Dass dieses aber mit den Menschen durch Erfüllung der im Evangelium gestellten Bedingungen wirklich möglich ist, dafür steht dieser Mein Knecht als ein Zeuge vor dir. Aber das sage Ich dir auch: Mit einer bloßen Verehrung und noch so tief andächtigen Bewunderung Meiner göttlichen Vollkommenheit, ist‘s da nichts! Solcher sogenannten frommen Christen gibt es eine Menge in der Welt, und doch erreichen sie wenig oder nichts. Alles aber liegt an dem, dass jemand, der zu Meinem lebendigen Worte in sich gelangen will, vollkommen ein Täter Meines Wortes ist. Dies zur Danachachtung für dich und jedermann!'

Hier, lieber Freund, haben Sie Ihre Frage so erschöpfend als möglich beantwortet. Und es wäre vermessen von mir armem Sünder, Ihnen noch ein mehreres darüber zu sagen. Jakob Lorber."






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Kapitel 51
Das Gebetsleben im Lichte der Neuoffenbarung

Von größter Wichtigkeit für den Fortschritt des Menschen auf dem geistigen Heilswege der Liebe ist auch das Gebetsleben. Als eine große Wohltat ist es zu bewerten, dass die Schriften der Neuoffenbarung gerade auch über dieses Gebiet ein klares und vielseitiges Licht verbreiten.

Wenn man vom Beten spricht, dann denken viele im wahren Glauben wenig bewanderte Menschen nur an das Aufsagen eingelernter Gebetsworte und meinen, ein Gebetsleben zu führen, wenn sie dieses Aufsagen gewohnheitsmäßig zu gewissen Stunden vornehmen. Allein, in dieser Übung liegt nur ein kleiner, kindlicher Anfang, ja nicht selten — durch die oberflächliche Gewöhnung — ein bedenklicher Abweg. Dies und so manches andere ist im Lorber-Werk aufgehellt durch eingehende Erläuterungen und Ratschläge über das wahre, vor Gott wohlgefällige und zum Ziele der geistigen Vollendung führende Gebet.

In die Stille gehen

Im Anfang unseres Verkehrs mit Gott steht nach der Lehre der Neuoffenbarung als erstes das "In-die-Stille-Gehen", die Verinnerlichung.

"Wenn du betest, so gehe in dein Kämmerlein!" Dieser Rat des Herrn ist zweifach zu verstehen. Zunächst örtlich: Wir sollen uns zurückziehen an einen Ort, wo wir soviel als möglich Ruhe finden vor den Störungen der Welt. "Und schließe die Tür zu!" fügt der Herr noch bei. Denn Er weiß, wie leicht die schwache Menschenseele von äußerlichen Eindrücken abgelenkt wird. In der äußeren Stille und Abgeschiedenheit gelingt es uns eher, unsere Gedanken und Gefühle zu sammeln und unsere Seele auf das inwendige Licht des Geistes zu richten.

Aber mit dem "Kämmerlein-Gehen" meint der Herr weiterhin hauptsächlich die geistige Versenkung in das eigene Innere, das eigene Herz als Wohnung des unserer Seele eingezeugten göttlichen Geistes. Durch diesen Mittler, unsern göttlichen Geistfunken, können wir uns zu Gott, dem himmlischen Vater emporschwingen, um von dieser Urquelle des Lebens die Ströme der Liebe, des Lichts und der Kraft zu erbitten und zu empfangen.

Somit ist beim Gebet das erste: In möglichster äußerer Stille und Abgeschiedenheit den inneren Mittler und Christus, den "Imanuel" (d.h. Gott in uns) zu suchen, um in seinem Lichte uns selbst und insbesondere unser Verhältnis zu Gott mit Ernst zu prüfen und die Stätte für den Herrn rein zu machen.

Selbstbeschauung

Diese innere Betrachtung nennt der Herr im "Großen Evangelium" Selbstbeschauung und empfiehlt sie dringend allen seinen Jüngern.

"Wahrlich, Ich sage euch: Nichts ist dem Menschen heilsamer als eine zeitweilige innere Selbstbeschauung! Wer sich und seine Kräfte erforschen will, der muss sich zu öfteren Malen selbst erforschen und innerlich beschauen. Es wissen aber manche nicht, wie sie es anfangen sollen. So höret denn: Ruhet und denket im stillen lebendig nach über euer Tun und Lassen, über den euch wohlbekannten Willen Gottes, und ob ihr demselben nachgekommen seid zu den verschiedenen Zeiten — so habt ihr euch innerlich selbst beschaut und dadurch dem Eindringen Satans in euch den Weg erschwert. Dieser sucht nichts emsiger, als durch allerlei äußere, nichtssagende Gaukeleien den Menschen an seiner inneren Selbstbeschauung zu verhindern. Denn hat der Mensch einmal durch Übung eine Fertigkeit in der Beschauung seines Inneren erreicht, so findet er in sich auch leicht und bald, welche Fallen ihm Satan gelegt hat, und kann dann diese weidlichst zunichte machen und aller künftigen Arglist des Feindes vorbauen.

Nun wisset ihr, worin die innere Sichselbstanschauung besteht. Machet von nun an täglich solche Übungen im stillen und lasset euch darin durch keine äußere Erscheinung mehr stören." (GEJ 01, 224, 8-13)

Worum es sich bei der rechten Selbstbeschauung handelt, spricht der Herr noch deutlicher an anderer Stelle des "Großen Evangeliums" aus. Hier heißt es:

"Nehmet euch alle Mühe und prüfet, ob ihr nichts unterlasset, auf dass ihr am Ende nicht sagen müsst: 'Nun habe ich volle zehn oder zwanzig Jahre hindurch alles getan, was mir die neue Lehre vorschreibt, und dennoch stehe ich auf demselben Fleck, verspüre noch immer nichts von einer besonderen Erleuchtung, und vom sogenannten ewigen Leben empfinde ich auch noch blutwenig! Woran fehlt es denn noch?'

Ich aber sage euch: Prüfet euch sorgfältig, ob nicht noch irgendwelche weltliche Vorteilsgedanken euer Herz beschleichen, ob nicht zeitweiliger Hochmut, eine gewisse zu überspannte Sparsamkeit, die Ehrsucht, richterlicher Sinn, Rechthabelust, fleischlicher Wollustsinn und dergleichen mehr euer Herz und eure Seele gefangenhalten! Solange das bei dem einen oder andern der Fall ist, wird er zur vollen Erfüllung der Verheißung an ihm nicht gelangen.

Betrachtet nur den Most und den reinen geistvollen Wein in einem Faß: Solange sich grobe und fremde Bestandteile im Most befinden, wird er gären und zu keiner Reinheit kommen. Sind aber diese Bestandteile endlich einmal alle hinausgeschafft, so wird es immer ruhiger im Faß, der Most klärt sich und wird zum vollgeistigen Wein."

Heilige Zwiesprache

Durch die prüfende Selbstbeschauung und den ernstlichen Vervollkommnungswillen wird das Herz des betenden Menschen frei gemacht für einen ungetrübten Verkehr mit Gott, dem himmlischen Vater in seiner ewigen Offenbarungsgestalt Jesus Christus.

Zwischen dem Vater in Jesus und der Seele kann sich nun ein Austausch, eine innere Zwiesprache entwickeln, die ganz der Aussprache zwischen einem unendlich guten und weisen irdischen Vater und seinem liebenden Kinde gleicht und das Allerhöchste und Seligste darstellt, was ein Mensch im Tale dieser Erde finden und erleben kann.

"Wer mit Mir reden will, der komme zu Mir, und Ich werde ihm die Antwort in sein Herz legen. Jedoch die Reinen nur, deren Herz voll Demut ist, sollen den Ton Meiner Stimme vernehmen! Und wer Mich aller Welt vorzieht, Mich liebt wie eine zarte Braut ihren Bräutigam, mit dem will Ich Arm in Arm wandeln. Er wird Mich allezeit schauen wie ein Bruder den andern und wie Ich ihn schaute schon von Ewigkeit her, ehe er noch war." (Haush. Gottes, Bd. 1, 1 ff.)

Natürlichkeit — nach dem Zuge des Herzens

Diesen Herzensverkehr, diesen inneren Austausch, wünscht der himmlische Vater in den schlichtesten Formen, wie die vertrauensvolle Liebe eines Kindes sie ergibt. Dies ist — gegenüber zahlreichen Verirrungen auf diesem Gebiet — oft und mit allem Nachdruck ausgesprochen.

So vernehmen wir vom Herrn in dem Lorberwerk "Die Haushaltung Gottes" das schöne Gleichnis:

"Ich setze den Fall, ein Vater sehr vornehmen Standes, etwa ein Fürst, hätte mehrere Kinder. Diese Kinder wissen die Ordnung, wie sie sich zu ihrem Vater begeben dürfen, nämlich ganz geziemend geschmückt, gemessenen Schrittes, die Hände kreuzweise über ihre Brust gelegt und das Haupt demütigst zu Boden gesenkt. — Wenn diese Kinder so vor den fürstlichen Vater kommen, da belohnt er sie und entläßt sie dann. — Eines unter den Kindern, ein rüstiger Knabe, aber ist ganz keck, erscheint nicht mit den abgerichteten Kindern, sondern kommt ganz allein zum Vater gerannt, ist auch mehr nachlässig in seiner Kleidung. Wenn aber dieser Knabe den Vater ersieht, breitet er seine Arme aus, umfaßt ihn mit aller kindlichen Liebeglut und ruft dabei: 'O Vater, mein lieber Vater, wie sehr doch liebe ich dich! Siehe, du mein lieber, guter Vater, ich liebe dich zu sehr, als dass es mir möglich wäre, mich vor dir in den gesetzlich höfischen Schranken zu bewegen! Ja, ich will eher sterben, als vor dir, o Vater, meinem Herzen einen unterdrückenden Liebeszwang antun!' — Ich setze nun den Fall, du wärest der Vater solch eines Kindes, was würdest du da nach deinem Vatergefühl wohl tun? Du sprichst: 'Oh, das würde ich auch über die Maßen lieben!' — Gut geantwortet! Ich sage dir aber, gerade ein solcher Vater bin Ich auch! Wer demnach zu Mir kommt wie dieser kecke Knabe, der wird auch Mir der allerliebste Sohn sein! Gott kannst du an sich nicht lieben. Aber den Vater kannst du lieben gleich dem kecken Knaben. Und Gott als Vater wird dann dich auch mit aller Macht seiner Liebe ergreifen und wird dich setzen in seinen Schoß als ein wahres, Ihm über alles teures Kind und wird all den andern dann deinetwegen gnädig sein und ihnen die leere Höflichkeit erlassen. Siehe, das ist die rechte Liebe! Solches beachte!" (Haush. Gottes, Bd. 2, 232, 14 ff.)

"Wer also bei Mir", sagt der Herr im "Großen Evangelium", "eine gute Bitte erhört haben will, der wallfahre in sein Herz und trage Mir ganz im stillen seine Bitte mit natürlichen und ungeschmückten Worten vor, und Ich werde ihn erhören. Aber Ich sage noch hinzu, dass Mir dabei ja niemand mit einer fromm aussehenden Gebärde und Miene kommt! Denn wo bei einer Bitte an Mich die heuchlerisch-fromme Gesichts-drückerei vorkommt, da wird keine Bitte erhört werden. Wer Mir nicht so natürlich kommt, wie er ist und nicht bittet im rechten Geiste der vollsten Wahrheit, der wird nicht erhört, sondern nur der, der Mich wahrhaft liebt, Meinen Willen tut und zu Mir ganz ohne allen Prunk und Zwang kommt." (GEJ 06, 123, 11)

Keine Zeremonien!

Kirchlich erzogenen Menschen will dieser zwanglose, natürliche Herzensverkehr mit dem himmlischen Vater in Jesus oft nicht recht einleuchten.

So sagt im "Großen Evangelium" ein biederer Fischer zum Herrn: "Siehe, wir Menschen sind schon von Kindheit an gewohnt, unsere Bitten und Danksagungen auch mit äußeren Gebärden zu begleiten, um den Menschen, die wir bitten oder denen wir danken, unser inneres Fühlen auch äußerlich der Bitte gemäß ersichtlich zu machen. So wir aber oft genötigt sind, vor den Menschen, die doch unseresgleichen sind, die Knie zu beugen, so schickt es sich doch ums Unaussprechbare mehr, vor dem Herrn der Ewigkeit unsere Knie gleichfalls zu beugen! Wenn demnach die Seele den Leib ihren geistigen Bestrebungen anpasst und ihn mit sich in ihr Geistiges verkehrt, so kann dies doch nicht gegen Deine Ordnung und Dir mißfällig sein?"

Dem ehrfürchtigen Verehrer erwidert der Herr: "Freund, du hast nun ganz wohl geredet, und Mein Herz erquickte sich an dem Sinn deiner Worte. Es ist auch recht, wenn der bittende und dankende Mensch sich dabei so verhält, wie du es dargestellt hast. Aber dann sollte der Mensch auch stets völlig in deiner Gesinnung verbleiben, nur auf das Innere allein den wahren Lebenswert legen und das Äußere gewisserart nur als eine Last nach sich ziehen und es seiner inneren Kraft untertan machen. Und es wäre so das Bitten, Danken und Verehren schon ganz gut und Mir wohlgefällig.

Aber die Menschen bleiben nicht so, wie du nun vor Mir stehst. Sie fangen nur zu bald an, auf die äußerlichen Gebärden einen größeren Wert zu legen, als sie der innern Lebenswahrheit nach sollten und halten das allein wahre Innere in Ermangelung des Äußeren für nicht genügend und am Ende gar für wertlos. Es geht dann nur zu leicht so weit, dass gewisse, angeblich eingeweihte und von Gott erwählte Priester das Volk verleiten, dass es dem gemeinen Menschen genüge, nur das von ihnen vorgeschriebene Äußere zu beachten und zu verehren — denn das eigene innere, an Gott gerichtete Wort sei ohne Wert und habe keine Wirkung, da Gott daran nur Missfallen habe, weil solch ein eigenmächtiges Beten, Bitten und Danken eine Gotteslästerung sei.

Was kommt da am Ende heraus? Siehe, die Menschen entfernen sich stets mehr von Gott, statt dass sie sich Ihm mehr und mehr im Herzen und in der Liebe und im lebendigen Glauben und Vertrauen nähern! Die wahre und reine Liebe wird in eine gespenstische Furcht verkehrt und der lebendige Wahrheitsglaube in einen finstern heidnischen Aberglauben, bei dem sich dann eine träge Priesterkaste irdisch sehr wohl befindet, während die sogenannte gemeine Menschheit ratlos in geistiger Not und Blindheit schmachtet.

Siehe, das alles entsteht nach und nach aus den anfangs sehr unschuldig und sogar sittlich geziemend scheinenden äußeren Gebetsgebärden. Und Gott muss endlich wieder durch den Mund eines neuerweckten Propheten zu den Menschen rufen: 'Siehe, dieses Volk ehrt Mich mit den Lippen und eitler und toter Welt-Zeremonie, aber sein Herz ist ferne von Mir!' Darum merket euch und machet es zu eurer Lebensleitschnur: Gott ist in sich ein Geist voll Liebe, Wahrheit, Weisheit und Macht, unveränderlich von Ewigkeit her, und kann daher auch im Geist und in der Wahrheit, die inwendig im Menschen ist, angebetet werden.

So jemand ein Anliegen hat, dass ihm Gott als der Schöpfer und Vater aller Menschen und Engel in diesem oder anderem helfen möchte, so gehe er mit seinem Anliegen nicht in einen Tempel oder in eine Synagoge und auch zu keinem Priester, sondern sperre sich in ein Kämmerlein, besonders in das ganz stille seines Herzens ein, bete darin zu Gott und bitte Ihn als den liebevollsten Vater um eine rechte Hilfe!"

Kein Lippengebet und kein bezahltes Gebet

Der tief innerlichen Bedeutung des wahren Gebets- und Herzensverkehrs mit Gott entspricht es auch, dass ein bloßes Lippengebet für das Heil der Seele selbstverständlich nicht den geringsten Wert hat.

"Wo Ich so von den Menschen angebetet und verehrt werde", sagt der Herr, "da werde Ich sofort Mein Gesicht abwenden und einer solchen Anbetung und Verehrung niemals achten, um den dummen Menschen deutlich zu zeigen, dass vor Mir derlei durchaus nichts gilt."

Vor Gott wahrhaft ein Gräuel aber ist ein bezahltes Gebet — "weil da der Betende zumeist ohne allen Glauben nur zum Schein sein Gebet hinmurmelt und der, dem das Geld helfen soll, selbst zu träge ist, die Knie vor Gott zu beugen und daher lieber einen andern für sich beten lässt." (GEJ 09, 37, 10)

"Wie ist es aber", so wird der Herr im 'Großen Evangelium' gefragt, "wenn jemand gläubig im besten Sinn und in der Meinung, dass er unwürdig sei, zu Gott zu beten, zu einem Priester geht und ihn bezahlt, damit er für ihn bete? Hat solch ein Gebet auch keinen Wert?"

Hierauf erwidert der Herr: "Wie soll denn solch ein Gebet dem, der es bezahlte, etwas nützen? Er, der Gläubige, getraut sich nicht zu Gott zu beten; und der bezahlte Priester betet nicht zu Gott und kann das garnicht, weil er bei sich an keinen Gott glaubt. Denn glaubte er an einen Gott, so würde er sich für seine Gebete nicht bezahlen lassen, sondern zu dem Bezahler sagen: 'Jeder Mensch — und hätte er der Sünden so viele, wie es gibt Gras auf der Erde — kann reuig und demütig zu Gott beten und Gott wird sein Gebet erhören. Meine von Gott gebotene Nächstenliebe aber legt mir ja ohnehin die Pflicht auf, in meinen Gebeten aller Menschen zu gedenken. Und so gehe du hin und bete selbst zu Gott, was dir allein nützen kann. Denn ein bezahltes Gebet ist vor Gott ein Gräuel' — Siehe, so müsste ein gläubiger Priester zu dem reden, der ihm ein Gebet zu bezahlen käme! — Weil aber der Priester selbst an keinen Gott glaubt, so lässt er sich für das Gebet, das er aus einem Buch, ohne dabei etwas zu denken, mit heuchlerisch-frommer Gebärde hermurmelt, bezahlen und ist somit in allem ein Lügner und Betrüger. Wie kann da ein solches Gebet bei Gott angesehen sein? — Ich sage dir: So Gott dem Menschen, der sich ob seiner vermeinten Unwürdigkeit nicht zu Ihm zu beten getraut, auch aus irgendeiner Not seiner Demut wegen hülfe, so wird Er ihm aber im Falle eines bezahlten Gebetes ganz sicher nicht helfen, um ihn dadurch von seinem Aberglauben zu befreien." (GEJ 06, 180, 5-7)

Keine Kasteiung!

Um Gott nahe zu kommen oder göttliche Kräfte zu erlangen, begeben sich manche Menschen auch auf einen anderen Abweg, den der Kasteiung. Besonders unter den morgenländischen Völkern haben zu allen Zeiten die Asketen oder Büßer eine Rolle gespielt. Und diese Art der "Gottesverehrung" hat ja z.B. in Indien in der Selbstmarterung der Yogi höchst krasse Formen gezeitigt. Aber auch die abendländische Religionsgeschichte zeigt in den harten, abtötenden Ordens- und Klosterregeln, in den Geißlergesellschaften, dem Einsiedlerwesen starke Beispiele.

Der Herr urteilt im "Großen Evangelium" über diese religiöse Haltung: "Durch ein rechtes Fasten und Beten wird die Seele freier und geistiger. Aber selig wird niemand durchs pure Fasten und Beten, sondern nur dadurch, dass er an Mich glaubt und den Willen des Vaters im Himmel tut. Das kann aber jedermann auch ohne Fasten und ohne das Sich-Enthalten von gewissen Speisen und Getränken. — Wer aber irgendeinen Überfluss hat und übt wahre Nächstenliebe, der fastet wahrhaft und zum ewigen Leben dienlich. — Wer ferner vor Gott wahrhaft und zum ewigen Leben der Seele verdienstlich fasten will, der enthalte sich vom Sündigen aus Liebe zu Gott und zum Nächsten; denn die Sünden beschweren die Seele, dass sie sich schwer zu Gott erheben kann." (GEJ 07, 85, 5 ff.)

Völlig verworfen wird die leibliche Kasteiung zum Zweck des gewaltsamen Eindringens in die geistige Welt. "Wer fastet zur rechten Zeit, tut besser als der, welcher allezeit schwelgt und prasst. Denn alle Menschen, die in der Welt ein Wohlgefallen haben an dem, was ihre Sinnlichkeit reizt, sitzen als Seele bis über die Ohren im Schmutz und sind darum geistig völlig taub und blind. Daher seid allezeit mäßig im Essen und Trinken, auf dass ihr nicht krank werdet an eurer Seele. Aber es ist dennoch ein Unterschied zwischen Fasten und Fasten. Ein völlig rechtes Fasten besteht darin, dass man sich von aller Sünde enthalte, sich in allen Dingen der Welt selbst verleugne, sein Kreuz auf seine Schultern nehme und Mir nachfolge, ohne darin gar zu ängstlich im Essen und Trinken zu sein, aber auch nicht über die Notdurft hinaus ins Schwelgen überzugehen. — Alles andere Fasten hat wenig oder gar keinen Wert. Es gibt da z.B. Menschen, die durch eine gewisse Kasteiung ihres Leibes in die Welt der Geister dringen und mit deren Hilfe dann die Kräfte der Natur bezwingen wollen. Das ist aber der Seele nicht nur nichts nütze, sondern überaus schädlich. Da fällt die Seele dann als eine Art notreife, kernfaule und somit tote Frucht vom Baume des Lebens. Ein derartiges Kasteien und Fasten ist darum eine große Sünde. Wer der wahren Ordnung gemäß leben will, der lebe so wie Ich lebe und euch zu leben lehre, so wird er auch in sich die Frucht reifen sehen, in der ein völlig lebendiger Kern für das ewige Leben sich gestaltet." (GEJ 01, 207, 8)

Danken

Für uns alle wichtig ist nun weiter die Frage, was wir im Gebetsverkehr unserem Gott und Vater vortragen dürfen und sollen. Dem wahren Beter wird es vor allem täglich, ja stündlich ein Bedürfnis sein, dem Geber aller guten Gaben für das ständig und in so vielen Formen aus dem Urquell seiner Liebe uns Zugehende zu danken.

Das tägliche Brot für Leib, Seele und Geist, das wir für uns, unser Haus und unser Volk erhalten — und vor allem auch die große Gnade, hier auf dieser Erde, der Hochschule der Gotteskinder, unter seiner Führung die Laufbahn zur höchsten Seligkeit durchmachen zu dürfen — die ständige Bewahrung vor den bösartigen Anschlägen der Finsternismächte usf. — dies alles muss ja unsere Seele, wenn wir es auch nur einigermaßen bedenken, mir glühendsten Dankgefühlen erfüllen. Und so ist das inbrünstige Danken das natürliche, erste Tun des betenden Menschen, den die reine Glut des Herzens zum himmlischen Vater treibt. Worte brauchen dabei nicht viele gemacht werden, noch weniger bedarf es wohlgesetzter oder eingelernter Reden und Lobeserhebungen.

"Wer Mich liebend im stillen ehrt und preist", spricht der Herr, "und dabei in aller Demut seine Geringheit und Mein alles erkennt, der ehrt Mich wahrhaft im Geiste und in der Wahrheit, und Ich habe ein großes Wohlgefallen an ihm. Und es erzeugt das ganz gering Scheinende eine große Wirkung. Wer Mich aber mit großem Weltgepränge, mit allerlei nichtigen Zeremonien und langen Gebeten und Gesängen ehrt und preist und dabei glaubt, dass Mir das wohlgefällt, der ist in einer großen Irre. Derlei Preisung ist vor Mir ein Gräuel! Und so sie von den Priestern ausgeht und das unwissende Volk Mich dadurch zu ehren wähnt und von Mir eine Gnade erbitten will, wird sie von Mir nicht erhört werden, auf dass das Volk zur Einsicht komme, dass Ich an solchen großen Gebeten und prunkvollen Verehrungen kein Wohlgefallen habe."

Viele Szenen werfen in den Neuoffenbarungsschriften dagegen ein helles Licht auf den stummen Gemütsdank. So sagt der Herr im "Großen Evangelium" (Bd. 3, 110, 6 ff.) von der Fürstentochter Helena: "Es dauerte ihr stummes Entzücken eine geraume Weile, und immer wieder ward ihr Gemüt so ergriffen von der Freude über Mein Kommen, dass stets von neuem wieder Tränen der Wonne ihre Zunge lähmten, sooft sie zu Mir Worte des Dankes aussprechen wollte. Ich aber sagte zu ihr: Meine liebe Tochter, mühe dich nicht zu reden! Denn diese Sprache deines Herzens ist Mir um vieles lieber als eine noch so gewählte deines Mundes."

Das Nächste, was uns, den oft so bedrängten Menschen dieser Erde, in unserem Gebetsverkehr mit Gott wichtig sein wird, sind die vielen Wünsche für Leib, Seele und Geist, welche uns im Hinblick auf unser und unserer Mitmenschen Wohl — teils mit, teils ohne wahren Grund — bewegen.

Obwohl der allwissende Gott und liebevollste Himmelsvater besser als wir selbst weiß, was zu unserem Heil frommt und auch weiser und liebevoller, als wir ermessen können, allezeit für uns sorgt, so ist es doch um der Begründung eines wahren, kindlichen Verhältnisses wegen sein Wille, dass wir um alles, was wir von Ihm benötigen, mit vertrauensvoller Bitte zu Ihm kommen. An einer Stelle ("Bischof Martin" Kap. 177) ist gesagt, dass in Gottes Erziehungsplan das Bittgebet noch wichtiger sei als das Dankgebet, da es den Menschen zu selbständiger Beurteilung dessen erziehe, was er zu seinem wahren Heile bedarf.

Und in "Haushaltung Gottes" lesen wir: "Die Bitte eines wahren Beters ist gewissermaßen ein andächtiger Rat, durch den Mir der Bittende anzeigt, was Ich tun soll. Er weiß, dass Ich, als die höchste Weisheit und Liebe, sicher ohne seinen Beirat das Allerbeste zu der allerrichtigsten Zeit tun werde. Aber Ich als der Vater will Mir ja von Meinen lieben Kindlein (um ihrer Freiheit und Selbständigkeit willen) raten lassen, so, als hätte Ich ihres Rates vonnöten und will sie auch tätig sein lassen, als hätte Ich ihrer Tat und Hilfe vonnöten! Solches alles tue Ich als Vater Meinen Kindlein aus Meiner großen Liebe heraus, leite aber dann ihren Rat und ihre Tat so, dass Ich dadurch doch allezeit Mein Ziel erreiche." (Haush. Gottes, Bd. 3, 1, 9 ff., 20 ff.)

Um was sollen wir bitten?

"In jeder Not und Drangsal", sagt der Herr im "Großen Evangelium", "bittet mit natürlicher Sprache im Herzen zu Mir, und ihr werdet nicht vergeblich bitten." (GEJ 10, 32, 4)

Jede Not und jede Drangsal, sei es für Leib, Seele oder Geist, sei es für uns selbst, unser Haus, unser Volk oder irgendein Wesen der Schöpfung, kann und darf also für ein vertrauensvolles Kind Gottes ein Bittgrund sein. Es ist nichts zu gering, um dem allgegenwärtigen, allliebenden Gott im Herzen vorgetragen zu werden. Ist es doch Er, der mit seinen unsichtbaren geistigen Dienern das Größte wie das Geringste in der ganzen Unendlichkeit wirkt, so dass in Wahrheit kein Haar von unserem Haupte fällt ohne Gottes Willen.

Da freilich vom Standpunkt der Ewigkeit und des wahren Lebenszieles aus das Heil von Geist und Seele wichtiger ist als das Wohlsein des Leibes, so mahnt der Herr:

"So ihr den Vater um etwas bittet, da bittet Ihn nicht so sehr um die Güter dieser Erde, nach denen die blinden und törichten Heiden und auch die Gottes vergessenen Juden und Pharisäer trachten, sondern bittet Ihn vielmehr um die unvergänglichen Schätze für Seele und Geist und sie werden niemandem vorenthalten werden. — Was aber die zum zeitlichen Lebensunterhalt nötigen diesirdischen Güter betrifft, so werden sie jedem, der sein Bitten und Suchen nach dem Reich Gottes und dessen liebevollster Gerechtigkeit richtet, frei hinzugegeben. Wer da stark im Geiste und somit im Reiche Gottes geworden ist, der wird auch Herr sein über die Dinge der Welt und wird niemals eine große Nährnot für seinen Leib zu erdulden haben. Aber besser ist es auch für den im Geiste Erweckten, in den Gütern der Himmel Gottes zu schwelgen, dabei sich aber an den Gütern dieser Erde eine kleine Not gefallen zu lassen."

Die wichtigsten Güter des Geistes, um die ein wahrer Gottesmensch demnach vor allem täglich bittet, sind: Echte Demut und tatfertige Liebe zu Gott und allen Wesen — und für die Seele das tägliche äußere und innere Gotteswort, sowie die sonstige lebendige Verbindung mit der Himmelswelt im Gebet und in den Führungen des Lebens.

Das Vaterunser

Eine wunderbare Zusammenfassung alles dessen, was der Mensch für sich und seine Nächsten zu seinem wahren Heil braucht, hat der Herr uns in den tiefsinnigen sieben Bitten des "Vaterunsers" gelehrt.

Wie nach dieser Anleitung ein Gotteskind, die jugendliche, innige Jüngerin des Herrn, Jarah, betet, ist im "Großen Evangelium" von dieser mit den Worten geschildert:

"Ich versetze mich mit allen meinen Gedanken und Gefühlen in die tiefste Tiefe meines Herzens, worin die Liebe zu Gott zu Hause ist. Dadurch bekommt diese heilige Liebe ebenso Nahrung, als wenn du auf eine stille Glut, die nicht mehr flammt, dürres und leicht brennbares Holz legst. Das Holz wird die stille Glut gar bald erwecken, und es wird darauf das Ganze in hellste Flammen übergehen. Da wird‘s dann überlicht und völlig lebenswarm im Herzen. — Dann erst spricht der dadurch erweckte gottähnliche Geist in der Seele:

"O Du mein heiliger Vater in den Himmeln! Dein Name werde geheiligt! Zu uns armen, nachtvollen Sündern komme Deine Vaterliebe! Dein allein heiliger Wille geschehe hier auf Deiner Erde wie in allen Deinen Himmeln! Haben wir gesündigt wider Deine ewig heilige Ordnung, so vergib uns solche Torheit und habe Geduld und Nachsieht mit uns, wie auch wir mit denen Geduld und Nachsicht haben, die sich gegen uns irgend versündigt haben! Lass es nicht zu, dass wir in unserer fleischlichen Schwachheit über unsere Kraft hinaus von der Welt und vom Bösen versucht werden, sondern erlöse Du uns durch Deine große Gnade, Liebe und Erbarmung von den tausenderlei Übeln, durch die unsere Liebe zu Dir, o heiliger, großer, lieber Vater, getrübt und geschwächt werden könnte! Wenn es uns aber hungert und durstet leiblich und geistig, dann gib uns, guter, lieber Vater, nach Deinem heiligen Ermessen, was wir täglich vonnöten haben! — Dir allein alle meine Liebe, alle Ehre und allen Dank ewig, ewig! Amen!‘" (GEJ 03, 123, 2 ff.)

Fürbitte

Schon im "Gebet des Herrn" kommt zum Ausdruck, dass der Mensch nicht nur für sich allein um das Kommen des Gottesreichs, das tägliche Brot, Sündenvergebung, Stärkung in der Versuchung usf. bitten, sondern dass er dem Gebote der Nächstenliebe entsprechend, in all diesen Dingen auch für seine Nächsten, ja für die ganze Kreatur einstehen soll.

"Wenn du einen Armen siehst, der einer nötigen Hilfe bedarf", spricht der Herr im "Großen Evangelium", "dann gehe hin und hilf ihm, so du etwas hast, um ihm zu helfen. Hast du aber nichts, dann bete du bei dir für ihn zu Gott! Und Ich sage dir: Gott wird dein und des Armen Gebet erhören!" (GEJ 06, 180, 8)

Über das "Wesen der wahren, fürbittenden Erbarmung wird in "Haushaltung Gottes" (Bd. 1, 172, 19) gesagt:

"Wenn du siehst, dass da jemand arm ist, sei es durch Schwäche oder Gebrechlichkeit des Leibes, oder arm im Herzen, arm an der Liebe, im Verstande, in der Einsicht, im Willen, in der Kraft und in der Tat — und du erbarmst dich seiner aus der Liebe deines Herzens zu Gott — siehe, dann ist dein Erbarmen ein vollkommenes, da es dann schon eine Aufnahme Meiner großen Erbarmung ist, auf gleiche Art, wie so der Wind durch den Wald zieht und bewegt da die Bäume und rührt jegliches Blättchen. Da fächelt dann ein jedes Blättchen und bringt durch sein Fächeln auch einen kleinen Wind zuwege, welcher vom allgemeinen großen Windstrome aufgenommen wird so, als wäre er im Verhältnis zu ihm wirklich etwas. Darum soll denn ein Bruder dem andern so viel tun, als er kann, aus der von Mir ausgehenden und durch Mich lebendigen Liebe. Und Ich werde dann seine Tat und seine Fürbitte so anrechnen, als wäre sie etwas vor Mir."

Ein großes Beispiel schildert dasselbe Lorberwerk in der Fürbitte Abels für seine gefallenen Eltern und Geschwister im kahlen Lande der Verbannung:

"Und siehe, da fiel Abel auf seine Knie nieder, durchdrungen von übergroßer Freude ob der ihn von oben gewordenen Gnadenstärkung und sprach: 'O du großer, heiliger und überguter lieber Vater, siehe hier Deinen kleinen Diener vor Dir im Staube und im Gefühle der tiefsten Unwürdigkeit und vernimm das Flehen eines Kindes um Gnade für seine armen Eltern und alle seine Brüder und Schwestern. Nimm die Kraft Mir nicht mehr, die mir aus Dir als ein übergroßes Geschenk geworden ist und lasse sie gnädig ausströmen über die Meinen zur Vergebung der Sünde und zur Wiedergewinnung des Lebens aus Dir in rechter Macht und Kraft! Und gestalte barmherzig und gnädig diese Gegend nach Deinem allerhöchsten Wohlgefallen, damit sie fruchtbar werde und die Schwachen Nahrung finden zur Stärkung ihrer Glieder und ihren brennenden Durst stillen können an einer frischen Wasserquelle! Und auch Tiere möchten kommen, tauglich ihnen zu dienen und ihrem Willen gehorchend! O Du großer, heiliger und überguter lieber Vater, erhöre mein schwaches Flehen, damit dein Name verherrlicht werde in den Herzen Deiner Reuigen." …

Und nun siehe und höre, was da geschah! Als der fromme Abel dieses Mir wohlgefällige Gebet vollendet hatte, fing ein kühlender Hauch an über die starre Wüste zu wehen und lichte Wolken umhüllten den weiten Raum des Himmels. Und es fing an zu regnen über der ganzen Wüste. Und mitten unter den Regen fielen Samenkörner aller Art in die vom Regen Jehovas gemachten Furchen des Sandes. Und in Augenblick wird die weite Wüste grün vom Grase und von Pflanzen, Gesträuchen und Bäumen. Und an der Stelle, da der fromme Abel betend im Geiste und in der Wahrheit gekniet hatte, stieg ein großer Baum fast bis zu den Wolken empor mit weiten Ästen und breiten Zweigen, vollbehangen mit Brotfrüchten lieblichen und süßen Geschmacks, und es wird ihm der Name 'Bahahania', d.h. 'Stärkung der Schwachen' oder 'Brotbaum' gegeben."

Gebet für Kranke

Mehrfach ist in den Neuoffenbarungsschriften auch die Gebetshilfe für Kranke empfohlen. So im "Großen Evangelium":

"Ein Zeichen Meiner mächtigen Gegenwart bei und in euch wird es immerdar sein, dass, so ihr einem leiblich kranken Menschen aus wahrer Nächstenliebe in Meinem Namen die Hände aufleget, es mit ihm besser wird — wenn dies zum Heile seiner Seele dienlich ist.

Es versteht sich von selbst, dass ihr auch dabei allezeit im Herzen sagt: 'Herr, nicht mein, sondern nur Dein Wille geschehe!' Denn ihr könnet es nicht wissen, ob und wann das Besserwerden des Leibes einer Seele zum Heile dienlich ist, und ein ewiges Leben auf dieser Erde im Leibe ist keinem Menschen beschieden! Daher kann das Händeauflegen auch nicht allzeit und jedem Menschen von seinen Leibesübeln Befreiung verschaffen. Aber ihr werdet dennoch keine Sünde begehen, so ihr jedem Kranken die euch angezeigte Liebe erweist. Den Helfer werde schon Ich machen, so es zum Seelenheil der Menschen dienlich ist, was nur Ich allein wissen kann.

So ihr irgend aus der Ferne vernommen habt, dass da ein Freund von euch krank daniederliegt, da betet über ihn und leget im Geiste ihm die Hände auf, und es soll mit ihm ebenfalls besser werden! Dabei bestehe das nur im Herzen auszusprechende Gebet in folgenden wenigen Worten: 'Jesus, der Herr, wolle dir helfen! Er stärke dich, Er heile dich durch Seine Gnade, Liebe und Erbarmung!' — So ihr das voll Glauben und Vertrauen zu Mir über einen noch so ferne von euch sich befindenden kranken Freund aussprechet und dabei über ihn im Geiste eure Hände haltet, so wird es mit ihm zur Stunde besser werden, wenn das zu seinem Seelenheil dienlich ist!" (GEJ 09, 43, 6 ff.)

Gebet für Verstorbene

Auch die Fürbitte für Verstorbene ist im "Großen Evangelium" in das rechte Licht gesetzt.

Das Gebet einer mit wahrer Liebe und Erbarmung erfüllten Seele im vollen Liebesvertrauen auf Mich hat eine gute Wirkung auch auf arme Seelen im Jenseits. Es bildet um sie einen gewissen Lebensätherstoff, in dem sie wie in einem Spiegel ihre Mängel und Gebrechen erkennen, sich bessern und dadurch leichter zum Lebenslichte emporkommen. Ich selbst biete euch diese Gelegenheit, damit ihr auch euren abgeschiedenen Brüdern und Schwestern noch wahrhaft nützlich werden könnet! Aber wie sollet ihr für sie beten?

Ihr sollt bei euren Gebeten nicht etwa der Meinung sein, als möchtet ihr Mich dadurch zu einer größeren Erbarmung bewegen, da doch Ich wahrlich endlos barmherziger bin als alle besten und liebevollsten Menschen der ganzen Welt; sondern traget den abgeschiedenen Seelen gläubig und aus dem wahren Liebegrunde eures Herzens — eben im Herzen — das Evangelium, die Frohbotschaft von der ewig endlosen Liebe des himmlischen Vaters vor, und sie werden es vernehmen und sich danach richten! Auf diese Weise könnet ihr auch diesen wahrhaft Armen im Geiste die ewige Heilsbotschaft des Lichts und der Liebe bringen, was ihnen von großem Nutzen sein wird für ihre jenseitige geistige Weiterentwicklung und Vollendung.

Alles andere Beten und Wortemachen aber nützt keiner abgeschiedenen Seele auch nur im geringsten. Dieses möget ihr als einen guten Rat von Mir wohl beachten! Denn dadurch werdet ihr euch wahre, mächtige und sehr dankbare Freunde im großen Jenseits schaffen, die euch, so ihr in irgendeine Not geratet, nicht verlassen, weder diesseits noch jenseits. Solche Freunde in der andern Welt werden dann eure wahren Schutzgeister sein und sich allzeit um das Wohl ihrer Wohltäter kümmern." (GEJ 08, 38, 1 ff.)

Gemeinsame Bitte

Viel Gewicht wird in manchen Kreisen auf das gemeinsame Gebet mehrerer Gläubiger gelegt. Und manche Christen stellen sich die Wirkung in gewisserart magischer Form gleich der eines verstärkten "elektrischen Kraftfeldes" vor. Ob wir uns in solche, die vereinte Menschenkraft betonende Anschauungen verlieren dürfen, erscheint fraglich. Denn in einer gerechten Sache hilft Gott sicher ebensogut auf die Bitte eines einzelnen wie auf die Bitte mehrerer. Immerhin hat der Herr ja verheißen : "Wenn zwei oder drei beisammen sind in Meinem Namen, da bin Ich mitten unter ihnen."

Auch im "Großen Evangelium" wird gesagt: "Desgleichen können sich auch ganz im stillen zwei, drei oder auch mehrere vereinen und für sich und die ganze Gemeinde bitten — aber nicht so, dass es gleichfort die Gemeinde erfahre — und Ich werde solche Bitten sicher erhören. Aber so da gingen etwa zwei, drei oder mehrere und würden der Gemeinde verlautbaren, dass sie das an diesen, oder jenem Tage tun werden, auf dass sie dann die Gemeinde lobe, ja am Ende gar ein frommes Bittwerk bezahle — wahrlich, da wird solch ein Gebet niemals erhört werden und somit auch der Gemeinde, wie denen, die da gebetet haben, nichts nützen. Denn alles das haben auch die Heiden getan und tun es noch, dass sie bei großen Gefahren in Scharen von einem Götzentempel zum andern zogen, dabei allerlei Schnitzwerk, Fahnen, Gefäße und eine Menge anderer Sachen trugen und ein großes Geheul machten, gewaltig die Zimbeln schlugen und mit den Schildern klirrten. Sie veranstalteten auch weite Wallfahrten zu den Götzengnadenbildern, verrichteten dort allerlei dümmstes Bußwerk und spendeten dem Götzen große Opfer. Damit war freilich nur den Götzenpriestern geholfen, nicht den dummen Wallfahrern. Derartige allgemeine Gebete und Bitten werden von Mir aus auch heute niemals erhört!"

Frage und Antwort

Nächst dem Danken und Bitten gewährt aber die Gnade des himmlischen Vaters einem wahrhaft betenden, demütig liebenden Kinde noch eine weitere große Gunst: Ein jeder Mensch kann im Herzen auch mit jeder lebenswichtigen Frage zum Vater des Lichtes kommen. Und wenn er still und hingebend genug lauscht, wird er in keiner Angelegenheit ohne den besten Rat und die lichtvollste Aufklärung bleiben. "Klopfet an, so wird euch aufgetan!" Ja, in dieser Zwiesprache liegt die höchste Wonne und die herrlichste Krönung des ganzen inneren Herzensverkehrs mit Gott.

"Mein Jesus, wie ist dies oder jenes? Was soll ich in dieser oder jener Hinsicht tun oder lassen?" — so in allen Dingen zu fragen, sollte daher für uns alle die heiligste Gepflogenheit sein.

Ein Engel belehrt im "Großen Evangelium" eine Jüngerin darüber mit folgenden Worten: "Wer Gott den Herrn und Vater wahrhaft liebt, ist beständig bei Gott und in Gott. Will er von Gott etwas hören und wissen, so frage er Ihn im Herzen, und er wird durch die Gedanken des Herzens sogleich eine vollste Antwort bekommen. Und es kann so jeder Mensch von Gott allezeit und in allen Dingen belehrt, gestärkt und geführt werden. Du ersiehst daraus, dass man nicht immer auch zu schauen vonnöten hat, um glückselig im Herzen zu sein, sondern nur zu hören und zu fühlen — und man hat dann auch alles, was zur wahren Seligkeit in Gott nötig ist.

Siehe, auch ich werde nicht stets sichtbar um dich sein; aber du wirst mich in deinem Herzen nur zu rufen haben, und ich werde bei dir sein und dir antworten durch deines Herzens zwar sehr leise, aber dennoch deutlich vernehmbare Gedanken. Hast du solche vernommen, so denke, dass ich sie dir in dein Herz hinein gehaucht habe! — Du wirst auch erkennen, dass sie nicht auf deinem Grunde und Boden gewachsen sind. Hast du sie aber erkannt, dann handle danach! Denn zu wissen allein, was recht und gut ist und was Gott dem Herrn wohlgefällig, genügt bei weitem nicht — auch dann nicht, wenn man das entschiedenste und größte Wohlgefallen an der Wahrheit aus den Himmeln hätte. — Darum heißt es, die Lehre vernehmen, wohl erkennen und dann danach handeln!" (GEJ 04, 23, 9 ff.)

Das Gott wohlgefälligste Beten — Handeln nach der Lehre

Da der ganze Plan Gottes wie auch sein inniger Herzensverkehr mit dem Menschen darauf zielt, den Menschen zur geistigen Wiedergeburt, d.h. zur Überwindung der alten luziferischen Selbstliebe und zur freien Betätigung der Gottes- und Nächstenliebe zu bringen, so ist, wie in den vorstehenden Engelsworten betont, das allerwohlgefälligste Gebet vor Gott: die selbstlose, tätige Auswirkung der reinen, göttlichen Liebe gegenüber aller Kreatur.

In dieser himmlischen Tätigkeit liegt das wahre "Beten ohne Unterlass!" — "Und so beten auch alle Engel der Himmel Gott ohne Unterlass an." (GEJ 07, 85, 18). — Wir vernehmen darüber ins "Großen Evangelium" den Herrn:

"Es ist eines jeden Menschen erste Pflicht, in aller Demut seines Herzens Gott zu suchen im Geiste und in der Wahrheit; und hat er Ihn gefunden, dann bete er Gott auch im Geiste und in der Wahrheit an! Das Hauptgebet aber besteht darin, dass ein demütiges Herz demütig bleibt und seinen Nächsten werktätig liebt mehr als sich selbst, Gott aber den wahren Vater aller Menschen und Engel über alles. Niemand kann jedoch Gott lieben in seinem finsteren Fleische, so er seinen Bruder hasst; denn wie könnte jemand Gott lieben, den er nicht sieht, so er seinen Bruder nicht liebt, den er sieht?

Es ist aber bei weitem nicht genug, zu sagen: Ich liebe meine Nächsten und bin ihnen sehr freundlich! Die wahre und vor Gott allein gültige Liebe muss in Werken bestehen, wenn die Nächsten derselben bedürfen geistig oder leiblich. Diese Liebe ist der wunderbare Schlüssel zum Lichte aus Gott im eigenen Herzen." (GEJ 03, 207, 11ff.)

"Seid darum wahrhaft vernünftig und habt ein verständiges Herz, tut Gutes jedermann, der irgend eurer Hilfe bedarf! Ja, tut sogar euren Feinden Gutes und segnet jene, die euch fluchen! Dadurch werdet ihr Mir gleichen, denn Ich lasse Meine Sonne leuchten über Gute und Schlechte, und Meine ärgsten Feinde werden täglich aus Meiner allmächtigen Hand mit Wohltaten überhäuft; nur über die zu argen Frevler wird Meine Rute geschwungen. Ja, Ich sage es euch: Ihr alle seid Kinder Meines Herzens und Brüder Meiner Seele. Darum, so ihr betet, so betet nicht den Heiden und Pharisäern gleich mit den Lippen, mittels Worten von der Fleischzunge gebildet, sondern betet im Geiste und in der Wahrheit durch lebendige Werke und Taten der Liebe an euren Nächsten, dann wird jedes Wort in Meinem Namen ein wahrhaftes Gebet sein, das Ich stets und unfehlbar erhören werde."

Des Vaters Verheißung an alle wahren Beter

"Ich werde", spricht der Herr im "Großen Evangelium", "jedes ernsten Strebens Hilfe, Kraft und Stütze sein! In der Zeit der Not werde Ich niemanden verlassen, der sonst stets treugläubig und hebend auf Meinen Wegen gewandelt ist. Ist er aber durch allerlei Lockungen der Welt von Meinen Wegen abgewichen, dann muss er es sich schon selbst zuschreiben, so für ihn Meine Hilfe zur Zeit der Not unterm Wege verbleiben wird, und das so lange, als der Gefallene nicht voll Ernstes und reuig und vollgläubig sich an Mich wendet!

Ich werde zwar ewig ein und derselbe treue Hirte verbleiben und nachgehen den Schafen, die sich verloren haben. Aber das Schaf muss, nach dem ihm eigenen und unantastbaren freien Willen, irgend zu blöken anfangen und sich finden lassen. — Wer da irgend belastet ist mit einer für seine Kraft zu großen Lebensbürde, der komme daher im Herzen zu Mir, und Ich werde ihn stärken und erquicken! Denn Ich gebe eben darum manchem eine größere Bürde zu tragen, auf dass er seine Schwäche fühle und dann im Herzen zu Mir komme und Mich bitte um hinreichende Kraft zur Ertragung seiner großen Lebensbürde. Ich werde ihn dann stärken in jeglicher Not seines Lebens und ihm ein rechtes Licht geben, die finsteren Wege dieser Welt zu durchwandeln. Wer aber die zu große Bürde wohl fühlt, aber nicht zu Mir kommt im Herzen, der muss sich‘s selbst zuschreiben, so er erliegt unter der Last des Erdenlebens." (GEJ 05, 169, 2 ff.)

Dein Wille geschehe!

Auch das muss ein Betender freilich gewärtigen, dass die verheißene Hilfe des Herrn oft ganz anders und zu anderer Zeit kommt, als der Mensch mit seinem kurzsichtigen Verstand sich denkt und wünscht. — "Denn Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht Meine Wege. Sondern so hoch der Himmel über der Erde ist, so viel höher sind Meine Wege und Meine Gedanken als eure Gedanken."

Und so wird ein wahrer Beter in allem, was er bittet, strebt und tut in seinem Herzen spreche: "Nicht mein blinder, törichter Wille nach meinem schwachen, menschlichen Verstand geschehe — sondern allezeit nur dein weisester, liebevollster Vaterwille!"

Bei und in Gott

Da Gott selbst die ewige, weiseste und tätigste Liebe ist, so gibt es für den Menschen, der zu Gott will, keinen anderen Heils- und Vollendungsweg als diese Reifung und Vervollkommnung durch ein wahres, in tätiger Liebe sich auswirkendes Gebetsleben. Dieser Weg wird aber auch mit voller Sicherheit zum ewigen Ziel der freien, seligen Gotteskindschaft führen.

"Wer im Herzen bei Mir ist, um den bin Ich immer, und der ist auch immer um Mich. Und darin liegt die Hauptsache und die eigentliche Seligkeit der Himmel." (GEJ 03, 111, 4)

"Mein Reich ist in eines jeden Menschen kleines Herz gelegt. Wer hineinkommen will, der muss also in sein eigenes Herz eingehen und sich da ein Plätzchen der Ruhe gründen, das da heißet Demut, Liebe und Zufriedenheit. Ist er mit diesem Plätzchen in der Ordnung, so ist auch sein Glück für ewig gemacht. — Ein Herz voll Liebe zu Mir und zu den Brüdern und Schwestern und ein stets tätigkeitslustiger und tätigkeitsvoller Sinn, das wird für jeden von euch die wahre, ewige Seligkeit begründen.

So sollet ihr euch Meine Himmel auch nicht irgendwo als weit entfernt vorstellen, sondern ganz nahe. Der ganze Weg beträgt höchstens drei Spannen Maß. Es ist das die Entfernung vom Kopfe bis ins Zentrum des Herzens! Habt ihr diese kleine Strecke zurückgelegt, so seid ihr dann auch darinnen! Denkt ja nicht, dass wir etwa eine Auffahrt über alle Sterne hinaus machen werden. Sondern denkt euch, dass wir nur eine Niederfahrt in unser Herz machen. Dort werden wir unsern Himmel und das wahre, ewige Leben finden!" (Robert Blum, Bd. 2, 278, 4 ff.)

Gebetsworte des Herzens

"Lieber himmlischer Vater! Siehe, Dein Kind möchte Dir so recht von Herzensgrund danken für alle Wohltaten, welche Du nach Geist, Seele und Leib mir von Kindesbeinen an erwiesen hast. Aber siehe, mein lieber Vater, ich bin zu gering all der Barmherzigkeit und Treue, die Du an mir getan hast. Ich vermag nicht auszudrücken Deine Güte, und wollte ich zeugen von Deiner Liebe, dann müsste mein schwacher Mund verstummen. Denn keine Sprache vermag Deine heilige Liebe zu beschreiben. Sie ist und bleibt ein allertiefstes Geheimnis, das nur dem reinsten Herzen in seiner Größe geoffenbart und keinem sterblichen Wesen völlig enthüllt und enträtselt wird. Darum, mein Vater, lass mich völlig schweigen von Deiner Liebe, lass nur mein Herzinnerstes tief und wahr empfinden, dass Du die Liebe bist! Mehr kann und soll mein schwacher Geist nicht fassen, und tiefer soll er nicht ergründen Dein göttlich Wesen. Von dieser einen Heilswahrheit lass Du mein ganzes Wesen immer völlig durchdringen, o heiliger Vater — so wird mein ganzes Wesen ein allerreinstes Dankgebet und immerwährendes Lob Gottes werden. Dazu hilf mir, mein Vater, dass ich Dir also danke und Dich würdig preise durch eine gänzliche Herzensübergabe, durch ein tägliches Eingehen in Deinen Willen und durch die völlige Verleugnung meines Ichs.

Indem ich mich befehle in Deine Hände, übergebe ich mich Deinem heiligen Willen, ich lege mich zu Deinen heiligen Füßen und spreche: Hier bin ich, Dein Wille ist mein Wille, und Dein Weg, den Du mich führst, heilig! So nimm mich denn an Deine Hand und halte mich, wenn ich wanke, erhebe mich, wenn ich sinke, und lasse mich nicht, wenn ich von Dir gehe. Denn ich bin Dein Kind, und Du hast mich errettet! An diese Verheißung will ich Dich täglich mahnen, auf Dein Wort will ich trauen und an Dir festhalten! Wenn Tod und Hölle mich überwältigen wollen, weiß ich, Du, Vater, bist meine Stärke, mein Trost und meine Hilfe, und wer auf Dich baut, wird nimmer zu Schanden. Das hoffe und glaube ich, darauf sterbe und lebe ich! Und weil ich dessen gewiss bin, so ist mein Herz fröhlich, und meine Seele lobet den Herrn, und mein Geist schwingt sich empor zum Throne Gottes und betet an durch tiefes Schweigen. — Amen."






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Kapitel 52
Evangelium der Fröhlichkeit

Dem inneren Gotteslicht, das der himmlische Vater im Tempel des Herzens allen bereitet hat, die Ihn lieben, entspricht es, dass der Herr den Seinen wiederholt ein frohes Herz empfiehlt und ihnen seine Lehre als einen frohen Glauben, als ein Evangelium himmlischer Freudigkeit verkündet.

Besonders warm und kräftig wird diese Seite des neu enthüllten Heilslichtes in einer Szene des "Großen Evangeliums" beleuchtet, die im Hause des Lazarus in Bethanien spielt. Es kamen da einige vom Herrn schon früher bekehrte Judengäste an, die sich im Blick auf ihr bisheriges Leben unter einem schweren Sündendrucke fühlten. Über den Empfang, den der Herr ihnen bereitete, lesen wir:

Wir speisen alle an des Vaters Tisch

"Als die Bürger mit großer Ehrfurcht ins Zimmer traten, sagte Ich ganz freundlich zu ihnen: 'Lasset eure zu große Ehrfurcht nur fahren! Ihr seid hungrig und durstig, darum esset und trinket frohen Mutes. Sind doch die Kinder der Nacht, des Gerichtes und des Todes fröhlich bei ihren Schmäusen — warum sollen da die Kinder des Lichtes und Lebens in Gegenwart ihres himmlischen Vaters es nicht sein? Denn Ich sage euch: Wo Ich bin, da ist auch der Vater. Also seid alle fröhlich und heiter, esset und trinket!'

Da dankten die Bürger, setzten sich und fingen an recht wacker zu essen und zu trinken und erzählten, dass sie sich auf etliche Monate von zu Hause freigemacht hätten, um sich dem Herrn anzuschließen. Ich belobte sie darum und empfahl ihnen rechten Mut und Ausharrung. Sie versprachen das und hielten auch ihr Versprechen, wie es sich später zeigte.

Während dieser Besprechung mit den Bürgern Jerusalems bemerkte Martha, die ins Zimmer getreten war, heimlich dem Lazarus: 'Bruder, stelle dir vor: schon wieder ein Wunder! Wir haben gestern und heute für so viele Menschen doch ziemlich viel verbraucht, und doch fehlt in unserer großen Speisekammer nicht nur nichts, sondern es ist nun von allem zehnmal mehr da! Und in unserem großen und kleinen Weinkeller sind alle Schläuche voll Wein! Das kann niemand als allein der Herr in seiner großen Güte und Liebe uns getan haben. Und so hat nicht Er von uns Speise und Trank genommen, sondern wir alle speisten an seinem Tisch!'

Da ward Lazarus ordentlich verlegen und wusste nicht, was er darauf hätte erwidern sollen. Ich aber merkte seine Verlegenheit und sagte ganz leise zu ihm:

'Mache dir nur nichts daraus! Denn siehe, wir wollen uns nahezu den halben Winter so hübsch im stillen in dieser Gegend aufhalten und da werden wir noch oft deine Gäste sein. Es wird in dieser Winterszeit gar viele Kranke in diesen Gegenden um Jerusalem geben, und die werde Ich bei dieser Gelegenheit heilen, auf dass sie erfahren sollen, dass nun der Messias gekommen ist, um ihnen zu helfen. Und sie werden an seinen Namen glauben. Wir werden uns sonach recht lange bei dir aufhalten und auch recht viel brauchen. Und darum segnete Ich so sehr deine Speisekammern und Weinkeller! Seid aber stille und sagt niemandem etwas davon!'

Lazarus dankte Mir im stillen und beruhigte darauf seine Schwestern. Als diese das vernahmen, wurden sie sehr voll Freude, so dass sie beinahe zu weinen anfingen und auf kurze Zeit ins Freie gingen, um sich da ihrer Freudentränen entledigen zu können. Darauf kamen sie wieder zu uns und freuten sich mit uns." (GEJ 06, 18, 2 ff.)

Darum keine Kopfhängerei!

Als die Bürger sich inzwischen auch gesättigt hatten, dankten sie und erhoben sich von ihren Plätzen.

Ich aber sagte zu ihnen: "So ihr sonst nichts zu tun habt, dann bleibt sitzen, und wir wollen miteinander fröhlich sein. Zum zeitweiligen Traurigsein wird die Zeit noch früh genug kommen! Meine Jünger dürfen keine Kopfhänger sein und nicht mit gleißnerischen und Frömmigkeit heuchelnden Gesichtern einhergehen, auf dass die Menschen glauben sollen, sie beträten nur noch mit den Füßen der Erde Boden, mit dem ganzen anderen Leibe aber stäken sie schon in den Himmeln und seien ganz erfüllt vom Geiste Gottes. Ihr müsset vielmehr vor jedermann mit dem offensten und heitersten Gesicht einhergehen, damit ein jeder Mensch ein gutes Vertrauen zu euch fassen kann, und so werdet ihr viel Segen aus den Himmeln unter den Menschen verbreiten.

Sehet, in Mir wohnt alle Fülle des wahrhaftigen Geistes Gottes, und ihr habt Mich noch nie mit einem hängenden Kopf und frömmelnden Augen gehen sehen, sondern Ich gehe offenen und ganz natürlichen Gesichtes einher und Mein Weg ist stets ein gerader. Mit Ehrlichen und Heiteren bin Ich freundlich und heiter, und die Trauernden und Ängstlichen mache Ich fröhlich und mutig. Und ihr als Meine Jünger müsset nach eurem höchst freien Willen ganz ebenso sein!" (GEJ 06, 18, 8 ff.)

Eine froheste Botschaft mit fröhlichem Mund

"Darum sage Ich euch allen noch einmal, dass ihr ganz freien Geistes sein und fröhlich und heiter durch die Welt gehen sollt, ohne an ihr zu hängen. Ich selbst bin ja nur darum in die Welt gekommen, um allen Menschen eine fröhliche und beseligende Kunde aus den höchsten Himmeln zu überbringen, die jedermann den höchsten Trost gibt, so dass sogar ein größter Martertod meinen wahren Nachfolger nicht betrübt stimmen wird — weil er sieht, dass es für ihn keinen Tod mehr gibt und dass für ihn in Meinem ewigen Reiche weder Erde noch Himmel verlorengehen kann, sondern dass er noch dazu eine große Herrschaft über gar vieles überkommen wird.

So werde Ich auch euch, wenn ihr tüchtig werdet im Geiste und in der Kraft Meiner Lehre, hinaus senden in Meinem Namen, allen Völkern der Erde zu überbringen diese frohe Kunde aus den Himmeln. Wer wird aber eine so überfrohe Kunde mit einem traurigen, zaghaften, ängstlichen und kopfhängerischen Gesicht überbringen wollen? Daher weg für immer mit alledem! Und weg mit der übertriebenen Ehrfurcht selbst vor Mir, denn damit würdet ihr nie fähig sein, etwas Wichtiges und Großes zu vollführen. So ihr Mich liebt aus dem Grunde eurer Herzen, so genügt Mir das vollkommen. Alles darüber ist zu nichts nütze und macht aus dem Menschen, der Mein Ebenmaß ist, eine feige und unnütze Kreatur." (GEJ 06, 18, 12 ff.)






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Kapitel 53
Gnade oder Gnadenmittel

Braucht der Mensch zu seiner seelischen Vervollkommnung und zum wahren Heil des Lebens göttliche Gnade und Gnadenhilfe? — Diese Frage wird in unserem selbstbewussten und angeblich so aufgeklärten Zeitalter von vielen entschieden verneint. Und nicht selten begegnet man der Ansicht, dass dem Menschen seine Reifung und Vollendung gänzlich selbst überlassen sei, dass ihm nur das Wahre und Gute in vernünftiger Weise gezeigt werden müsse, dann werde er zufolge der höheren Erkenntnis schon von selbst danach streben und sich ohne einen Heiland und Erlöser zum Wahren und Guten entwickeln.

Diesem Wahn des sogenannten "Idealismus" ist von je die Heilige Schrift mit Nachdruck entgegengetreten. "Des Menschen Sinnen und Trachten ist böse von Jugend an", sprach der Herr schon durch Moses. Im gleichen Sinn sagt Jesus im Neuen Testament: "Und wenn ihr alles getan habt, so sprecht, wir sind unnütze Knechte!" Und auch Paulus betont: "Denn ich weiß wohl, dass in mir, das heißt in meinem Fleische, nichts Gutes wohnt. Wollen habe ich wohl, aber vollbringen das Gute, das finde ich nicht. Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich."

Der Apostel vermag in erleuchteter Weise auch näher die Gründe dieses merkwürdigen Zwiespaltes in der Menschenbrust zu unterscheiden. "Ich habe", so fährt er fort, "wohl Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen. Ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinem Fleische, das da widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüt und mich gefangennimmt in der Sünde Gesetz, welches wirkt in meinem Fleische." "O ich elender Mensch", fügt der Herzenskundige hinzu, "wer wird mich erlösen von diesem Todes-Leibe? — Dank sei Gott — durch Jesum Christum, unsern Herrn!"

Warum Gnade?

Klar und überzeugend ist die Frage, warum des Menschen Seele aus eigener Kraft, ohne göttliche Gnade und ohne Heiland und Erlöser nicht zum Ziele der Vollkommenheit gelangen kann, in den Schriften der Neuoffenbarung enthüllt durch die Lehre vom Fall Luzifers und durch die Seelenentwicklungslehre.

Wir wissen durch Lorber, dass die Seele des Menschen ein Zusammengesetztes, mit Luzifer aus der Liebesordnung Gottes getretenes und in die äußerste Selbstsucht und die Selbstherrlichkeit verfallenes Wesen ist. Ihre Elemente oder Lebensfunken stürzten sich als Bestandteile des großen Urgeistes mit diesem in das Gericht der Widerordnung und mussten in der Gottesferne erstarren zum Urstoffe der sogenannten Materie. Die Erbarmung der Ewigen Liebe beließ sie aber nicht in diesem todesähnlichen Zustand, sondern löste Funken um Funken aus der Erstarrung und führte sie auf den Stufen der Naturreiche bis hinan zur Menschenstufe, wobei sie in zahlreichen Lebensformen gelehrt wurden, die alte Eigenmacht und Selbstliebe zu überwinden und dafür die Demut und reine Gottes- und Nächstenliebe sich anzueignen. Auf der Menschenstufe sollen die Seelen endlich Gott selbständig finden und freiwillig seine Gebote halten lernen. Zu diesem Zwecke wird der Seele des Menschen kurz vor der Geburt ein reiner, niemals gerichteter Gottesgeist als geheimer Leiter und Vollender eingepflanzt.

Paulus hat also recht, wenn er dem "bösen" Gesetz in seinem Fleische, das "gute" Gesetz in seinem inwendigen Menschen entgegensetzt. Mit dem ersteren meint er die vervollkommnungsbedürftige, aus Luzifer stammende Seele; mit dem "guten Gesetz" oder inwendigen Menschen meint er den reinen, göttlichen Geist, ohne dessen Leitung die Seele des Menschen sich nicht zum Lichte der göttlichen Wahrheit und zum Gesetze der Demut und Liebe erheben und nie das Heilsziel der Seligkeit in Gott erreichen könnte.

So sehen wir nun also im Lichte der Neuoffenbarung deutlich, warum wir der göttlichen Gnade bedürfen und was in unserem Entwicklungsgang eigenes Werk der Seele und was Gottes Werk ist.

Worin besteht die Gnade?

Gottes grundlegende Gnade ist, dass Er unsere Seele aus dem Banne des Gerichts gelöst, aus dem Kerker der Materie befreit hat; dass Er ihre Elemente so wunderbare Wege der Schulung und Erfahrung hat durchlaufen lassen; dass Er die Myriaden Lebensfunken, aus welchen die Seele des Menschen besteht, aus Erd-. und Sternensphären, aus Vater- und Mutterseele gesammelt und in weisester Abwägung durch seine geistigen Engelsdiener zusammengefügt hat; ferner dass Er uns zu unserer Führung und Vollendung einen reinen Gottesgeist voll Liebe, Weisheit und Macht eingepflanzt hat und uns außerdem durch seine Schutzgeister und Schutzengel ständig behütet, beeinflusst und zum Ziel des Wahren und Guten hinan lenkt. Und endlich als das Größte: dass Er in Christus Mensch geworden ist, um uns persönlich zu belehren, die Sünde unseres Abfalls zu tilgen und uns einen neuen Weg zu einem neuen Himmel der höchsten Kindesseligkeit zu bahnen.

Dies alles ist ewig zu Dank und Liebe verpflichtende Gnade und Barmherzigkeit Gottes, die wir mit unserer aus Gottes Liebesordnung getretenen argen luziferischen Seele nie verdient haben und deren auch der Beste unter uns sich niemals würdig rühmen darf. Diese Gnade und Barmherzigkeit ist so grundlegend und entscheidend, dass Paulus der Wahrheit gemäß wirklich sagen konnte: "Gott ist‘s, der in uns wirket beides, das Wollen und das Vollbringen nach seinem Wohlgefallen." Wenn wir in unserer Seele gute, segensvolle Gedanken und einen gereinigten Willen entwickeln, so ist es ja doch der Schöpfer und himmlische Vater, der solches auf unserem langen Seelenbildungsweg mit großer Liebe und Weisheit in uns gezeitigt hat. Mithin ist also die waltende, gesund machende und erlösende Gnade Gottes im Entwicklungsleben des Menschen durch die neue Gottesbotschaft vollkommen klargestellt und kein gerecht denkender und urteilsfähiger Christ wird sagen können, dass — wie von Unkundigen zuweilen behauptet wird — unsere Schriften die Selbsterlösung lehren.

Gnade und Selbstgestaltung

Die Schriften der Neuoffenbarung betonen freilich auch andererseits mit Nachdruck, dass der Mensch bei alledem sich nicht tatenlos auf die erlösende Gnade verlassen und auf das Heil durch einen äußerlichen Glauben vertrauen dürfe. Die Gnade Gottes tut viel, ja, sie tut zu unserem Heile weitaus die Hauptsache. Aber der Mensch muss mit seinem freien Willen auch etwas dazu tun, und zwar das, worauf es der ewigen Liebe Gottes bei all ihren Bemühungen uni unser Heil ausschließlich ankommt: Er muss Gott und seine führende Stimme suchen und dann den ernsten Vorsatz fassen, danach zu handeln — kurz, alles das tätig befolgen, was wir in dem Kapitel über das Gebetsleben erörtert haben.

Von unserem bloßen, tatlosen Glauben an die christlichen Heilstatsachen (Menschwerdung, Kreuzesopfer, Auferstehung usf.) hat Gott sozusagen nichts. Diesen Glauben könnte Er uns ja leicht durch starke, unwiderlegbare Offenbarungen aufzwingen. Dann wären wir allerdings nichts weiter als Sklaven oder lebende Maschinen ohne eigene Denk- und Willensfreiheit. Der himmlische Vater will uns aber zu freien, selbständigen und selbsttätigen Ebenbildern seiner eigenen göttlichen Wesenheit, zu wahren Gotteskindern erziehen und heranbilden. Und so liegt Ihm alles daran, dass wir freiwillig unsere Selbstherrlichkeit und Eigenliebe in allen Formen durch eine werktätige Liebe zu Ihm und allen Geschöpfen überwinden, indem wir frei, durch vernunftvolle Überzeugung die dargebotene Liebeslehre annehmen und den festen Willen fassen, mit seiner stärkenden Gnadenhilfe danach ernstlich zu handeln.

Durch dieses Zusammenwirken von göttlicher Gnade und menschlicher Hingabe und Willensanspannung kommt der wahre geistige Fortschritt und die schließliche Vollendung des Menschen, seine geistige "Wiedergeburt" und sein Eingehen in die unnennbare Herrlichkeit und Seligkeit des Gottesreiches zustande.

Also weder durch einseitige Gnadenerlösung, noch durch einseitige Selbsterlösung, sondern durch eine enge, wechselseitige Verflechtung beider Bestrebungen wird im Menschen das Hochziel erreicht, das unser Himmelsvater mit der ganzen Schöpfung verfolgt.

Die kirchliche Gnadenlehre

Die Notwendigkeit der heilswirkenden göttlichen Gnade lehren selbstverständlich auch alle christlichen Kirchen. Die wahre Gnadenlehre ist hier aber — besonders in der katholischen Kirche — erweitert und umgebogen worden in ein kirchliches Sakraments- oder Gnadenmitteldogma, welches den heiligen Sinn und Zweck der göttlichen Gnadenwaltung stark gefährdet.

Die katholische Kirche erklärt: Die Gnade des Heiligen Geistes empfängt der Mensch nicht unmittelbar von der göttlichen Quelle, sondern durch die vom Priester gespendeten Gnadenmittel oder Sakramente. Und zwar sind es sieben Sakramente, welche die Kirche vermittelt: Die Taufe, die Firmung, die Buße, das Altarsakrament (Abendmahl), die Priesterweihe, die Ehe, die letzte Ölung.

Luther hat von diesen sieben Sakramenten bekanntlich nur zwei, die Taufe und das Abendmahl beibehalten und beiden Gebräuchen auch eine etwas andere, mehr zeugnisartige Bedeutung gegeben.

In der katholischen Kirche haben die sieben Sakramente dagegen durchweg den Charakter, dass hier durch den Priester eine heilige, göttliche Gnadenkraft "ausgeteilt" und "vermittelt" wird. So heißt es im katholischen Katechismus: "Die Taufe tilgt die Erbsünde, sie heiligt die Seele, macht uns zu Christen und zu Mitgliedern der katholischen Kirche. Sie ist das notwendigste Sakrament, weil man ohne sie nicht selig werden kann. — Der Priester spendet sie, indem er usf."

Diese katholische Auffassung von den Gnadenmitteln und ihre monopolartige Spendung durch die kirchlichen Priester gibt natürlich der Kirche eine große geistige Macht und erschließt ihr auch eine reiche Einnahmequelle, weshalb es nicht zu verwundern ist, dass Rom gerade auf die Gnadenmittellehre das allergrößte Gewicht legt und sie als Grundfundament verteidigt. Allein gerade dieses krampfhafte Festhalten an mittelalterlichen, irrtümlichen Dogmen entfremdet heute der katholischen Kirche auch viele Glieder, da denkende Menschen sich an der priesterlichen Gnadenmittelspendung stoßen, deren menschliche Gründe durchschauen und nach einer unmittelbaren Herzensverbindung mit der Ewigen Liebe, dem Vater in Jesus verlangen.

Was sagt zur Gnadenmittellehre das neue Gotteswort?

Die Neuoffenbarung räumt mit der kirchlichen Sakramentenlehre gründlich auf. Sie lehrt einerseits den allein wahren Heilsweg des unmittelbaren, liebetätigen Herzensverkehrs mit dem himmlischen Vater in Jesus — und andererseits bestimmt sie von diesem geistigen Standpunkt aus im einzelnen den wahren Wert und die wahre Bedeutung der sogenannten Gnadenmittel.

"Wer jenen Heilsweg der tätigen Gottes- und Nächstenliebe nicht gehen will, der bleibt in den Sünden und in ihren argen Folgen gleichfort auch dann, so für ihn zehntausend Böcke geschlachtet und in den Jordan geworfen würden. Dieses und auch alle anderen äußeren Reinigungs- und Gnadenmittel bessern und heiligen den Menschen nicht im geringsten, sondern allein nur der lebendige Wahrheitsglaube und die auf solchem Grund sich auswirkende Liebe." (GEJ 08, 8, 16) — Oder mit den Worten Pauli: "In Christo gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein, sondern nur der Glaube, der durch die Liebe tätig ist." (Gal. 5, 6)

Über die einzelnen kirchlichen Gnadenmittel: Taufe, Firmung, Sündenvergebung, Abendmahl usf. werden wir Weiteres in den nächsten Kapiteln ersehen.






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Kapitel 54
Taufe, Buße und Gedächtnismahl

Die Kräfte der Gnade und des Heils, die seit dem Erdenwallen Jesu Christi in verstärktem Maße auf die Menschheit und in die ganze Schöpfung ausströmen, kann der Mensch, wie wir bisher ersahen, im allgemeinen sich nur durch einen ernsten Glauben, der durch die Liebe tätig wird, zu eigen machen.

Dieses "Tätigwerden durch die Liebe" fällt freilich manchen Anfängern im Glauben und in der geistigen Entwicklungsschule schwer. Es fehlen gerade die zur Tat befähigenden und beflügelnden Geisteskräfte. Und so muss der erbarmende himmlische Vater einige geistige Hilfsmittel zulassen, durch welche bei Menschen guten Willens die Kraft der Seele gestärkt und der geistigen, vom Heiland gebotenen Vollkommenheit nähergebracht werden kann.

Solcher Hilfsmittel der geistigen Erweckung und Stärkung sind es nach der Lehre des alten wie des neuen Gotteswortes drei: Die Taufe, die Handauflegung und das Gedächtnis-Liebesmahl. Die katholische Kirche dagegen nennt bekanntlich ihrer sieben, indem sie auch noch die Buße, Priesterweihe, Ehe und letzte Ölung dazu rechnet.

Wir wollen im Folgenden zunächst einmal die Taufe, die Buße und das Gedächtnis-Liebesmahl betrachten und ihre wahre Bedeutung und Wirkung unter das Licht der Neuoffenbarung stellen.

Die Taufe

Im "Großen Evangelium" spricht der Herr von der Taufe. Da fragt der Ihm überaus ergebene Statthalter Cyrenius: "Herr, ich glaube alles, was Du lehrst. Bin ich darum auch schon getauft?"

Der Herr erwidert ihm: "Nein, getauft (äußerlich!) bist du zwar noch nicht, aber es tut dies auch nichts zur Sache! Denn wer da glaubt wie du, Freund, der ist im Geiste so gut wie getauft, und zwar mit aller Segnung der Taufe.

Die Juden haben wohl die Beschneidung, die eine Vortaufe ist, aber an sich vor Mir keinen Wert hat, so der Beschnittene nicht auch zugleich beschnittenen Herzens ist. Denn Ich verstehe unter einem beschnittenen Herzen ein rein gefegtes und mit aller Liebe gefülltes Herz. — Nach der Beschneidung kam bei den Juden auf einige Zeit die Wassertaufe des Johannes, die von seinen Jüngern fortgesetzt wird. Diese Taufe ist an sich selbst aber auch nichts, so ihr die geforderte Buße nicht entweder vorangeht oder doch ganz sicher nachfolgt.

Wer sich darum im ernsten Besserungsvorsatz mit Wasser taufen lässt, begeht zwar keinen Fehler, aber er soll nur nicht glauben, dass da das Wasser reinige sein Herz und stärke seine Seele. Dies bewirkt nur der eigene, ganz freie Wille. Das Wasser bewirkt nur ein Zeichen und zeigt an, dass der Wille, als des Geistes lebendiges Wasser, nun die Seele gereinigt hat von den Sünden, wie das natürliche Wasser da reinigt das Haupt und den Leib von Staub und Schmutz. Wer die Wassertaufe in diesem wahren, tatsächlichen Sinne genommen hat, der ist vollkommen getauft, so bei oder schon vor der Taufhandlung der Wille im Herzen des Getauften seine Wirkung gemacht hat. Ist dies nicht dabei, so hat die bloße Wassertaufe nicht den allergeringsten Wert und erwirkt keine Segnung der Materie und noch weniger irgendeine Heilung.

Ebenso hat auch die Wassertaufe an unmündigen Kindern keinen Wert außer eines äußeren Zeichens für die Aufnahme in eine bessere Gemeinde und dass das Kind irgendeinen Namen bekommt, der fürs Leben der Seele aber nicht den geringsten Wert hat, sondern nur einen äußeren Zweck. Man könnte aus diesem Grunde dem Kinde auch ohne Beschneidung und ohne die Wassertaufe des Johannes einen Namen geben, vor Mir wäre das alles gleich. Denn kein Name heiligt die Seele eines Menschen, sondern allein der freie gute Wille, nach der besten Erkenntnis sein Leben lang recht zu handeln. Jeder Name kann durch den Willen und durch die Handlung geheiligt werden, aber nicht umgekehrt.

Als Johannes taufte, brachten sie ihm wie auch seinen Jüngern Kinder zur Taufe. Er taufte sie auch, wenn sich für das Kind gewissenhafte Stellvertreter vorstellten und auf das heiligste gelobten, für die geistige Erziehung eifrigst Sorge zu tragen. Nun, in diesem Fall kann auch ein Kind der Heiligung wegen getauft werden. Die Taufe aber heiligt des Kindes Seele und Leib nicht länger, als bis das Kind zur wahren Erkenntnis Gottes und seiner selbst und zum Gebrauche des freien Willens kommt. Bis dahin hat der Stellvertreter auf das gewissenhafteste zu sorgen, dass das Kind in allem, was zur Erlangung der wahren Heiligung nötig ist, bestens versehen werde — ansonst der Stellvertreter alle Verantwortung auf seiner Seele trägt.

Es ist darum besser, die Wassertaufe erst dann erfolgen zu lassen, wenn ein Mensch fähig ist, alle Bedingungen zur Heiligung seiner Seele und seines Leibes aus seiner Erkenntnis und aus der freiwilligen Selbstbestimmung zu erfüllen. Übrigens ist die Wassertaufe zur Heiligung der Seele und des Leibes gar nicht nötig, sondern allein das Erkennen und das Tun nach dem richtigen Erkennen der Wahrheit aus Gott.

So aber mit Wasser getauft wird, da bedarf es nicht nur des Jordanwassers, weil Johannes im Jordan getauft hat, sondern es ist dazu ein jedes frisches Wasser gut; das Quellwasser jedoch besser als ein Zisternenwasser, der leiblichen Gesundheit wegen.

Die wahre und bei Mir allein gültige Taufe ist die mit dem Feuer der Liebe zu Mir und zum Nächsten und mit dem lebendigen Eifer des Willens und mit dem heiligen Geiste der ewigen Wahrheit aus Gott. Diese drei Stücke sind es, die im Himmel für jedermann ein gültiges Zeugnis geben."

Buße, Beichte und Sündenvergebung

Ein weiteres kirchliches "Gnadenmittel" wird bezeichnet durch die Begriffe Buße, Beichte und Sündenvergebung.

Buße heißt Reinigung. Und unter "Bußetun" verstand und versteht der Herr allezeit die Reinigung des Herzenstempels von allen unlauteren, widergöttlichen Gedanken, Gefühlen und Trieben und die willige Aufnahme und Betätigung des Geistes der Gottes- und Nächstenliebe.

So hat der Herr die Buße bei seinem Erdenwandel verkündet, und so wird sie von Ihm auch in den Schriften der Neuoffenbarung gelehrt. Nie aber hat Er die Buße als ein kirchliches Sakrament und die ihr folgende Genugtuung (Absolution oder Lossprechung) als ein priesterliches Amtsrecht festgesetzt!

"Ohne Sünde sein heißt, sich im höchsten Grade der Demut und Liebe befinden. Das Gesetz Gottes muss zur eigenen Natur des Menschen geworden und sein Fleisch in allen seinen Begehrungen bis auf den tiefsten Grad verleugnet sein, auf dass Gottes Kraft völlig in ihm wohnen kann. Dann kann solch ein Mensch wohl auch zu diesem oder jenem sagen: 'Deine Sünden sind dir vergeben!' Und sie werden ihm vergeben sein. Er hat zwar kein Recht, die Schuld nachzulassen, weil er selbst ein großer Schuldner ist. Da er aber dadurch ein Werk der Barmherzigkeit ausübt, so reicht er durch diese Ausübung einem Durstigen einen Trunk stärkendes Wasser, der ihn nicht unvergolten bleiben wird. Aber da vergibt nicht der Mensch die Sünden, sondern die göttliche Kraft, der allein es möglich ist, die Herzen derjenigen, die gegen einander gesündigt haben und in Feindschaft geraten sind, auszusöhnen und auszugleichen, d.h. die Herzen mit göttlichem Feuer zu durchglühen und zu durchleuchten und dadurch allen Zorn, Hochmut und Neid zu ersticken. Dass aber solches nur Gottes und keines Menschen Kraft vermag, versteht sich von selbst; daher ein Mensch auch nur zu Gott sagen kann: 'Herr, vergib mir meine Sünde!'

Ich will auch gegen einen solchen Gebrauch nicht zu viel sagen, so ein Mensch seine Fehler und Gebrechen einem sogenannten Seelenfreund unter vier Augen kundgibt, um von ihm Trost zu bekommen und eine mittelbare Versicherung, dass ihm die Sünden nachgelassen werden — wenn er sich an Mich wendet mit dem ernstlichen Vorsatz, solche Sünden nicht mehr zu begehen und womöglich die begangenen an seinem Bruder wieder gutzumachen durch aufrichtige Reue und liebfreundliche Genugtuung. Ein solcher Beichtvater wird Mir allezeit recht lieb, wert und köstlich sein. Freilich braucht es dazu gerade keinen Geistlichen.

So aber ein solcher 'Beichtvater' wähnt, er habe ausschließlich die Macht und die Gewalt, Sünden nachzulassen, oder gar diese einem Sünder, der sich ihm anvertraut, vorzuenthalten und ihn zu richten und sich im sogenannten Beichtstuhl sogar als 'Stellvertreter Gottes' benennen zu lassen, der ist ein Täter des Übels und ein Seelen- und Geistes-Totschläger, da er eigenmächtig sich vor die Pforten des Himmels hinstellt." (Erde, 72)

Sündenbekenntnis

Ähnlich spricht der Herr über Beichte und Sündenvergebung im 'Großen Evangelium': "Sündenbekenntnisse vor den Priestern sind in der Art und Weise, wie sie jetzt bestehen, schlecht und verwerflich, weil sie die Menschen nicht bessern, sondern nur in ihren Sünden bis an ihr Ende verharren lassen. Aber Ich bin auch wieder nicht dawider, so ein schwacher und seelenkranker Mensch im guten Willen einem stärkeren, seelengesunden Menschen seine Schwächen und Gebrechen treu bekennt — weil dann der gesunde und lichtstarke Mensch ihm aus wahrer Nächstenliebe jene wahren Mittel an die Hand geben kann, durch die des schwachen Nächsten Seele erstarken und gesund werden kann. Denn auf diese Weise wird dann ein Mensch dem andern ein rechter Seelenheiland. Aber Ich mache daraus auch kein Gesetz, sondern gebe euch damit nur einen guten Rat. Und was Ich tue, das tuet auch ihr, und lehret jedermann die Wahrheit.

Das Bekenntnis allein aber reinigt einen Menschen ebensowenig von seinen Sünden, wie es einen leiblich Kranken schon gesund macht, so er einem Arzt seine Leiden noch so treu bekennt. Der Kranke muss vielmehr auf den Rat des weisen, kenntnisreichen Arztes hören, ihn dann getreu befolgen und in der Folge alles meiden, was ihn zum Leiden gebracht hat.

So ist es denn auch gut, dass in einer Gemeinde ein jeder Bruder den andern kennt, sowohl in seinen starken wie auch schwachen Seiten, damit einer den andern der vollen Wahrheit nach seelisch und leiblich unterstützen kann. Wer aber verschlossen bleiben will in der Meinung, dass er durch sein Bekenntnis jemanden ärgern könnte, dem soll niemand seine Schwäche herausfordern!

Wenn dagegen jemand von euch ein Weiser ist und sein Geist offenbart ihm die Mängel des schwachen und ängstlichen Bruders, so gebe ihm der Weise unter vier Augen einen guten Rat und helfe ihm mit Rat und Tat aus der geheimen Not, und sein Lohn wird nicht unterm Wege bleiben. Doch lasset jedem den freien Willen, und tuet niemandem einen Zwang an. Denn ihr wisset, dass ein jeder geistige Zwang völlig wider Meine ewige Ordnung ist.

Ihr sollt daher auch dem schwachen Bruder, der sich euch vertraulich enthüllt hat, nicht mit einer richterlich drohenden Miene begegnen, sondern ihm stets mit aller Liebe und Freundlichkeit die Wahrheit offen kundtun und ihm auch die Mittel an die Hand geben, durch die er leicht und sicher geheilt werden kann — so wird er auch den Mut nicht sinken lassen und ein dankbarer Jünger der freien Wahrheit werden. Aber wenn ihr ihm mit allerlei Strafpredigten kommt, so werdet ihr nicht nur nichts oder wenig ausrichten, sondern ihn nur um vieles elender machen, als er vordem war." (GEJ 08, 43, 3 ff.)

Sündenvergebung

"Ich habe euch, besonders Meinen alten Jüngern, auch einmal gesagt, dass ihr denen, die an euch gesündigt haben, die Sünden vergeben könnt; und denen ihr sie vergeben werdet hier auf Erden, denen sollen sie auch im Himmel vergeben sein. Solltet ihr aber wegen sichtlicher Unverbesserlichkeit guten Grund haben, einem Menschen die Sünden, die er gegen euch begangen hat, nicht zu vergeben, so werden sie ihm auch im Himmel nicht vergeben sein. Wir haben aber schon damals ausgemacht, dass ihr erst dann das Recht haben sollet, den Sündern ihre Sünden gegen euch vorzuenthalten, so ihr ihnen zuvor schon siebenmal 77 Male vergeben habt.

So aber ihr als Meine nächsten Jünger auf die besagte Weise nur das Recht von Mir habt, den Sündern die gegen euch begangenen Sünden nicht zu vergeben oder auch zu vergeben, so ist es klar, dass kein Priester je das Recht von Gott aus haben konnte und kann, auch fremde Sünden zu vergeben oder vorzuenthalten. Wer z.B. sich an Kaiphas versündigt hat, dem kann Kaiphas die Sünden vergeben oder nach Gestalt der Sache auch nicht vergeben. Wer sich aber gegen Herodes versündigt hat, der hat mit Kaiphas und Kaiphas mit ihm nichts zu tun, sondern nur allein er mit Herodes." (GEJ 08, 43, 12 ff.)

"Der Mensch kann nur dadurch die wahre und volle Vergebung seiner begangenen Sünden erlangen, so er erstens seine Sünden als ein Unrecht gegen seine Nebenmenschen erkennt, sie bereut und nach Möglichkeit wieder gutmacht, und zweitens aber dann auch Gott um Vergebung bittet mit dem ernsten Vorsatz, die Sünden nicht mehr zu begehen und dem gemachten guten Vorsatz treu zu verbleiben. So ihr das in euren Herzen euch ehrlich vornehmet und dann auch danach handelt, so sage ich euch schon hier: Eure Sünden sind euch von Mir vergeben!"

Liebesmahl — zum Gedächtnis

In dem durch Leopold Engel gegebenen 11. Band des "Großen Evangeliums", der über den Abschluß des Erdenwandels des Herrn berichtet, wird auch das letzte Abendmahl mit den Jüngern geschildert, und hier lauten die Schlußworte über die Austeilung von Brot und Wein:

"Es war über allen diesen Reden schon spät geworden, und Ich nahm nun das Brot nochmals, von dem Ich die ersten Bissen zubereitet hatte, und sagte zu den Elfen: 'Nehme noch jeder einen Bissen, den Ich hier bereite! Es ist Mein Leib, das Fleisch gewordene Wort, welches in euch lebendig werden soll. Nehmt auch diesen Kelch! Trinket alle daraus! Es ist Mein Blut, welches für euch zur Vergebung eurer Sünden vergossen werden wird. Wer nicht Mein Fleisch isst und Mein Blut trinkt, wird nimmermehr selig werden. Ihr wisst aber nun, wie ihr dieses zu verstehen habt und werdet euch nicht mehr an solchen Worten stoßen. Esset, trinket, und solches tuet, sooft ihr es tut, zu Meinem Gedächtnis! Wo aber zwei solches tun werden zu Meinem Gedächtnis und sind versammelt in Meinem Namen, da bin Ich auch unter ihnen!" (GEJ 011, 71)

Solche Liebesmahle mit Brüdern und Schwestern "zu seinem Gedächtnis" zu halten, hatte der Herr schon längere Zeit vor seinem Scheiden den Jüngern empfohlen.

Im "Großen Evangelium" heißt es einmal. "Sodann möget ihr auch in Meinem Namen und in eurer Liebe zu Mir denen, die an Mich lebendig glauben und Meine Gebote halten, von Zeit zu Zeit, so ihr es habt, Brot und Wein geben zu Meinem Gedächtnis. Wo ihr ein solches Liebesmahl unter euch halten werdet, da werde auch Ich unter euch, bei euch und in euch sein, wie nun mit Fleisch und Blut; denn das Brot, das eure Liebe zu Mir bieten wird, wird gleich sein wie Mein Fleisch und der Wein wie Mein Blut, das bald für viele wird vergossen werden. Dies und die Taufe genüge euch als ein äußeres Zeichen, das aber nur durch die Liebe einen rechten Wert vor Mir bekommen wird." (GEJ 09, 166, 12)

"Alles Wahre und Gute findet im Brot und Wein seine volle Entsprechung. Darum werdet ihr auch nach Meinem Tode, zu Meinem Gedächtnis Mahl haltend, beim mäßigen Genuss des Brotes und Weines stets versichert sein können, dass Ich im Geiste, so wie nun im Leibe, bis ans Ende aller Zeiten dieser Erde Mich unter euch, Meinen Kindern, Brüdern und Freunden, persönlich befinden werde. Werdet ihr Mich mit euren Fleischesaugen auch nicht allzeit erschauen, so wird es euch aber dennoch euer Herz sagen: 'Freuet euch, denn euer Herr, Gott und Vater ist unter euch und segnet für euch das Brot und den Wein! Seid denn fröhlich und heiter in seinem Namen und gedenket dabei der armen Brüder und Schwestern und besonders der Armen im Geiste!'

Wenn euch euer Herz eine solche Mahnung geben wird, dann denket und glaubet allzeit, dass Ich Mich persönlich unter euch befinde. Und um was Gutes und Wahres fürs Leben der Seele ihr Mich da bitten werdet, das werde Ich euch dann auch bereitwillig und wohlverständlich geben.

Die Mich aber da mit großer Liebe ihrer Herzen begrüßen, die werden sich auch bald mit ihren Augen überzeugen, dass Ich wahrhaft persönlich Mich unter euch befinde. Was Ich aber hier euch sage und beteuere, das gilt auch ganz gleich allen euren wahren und getreuen Nachfolgern."

"Brot und Wein"

Obwohl der Herr beim letzten Abschiedsmahle die Worte gebrauchte: "Dies ist Mein Leib …, dies ist Mein Blut …‚ so meinte Er damit doch selbstverständlich nur eine sinnbildliche, entsprechungsweise Darstellung seiner Lehre durch das Brot und seiner Liebe durch den Wein. Denn was sollte und könnte es dem Menschen nützen, das wirkliche Fleisch und wirkliche Blut des Herrn leiblich zu genießen? Könnte dadurch seine Seele geistig reiner und besser werden? Nur ein roher, stofflicher Aberglaube kann sich solches vorstellen und einbilden.

In Voraussicht der in dieser Hinsicht schon zu Lebzeiten des Herrn sich einschleichenden und später so bedauerlich ausgebreiteten Irrtümer, hat der Herr im "Großen Evangelium" die auch in der Schule zu Kapernaum geäußerten Worte vom Essen seines Fleisches (im Brot) und vom Trinken seines Blutes (im Wein) seinen Jüngern wiederholt eingehend erklärt.

So belehrte Er einen gläubig gewordenen samaritanischen Mann, dessen Knecht Er geheilt hatte, mit den Worten: "Du hast ganz recht, so du sagst, dass das Reich Gottes in Mir zu euch gekommen ist und sich bei euch in eurer Mitte befindet. Aber das genügt noch nicht zur Erreichung und vollen Erhaltung des ewigen Lebens der Seele, weil das Reich Gottes in Mir wohl zu euch gekommen, aber darum noch nicht in euer Inneres gedrungen ist, was erst dann geschehen kann und wird, wenn ihr ohne alle Rücksicht auf die Welt Meine Lehre ganz in euren Willen und somit auch in die volle Tätigkeit aufgenommen habt. Wenn das einmal der Fall sein wird, dann werdet ihr nicht mehr sagen: 'Christus und mit Ihm das Reich Gottes ist zu uns gekommen und wohnt bei und unter uns!' — sondern ihr werdet sagen: 'Nun lebe nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir!' Dann werdet ihr in der Fülle auch lebendig begreifen, dass und wie das Reich Gottes nicht mit äußerem Schaugepränge zu den Menschen kommt, sondern sich nur inwendig im Menschen entfaltet und die Seele in sein ewiges Leben zieht.

Es muss zwar dem Menschen zuvor von außen her der Weg gezeigt werden durch das Gotteswort, das da kommt aus den Himmeln zum Menschen. Aber darum ist der Mensch noch nicht im Gottesreiche und das Reich Gottes ist noch nicht in ihm. Erst so der Mensch ungezweifelt zu glauben anfängt und durch sein Tun nach der Lehre den Glauben lebendig macht, entfaltet sich das Reich Gottes im Menschen, so wie sich im Frühjahr das Leben in der Pflanze von innen aus zu entfalten beginnt, wenn die Pflanze vom Lichte der Sonne beschienen und erwärmt und dadurch zur inneren Tätigkeit genötigt wird.

Alles Leben wird wohl wie von außen her angeregt und geweckt — aber die Entstehung, Entwicklung, Entfaltung, Formung und Festigung geht dann immer von innen aus. So müssen auch die Tiere und Menschen ihre Nahrung zuerst von außen her in sich aufnehmen. Aber diese Aufnahme der Speise und des Tranks ist noch lange nicht die wahre Ernährung des Leibes, sondern diese geht erst dann vom Magen aus in alle Teile des Leibes.

Wie aber gewisserart der Magen das Lebensnährherz des Leibes ist, so ist auch das Herz im Menschen der Nährmagen der Seele zur Erweckung des Geistes aus Gott in ihr. Und Meine Lehre ist die wahre Lebensspeise und der Lebenstrank für den Magen der Seele. Und so bin Ich denn in Meiner Lehre an die Menschen ein wahres Lebensnährbrot aus den Himmeln. Und das Tun nach ihr ist ein wahrer Lebenstrank, ein bester und kräftigster Wein, der durch seinen Geist den ganzen Menschen belebt und durch die hell auflodernde Liebesfeuerflamme durch und durch erleuchtet. Wer dieses Brot und diesen Wein trinkt, der wird keinen Tod mehr sehen, fühlen und schmecken in Ewigkeit." (GEJ 09, 72, 9 ff.)

"Mein Fleisch und Blut"

Sagen nun die Jünger: "Herr und Meister, diese Deine Belehrung ist wohl verständlich — aber als Du einmal in Kapernaum, wo Dir so viel Volk aus allen Gegenden nachzog, eine ähnliche Lehre vom Essen Deines Fleisches und vom Trinken Deines Blutes verkündet hast, da war das offenbar eine harte Lehre, besonders für jene Menschen, die Dein einfaches und klares Wort nicht so verstanden haben, wie es dem wahren Sinne nach zu verstehen war, weshalb denn damals Dich auch viele Jünger verlassen haben. Wir selbst verstanden es auch anfangs nicht. Nur einer, der niemals ein eigentlicher Jünger von Dir war, hat uns die Sache verdolmetscht. Und wenn wir nun jene Lehre mit dieser jetzigen vergleichen, so besagt sie dasselbe, was du nun wohl in handgreiflicher Klarheit gelehrt hast. Haben wir recht oder nicht?"

Sagt der Herr: "Allerdings! Denn Brot und Fleisch sind da ein und dasselbe. Und wer in Meinem Wort das Brot der Himmel isst und durch das Tun nach dem Worte, also durch die Werke der wahren, uneigennützigen Liebe zu Gott und zum Nächsten, den Wein des Lebens trinkt, der isst auch Mein Fleisch und trinkt Mein Blut. Denn wie das von den Menschen genossene natürliche Brot im Menschen zum Fleisch und der getrunkene Wein zum Blut umgestaltet wird, so wird in der Seele des Menschen auch Mein Wortbrot zum Fleische und der Liebetatwein zum Blute der Seele umgewandelt.

Wenn Ich aber sage: "Wer da isst Mein Fleisch", so ist damit schon bedeutet, dass der Mensch Mein Wort nicht nur in sein Gedächtnis und in seinen Gehirnverstand, sondern zugleich in sein Herz, das da der Magen der Seele ist, aufnehmen soll; und im gleichen auch den Liebetatwein, der dadurch nicht mehr Wein bleibt, sondern ein wahres Blut des Lebens wird. Denn das Gedächtnis und der Verstand des Menschen verhalten sich zum Herzen beinahe geradeso wie der Mund zum natürlichen Magen. Solange das natürliche Brot sich noch unter den Zähnen im Munde befindet, ist es noch kein Fleisch, sondern Brot. Wenn es aber zerkaut in den Magen gelassen und dort von den Säften durchmengt wird, so ist es seinen feinen Nährteilen nach schon Fleisch, weil dem Fleische ähnlich. Und ebenso ist es auch mit dem Wein: Solange du den Wein im Munde behältst, geht er nicht ins Blut über; aber im Magen wird er gar bald in dasselbe übergehen.

Wer demnach Mein Wort hört und in seinem Gedächtnis behält, der hält das Brot im Munde der Seele. Wenn er im Gehirnverstand darüber ernstlich nachzudenken anfängt, dann zerkaut er das Brot mit den Zähnen der Seele, denn der Gehirnverstand ist für die Seele das, was die Zähne im Mund für den Leibmenschen sind. — Ist vom Gehirnverstand Mein Brot, also Meine Lehre zerkaut, oder als volle Wahrheit verstanden und angenommen, so muss sie dann auch von der Liebe zur Wahrheit aufgenommen werden und durch den festen Willen in die Tat übergehen. Geschieht das, so wird das Wort in das Fleisch und durch den ernstfesten Tatwillen in das Blut der Seele, das da ist Mein Geist in ihr, umgestaltet.

Darum sei keiner von euch nur Hörer, sondern zugleich ein ernstwilliger und emsiger Täter Meines Wortes! Wenn ihr dadurch in den Vollbesitz Meines Reiches in euch gekommen seid, dann werdet ihr über Schlangen und Skorpionen wandeln und Gifte aus der Hölle trinken können und es wird euch das nimmerdar schaden.

Und so ihr das alles nun wohl begriffen habt, werdet ihr auch der vollen und lebendigen Wahrheit nach einsehen, was Ich unter "Mein Fleisch essen" und "Mein Blut trinken" verstanden haben will. Und ihr werdet das hinfort auch sicher keine harte Lehre mehr nennen."

Messopfer?

Das in der katholischen Kirche priesterlich so hochgehaltene Messopfer hat demnach weder in den biblischen Schriften noch in denen der Neuoffenbarung eine Begründung. Es ist nirgends die Rede davon, dass Brot und Wein in das wirkliche Fleisch und Blut Christi umgewandelt wurden, noch dass dem Priester dazu die Gewalt gegeben sei. Auch widerspricht die Anschauung, dass der Mensch durch die materielle Handlung des leiblichen Genusses der Hostie in der "Kommunion" geistig gestärkt und von den Sünden gereinigt werde, der wahren geistlichen Heilslehre Jesu Christi.

"Den Menschen reinigt und heiligt nichts als der lebendige Glaube und seine tätige Liebe zu Gott und zum Nächsten." (GEJ 08, 40, 14)






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Kapitel 55
Weihen und Segnungen

In den Kirchen, besonders der katholischen, spielen auch die Segnungen und Weihen eine Rolle. — In der Apostelgeschichte (Kap. 8, 14 ff.) lesen wir: "Als die Apostel in Jerusalem vernahmen, dass Samaria das Wort Gottes angenommen habe, sandten sie Petrus und Johannes dahin. Diese gingen hinab und beteten für die Gläubigen, damit sie den Heiligen Geist empfingen. Der Heilige Geist war nämlich noch über keinen von ihnen gekommen, sondern sie waren nur auf den Namen des Herrn Jesus getauft worden. Alsdann legten Petrus und Johannes ihnen die Hände auf, und sie empfingen den Heiligen Geist."

Die Handauflegung

Die Handauflegung zur Stärkung der Seelen im Geiste himmlischer Liebe, Weisheit und Kraft wird vom Herrn auch im "Großen Evangelium" geübt und seinen Jüngern empfohlen.

"Bald nach Beginn des öffentlichen Lehramtes", sagt der Herr, "mehrte sich die Zahl Meiner Jünger von Tag zu Tag. Und ein jeder, der an Mich glaubte und dem Ich nach dem Maße seines Glaubens und nach der Taufe mit Wasser, die von Meinen Jüngern ausgeübt wurde, Meine Hände auflegte, ward voll Geistes der Kraft und des Mutes und frei von aller Furcht vor dem Leibestode."

Diesem eigenen Beispiele des Herrn entsprechend, wurden auch die geistig fortgeschrittenen Jünger aufgefordert: "Die da voll Glaubens werden, die segnet denn auch ihr in Meinem Namen! Der Segen aber bestehe darin, dass ihr den gläubig Gewordenen die Hände auflegt und in eurem festen Vertrauen auf Mich und im lebendigen Glauben an Mich ihnen saget: "Gott der Herr, der im Menschensohne Jesus zu uns gekommen ist, sei mit euch und durch Ihn der Friede den Menschen auf Erden, die an Ihn glauben, eines guten Willens sind und seine Gebote halten!"

So ihr das über die Bekehrten werdet ausgesprochen haben, so werden sie des Segens von Mir alsbald innewerden. Doch denen, die nur halbgläubig geworden sind, tuet das erst, so auch sie mit der Zeit voll Glaubens geworden sind. Denn ein halber Glaube taugt für den Empfang Meines Segens nicht!" (GEJ 10, 128, 17 ff.)

Auch zwecks geistiger Heilung leiblicher Krankheiten und Gebrechen wurden die in der Demut und Liebe besonders erstarkten Jünger vom Herrn zur Handauflegung ermächtigt:

"Wenn ihr zu kranken und bresthaften Menschen kommet, so leget ihnen die Hände auf in Meinem Namen, und es wird besser werden mit ihnen! So ihr kommet zu solchen, die da besessen sind von unreinen Geistern, so gebietet ihnen ebenfalls in Meinem Namen und sie werden ausfahren vom Fleische der Geplagten und werden dahin ziehen, wohin ihr sie bestimmen werdet."

Dabei soll, da es sich ja um eine geistig-seelische Heilweise handelt, der Handauflegung möglichst eine angemessene Belehrung vorangehen, und das laut oder auch nur im Herzen auszusprechende Gebet bestehe in wenigen Worten, wie etwa. "Jesus, der Herr und himmlische Vater, wolle dir helfen! Er stärke dich und heile dich durch seine Gnade, Liebe und Erbarmung!" (GEJ 09, 43, 6 ff.)

"Wer aber jemandem die Hände auflegt, der muss das in Meinem Namen tun, ansonst seine Behandlung keinen Nutzen bewirkt. Es gehört ein unerschütterlicher Glaube und ein ebenso fester Wille dazu. Aus des Herzens tiefstem Grunde muss solch eine Bestrebung rühren und muss aus der wahren Nächstenliebe hervorgehen. Dann erfüllt solche Kraft der Liebe die Hände des Handauflegers, dringt durch dessen Fingerspitzen, fließt wie ein sanfter Tau in die Nerven des Kranken und heilt den brennendsten Schmerz." (GEJ 04, 40, 2 ff.)

Konfirmation oder Firmung der Jugend

Ein besonderes priesterliches Einsegnen der reiferen Jugend (Konfirmation, Firmung), wie es die Kirchen heute üben, erwähnt der Herr in den Neuoffenbarungsschiften nicht. Dagegen empfiehlt Er nachdrücklich, die Seelen der jungen Menschen von zartester Kindheit an im wahren Glauben und in der rechten Gottes- und Nächstenliebe durch Wort und Beispiel zu unterweisen.

"Wollet ihr Menschen bilden nach Meinem Sinn, dann müsst ihr schon bei den Kindern, und zwar in frühester Jugend anfangen. Denn wahrlich, der Unterricht 'in der Wiege' ist mehr wert als alle Hochschulen der Welt (weil hier die Grundlagen der Seelengestaltung gebildet werden!). Wer aber aus den Kindern Menschen im göttlichen Sinne bilden will, der muss sie lieben und mit ihnen eine rechte Geduld haben. … Wer so ein Kind aufnimmt in Meinem Namen, der nimmt auch Mich, den himmlischen Vater auf, und in seinem Hause wird es an Segen nicht fehlen. Denn solche Kinder sind der echte und wahre Segen Gottes in einem Hause, wo sie gepflegt, genährt und zu wahren Menschen gebildet werden."

Auch ein nicht nur einmaliges, sondern öfteres, ja tägliches Segnen der Kinder durch Handauflegung seitens der Eltern und Erzieher ist ohne Zweifel im Sinne der göttlichen Vaterliebe. Und dieses Tun der Liebe steht selbstverständlich nicht nur dem Priester, sondern jedem durch die wahre Demuts- und Liebeskraft Befähigten zu.






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Kapitel 56
Gemeinschaftspflege

Der Mensch ist ein Gesellschaftswesen, insbesondere auch der geistige. Er hat natürlicherweise das Bedürfnis des Austausches seiner Besitztümer, Anschauungen, Bestrebungen. Das gegenseitige Geben und Nehmen ist geradezu die Voraussetzung eines höheren Lebens. So wissen wir aus den Schriften der Offenbarung, dass die Gemeinschaft auch im geistigen Reiche und insbesondere auch in den Himmeln eine große Rolle spielt.

Vereine der Engel in den Himmeln

Im "Großen Evangelium" erklärt Raphael, ein im Gefolge des Herrn auftretender Erzengel, den Jüngern sein Sein und Walten und fügt an: "Zudem habe ich als Erzengel Äonen Mitdiener, die alle von meinem Willen in jedem Augenblick abhängen. So ich aus dem Herrn heraus etwas will, erfüllt dieser Wille auch schon zahllose mir unterstehende Diener, die sogleich in vollste Tätigkeit treten und eine verlangte Tat auch leicht in einen euch kaum denkbar schnellen Vollzug setzen. Ich selbst tue persönlich nichts, aber durch meinen Erzwillen werden Äonen vom innersten Seinsgrunde heraus zur Tätigkeit bestimmt." (GEJ 05, 2, 4)

In dem Lorberwerk "Die geistige Sonne" (Bd. 2, 65) darf eine Gruppe "Himmelswanderer" etliche solcher vereinartiger Gesamt-Geistwesen aus der Ferne erschauen. Es heißt da: "Die Geister, die ihr dort wandeln sehet, sind nicht etwa einzelne Geister, sondern ein jeder solcher Einzelgeist ist ein ganzer Verein von zahllosen Geistern, in dem an und für sich wieder zahllose kleinere Vereine vorhanden sind, die ebenfalls aus seligen Geistern besonderer Art bestehen." Da bei starken, hochgereiften Geistern die Liebe zum Herrn Unendliches umfasst, so werden sie zu Vorstehern himmlischer (Geister- und Engels-) Vereine. Im Angesichte des Herrn dehnt sich die Liebesphäre eines solchen seligen Geistes wie zu einem zweiten großen Menschen aus; und diese Sphäre ist dann an und für sich so ganz eigentlich ein solcher Himmelsverein, in den alle diejenigen guten Geister aufgenommen werden, die mit dem Begründer und Vorsteher des Vereins in gleicher Liebe zum Herrn stehen."

Irdische Beispiele dieses Verhältnisses seien, so wird weiter gesagt, die Vereinigungen der Staaten, Städte, Dörfer oder, in mehr geistiger Hinsicht, die Religionsvereine und dergleichen. Das Schriftwort: "Ihr werdet sitzen auf zwölf Stühlen und richten die zwölf Geschlechter Israels" bedeute so viel als: "Durch das Wort, das ihr in Meinem Namen und Geiste predigen werdet allen Völkern, werden (in der geistigen Welt) Vereine errichtet, darinnen ihr nach eurer Art werdet die Vorsteher und Hauptleiter sein." (Geist. Sonne, Bd. 2, 65, 5. 287-291)

"Denn Meinen Kindern der Erde", spricht der Herr an anderer Stelle des genannten Lorberwerkes, "ist es (in ihrer Vollendung) von Mir aus gegeben, mit Mir zu beherrschen und zu richten (d.h. zu leiten) die Unendlichkeit und alle zahllosen Schöpfungen in ihr. Und die Kinder aus den andern Gestirnen stehen ihnen dabei so zu Diensten wie die Glieder eines Leibes dem Willen des Geistes. Die Sternengeister haben zwar auch ein jeder seinen eigenen Willen; dennoch geht aber im Falle des Liebewirkens der Wille Meiner Hauptkinder in sie alle ein und aus, und dann sind sie zu Milliarden wie ein Mensch, dessen wirkender Willensgeist eines Meiner Kinder ist." (Geist. Sonne, Bd. 2, 2, 5. 9)

Gemeinschaftspflege auf Erden

Angesichts dieser großen Zukunftsaufgabe der Erdenkinder und der himmlischen Bedeutung des sich dabei auswirkenden Gemeinschaftslebens ist es klar, wie wichtig die Pflege eines einträchtigen Gemeinschaftssinns zum Zweck geistigen Zusammenwirkens schon hier in diesem Erdenleben ist. Wissen wir doch, dass das irdische Dasein in allem eine Schule für das himmlische Reich Gottes ist.

Aus diesem Grunde hat denn auch der himmlische Vater in seiner höchsten Offenbarungsform als Jesus Christus die Gemeinschaftspflege unter seinen Jüngern und Nachfolgern durch die besondere Verheißung gesegnet:

"Wo immer ihr aus reiner Liebe in Meinem Namen versammelt sein werdet, da werde Ich, wenn schon nicht sichtbar, aber dennoch allkräftig euch stärkend, unter euch sein." (GEJ 01, 73, 9)

Die Gemeinschaft, der brüderliche Zusammenschluss Gleichgesinnter zur gemeinsamen Seelenpflege und zu gemeinsamen Werken der Liebe hat für die geistige Vollendung eines jeden Menschen ohne Zweifel auch große Bedeutung. In der Vereinzelung werden wir leicht in unseren Erkenntnissen und Anschauungen einseitig und beschränkt, in unserem Wollen und unseren Bestrebungen eigensinnig und starrköpfig. In der Vereinigung mit andern dagegen werden wir ständig veranlaßt, unsere Erkenntnisse und Urteile zu prüfen und zu messen. Wir müssen um unseren Standpunkt kämpfen, ihn nach Möglichkeit klären, und dadurch erfahren und lernen wir immer Neues. — Mit den gewonnenen höheren Erkenntnissen und Kräften können wir sodann in der Gemeinschaft wieder unseren Mitmenschen in höherem Grade dienen und nützen und uns selbst wie unsere Mitbrüder auf diese Weise fördern und festigen in der Haupttugend der Himmelsbürger, der dienenden Demut und Liebe.

Da diese ganze "höhere Schule" der geistigen Vollendung nur in der Gemeinschaft mit andern Menschen auf Erden möglich ist, hat der Schöpfer und himmlische Vater ja auch schon die Gemeinschaft der Ehe und Familie geschaffen und hat Er die Menschen angeleitet, staatliche und allerlei bürgerliche Vereinigungen zu bilden. Um so mehr aber ist es sicherlich in seinem Sinn, dass sich die Menschen schon auf Erden zu geistigen Vereinigungen zum Zwecke des höchsten Liebedienstes, der gemeinsamen Seelenpflege in seinem Namen zusammentun.

Aufgaben der Gemeinschaft

Die Aufgaben solcher geistigen Gemeinden bestehen in erster Linie im gemeinsamen Verkünden, Hören, Lesen, Besprechen und Aufnehmen des Gotteswortes.

Wohl kann ja heute jedermann aus der Bibel und den zahlreichen Schriften der Neuoffenbarung sich eine Fülle geistigen Lichtes schöpfen. Wenn er danach handelt, wird er den Weg nicht verfehlen können. Dennoch wird für jeden, auch den geistig Starken und Selbständigen, eine Aussprache mit Gleich- oder Andersdenkenden allezeit von großem Nutzen sein. Man lernt manches von einer anderen oder tieferen Seite zu erfassen. Zudem sind immer in jedem geistigen Kreise schwächere Brüder und Schwestern oder Anfänger, die eine geistige Hilfe gerne annehmen; und da bietet sich den Starken und Selbständigen eine treffliche Gelegenheit, Liebe zu üben und sich im wahren Gottes- und Menschendienste zu vervollkommnen.

Weiter aber besteht die Aufgabe einer geistigen Gemeinschaft darin, die göttliche Lichtbotschaft über den eigenen inneren Kreis zu anderen Menschen und Kreisen hinauszutragen in Wort und Schrift und insbesondere auch durch gemeinsame Liebeswerke. In diesem Zusammenwirken nach außen liegt ein ganz besonderer Segen.

"Es wird neben den Erleuchteten stets auch Unerleuchtete geben", spricht der Herr im "Großen Evangelium". "Aber es wird auf Erden auch an wahrhaft erleuchteten Menschen nie einen Mangel haben, und diesen wird die Gelegenheit geboten sein, die Unerleuchteten mit ihrem wahren Lebenslichte zu erhellen. Und Erleuchtete, welche das tun in Meinem Namen, deren Lohn wird groß sein in Meinem Reiche. Selbst erleuchtet sein durch Meine Gnade ist ein großes, unschätzbares Glück für den Menschen; aber noch tausendmal schätzbarer ist es, mit seinem wahren Lebenslichte auch andere zu erleuchten, die noch in der Finsternis wandeln, aber das Licht annehmen wollen." (GEJ 08, 14, 21)

Dabei gibt der Herr jedoch mit großem Ernst zu bedenken: "Mein Reich, das Ich nun auf Erden gründe, ist ein Reich des Friedens, und so sollet ihr es auch im Frieden unter den Menschen ausbreiten und euch dabei keines Schwertes bedienen. — Seid alle friedsame Arbeiter in Meinem Namen und vermeidet allen Zank und Hader. Wirket allein durch Meine Liebe in euren Herzen. Denn in der Liebe liegt die größte Kraft und Macht." (GEJ 10, 106, 13 ff.)

Gemeinschafts-Formen

Solche Vereinigungen zur geistigen Seelenpflege bilden eine wahre Kirche, wenn sie in des himmlischen Vaters Namen vom reinen, selbstlosen Geiste tatkräftiger Gottes- und Bruderliebe erfüllt und belebt sind.

Auf die äußere Form kommt es dabei weniger an. Diese mag mehr lose oder streng, einfacher oder reicher gegliedert sein, das bedeutet vor dem Auge des höchsten Herrn und Leiters nicht so viel, da dieser ja nicht aufs Äußere, sondern auf das Herz, den Geist sieht. So macht es vor Gott auch keinen großen Unterschied, ob eine Glaubensgemeinschaft etwa (wie die katholische Kirche und die Heilsarmee) monarchisch, oder (wie die protestantischen Kirchen und manche Sekten) mehr demokratisch geordnet ist — ob sie eine feste, geschriebene Satzung oder nur lose, gewohnheitsmäßige Gepflogenheiten zur Richtordnung hat. Dies ist alles mehr oder weniger nur eine Frage der gegebenen Umstände und der Zweckmäßigkeit.

Immerhin ist zu beachten, dass unser Gott ein Gott der Ordnung ist und eine formlose, ungeordnete Gemeinschaft sein Wohlgefallen sicherlich nicht finden kann, zumal sich im göttlichen Schöpfungswerk, und zwar in den materiellen wie in den geistigen Sphären, allenthalben eine wunderbar weise und bestimmte Ordnung vorfindet. (Vergl. Robert Blum, Bd. 1, 18 ff.)

Auch dürfte ein Fingerzeig für die rechte Ordnungsform geistiger Gemeinschaften auf Erden wohl darin liegen, dass die himmlischen Geister- und Engelsvereine, wie oben geschildert, dem Vorbild der gesamten Schöpfung entsprechend, nicht demokratisch, sondern durchaus monarchisch geordnet sind, d.h. mit einem obersten Regenten oder Hauptleiter, der aus göttlichem Geiste und in weiser Ordnung mit voller Machtvollkommenheit waltet. Diese Ordnungsform gewährleistet offenbar eine größere innere Einigkeit und demzufolge nach außen eine geschlossene, starke Wirkungskraft. Auch ist die Möglichkeit gegeben, dass ein erleuchtetes, starkes Haupt auf die schwächeren, unentwickelten Glieder nachdrücklicher und fördernder einwirken kann, während bei der demokratischen Form die Gefahr naheliegt, dass die unreife Masse sozusagen "von unten her" ihren Sinn und Willen durchsetzt und das Haupt überwältigt und unwirksam macht.

Die wahre Kirche

Jede Vereinigungsform aber — die monarchische wie die demokratische, die lose wie die strenge, die einfache wie die reich gegliederte — wird nur dann ihren Zweck im göttlichen Sinne erfüllen, wenn die sie tragenden Menschen vom rechten Geiste der Gottes- und Nächstenliebe erfüllt und geleitet sind. Auch eine weniger zweckmäßige Form kann und wird beim Vorhandensein dieses Geistes Gutes, und andererseits eine zweckvolle, bestausgedachte äußere Form beim Fehlen dieses Geistes nur Unheilvolles zutage fördern.

Darum spricht der Herr in dem Werk "Die Haushaltung Gottes" (Bd. 1, Kap, 4, 9-12) zu seinem Boten Jakob Lorber: "Sage es Meinen Kindern und allen, sie mögen sein, welcher Religion sie wollen — ob Römische, ob Protestanten, ob Juden, ob Türken, ob Brahmi, ob finstere Heiden — kurz für alle soll es gesagt sein: Auf der Erde gibt es nur eine wahre Kirche, und diese ist die Liebe zu Mir in Meinem Sohne! Diese Liebe ist der Heilige Geist in euch und gibt sich euch kund durch Mein lebendiges Wort. Und so bin Ich in euch; und eure Seele, deren Herz Meine Wohnstätte ist, ist die alleinige wahre Kirche auf der Erde. In ihr allein ist ewiges Leben, und sie ist die alleinseligmachende!

Denn siehe, Ich bin der Herr über alles, was da ist. Ich bin Gott, der ewige und mächtige, und als solcher bin Ich auch euer Vater, der heilige und liebevollste. Und dies alles bin Ich im Wort! So ihr es beachtet und danach tut, habt ihr es in euch aufgenommen. Dann wird es in euch lebendig und erhebt euch über euch selbst und macht euch frei. Ihr seid dann nicht mehr unter dem Gesetze, sondern über demselben im Lichte. Und das ist die Seligkeit oder das Reich Gottes in euch oder die alleinseligmachende Kirche auf der Erde, und in keiner andern ist das ewige Leben als nur einzig in dieser.

Oder meinet ihr denn, Ich wohne in den Mauern oder in der Zeremonie oder im Gebet oder in der Verehrung? O nein, ihr irret euch sehr. Denn da bin Ich nirgends, sondern nur, wo die Liebe ist, da bin auch Ich!"

Die bestehenden irdischen Kirchen

Diese Bedingungen einer "wahren Kirche Christi" erfüllen — infolge der allgemeinen menschlichen Unvollkommenheit — die bestehenden irdischen Glaubensgemeinschaften heute, in dieser "Mittelbildungszeit der Menschheit", leider mehr oder weniger nicht. Und wenn wir Freunde der Neuoffenbarung uns prüfen, dann werden auch wir gestehen müssen, dass es auch bei uns noch vielfach und bedeutend fehlt. Darum wollen wir auch auf andere Vereinigungen keine Steine werfen, sondern uns alle nur eifrigst bestreben, soviel an uns liegt, dem vorgestellten Ziel nachzustreben und unsere Sorge darauf richten, dass vor allem in unseren Kreisen und dann auch in der ganzen Glaubenswelt der Geist wahrer, des Meisters würdiger Liebe durchdringt und auf diesem Boden endlich eine Herde unter einem Hirten wird.

Die einzelnen Erkenntnisse und Glaubensanschauungen werden ja, entsprechend der verschiedengearteten Veranlagungen, Erfahrungen und Reifegrade der Menschen, Stände, Völker und Rassen auf Erden immer höchst mannigfaltig bleiben. Es entspricht dies der geistigen Fülle und Bedeutung unseres Planeten. Aber auf dem Boden der Liebe zu Gott und zum Nächsten können sich alle ehrlichen, ernsten Glaubensrichtungen gar wohl zusammentun. Und die diesbezüglichen großen Verheißungen der heiligen Schriften vieler Völker werden da sicherlich noch ihre Erfüllung finden.

Mängel der bestehenden Kirchen

Was nach dem alten und neuen Worte Gottes bei den wichtigsten der bestehenden Kirchen fehlt und demgemäß als Mangel oder Missstand erscheint, ist in den Schriften der Neuoffenbarung mit großer Offenheit dargelegt.

Es trifft sie alle mehr oder weniger der Vorwurf, dass sie von der wahren Heilslehre, der Liebelehre, auf gefährliche Abwege gewichen sind, und zwar, wie wir schon öfter hervorgehoben haben: die katholische Kirche auf den Abweg der äußerlichen Werkgerechtigkeit, die protestantische auf den Abweg der äußerlichen Glaubensgerechtigkeit.

Allem äußerlichen Kirchentum aber gilt, was in "Großen Evangelium" der Herr am Ufer des Euphrat einer Minerva-Priesterschaft sagt:

"Ich bin nun drei Tage lang bei euch und habe euch gelehrt, was ihr zu wissen, zu glauben und zu tun habt, um das ewige Leben der Seele zu erlangen. Habe Ich euch da von irgendwelchen äußerlichen Gebeten oder von irgendeinem mysteriösen, Mir allein wohlgefälligen Gottesdienst etwas gesagt? Oder von gewissen Feiertagen, wie etwa einem heiligen Sabbat der Juden, den sie einen "Tag des Herrn" nennen? Nein, von alledem habt ihr aus Meinem Munde nichts vernommen! Und Ich sage euch als vollwahr:

Hinweg mit allen äußerlichen Gebeten, hinweg mit allen Feiertagen, da ein jeder Tag ein wahrer Tag des Herrn ist, und hinweg mit allem Priestertum! Denn ein jeder Mensch, der Gott erkennt und Ihn über alles liebt und seinen Willen tut, ist ein wahrer und rechter Priester und dadurch auch ein rechter Lehrer, so er seinen Nebenmenschen diese Lehre gibt, die er von Mir empfangen hat. — Wer Meinen Willen tut, der betet wahrhaft und betet allezeit ohne Unterlass. Und ein jeder Tag, an dem ein Mensch seinem Nebenmenschen in Meinem Namen eine Wohltat erweist, ist ein rechter und Mir allein wohlgefälliger "Tag des Herrn".

So ist es auch eine alte Sitte sogar bei den Juden, dass die blinden Menschen bei ihren Bitten und Gebeten auch feine und bessere Kleider anziehen, weil sie meinen, dass der Mensch zur sogenannten größeren Ehre Gottes in dieser Hinsicht nicht genug tun könne. Aber das bedenkt so ein Narr nicht, dass es viele Arme gibt, die kaum zur größten Notdurft ihres Leibes Blöße bedecken können. Wie muss es dem Armen zumute sein, so er den Reichen so geschmückt in einem Bethause erblickt und sieht, welch eine Ehre dieser Gott gibt, während der Arme das nicht tun kann und sich dabei denken muss, dass er mit seinem Gebet in seinen Lumpen Gott nur beleidigen muss. Wahrlich, Ich sage euch: Wer immer mit gewissen besseren (Prunk-)Kleidern angetan, Mich um etwas bitten wird, der wird niemals erhört werden — und noch weniger irgendein Priester in seinen verbrämten Mänteln und Röcken!

So gibt es endlich auch eine alte Unart bei den Gebeten zu Gott, dass man irgendeine alte, fremde Sprache dafür gebraucht und diese für die Verehrung Gottes am würdigsten hält. Wo solch ein Unsinn je in der Folge besteht, da wird die Bitte auch niemals erhört werden. Der Mensch schmücke sich vor Mir allein nur im Herzen und rede die Mir wohlverständliche Sprache seines Herzens, und Ich werde seine Bitte erhören!

Ich will, dass da alle die alten Narrheiten ganz verschwinden und die Menschen ganz neue, wahrhaftige, reine Menschen werden."

Warnung vor Sektengeist

Die großen Unterschiede in den Lehren, Einrichtungen und Gebräuchen der zahlreichen Glaubensrichtungen und -gemeinschaften zeitigen in der blinden Menschheit, wie die Geschichte aller Völker lehrt, sehr oft einen unseligen Streit- und Verfolgungsgeist. Mit ernstem Nachdruck spricht daher der Herr:

"Daran soll man erkennen, dass ihr Meine Jünger seid, so ihr Liebe untereinander habt." (Joh. 13, 35)

Also nicht das Glaubensbekenntnis, sondern die Liebe ist das Kennzeichen der wahren Jüngerschaft!

"Die Liebe aber", sagt Paulus, "ist langmütig, freundlich, neidlos. Sie prahlt nicht, blähet sich nicht auf. Sie ist nicht rücksichtslos, sie sucht nicht ihren Vorteil. Sie lässt sich nicht erbitten, sie trägt das Böse nicht nach, sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich über jede Wahrheit. Sie ist duldsam, sie glaubt alles Gute, sie hofft alles und trägt alles."

Das Gegenteil von diesem wahren Christusgeist jedoch ist der in den Glaubensgemeinschaften leider so häufig anzutreffende hochmütige, engherzige und gewaltsame Sektengeist.

Auch in den Schriften der Neuoffenbarung wird vor diesem Ungeiste eindringlich gewarnt und darauf hingewiesen, dass wir auch im Andersgläubigen den Bruder lieben und in seinen Anschauungen das Gute und Wahre erkennen und werten, das Irrtümliche aber mit Geduld tragen und der reifenden Gnade unseres gemeinsamen himmlischen Vaters anheimgeben sollen.

"Siehe", sagt der Herr im "Großen Evangelium", "die praktische Erklärung aller Gesetze Mosis und der Weissagung aller Propheten liegt in dem Satze: "Liebet Gott als euren ewigen Vater über alles und eure armen und vielfach kranken Brüder und Schwestern unter allen Umständen wie euch selbst, so werdet ihr als wahre, seelengesunde Kinder des ewigen Vaters im Himmel ebenso vollkommen sein wie Er selbst. Freilich ist die in der Welt unter den Menschen eingerissene Lüge und Finsternis schwer zu bekämpfen, weil sie eine schwere Grundkrankheit der Seele ist; aber mit der Wahrheit, die aus der Liebe wie das Licht aus der Flamme hervorgeht, kann man die Lüge und Finsternis leicht besiegen. So du aber des Lichtes benötigst, um ein finsteres Gemach zu erleuchten, wird dich da jemand als weise preisen, wenn du sogleich das Gemach in Flammen setzest und es dadurch zerstörst? Darum soll Mein Wort und Meine Lehre nicht mit dem Schwerte weiter verbreitet werden. Und ein Unduldsamer wird für seinen Eifer keinen Segen von Mir überkommen, sondern selber in die größte Finsternis hinausgestoßen werden."

Allen Streitgeistern auf dem Glaubensgebiet möge auch gesagt sein, dass die Echtheit, d.h. der göttliche Feingehalt und der Wert einer Religion, Konfession oder Sektenlehre vor Gott sich lediglich nach dem Gehalt an wahrer Gottes- und Nächstenliebe bestimmt.

Vom Priestertum

Ein Hauptträger religiösen Gewaltgeistes ist nicht selten der Priesterstand.

Dass und warum in der wahren Kirche Christi ein beamtetes und besoldetes Priestertum nicht erforderlich ist, wurde schon oben in den Worten des Herrn angedeutet: "Ein jeder Mensch, der Gott erkennt und Ihn über alles liebt und seinen Willen tut, ist ein wahrer und rechter Priester und dadurch auch ein rechter Lehrer, so er seinen Nebenmenschen (durch Wort und Beispiel) die von Gott empfangene Lehre gibt."

Freilich sollen zur Verkündung des Gotteswortes und zur Pflege des göttlichen Liebegeistes dennoch allezeit auch "freie und wahre Lehrer" in einer Gemeinde sein. Es gilt für sie heute noch, was der Herr im "Großen Evangelium" dem römischen Kriegsveteran Markus auseinandersetzt:

"So du der guten Meinung bist, dass die Menschen am Sabbat sich an einen Orte versammeln sollen, um da über Gott und seinen Willen von neuem unterrichtet und an Ihn wohl erinnert zu werden, da soll das auch statthaben. Aber darauf hat dann der Lehrer ja auch sechs Arbeitstage! Wenn er einmal im Geiste geweckt ist, so braucht er die sechs Tage nicht nur damit zuzubringen, sich für den kommenden Sabbat mühsam vorzubereiten, was er der Gemeinde vortragen wird. Denn wer aus dem Geiste Gottes redet, dem wird das, was er zu reden hat, im Augenblick in sein Herz und auf seine Zunge gelegt werden. Wenn das aber nach Meiner Verheißung sicher geschehen wird, wie es auch allzeit zu den Zeiten der Urväter und der Propheten geschah, so meine Ich, dass es an den sechs Arbeitstagen auch für den Gemeinderabbi eben nicht unnütz wäre, so er als ein Muster für seine Gemeinde auch irgendeine nützliche Handarbeit verrichten möchte und sich dadurch sein tägliches Brot verdiente. Dies, damit er den Gliedern der Gemeinde nicht um alles zu kommen genötigt wäre und diese ihn dann sicher um so mehr achtete und ihm nachstrebte, weil sie in seiner Selbsterhaltung den schönsten Beweis seiner Uneigennützigkeit und Liebe für die Gemeinde vor Augen hätte. Ich meine, dass dies um sehr vieles besser wäre, als — den gegenwärtigen Templern gleich — die sechs Arbeitstage mit völligem Nichtstun zu vergeuden und statt einer nützlichen Beschäftigung sich für den ewigen Tod zu mästen.

Etwas anderes ist es jetzt für die Wanderboten, die Ich nun in alle Welt aussende, um das Evangelium allen Völkern der Erde zu predigen. Diese Meine ersten Boten haben weder Zeit noch Gelegenheit, sich mit den Händen ihr Brot zu erwerben. Darum heißt es für sie auch: ‚Esset und trinket, was euch aufgesetzt wird!' Und weiter: 'Sorget euch nicht für den kommenden Tag, was ihr essen und trinken und womit ihr den Leib bekleiden werdet, sondern suchet vor allem nur das Reich und seine Gerechtigkeit unter den Völkern mit allem Fleiße und Eifer auszubreiten, so wird euch alles andere wie von selbst zufallen. Denn der Vater im Himmel weiß, wessen ihr bedürfet!' — Aber wie gesagt, das gilt nur für die von Mir nun in alle Welt Ausgesandten. Wo aber einmal feste und stehende Gemeinden in Meinem Namen bestehen werden, da soll Meine früher ausgesprochene Meinung (für die ständigen Leiter und Lehrer) zur Geltung kommen!"

Gemeindeleiter

Einer Leitung bedarf natürlich jede geistige Gemeinde.

In "Robert Blum" (Kap. 18) lesen wir: "Das musst du gewiss einsehen, dass keine menschliche Gesellschaft ohne Leiter bestehen kann und es daher nötig ist, den Menschen die Notwendigkeit zu zeigen, diesen Leitern zu gehorchen. Oder bist du wohl der Meinung, dass auf Erden große menschliche Gesellschaften ohne alle Leitung bestehen könnten? Siehe, das wäre die größte Unmöglichkeit und wider die natürliche Ordnung aller irdischen Dinge."

Somit muss denn auch jede Gemeinschaft, die zum Zweck der lebendigen Auswirkung des von Gott geoffenbarten Lichtes sich zusammenfindet, einen Vorsteher oder Leiter bestimmen. Und so belehrt der Herr im "Großen Evangelium" (Bd. 8, 23, 14) die Apostel bei der Aussendung:

"Wo und wann ihr irgendeine Gemeinde bekehrt, geheilt und in Meinem Namen gefestigt habt, da stellet aus ihrer Mitte den kundigsten Mitbürger zu einem freundlichen Hüter über die Gemeinde und erteilet ihm (durch Handauflegung) die Gabe des Heiligen Geistes, auf dass er ein wahrer Wohltäter der ihm anvertrauten Gemeinde werden kann. Aber bindet ihn nicht mit einem Mussgesetz, was er gegen die Glieder der Gemeinde zu beachten haben soll.

Obwohl ein solcher Hüter von euch bestellt wird in Meinem Namen, so soll er dennoch darum keinen irdischen Vorrang haben. Sondern er soll sein, gleich euch, ein demütigster und gleichsam geringster Diener der ihm anvertrauten Brüder und Schwestern und soll sich von ihnen nicht ehren oder für seine ihnen geleisteten Dienste gar belohnen lassen. Denn was er umsonst erhalten hat, das soll er in aller Liebe zu seinen schwächer begabten Brüdern und Schwestern umsonst wieder geben. Doch was ihm die freie Liebe seiner Gemeinde bieten wird, das soll er auch annehmen, gleich wie Ich solches auch euch gestattet habe."

Welche Eigenschaften von einem solchen Vorsteher gefordert werden müssen, ist eindringlich in der "Haushaltung Gottes" (Bd. 2, 10 und 11) hervorgehoben anlässlich der Aussendung Kisehels an der Spitze der ersten Tieflandmission. Dort heißt es z.B.: Wie aber Ich eure Kinder zu leiten nun lehre, so sollt auch ihr aus eurer Mitte zu Leitern erwählen, deren Herz ihr voll der wahren Demut findet. Aber ja etwa keinen, der danach strebt und mehr und größer sein möchte als alle seine Brüder anstatt der Geringste unter ihnen. Auch den nicht, der sich scheinbar zu allergeringst stellt, um erwählt zu werden. Denn einen Kriecher sollet ihr so lange eures Landes verweisen, bis er mit Meinem Zeugnis im Herzen zu euch zurückkehrt und euch redlich bittet um die Aufnahme als geringsten Knecht in eurem Lande. Denn in der wahren Demut besteht die eigentliche, allerhöchste Freiheit des Lebens, aber auch die große Vollkommenheit desselben. Und ihr brauchet daher nicht so sehr einen Führer in der Weisheit oder in der Gewalt, als vielmehr einen Führer in der beständigen Demut.

Gemeindeordnung

Über die Stellung, die nach dem Willen des Herrn einem Vorsteher der Gemeinde einzuräumen ist, gibt der Herr in der bereits angeführten Rede an die Apostel (GEJ 08, 23, 14) seinen Rat und Willen kund in dem inhaltsreichen Satz: "Aber bindet ihn nicht mit einem Mussgesetz, was er gegen die Glieder der Gemeinde zu beachten haben soll."

Mit anderen Worten: Dem Vorsteher soll vertrauensvoll eine volle, nur von der Stimme Gottes in seinem Herzen geleitete Handlungsfreiheit eingeräumt werden. Dies bedeutet vor allem, dass der Vorsteher nicht auf eine zu kurze Zeit bestimmt werden soll, sonst kann er sich ja in seiner Tätigkeit nicht entfalten und auswirken. Sodann soll ihm auch volle Freiheit in der Führung seiner Geschäfte gewährt werden. Nur durch die Stimme Gottes in seinem Herzen und durch von Gott erleuchtete Berater soll er sich leiten lassen. Denn Gott wird das Herz eines solchen berufenen Vorstehers eher und leichter erleuchten und lenken können als die Herzen einer ganzen Gemeinde. Frei und von keinem Mussgesetz gebunden soll der Vorsteher endlich auch sein hinsichtlich der Auswahl seiner Mitarbeiter und Gehilfen, da er die ihm in das Herz gelegten Gedanken und Entschlüsse in vollkommener Weise ja nur durchführen kann mit tauglichen, von ihm berufenen und ihm vertrauenden Werkzeugen.

Dem Vorsteher und seinen Mitarbeitern und Gehilfen sollen die Gemeindeglieder liebewilligen Gehorsam leisten, solange der Leiter auf dem Boden des göttlichen Willens bleibt. Der Herr sagt dazu in "Robert Blum": "Denn selbst die stumme Natur zeigt, dass eine gewisse "stufenmäßige Unterwürfigkeitsordnung unerlässlich notwendig ist, damit die Schöpfung bestehen und dauernd erhalten werden kann."

Für die Stellung der Leiter, Lehrer und sonstigen Gemeindediener gilt ferner das Wort des Herrn: "Sehet darauf, dass unter euch in der Folge keine Rangstreitigkeiten entstehen! Der Erfahrenste von euch sei der Führer eurer Sache; aber er bilde sich darum nie ein, mehr zu sein, als da ist einer der Geringsten! Damit sei jedoch nicht gesagt, dass die Schwächeren ihm die gebührende Achtung versagen sollen. Er werde geliebt und geachtet, und sein Rat werde von allen befolgt so, als wäre er ein Gesetz. Wehe dem, der sich vergriffe an ihm! Wahrlich, der soll von Mir mit zornigen Augen angesehen werden!

So ihr aber erwählt einen Vorsteher und Leiter eurer Sache, so betet und prüfet, dass nicht einem Unwürdigen das Amt verliehen werde. Denn ein schlechter, unkluger Leiter ist einer Gesellschaft das, was ein schlechter Hirte ist seiner Herde. So er den Wolf kommen sieht, ergreift er zuerst die Flucht und überlässt die Schafe dem Wolfe, oder er wird am Ende selbst zu einem Wolf und Würger seiner Lämmer." (GEJ 02, 150, 4 ff.)

Von Tempeln und wahren Gotteshäusern

Im einstigen "Friedensreiche" wird, wie in der Offenbarung des Johannes (21, 22) gesagt wird, kein Tempel mehr sein, weil Gott der Herr und Vater in Jesus "der Menschen alleiniger Tempel sein wird". Und da auch schon für die Zeit des "Neuen Bundes" durch den Mund des ersten Blutzeugen Stephanus ausgesprochen (Apg. 7, 48) und durch Paulus vor den Athenern feierlich wiederholt ist:

"Gott, der die Welt gemacht hat, wohnt nicht in Tempeln, von Menschenhand gemacht" — ist klar, dass auch in den Schriften der Neuoffenbarung durch Jakob Lorber das Errichten voll Tempeln und die Gottesverehrung in derartigen Prunkbauten als töricht und zwecklos erklärt wird.

"Ihr sollt Mir keine Tempel von Holz, Steinen und von Gold und Silber erbauen und Mich darin ehren durch allerlei eitle, nichtige Zeremonie, an der Ich nie ein Wohlgefallen hatte und nie haben werde. Der rechte Tempel, in dem ihr Mich ehren sollet, sei euer Mich liebendes Herz! Wer Mir im Herzen durch die Werke der Liebe zu Mir und zu seinem Nächsten opfern wird, dessen Opferung wird bei Mir allein einen Wert haben und Ich werde ihn belohnen mit dem ewigen und seligsten Leben in Meinen Himmeln."

"Wollt ihr aber schon ein sogenanntes 'Gotteshaus' bauen, da erbauet Kranken- und Versorgungshäuser für eure armen Brüder und Schwestern. Darin dienet ihnen mit allem, was sie benötigen, so werdet ihr den wahrsten Gottesdienst verrichten, an dem der Vater im Himmel ein großes Wohlgefallen haben wird. An solchem echten und allein wahren Gottesdienst wird die Welt erkennen, dass ihr wahrhaft Meine Jünger seid." (GEJ 01, 202, 12 ff.; Bd. 1, 49, 10-14)

Schul- und Versammlungshäuser

Häuser und Räume für Unterricht, Belehrung und Erbauung der Jugend und der Erwachsenen dagegen sind natürlich ein berechtigtes Bedürfnis, dem der Gemeinschaftsgeist in weiser, tatkräftiger Liebe nach Möglichkeit nachzukommen hat. So spricht im "Großen Evangelium" der Herr:

"Für die Kinder mag die Gemeinde ein eigenes Schulhaus errichten und es mit einem oder mehreren erfahrenen und sittsamen Lehrern versehen, die der Jugend das Lesen, Rechnen und andere nützliche Kenntnisse beizubringen haben. Und der Gemeinderabbi wird gut tun, wenn er solch eine Schule zu öfteren Malen besucht, Lehrer und Schüler zum Fleiß und Eifer ermuntert und ihnen von Zeit zu Zeit gute Lehren gibt in Meinem Namen. Was er aber da zu reden haben wird, dafür wird schon von Mir aus gesorgt werden.

Und so ist es auch recht, so eine stehende Gemeinde sich nebst dem Schulhause für Kinder ein Versammlungshaus errichtet, in dem sie sich von Zeit zu Zeit in Meinem Namen versammeln kann. Aber es soll in einem solchen Hause dann nicht nur der bestellte Gemeinderabbi das Recht zu reden und zu predigen haben, sondern ein jedes Gemeindemitglied, so es von Meinem Geiste dazu ermuntert worden ist. Und es soll in einem solchen Hause nicht nur von der Schrift, von den Propheten und von Mir gepredigt werden, sondern auch von anderen Dingen zur tieferen und wahren Erkenntnis Gottes und zur Belebung der Liebe zu Gott und dem Nächsten. Und da soll der reden, der von Meinem Geiste dazu ermuntert wird, und die Gemeinde samt ihrem Gemeinderabbi soll ihn hören. So sie das tun wird an was immer für einem Tage, da wird sie auch eine wahre Sabbatheiligung begehen." (GEJ 08, 90, 1 ff.)

Versammlungsordnung und rechtes Predigen

Dass bei einer Versammlung von Gotteskindern alles in weiser und liebevoller Ordnung zugehen muss, hat schon Paulus den lebhaften und etwas zanksüchtigen Korinthern ans Herz gelegt. Er regelte das Zungenreden (das mediale Geistreden) das Prüfen und Auslegen und schloss mit der Mahnung: "Lasset alles mit Anstand und in Ordnung zugehen!" (1. Kor. 14, 26-40)

Diese Ratschläge haben auch heute noch ihre Bedeutung, besonders in Versammlungen, in welchen unter dem unmittelbaren Einfluss der geistigen Welt (medial) geredet wird. Aus der Geisterwelt drängen sich gar oft zügellose Wesen heran, die in gewalttätigem Sinne die Versammlung zu stören oder die Anwesenden in ihren verderblichen Bann zu ziehen trachten. Es gilt hier zwar: "Den Geist dämpfet nicht, die geistige Rede verachtet nicht" — aber auch: "Prüfet alles und nur das Gute glaubet und behaltet!" (1. Thess. 5, 19 ff.) Oder wie Johannes schreibt: "Ihr Lieben, glaubet nicht einem jeglichen Geist, sondern prüfet die Geister, ob sie von Gott sind!" (1. Joh. 4, 1)

Über die rechte Art der Predigt sagt der Herr im "Großen Evangelium":

"Wer da predigt zur Heilung der Seelen, der führe wohl ein vernehmliches, aber dabei dennoch sanftes Wort und schreie nicht wie ein Rasender, der vor Wut und Grimm schäumt. Denn ein solcher Mensch bessert niemand mit seinem wilden Geschrei. Er macht, dass ihn die Zuhörer verspotten und verlachen oder am Ende gar mit Fäusten aus der Gemeinde stoßen.

So rede auch niemand zu seinem Bruder ein versöhnliches Wort, so er in der eigenen Brust noch den Stachel des Ärgers fühlt. Denn dadurch wird der Bruder nicht zur Versöhnlichkeit umgewandelt, sondern noch mehr zum Gegenteil gereizt und der vorgestellte gute Zweck in den Hintergrund gedrängt.

Ja, ihr sollt bei der Verbreitung Meiner Lehre stets ein freundliches Gesicht machen! Denn mit Meiner Lehre kommet ihr ja mit einer freudereichsten Kunde zu den Menschen und müsset sie ihnen denn auch mit der freundlichsten Gebärde verkünden!" (GEJ 04, 39, 5-7)

Vom Reden der Frauen in der Versammlung

Eine bemerkenswerte Aufklärung gibt der Herr in dem Lorberwerk "Robert Blum" auch über das Reden der Frauen in der Versammlung. — Dort sträubt sich eine zum Reden aufgeforderte weibliche Seele unter Berufung auf die Worte des Paulus im 1. Korintherbrief (14, 34 ff.). Ihr erwidert der Herr, Paulus selbst habe im 16. Kapitel des Briefes an die Römer verschiedene Schwestern der Gemeinde von Kenchrea mit Namen herzlich gegrüßt, und fährt dann fort:

"Siehe, solchen Frauen hat Paulus kein Redeverbot in der Gemeinde auferlegt, sondern nur solchen, die da aus einer Art Hochmut in der Gemeinde Sitz und Stimme haben und, ohne Meinen Geist zu besitzen und zu begreifen, dennoch reden wollen, als wüssten sie, was die aus Meinem Geiste Wiedergeborenen wissen! — So ein Weib wahrhaft Meines Geistes voll ward, der im Mann wie im Weib stets derselbe ist, kann und muss sie sogar reden, was und wie es der Geist von ihr verlangt. — Meine Apostel waren die erste und somit vorzüglichste christliche Gemeinde in der Welt, weil sie unmittelbar von Mir selbst gestiftet war. Als Ich am dritten Tage wieder aus dem Grabe erstand, wen wohl sandte Ich zu den Brüdern hin, ihnen Meine Auferstehung zu verkünden? Siehe, Ich sandte ein Weib! — Nun, wenn das Gebot Pauli auch bei Gott wohlgefälligen Weibern in Anwendung kommen sollte, wie hätte sich dann eine Magdalena unterstehen können, an Meine ersten Apostel selbst einen Apostel zu machen? — Zudem habe Ich auch einmal den Sadduzäern gezeigt, dass im Himmelreich alle irdischen Unterschiede aufhören, so auch die irdischen Geschlechtsrechte. Alle sind den Engeln Gottes gleich und genießen das eine Recht, nämlich Kinder Gottes zu sein." (RB 01, 84, 6)

Die Kirche der Zukunft

Durch die im Vorstehenden kurz erörterten Lehren der Neuoffenbarung (die in Wahrheit auch die rechtverstandenen Lehren der Bibel sind) wird, wenn sie von den Menschen befolgt werden, ein ganz neues Gemeinschaftsleben angebahnt, das man die "Kirche der Zukunft" nennen kann. Sein Bild und seine Grundzüge fasste der Herr im "Großen Evangelium" in die Worte zusammen:

"Ich gebe euch hiermit eine Gottes- und Lebenslehre, die von jeder Zeremonie so ferne ist wie ein Himmelspol vom andern. Da bedarf es keines Sabbats, keines Tempels, keines Bethauses, keiner Faste, keines eigenen Aaronstabes und -rockes, keiner zweihornigen Kopfbedeckung, keiner Bundeslade, keines Rauchfasses, keines gebenedeiten und noch weniger eines verfluchten Wassers. — In dieser Lehre ist der Mensch in sich alles in allem und braucht (nebst der Liebe und Gnade Gottes) nichts als nur sich selbst.

Denn in dieser Meiner neuen Lehre ist der Mensch wie auf einem Punkt vollkommen in sich und mit sich (d.h. mit seinem göttlichen Geistfunken) vereinigt, so wie auch Ich selbst mit Meiner urewigen und unendlichen Gottheit hier auf einem Punkt vereinigt vor euch stehe und selbst zu euch sage, dass von jetzt an das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit nicht mehr im Tempel zu Jerusalem oder auf dem Berge Garizini zu suchen und dort Gott anzubeten sein wird, sondern Gottesdienst wird man überall halten können, wo ein Mensch ist!

Des Menschen Herz wird sein der lebendige Tempel des wahren, einigen und einzigen Gottes. Und die werktätige Liebe wird sein der allein wahre Gottesdienst. Und die Liebe zu Gott wird die allein wahre Anbetung Gottes sein! Da aber weder eine wahre Liebe zu Gott ohne die werktätige Nächstenliebe und diese nicht ohne die wahre Liebe zu Gott denkbar ist, so sind diese beiden Liebearten im Grunde des Grundes auch nur eine Liebe und somit eine und dieselbe Anbetung Gottes.

Wer das in sich hat, der hat alles Gesetz und alles Prophetentum in seinem Herzen vereint und hat darum weiter durchaus nichts irgend mehr vonnöten." (GEJ 05, 132, 1-5)






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Kapitel 57
Neuoffenbarung und Kirche

Die Mängel in den Lehren und Gebräuchen der christlichen Kirchen, die im Lichte der Neuoffenbarung so stark ins Auge fallen, machen es vielen Freunden des Lorberwerks zur ernsten Gewissensfrage, wie sie sich zu diesen Glaubensgemeinschaften verhalten sollen. Sind die Missstände der Kirchen, denen sie bisher vielleicht angehörten oder in deren Schoße ihre lieben Nächsten sich wohlfühlen, schonungslos durch Austritt zu bekämpfen oder sind andere Mittel und Wege der Abhilfe vorhanden?

Diese Frage ist durch die Freidenker- oder Gottlosenbewegung unserer Tage wieder in manchen Herzen brennend geworden. Und so mögen hier zur Beleuchtung die wichtigsten Aufschlüsse zusammengestellt werden, durch welche in den Schriften der Neuoffenbarung vom Herrn selbst einem jeden hinreichende Winke gegeben werden, um die rechte Stellung zu finden.

Grundgedanken

Im Plan der Schöpfung geht alles entwicklungsweise und stufenmäßig vor sich — insbesondere auch die geistige Reifung der Menschen und Völker. Jede einzelne Seele macht unendlich langwierige Schulungswege durch, bis sie endlich zur Reife gelangt und fähig wird, ein höheres und immer höheres Erkenntnislicht aufzunehmen.

Deshalb bietet auch unser himmlischer Vater das geistige Wahrheitslicht den Menschen und Völkern in sehr verschiedener Gestalt und Tiefe und mit unterschiedlichem Feingehalt dar. Und das Gipfellicht der Neuoffenbarung, das rein geistig, frei von Dogmen und Zeremonien, ganz auf die Demut und Liebe des Herzens gerichtet ist, können auch heute nur wohlvorbereitete Seelen fassen, die meist schon auf Erden oder einen lichten Stern ein erfahrungsreiches Vorleben hatten. Den "Sternenseelen" ist das Geisteslicht eine selige, heimatliche Rückerinnerung, die sie mit Wonne und Begierde und voller Entschiedenheit aufnehmen, sobald sie ihm durch die weisen Führungen des himmlischen Seelenbildners begegnen dürfen.

Anders geht es mit der großen Masse derjenigen Menschen, deren Seele ganz vorwiegend aus Elementen dieser Erde stammt1 den sogenannten Erdenseelen. Diese benötigen die ewige Wahrheit in mehr äußerlichen, sozusagen derberen und greifbareren Formen. Und da nach Lorber unter hundert Menschen nur eine oder zwei Sternenseelen sich finden, die übrigen aber Erdseelen sind, so haben auch heute noch die Kirchen mit ihren äußerlichen Glaubenslehren und Heilsgebräuchen — obwohl sie für den geweckten Geistmenschen etwas Überwundenes sind — ihre unverkennbare Bedeutung als geistige Vorbereitung für die Masse des Volkes.

Beispiele gottgewollten Verhaltens

Darum hat sich auch Jesus selbst, trotz aller Missstände des Tempels, der zu seiner Zeit eine "Mördergrube" voll "Otterngezüchts" war und in dessen Bundeslade Gott längst nicht mehr "wohnte" — nicht von dieser alten Kirche losgesagt, sondern manche der Gebräuche (Passahmahl, Tempelbesuch) mitgemacht oder von seinen Angehörigen vornehmen lassen (Beschneidung, Reinigungsopfer der Maria). — Auch haben die Urchristen, wie wir aus der Apostelgeschichte ersehen, sich auch nach dem Tode des Herrn noch lange in der Salomonshalle im Tempel versammelt (Apg. 5, 12) und dort gebetet (Apg. 3, 1), obwohl von der verblendeten Priesterschaft auf Golgatha der größte aller Frevel begangen worden war.

Endlich bietet auch der große Prophet der Neuoffenbarung, Jakob Lorber, ein lehrreiches Beispiel. Obwohl die katholische Kirche zu seiner Zeit einen viel stärkeren Geistesdruck ausübte als heute, ist dieser vorbildliche Christ nicht (wie damals viele Freidenker taten) aus seiner Mutterkirche ausgetreten. Wir lesen in seiner Lebensbeschreibung von K. G. Leitner (5. 20 ff.) über Lorbers Heimgang u.a.:

"Man schickte nun eilends in die nächste Pfarrei, worauf bald ein Priester am Schmerzenslager des schwer Leidenden erschien. Da dieser aber bereits teilnahmslos da lag, fragte der Geistliche eine zur Pflege anwesende Anverwandte, ob Lorber wohl die Kirche besucht habe. Diese erwiderte darauf, dass dies wohl ohnehin bekannt sein müsse, da Lorber ja bei Hochämtern sogar oft auf dem Musikchore uneigennützig mitgewirkt habe. Hierauf fragte der Geistliche die Verwandte noch ernstlich, ob sie es auf ihr Gewissen nehme, wenn er den Sterbenden mit den Sakramenten versehe. Nachdem sie dies unbedenklich bejaht hatte, verrichtete der Priester ohne weiteren Anstand sein kirchliches Amt und entfernte sich dann wieder."

Verhältnis der Zeremonienkirche zur Geistkirche

Diesen gewichtigen Beispielen entsprechen auch — bei aller Schärfe und Klarheit berechtigter Kritik — die verständnisvollen Hinweise in den Schriften der Neuoffenbarung. So wird in dem Schriftchen "Der Weg zur Wiedergeburt" über das Verhältnis der Zeremonienkirche zur reinen Geisteskirche gesagt:

"Wie ihr einen Leib habt, durch den die ersten Eindrücke zur Seele gelangen und diese nähren, so muss es auch eine geistige Speisekammer (für die ersten Glaubenseindrücke) geben, welche die äußere Kirche ist. Wer nun den Mutterleib zu früh verlässt, was kann aus einem solchen werden? — Gehorsam und Demut sind die Nahrung zur Wiedergeburt des Geistes. So euch aber die römische Kirche solches lehrt, was treibt euch dann weg von eurer Glaubensmutter? Was aber die Zeremonien in ihr betrifft, so ist für den Lebendigen alles lebendig, für den Reinen alles rein, dem Gehorsamen alles recht und dem Demütigen alles heilig.

Darum folget eurer Kirche in ihrem (äußeren) Begehren, und lasset eure Herzen von Mir ziehen! Dann werdet ihr sehr bald zum Leben der Gnade und dadurch zur Wiedergeburt des Geistes gelangen und eure äußere Kirche beleben.

Denn wie ein Baum wächst, Äste und Zweige treibt, dann Knospen, Blätter, Blüten und in letzteren weibliche und männliche Organe, und wie solches mit der Zeit als nutzlos alles wegfällt, damit die Frucht frei und wirksam werde in aller Kraft ihrer geordneten Wesenheit — ebenso ist es mit der zeremoniellen (oder äußeren) Kirche der Fall. Jene vegetativen Vorgänge beim Baume sind gleich der toten Zeremonie in der Kirche. Aber müsst ihr nicht sagen, sie sind (in gewissem rechten Maße) der Ordnung wegen doch notwendig? Denn wenn die Bäume blütenleer stehen, wird wenig Frucht zum Vorschein kommen.

Die jüdische Kirche z.B. war eine vorbildende, rein zeremonielle — als Blatt und Blüte zur lebendigen Frucht des Wortes der ewigen Liebe. Nun frage Ich: War sie nicht recht, wenn sie war, wie sie (nach den geistigen Wachstumsgesetzen der Menschheit) hat sein müssen? Wenn euch Kinder gegeben werden, womit könnt oder wollt ihr sie Mich und Meinen besser erkennen lehren als eben mit Hilfe der zeremoniellen Anschauung? Und seht, ihr alle seid anfangs noch nichts als Juden und Kinder und bedürft daher sehr wohl, solange ihr das seid, kirchlicher Zeremonie. Nur hat es selbstverständlich nicht bei derselben zu verbleiben! Sondern wer die Elementarklasse durchgemacht hat, der trete in eine höhere Klasse und lerne da lesen und schreiben und endlich rechnen in Meiner Liebe und handeln in der Gnade Meiner Weisheit. Und wessen Herz hebend rein geworden ist, der komme dann in Meine Schule (des lebendigen inneren Worts), in der er erst voll zum ewigen Leben gelangen wird durch die Wiedergeburt. Wer aber, sein Inneres nicht beachtend, an der Zeremonie hängenbleibt, die an sich tot ist, der wird selbst tot werden, da er so dumm und finster war, in äußeren Mitteln den Zweck zu suchen.

Daher, so ihr wollt wahre Kinder Meiner Liebe und Gnade werden, so lasset euch nicht von der Blüte ärgern, sondern denket an die Frucht! Ist aber jemand zur Frucht gediehen, so fehlt er nicht, wenn er sich öfter umsieht und das Werden seines geistigen Lebens wohlachtend durchgeht. Dagegen ist Mir der nicht angenehm, der, seine Kinderschuhe verachtend, sich gleich einem Geier stolz erhebt und von schwindelnden Höhen mörderisch die bescheidenen Taubenhäuser anblickt und gierig auf deren Fall hinsieht, um dadurch etwas zu gewinnen."

Vom Besuch des kirchlichen Gottesdienstes

Die Frage, ob ein zum Lichte der Neuoffenbarung gereiftes Gotteskind auch noch den kirchlichen Gottesdienst besuchen oder nur den inneren Herzensverkehr mit dem himmlischen Vater als allein wahren Gottesdienst pflegen soll, beantwortet der Herr in "Erde und Mond" (Kap. 66 und 73) mit den Worten:

"Wen der Gottesdienst (der Kirchen) ärgert, der bleibe draußen; denn bei den Ohren wird niemand hineingezogen. Und wäre auch letzteres der Fall, so wird es niemand schaden, wenn er hineingeht. Denn besser ist es doch noch immer, sich in einem Bethause zu befinden und eine Andacht zu verrichten, als an den allgemeinen Fest- und Feiertagen in ein Spielhaus zu gehen oder wucherische Geschäfte zu machen und dergleichen. Neben den Zeremonien werden ja auch noch Predigten gehalten, vor welchen doch wenigstens einige Verse des Evangeliums vorgelesen werden. Will schon jemandem die Predigt nicht munden, der bleibe bei den Versen aus dem Evangelium, und er wird da so viel herausnehmen können, dass er daran hinreichend haben wird, das ewige Leben zu erlangen, wenn er nur den wenigen Versen richtig Folge leistet. So sich aber jemand aus bloßem Hass gegen ein solches Götzentum von der Kirche losmacht, ergreift aber dafür nichts Besseres, sondern gewöhnlich nur Schlechteres — wird ihm das wohl nützen? Ich meine kaum.

Der Tempel zu Jerusalem war bei Meinen Lebzeiten auf Erden völlig ein Götzentempel. Von einem Hause Gottes war sicher keine Rede mehr. Aber Ich als Jehova untersagte es niemanden, den Tempel zu besuchen und seine Gabe zu opfern. Und Ich selbst ging zu öfteren Malen hin und lehrte dort und ließ auch der Ehebrecherin darin ihre Schuld nach. Auch Meine Schüler haben nie ein Verbot erhalten, den Tempel zu besuchen. Warum sollte sich nun hier jemand ärgern, in ein Bethaus zu gehen? Denn geht er wahrhaft in Meinem Namen hinein, so bin ja Ich bei ihm und gehe mit ihm; und so wir darinnen sind, wird uns wohl niemand hinauswerfen. Solange Ich es darin aushalte, wird es wohl auch der aushalten können, mit dem Ich darinnen bin!

Wer recht leben will, der kann es in jeder Kirche; denn eine Hauptregel ist: 'Prüfet alles und das Gute davon behaltet!' — Ich sage zu niemandem: Werde ein Katholik oder ein Protestant oder ein Griechischkatholischer, sondern: was einer ist, das bleibe er, wenn er will. Sei er aber, was er wolle, so sei er ein werktätiger Christ, und das im Geiste und in der Wahrheit! Denn Mein Reich ist ein Reich der höchsten Tatkraft. Ich bin nicht wie ein Patriarch und nicht wie ein Papst und nicht wie ein Generalsuperintendent, sondern Ich bin wie ein überaus guter und gerechtester Vater allen Meinen Kindern und habe nur Freude daran, wenn sie tätig sind und wetteifern in der Liebe — nicht aber daran, dass sie einander Narren schelten und ein jeder von ihnen der weiseste und unfehlbarste sein will."

Heilung — nicht Vernichtung

Dieser, wenn auch kritische, so doch besonnene Standpunkt der Geduld wurde den Jüngern des neuen Gotteswortes durch Jakob Lorber noch in einer besonderen Kundgabe bezüglich der römischen, in so manche Äußerlichkeit verstrickten Kirche nachdrücklich empfohlen. In dieser Ermahnung heißt es unter anderem:

"Ist es wohl löblich, wenn Kinder ihre kranke Mutter verlassen und der Leidenden den Tod wünschen ihrer vielen Gebrechen halber? … Wie kommt es denn, dass ihr (über die römische Kirche) rufet: 'Herr, lasse Blitz und Schwefel regnen auf ihr krankes Haupt!'? Hört, da schaut noch ganz wenig wahre Liebe heraus! — Meint ihr denn, Vernichtung sei der Weg zur Besserung? O nein, da irrt ihr euch gar abscheulich. So meinten auch alle Sektenstifter; aber sie haben sich ebenfalls sehr geirrt und die Folge war Bruderzwist, Krieg, Mord und Gräuel aller Art! War eine solche Besserung gesegnet? Oder kann da eine Sekte sagen: Meine Lehre ist nicht mit dem Blute der Brüder besiegelt?

Sehet, sie, die Römerin, ist dasjenige ehebrecherische Weib, welches da hätte gesteinigt werden sollen. Ich aber sage euch hier: 'Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie!' — Wieder ist sie das kanaanitische Weib und hat einen großen Glauben und viel Liebe. — Wieder ist sie das Weib, das da zwölf Jahre am Blutgang litt und Mir aus Meinem Kleide die Heilung stahl und genaß, da sie viel Glauben und Liebe hatte. — Und wieder ist sie gleich der großen Hure und hernach Büßerin Magdalena, die da Meine Füße salbte. — Unter allen diesen Gestalten kann die römische Kirche auftreten.

Zu euch aber sage Ich, da ihr in ihr geboren und getauft wurdet, daher sollet ihr auch nicht Vernichtung, sondern Heilung ihr wünschen. Ich gebe euch den Balsam und heile in euch das Erbübel. So ihr nun lebet nach den gegebenen Regeln, wird euch die Kirche achten. Und so sie an euch erfahren wird Wunderdinge, so wird sie selbst nach dem Balsam verlangen und wird im stillen viele ihrer Wunden heilen. So ihr aber wollt abtrünnig werden, so wird wenig Segen an eure Brüder gelangen!

Lebet, wie Ich euch gezeigt habe, dann wird euch auch nie eine Untersuchung Meinetwegen treffen! Denn Ich werde euch beschützen und Mein Werk wird ungehindert seine Kraft offenbaren wie ein großer Magnet, der alles an sich ziehen wird."

Schlussfolgerung für heute

Das Beispiel des Herrn und seine Lehren in den Schriften der Neuoffenbarung führen uns also den Kirchen und ähnlichen Glaubensgemeinschaften gegenüber zu einem klaren Standpunkt, der auch in der heutigen stürmischen Entscheidungszeit gilt. Und die eingangs gestellte Gewissensfrage wird sich jeder Freund der Neuoffenbarung nach seiner eigenen Erkenntnis nun selbst beantworten können.

Eine allgemeine Losung zum Austritt aus den alten Glaubensverbänden liegt ohne Zweifel nicht im Sinne unseres himmlischen Seelenhirten. Wir mögen und müssen zwar, wo es nottut und zum Guten dient, den Mängeln der Einrichtungen, Lehren und Gebräuche mit Offenheit und Klarheit entgegentreten; aber nicht in gehässiger, bösartiger Weise, sondern im Geiste ernster Bruderliebe. Denn "nicht Vernichtung, sondern Heilung" sollen wir den alten Glaubensgemeinschaften wünschen. Und so wird es für die Freunde der Neuoffenbarung nur dort, wo man sie anfeindet und verfolgt, angezeigt sein, sich zurückzuziehen.

Wo sich Seelen finden, die für den Fortschritt zu der reinen, freien Geist- und Liebeslehre gereift sind, da werden wir es als unser Recht und unsere Pflicht betrachten, die Brüder und Schwestern im Geiste auf diese höhere Stufe hinanzuführen und uns mit ihnen zu einem geistigen Geschwisterkreis zwecks besonderer Pflege des neuen Gotteswortes zusammenzuschließen. Aber unser geistiger Besitz und Zusammenschluss soll uns stets die Vorstufen verständigen Herzens beachten und bewerten lassen — als Wege zu Gott und als geistige Vorbereitung für viele, für das Licht der Neuoffenbarung noch nicht gereifter Seelen.






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Kapitel 58
Arbeit im Weinberg

Das heutige Geschlecht lebt in einer der größten Umwälzungen der Weltgeschichte. Viele empfinden es als ein Unglückslos. In Wahrheit ist es ein großer Vorzug, die Schule des Erdenlebens gerade in einer solchen Zeit durchlaufen zu dürfen, da die Wogen so hoch gehen und die Kämpfe so groß sind. Stehen wir doch an der Schwelle des Tausendjährigen Reichs, das durch ein mächtiges Eingreifen des himmlischen Weltenlenkers und durch gewaltige Ströme des Heiligen Geistes nach und nach hinüberleiten soll in das unvergängliche Reich der Liebe, des Lichts und des ewigen Friedens.

Die vom Vater in Jesus ausgehenden Licht- und Lebenskräfte, welche dieses neue, unter dem Himmelszeichen des "Wassermann" (Lebenswasser-Mann) stehende Zeitalter gestalten, werden der Erde im Unsichtbaren zugetragen von den Heeren der seit Christi Auffahrt im Diesseits und Jenseits gereiften Gotteskinder. Die hohe Aufgabe der zu gegenwärtiger Zeit im Fleische Lebenden ist es, die Liebe, das Licht und die Kraft der empfangenen Lebensströme im Sichtbaren auszubreiten und in der ganzen Welt durch Wort und Tat zur Geltung zu bringen.

Blicken wir in diese herrlichen Geheimnisse unserer Zeit hinein, dann wird uns allen klar, wie köstlich, aber auch wie verantwortungsreich unsere Aufgabe im Weinberg des himmlischen Vaters ist und wie ratsam es für jeden von uns erscheint, diese hohe Pflicht nicht zu versäumen. Handelt es sich doch darum, für uns selber und für die ganze Welt den Himmel zu bereiten für Zeit und Ewigkeit! Denn indem wir göttliches Licht und Wesen um die eigene Person verbreiten und auf unsere Umgebung ausstrahlen, wirken wir im entsprechenden Maße für die geistige Umgestaltung der Welt, die schließlich gekrönt werden wird durch die allen fühl- und sichtbare persönliche Wiederkunft des Herrn.

Das hohe Ziel und die allgemeine Aufgabe

Klar und deutlich ist dieses erhabene Ziel vom Herrn selbst vielfach ausgesprochen. So hören wir z.B:

"Wenn diese Meine Lehre unter die Menschen, die eines guten Willens und tätigen Glaubens sind, gebracht sein wird und zum wenigsten ein Drittel der Menschheit davon Kunde hat, dann werde Ich (nach der so bewirkten geistigen Wiederkunft) auch hie und da persönlich und leibhaftig sichtbar zu denen kommen, die Mich am meisten lieben und nach Meiner Wiederkunft die größte Sehnsucht und daran auch den vollen und lebendigen Glauben haben. Und Ich selbst werde aus ihnen Gemeinden bilden, denen keine Macht der Welt mehr Trotz und Widerstand zu bieten vermag. Denn Ich werde ihr Heerführer und ihr ewig unüberwindlicher Held sein. Und so werde Ich die Erde reinigen von ihrem alten Schmutz." (GEJ 09, 94, 6 ff.)

Diesem hohen Ziele entspricht die allgemeine Aufgabe:

"Diese Welt ist Mein Weinberg. Und die Menschen, die Mein Wort hören, an Mich, den wahren Gottessohn, glauben und Meine Gebote halten, sind die edlen Reben, die durch ihre guten Werke Mir viel Frucht bringen. Aber zwischen den edlen Reben gibt es auch gar viele unedle. Diese sollen auch veredelt werden, und dazu benötigt es vieler und kräftiger Arbeiter. Wohl denen, die sich als tüchtige Arbeiter in Meinem Weinberge erweisen werden — und zwar aus Liebe zu Gott und zum Nächsten!" (GEJ 08, 125, 18)

Voraussetzung gesegneter Arbeit

Dass es bei der himmlischen Weinbergsarbeit keine unlauteren Beweggründe geben darf und ein Gottesdiener vor allem in seinem eigenen Innern Licht und Ordnung zu schaffen hat, bevor er in gesegneter Weise wirken kann, ist selbstverständlich. Der Herr spricht:

"Vor allem muss der Prediger für sich selbst in Ordnung sein, bevor er andere lehrt. Denn sonst ist die Lehre hohl und lässt auch den Lehrling hohl. So jemand selbst ein eifriger Befolger dessen ist, was er lehrt, werden auch seine Jünger sich mit Eifer bestreben, so vollkommen zu werden, wie da ihr Meister ist. So aber die Jünger hie und da Unvollkommenheiten an ihrem Meister entdecken, so werden sie bald in ihrem Eifer nachlassen und am Ende sagen: 'Der Meister ist selbst ein Stümper! Was soll aus uns werden?' Und Ich sage euch: Die Jünger werden solch einem Meister bald den Rücken kehren." (GEJ 06, 163, 4-6; Bd. 8, 194, 2)

"Ein jeder vollkommene Lehrer muss daher zuvor von Gott gelehrt sein. Der Vater im Himmel (die reine Liebe) muss ihn ziehen, sonst kann er nicht zur Wahrheit in all ihrer Lichttiefe kommen. Wer aber nicht in diese kommt und dadurch nicht selbst Licht wird, wie soll es dem möglich sein, die Nacht seines Nächsten zu erleuchten? Was die Nacht erleuchten und sie in den Tag umwandeln soll, das muss ein Selbstlicht sein gleich der Sonne. Darum ist ein Lehrer, der nicht von Gott dazu erzogen ist, schlechter als gar kein Lehrer; denn solch ein finsterer Lehrer ist nichts als ein Sack voll schlechter Samenkörner, aus dem das Unkraut des Aberglaubens in die Furchen des Menschenlebens gestreut wird. — Das Lesen, Schreiben und Rechnen können geeignete weltliche Lehrer den Kindern in den Schulhäusern beibringen; aber Mein Evangelium können und dürfen nur solche Lehrer und Boten mit Nutzen und Segen verkünden, welche die zu diesem Amt erforderlichen geistigen Eigenschaften im Vollmaße besitzen." (GEJ 04, 165, 2-5)

"Meinen Dienern sage …"

Volle Selbstlosigkeit des Dieners an der Mitwelt ist dabei selbstverständlich ein Grund- und Haupterfordernis. Gar ernst ist dies im Eingang des grundlegenden Werkes 'Die Haushaltung Gottes', (Bd. 1, 2, 11) ausgesprochen. Dort heißt es:

"Meinen Dienern und Knechten sage: Meine Ämter sind keine Wechselbanken und keine Geldpfründen. Denn wer Mir des Geldes wegen dient, der dient Mir nicht aus Liebe. Wer Mir aber nicht aus Liebe dient, dessen Dienst ist Mir fremd, wie Ich ihm fremd sein muss; mit ihm habe Ich die Rechnung schon geschlossen.

Ich ließ ja zwar durch Meinen lieben Paulus sagen, dass der, der dem Altare dient, auch vom Altar leben soll — aber nur aus den Werken der Liebe, die alles Gute wirkt! Ich selbst bin die Liebe und bin durchgehend um keinen anderen Preis als nur wieder um Liebe zu haben. Durch Liebe habe Ich euch alle erkauft; daher fordere Ich von euch allen wieder Liebe. Und wer Mir dienen will, der diene Mir in der Liebe, in der Ich für ihn am Kreuze gestorben bin."

Und im "Großen Evangelium" sagt der Herr zu den Aposteln: "Darum habt wohl acht, so ihr in Meinem Namen Nachfolger für euch wählen werdet, dass ihr erstens niemanden dazu zwingt und zweitens niemanden annehmt, dem ihr es schon von weitem anseht, dass er aus zeitlichen Interessen in euer Amt treten möchte.

Ihr werdet zwar solches wohl beachten; aber es werden später dennoch solche in Unzahl in euer Amt treten, teils durch äußeren Zwang und teils durch die Aussicht, in eurem Amt eine gute und sorglose Versorgung zu finden. Aber diese werden von Mir alle in das Regiment des Antichrist gezählt werden und ihre Werke werden vor Gott ein Ekelgeruch sein. Wahrlich, Ich sage euch: Alle eure Nachfolger, die nicht von Mir, sondern nur von den Menschen in gewissen Weltschulen zu eurer Amtsnachfolge zubereitet werden, werde Ich nicht ansehen; denn nur der Antichrist wird seine Jünger so qualifizieren." (GEJ 06, 150, 23 ff., Bd. 9, 16, 5-8)

Die rechte Lehre

Wichtige Verhaltensregeln für die Lehrer des Evangeliums gab der Herr in umfassenderer Weise bei der ersten Probeaussendung der zwölf Apostel (GEJ 01, 135-140) und dann bei der späteren Aussendung einer Schar von 70 Jüngern (GEJ 07, 166 ff.). Aber auch sonst finden sich in den Neuoffenbarungen zahlreiche "Missionswinke" bei vielen Gelegenheiten. Von größter Bedeutung ist dabei natürlich vor allem ein rechter Inhalt der Lehre. Darüber sagt der Herr:

"So ihr in Meinem Namen die Menschen bilden wollt, dann lehret sie, worin das Reich Gottes besteht und was ein Mensch zu tun hat, um des Reiches Gottes schon diesseits und noch mehr jenseits teilhaftig zu werden. Habt ihr auf diese Weise die Herzen und Seelen der Menschen geläutert und gereinigt, dann möget ihr ihnen auch die Dinge der Naturwelt erklären, um ihren Verstand auf die Ur-Wahrheit zurückzuführen und ihr Gemüt von allem Aberglauben zu reinigen. Es ist das um so notwendiger, weil ein Mensch, der die von Gott geschaffenen Werke irrwähnig betrachtet, auch Gott niemals richtig erkennen kann, also auch nicht sich selbst und ebensowenig seinen Nächsten. Wo es aber an dieser Erkenntnis gebricht, da wird es auch an der verlangten wahren Liebe zu Gott und desgleichen an der Liebe zum Nächsten gebrechen.

Gott kann der Mensch nur auf dem wahrheitsvollen Wege der Erkenntnis der geschaffenen Dinge und seiner liebevollen und weisesten Ordnung mit den Augen seines Geistes schauen und dann auch über alles lieben. Und wer Gott über alles liebt, der erkennt aus solcher Liebe auch sich und seinen Nächsten und wird in ihm ebenso das Ebenmaß Gottes lieben und achten wie in sich selbst. Darum ist richtig, dass man sorglich dahin arbeiten soll, dass aller Aberglaube von den Menschen weiche. Solange noch ein Fünklein Wahnglauben das menschliche Gemüt belastet, ist der Mensch nicht frei und kann aus diesem Fünklein in viele und grobe Irrtümer verfallen. Nur die völlig reine Wahrheit kann den Menschen auch völlig frei und hier und jenseits vollkommen glücklich und selig machen.

Merket euch aber auch, dass es stets leichter ist, dem Menschen von irgendeiner Sache eine Kunde im Bereich seines Wissens zu verschaffen, als sein Gemüt zu einem festen und zweifellosen Glauben zu bewegen. Darum sollet ihr auf die Gründung des lebendigen Glaubens viel größeres Augenmerk haben als auf ein reines Wissen; denn im Wissen allein ist das Leben nicht, wohl aber im reinen und durch die Werke der Liebe lebendigen Glauben! Das noch so reine Wissen ist ein Ablicht der Dinge und ihrer Ordnung in dieser Welt, die vergänglich ist wie alle Dinge in, auf und über ihr. Aber die Dinge des Glaubens sind ein wahres, unvergängliches Licht aus den Himmeln und ein lebendiges Angehör des Gemüts.

Ich will aber damit nicht sagen, als solltet ihr des lebendigen Glaubens wegen bei den Menschen das, was man reine Wissenschaft nennt, unbeachtet lassen; denn der Mensch kann nicht eher an etwas glauben, als bis er davon eine gute Kunde oder Wissenschaft erhalten hat. Hat der Mensch einmal von einer guten und wahren Sache auch eine reine und verlässliche Kunde und wohldurchprüftes Wissen gewonnen, so soll er sich dann aber nicht mit der Wissenschaft allein begnügen, sondern sie in den lebendigen Glauben aufnehmen und nach den erlangten Erkenntnissen handeln. Tut er das, so wird ihm die reine Wissenschaft auch wahren, lebendigen und unvergänglichen Nutzen bereiten."

Keinen blinden Autoritätsglauben pflegen!

Da durch den wahren Glauben an Gott und seine Liebeordnung der Mensch im tiefsten Grunde seines Herzens von der Selbstliebe zur Gottes- und Nächstenliebe umgewandelt werden soll, und zwar durch überzeugte Erkenntnis und freiesten Willensentschluss, so ist klar, dass ein blinder Autoritäts- oder Zwangsglaube keiner Seele etwas nützen kann, sie vielmehr in unheilvollem Maße unfrei und unselbständig macht.

Daher mahnt der Herr in den Lorberschriften: "Verlanget ja von niemandem einen blinden Glauben, sondern zeiget jedem den Grund! Und sollte er nicht fähig sein, solchen mit seinem Verstand zu erfassen, so lasset es euch der Mühe nicht gereuen, ihn von Stufe zu Stufe hinzuleiten mit aller Liebe und Geduld, bis er fähig wird, eure guten Lehren von Grund aus zu begreifen. Denn mit einem finstern Verstand soll niemand euer Jünger sein in Meinem Namen. Ich gebe euch ein helles Licht und Leben, und ihr sollt darum keine Apostel der Finsternis und des Todes sein. Wer da sucht, der soll finden! Wer da bittet und fragt, dem werde eine rechte Antwort gegeben! Und wer da pocht an die verschlossene Pforte, dem werde sie völlig aufgetan!"

Keinen Zwang und kein Schwert!

Mit großem Nachdruck verwirft der Herr bei der Glaubensausbreitung auch jegliche Nötigung.

"Jeder innere, geistige Zwang ist ein Gericht. Was ein Mensch nicht annimmt und tut mit seinem freiesten Willen und aus seiner völlig eigenen Überzeugung, gereicht ihm nicht zum Leben, sondern nur zum Tode. Soll der Mensch gut und voll des wahren geistigen Lebens werden, so darf er dazu durch gar kein anderes Zwangsmittel genötigt werden als allein durch seinen eigenen, ganz freien und festen Willen. Weder Gesetz, noch Lohn oder Strafe dürfen ihn irgend dazu bestimmen, sondern allein seine innere Überzeugung, sein reines Erkennen und sein freier Wille, der aus der reinen Liebe zu Gott und zu allem Guten und Wahren hervorgehen muss.

Ich sage euch als eine allerlichteste Wahrheit: Gar leicht hätte Ich Mich in der riesenhaftesten Menschengestalt, begleitet von zahllosen Engelscharen und unter Feuer, Blitz, Donner und Sturm zur Erde herablassen und mit bergezertrümmernder Donnerstimme euch das Wort der Gnade verkünden können. Da wäre sicher keiner unter euch gewesen, der in sich nur den geringsten Zweifel hätte aufkommen lassen können. Denn der höchste Schreck und die größte Angst hätten ihn augenblicklich derart geknebelt, dass er nicht eines beschränktesten Gedankens fähig gewesen wäre. Würde das aber jemand zu seiner inneren, wahren Freiwerdung genutzt haben? O mitnichten! Das wäre ein Gericht für jedes Menschen Seele gewesen und eine derartige Gefangennehmung aller Gemüter, dass die Menschenherzen ordentlich zu härtesten Steinen geworden wären.

Seht, darum bin Ich in dieser Niedrigkeit ganz unscheinbar in die Welt gekommen, wie Ich Mich auch durch den Mund der Propheten so angekündigt habe — auf dass keines Menschen Herz gefangen würde und ihr allein durch die segensreiche Macht der Wahrheit Meiner Worte und Lehren Mich hebend erkennen und dann ganz frei euren Lebenswandel einrichten könnt!"

"Mein Reich, das Ich nun auf dieser Erde gründe, ist ein Reich des Friedens und nicht ein Reich der Zwietracht, der Verfolgung und des Krieges. Und so sollt ihr es auch im Frieden unter den Menschen ausbreiten und euch dabei keines Schwertes bedienen! Wenn aber diese Meine Lehre einmal durchs Schwert unter die Völker ausgebreitet wird, dann muss es bald sehr elend auf dieser Erde aussehen. Das Blut wird in Strömen fließen, und alle Meere werden eine traurige Färbung annehmen. Darum seid alle friedsame Arbeiter in Meinem Namen und vermeidet allen Zank und Hader! Wirket allein durch Meine Liebe in euren Herzen, denn in der Liebe liegt die größte Kraft und Macht verborgen!" (GEJ 10, 106, 13 ff.)

Keine Kopfhängerei und keine Kleinlichkeit!

Da ein unfrohes, oft einem geheimen Geisteshochmut entspringendes Wesen keinen Menschen gewinnen kann und auch nicht der Wonne des himmlischen Liebelichtes entspricht, werden die Boten des Herrn auch des öftern angehalten, ihre "Frohbotschaft" mit freudigen Mienen und mit fröhlichem, gewinnenden Wesen zu verkünden.

Auch kleinliche Engherzigkeit in den Äußerlichkeiten des Lebens, insbesondere gegenüber den alteingebürgerten Lebensgewohnheiten anderer Menschen und Völker, ist nicht im Sinne des Herrn. Die leiblichen und seelischen Bedürfnisse sind je nach Veranlagung und Reifegrad der Menschen zu verschieden, als dass eine Regel für alle durchgeführt werden könnte. So sagt der Herr im "Großen Evangelium" zu etlichen, über die Gewohnheiten der wohlhabenden Römer entrüsteten Juden:

"Wer aus Gottes- und Menschenliebe so viel für die Armen tut, wie diese Römer tun, der hat auch das Recht — so er dazu das Vermögen besitzt –‚ seinen Leib zu pflegen nach der Art und Weise, wie er schon von Kindesjahren an gewöhnt worden ist. Denn ihnen ist das zu einem so natürlichen Bedürfnis geworden wie euch das reine und frische Wasser. Ich aber sehe nicht darauf, ob und womit jemand seine Haut gereinigt und belebt hat, sondern nur allein darauf, ob er gewaschenen und reinen Herzens vor Mir ist.

Daher, so ihr den Völkern Mein Evangelium verkündet, sollet ihr sie auch in ihren Leibespflegesitten belassen. Denn es genügt für einen jeden, dass er an Mich und Meinen Namen glaubt und nach Meiner Lehre lebt. Seinen Leib aber soll er nähren und pflegen, wie er das von Kindheit an gewöhnt war, damit er nach seiner Art frisch und gesund verbleiben kann. — Auch sollt ihr essen und trinken, was euch irgendwo auf den Tisch gesetzt wird, und sollt nicht Wesens machen mit dem materiellen äußern Judentum, das vor Mir keinen Wert hat, sondern handeln nach dem Geiste des wahren, innern und lebendigen Judentums, so werdet ihr Meine wahrhaftigen Jünger sein, und Ich werde ein Wohlgefallen haben an euch und euren Werken und werde unter euch im Geiste verbleiben." (GEJ 08, 100, 3-6)

Kluges und behutsames Vorgehen

Wer in der Aufklärung und Belehrung der Menschen Erfolge erzielen will, der muss überhaupt klug und behutsam vorgehen, da die Menschenseele, und besonders die schwache und kranke, ein empfindliches und durch plumpen Angriff leicht gestörtes und verärgertes Wesen ist.

"Wenn ihr jemand belehrt", spricht der Herr im "Großen Evangelium" anlässlich der Bekehrung eines eingefleischten Magiers zu seinen Jüngern, "so dürfet ihr nirgends gleich mit der Türe ins Haus fallen, sondern müsset zuvor den Menschen genau erforschen und daraus erkennen, von welcher Seite er zugänglich ist. Denn habt ihr ihn bei einer unzugänglichen Seite gefasst, so habt ihr euch die Arbeit nur selbst erschwert, und ihr werdet dann zu tun haben, um solch einen Menschen auf den rechten Weg zu bringen. Daher kann Ich euch nicht oft genug sagen: Seid klug wie die Schlangen und sanft wie die Tauben!

Ihr wisset nicht, welche Gewalt die falsche Begründung eines Menschen über sein Gemüt ausübt. So ihr erfahret, worin diese besteht, so dürft ihr den Menschen niemals unmittelbar bei solcher seiner meistgepanzerten Seite anpacken, sondern nur dort, wo er am schwächsten ist, was ihr bald herausfinden könnt. Habt ihr ihn da überwunden, nun, so wird es dann gar nicht mehr schwer sein, sich auch seiner starken Seiten zu bemächtigen.

Ihr müsst euch verhalten wie ein sehr geschickter Arzt, der die Krankheit eines Menschen und ihren Sitz wohl erkannt hat. Was tut er? Seht, da, wo die Krankheit sitzt, tut er nichts und kann er oft auch nichts tun. Aber er gibt dem Kranken solche Mittel, die die Krankheit ableiten auf die gesunden Teile des Leibes und von da durch den Schweiß oder den Magen und die Gedärme ausscheiden — und der Kranke wird gesund. Wo die Krankheit als Feind sich stark hingesetzt hat, da ist mit ihr nichts anzufangen, sondern man zerteilt sie durch gute und rechte Mittel und besiegt sie dann leicht.

Höret weiter! Dieser Mann — der nun nicht hier ist, darum Ich mit euch auch also ganz frei reden kann — ist in seiner stärksten Begründungsseite ein Magier. Er glaubt an gewisse Sprüche, Amulette, Salben, an die Mondstände und -viertel, an die Sonne, Wolken, Luft und Vogelzüge und noch an tausend andere Dinge so fest, dass er dem entsetzlich gram würde, der ihm sofort schroff entgegenträte. Mit solch einem Menschen würde er dann sicher sehr wenig mehr verkehren, weil er ihn für zu dumm und seiner Weisheit unwürdig halten würde.

Aber er ist sonst ein ganz guter und ehrlich-treuer Mensch und hat seine Freude daran, von jemandem etwas Neues und Besonderes zu erfahren — und sehet, das ist eben seine schwache Seite! Bei der muss man ihn fassen und ihm die Dinge in einem naturwahren Zustande darstellen und erklären, und er wird dann schon geheim bei sich selbst den Zauberer hinauszuschaffen anfangen, weil er auf der andern Seite mehr und mehr einsieht, dass seine ganze Zauberei auf hohlem Boden steht.

Es ist darum auch gut, die Menschen, die man für die Wahrheit gewinnen will, sich vorher ganz vom Grunde aus ihrer Ansichten entäußern zu lassen. Haben sie das mit aller Energie getan, dann haben sie in sich keine weitere Hauptkraft mehr und fangen dann erst an, ein aufmerksames Ohr auf den Gegner zu haben, in seine höheren Wahrheiten einzugehen, verwerfen von selbst ihre falschen Begründungen, und man hat sie gewonnen."

"Wer da nicht versteht, mit den Weinenden zu weinen, mit den Lachenden zu lachen, mit den Heiteren heiter und mit den Ernsten ernst zu sein, der ist noch nicht geschickt zur Ausbreitung Meines Reiches auf Erden."

Behandlung von Weltmenschen. — Keine Perlen vor die Schweine!

Besondere Vorsicht erfordert auch die Behandlung von Menschen, die von der Welt und deren Reizen in zu hohem Maße eingenommen sind.

Hinsichtlich ihrer rät der Herr den Jüngern: "Ich lobe euern Eifer, doch merket euch noch hinzu: In der Klugheit des menschlichen Geistes liegt stets eine größere Kraft als in der Faust. Und wo der gewisse Ernst für sich wenig oder nichts ausrichtet, da wirkt die Liebe und ihre Geduld und Sanftmut Wunder. Der volle Ernst und dessen Mut beherrsche euch selbst in euren Herzen! Eure Waffe gegenüber den Menschen aber bestehe stets nur in der Liebe, Sanftmut und Geduld, und ihr werdet auf diesem Wege, den Ich selbst vor den Menschen wandle, mehr ausrichten als mit purem Feuereifer und diamantenem Ernst.

Furcht sollet ihr freilich vor den Weltmenschen nicht haben, die in ihrem Grimm wohl euern Leib töten, aber eurer Seele nichts anhaben können. Fürchten sollet ihr allein nur den, der ein wahrer Herr über Leben und Tod von Ewigkeit her ist! Doch wo ihr sehen werdet, dass ihr mit der Liebe und der rechten Weisheit mit den zu verfinsterten Menschen nichts ausrichten könnt, denen kehrt den Rücken und zieht von dannen; ihr werdet anderswo schon wieder Menschen finden, mit denen ihr in Meinem Namen gute Erfolge haben werdet!

Bekennen sollt ihr Mich vor allen Menschen, da auch Ich euch bekenne vor Meinem Vater, aber aufdringen sollt ihr Mich den Weltfinsterlingen nicht und ihnen als den Weltschweinen auch nicht Meine Perlen vorwerfen. Denn Ich sage euch: Mein Wort ist ein rechter Lebensdünger nur für den Weizen und Meine Lehre ein wahrer Dünger für des Weinberges edle Reben. Aber für das Unkraut der Erde habe Ich keinen Lebensdünger; denn dieses ist nur da, auf dass es zertreten und verbrannt werde und mit seiner Asche dünge den Boden der Erde.

Wer zum Leben da ist auf der Erde, der soll durch Mein Wort zum Leben erweckt werden. Wer aber da ist durch seinen eigenen Willen und Starrsinn für den Tod, der soll auch in den Tod übergehen. Wer auferstehen will zum Leben aus dem Grabe seiner Materie, der erstehe; wer aber fallen will, der falle! Den Teufeln das Evangelium predigen, hieße Öl ins Feuer gießen! Darum seid auch ihr allzeit wohl klug gleich den Schlangen, dabei aber dennoch sanft wie die Tauben, und ihr werdet so tüchtige Arbeiter in Meinem Weinberg werden!" (GEJ 09, 148, 9-14)

Behandlung blinder Geistesgrößen, Pharisäer und Priester

Weise und sehr beachtenswert ist auch, was der Herr im "Großen Evangelium" über die rechte Behandlung blinder Blindenführer und anderer Personen sagt, die wie die Templer zu Jesu Zeiten durch Amt, Würde oder Erwerbsstellung auf verkehrte Anschauungen eingeschworen sind. Hier wird man nicht selten auf die hartnäckigsten und bösartigsten Gegner des wahren Himmelslichtes stoßen.

Der Meister der Seelenkunde spricht: "Für einen Erleuchteten ist es nicht schwer, einem lichtbedürftigen, willigen Blinden einen Führer zu machen. Schwer wird das erst dann, wenn der Blinde von dem Wahne beseelt ist, selbst ein Sehender zu sein. Solche Blinde sind unsere Pharisäer und Schriftgelehrten; auch der Heiden Priester sind davon nicht ausgenommen. Was ist da wohl zu tun? Ein kurzes Beispiel soll es euch zeigen."

Nun schildert der Herr, wie ein kluger Feldherr gegen einen bösen, mächtigen Nachbarfürsten vorgeht, der sich mit viel Kriegsvolk in uneinnehmbaren Festungen verschanzt hat. Der Feldherr lässt den Gegner in seinen unnahbaren Festungen unbehelligt, dringt dagegen ins flache Land, zieht mit leichter Mühe das dort wohnende unzufriedene Volk an sich, gibt ihm Licht und weise Gesetze und überwindet so schließlich den ehedem mächtigen Gegner ohne Schwertstreich.

"Seht", so fährt der Herr fort, "desgleichen tuet auch ihr als kluge Ausbreiter Meiner Lehre! Lasset stehen die Tempel und vielen Priesterhäuser, bearbeitet nur das Volk! Ist das Volk einmal auf eurer Seite, dann werden die alten Götzentempel ehestens von selbst allen Wert verlieren und zusammenstürzen, und ihre Diener werden aus eigenem Antriebe und durch die Not gedrungen zu euch übergehen, die neue Lehre annehmen und mit ihr zu wirken anfangen." (GEJ 05, 118, 2 ff.)

Zu den hartnäckigen Geistestyrannen dieser Art gehören auch viele von sich selbst eingenommene Weltgelehrte auf ihren stolzen Hochmutsburgen. Auch ihnen ist erfahrungsgemäß mit dem Himmelslicht der Prophetie kaum oder gar nicht beizukommen. Es will ihrem Stolze nicht eingehen, dass durch die Gnade und Eingebung Gottes einem demütigen, frommen Gottesmann wie Lorber die allergrößten Erkenntnisse auch auf den verschiedensten Gebieten der gelehrten Wissenschaften zugefallen sind, um welche sie mit vielen Fachgenossen Jahrzehnte, ja vielleicht ihr Leben lang mühsam gerungen haben. Daher werden die großen Enthüllungen Lorbers in den tiefsten Fragen der Natur-, Sternen-, Seelen- und Lebenskunde usf. von der Gelehrtenwelt auch heute noch übersehen und missachtet, obzwar die Forscher aus den Lorberwerken die großartigsten Anschauungen und Anregungen zu entnehmen vermöchten.

Nicht viel zu erwarten!

Überhaupt darf der eifrige Jesujünger bei seiner Arbeit im Weinberge seine Erfolgserwartungen nicht zu hoch stellen! Die Lichtausbreitung ist auf unserem von den Mächten der Finsternis gewaltig beherrschten Erdensterne immer ein mühseliges und Geduld erheischendes Werk.

"Seht", spricht der Herr im "Großen Evangelium" zu einigen Ungestümen, "vor wie vielen Menschen habe Ich selbst gelehrt auf offenem Felde, auf den Straßen, in den Städten, Flecken, Häusern, auf dem Meere, auf den Bergen, im Tempel und in den Wüsten — und habe dabei, um den Blinden die Augen zu öffnen, stets große, nie erhörte Zeichen gewirkt. Geht hin und forschet nach, wie wenige sich von allen, die Mich gehört und gesehen, wahrhaft bekehrt haben!

Und so wie es nun ist, ebenso war es und wird es auch in der Folge sein. Denn ein jeder Mensch hat seine freie Liebe, seinen Willen und seinen Verstand. So er mit dem Verstande auch die volle Wahrheit begreift, sieht er aber mit seinen begierlichen Augen dennoch auch die Welt mit ihren vielen Reizen, von denen sich ein Herz nicht trennen mag, weil sie seinem Fleische mehr zusagen als die geistigen, die sein sinnliches Auge nicht schauen und sein Fleisch nicht fühlen kann.

Dazu ist dem Menschen auch die Trägheit sehr eigen. Er macht sich oft wohl einen guten Vorsatz um den andern; aber so er ihn zur vollen, tatsächlichen Ausführung bringen sollte, dann fängt sein genußgieriges Fleisch an, sich dagegen zu sträuben und zieht auch die Seele in den Schwerpunkt seiner Trägheit und Sinnlichkeit hinab." (GEJ 09, 181, 4-6)

Diese leidige Tatsache darf uns freilich nicht verdrießen. Denn Gott, der Herr und Schöpfer, weiß wohl, warum Er der menschlichen Seele dieses kleine Übergewicht der Materie gegeben hat. Er schenkt dazu ja andererseits auch seine Lehre und seinen Heiligen Geist aus den Himmeln! Und eben die Mühen und Kämpfe im Ringen mit der Finsternis üben, stärken und festigen den Menschen und machen ihn zu einem wahren, freien und selbständigen Gotteskind.

Nicht wir — sondern Er!

Die Schwierigkeiten der Lichtausbreitung überzeugen uns auch — und das ist dabei ein Hauptsegen — auf Schritt und Tritt davon, dass der Mensch mit all seinem Verstand und seiner Kraft eigentlich ohnmächtig ist und zur Seelenreifung selbst der nächststehenden Mitmenschen, der Freunde, Gatten, Kinder usf. aus Eigenem so wenig tun kann, wie es dem Landmann nicht gegeben ist, von sich aus einen Apfel am Baume zu reifen. Zu letzterem Erfolge kann der Baumbesitzer auch nur gewisse Vorbedingungen schaffen; aber die Reifung der Frucht muss der Herr der Schöpfung selbst besorgen durch Sonne und Regen. Und nur die vollgereifte Frucht zu pflücken und einzuheimsen ist dann wieder des Landmanns Sache. So kann auch der Mensch schließlich nur Geringes zur Erhellung und Vollendung einer anderen Menschenseele tun und nur die vom göttlichen Lebensmeister durch allerlei Führungen und Erfahrungen gereifte Seele zum Lichte führen.

In dieser demütigen Erkenntnis begreifen wir, wie wichtig beim Boten- und Lehramt die Fürbitte ist, ja dass darin geradezu das Haupterfordernis einer gesegneten Lichtausbreitung liegt. Wir sehen, dass wir vor allem eigenen Bemühen immer aufs neue in unseren ganzen Unternehmungen den Herrn des Weinbergs, den himmlischen Vater und Menschenbildner, um seinen heiligen Segen, sein machtvolles Durchgreifen und seine weise Vollführung bitten müssen.

"Ohne Mich könnet ihr nichts tun zum Heile der Seelen!" Dieses Wort steht über jeglicher Missionsbestrebung als ernstes Mahnzeichen. Und nach gewonnenem Siege möge uns die Demut in tiefstem Herzensgrunde empfinden und sprechen lassen:

Nicht ich hab es vollendet, Er hat das Werk vollbracht!






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Kapitel 59
Ursachen der Krankheiten und ihre Heilung

Das Leben des Menschen fasst in sich eine Fülle von Fragen, und es wäre kein Ende zu finden ohne Erleuchtung von oben. So ist auch das Verhältnis zwischen Leib und Seele ein tiefes Rätsel, und gerade heute ringt die Menschheit besonders um Licht in diesen Dingen. Können wir der Seele durch den Leib und dem Leib durch die Seele Heilung verschaffen? Was soll demnach geschehen, wenn der Leib in seiner Beschaffenheit und seinen Funktionen nicht in Ordnung ist? Darüber zerbrachen sich zu allen Zeiten viele Menschen den Kopf und geht der Streit auch heute in hohen Wogen fort.

Was hat nun über diese Fragen der große Bote aus dem Reiche des Lichtes, Jakob Lorber, zu sagen? Wie kann dem kranken Menschen vom geistigen Standpunkte aus geholfen werden?

Krankheit eine Folge der Widerordnung

Der Mensch ist nach den Lehren der Neuoffenbarung eine Dreieinheit von Geist, Seele und Leib. — Der Leib ist in diesem Dreiklang von mehr untergeordneter, dienender Bedeutung. Er hat keine weitere Aufgabe, als der Seele und dem Geist ein Gefäß und taugliches Werkzeug zu sein, durch dessen Aufbau, Erhaltung und weisen Gebrauch die Seele unter Leitung des göttlich erleuchteten Geistes den willigen und gesegneten Dienst in der Ordnung Gottes lernen soll.

Da in der ganzen Welt nichts ohne einen weisen, im Willen und in der Ordnung Gottes gelegenen Grund geschieht, so gibt es auch keine Störung, Unregelmäßigkeit oder Schadhaftigkeit im kunstvollen Organismus des Leibes, die nicht letzten Endes geistig begründet wäre. Kein Haar fällt von unserem Haupte ohne Gottes Willen oder Zulassung — eine unumstößliche Grundwahrheit im Schöpfungsganzen, von der es nicht eine einzige Ausnahme gibt.

Wo liegen nun die Gründe, wenn wir in unserem Körper Unstimmigkeiten und infolgedessen Schmerzen oder Unwohlsein fühlen? Warum ist in unserem irdischen Leben so oft die leidige Geißel der Krankheiten zugelassen? In den Werken Jakob Lorbers finden wir darüber folgende Worte:

"Würden die Menschen sich nie von Gott abwenden, so würden sie auch nie in Not und Elend verfallen. Wenn ihr sonach auch in euren Nachkommen stets in und bei Mir im Glauben und in der Tat nach Meiner Lehre verbleiben werdet, so werdet ihr auch nie ein Elend zu bestehen haben. Auch des Leibes Krankheiten werden eure Seelen nicht ängstlich und kleinmütig machen; denn des Leibes Krankheiten sind allezeit nur die bitteren Folgen der Nichtbeachtung der von Mir den Menschen allzeit klar ausgesprochenen Gebote.

Wer diese schon von seiner Jugend an treu zu halten anfängt, wird bis ins hohe Alter keines Arztes bedürfen, und seine Nachkommen werden nicht an den Sünden ihrer Eltern zu leiden haben, wie das bei den alten, Gott getreuen Völkern oft Jahrhunderte lang der Fall war. Aber wenn die Menschen auszuarten angefangen haben, dann sind auch bald schwere Körperleiden über sie gekommen und haben sie die Folgen der Gering- oder Nichtachtung der Gebote Gottes kennen gelehrt.

… Wenn der sachkundige Verfertiger einer Maschine dem, der sie ihm zum Gebrauch abgekauft hat, zeigt, was er zu beachten hat, um von ihr einen dauerhaft nützlichen Gebrauch machen zu können, muss der Käufer auch genau beachten, was ihm der Maschinenmeister gesagt hat. So aber der Käufer mit der Weile das Gesagte aus Eigen- oder Leichtsinn nicht mehr beachtet, muss er es sich selbst zuschreiben, dass die Maschine verdorben wird und somit für den guten Gebrauch entweder ganz oder doch zum Teile untauglich geworden ist.

Gott aber ist der große Maschinenmeister des menschlichen Leibes, den Er zum nützlichen Gebrauch für die Menschen als eine gar kunstvolle Maschine wohl eingerichtet hat. Gebraucht die Seele diese belebte Maschine nach dem ihr klar ermittelten Rate, der in den Geboten Gottes besteht, so wird der Leib auch in stets brauchbarer Gesundheit verbleiben. missachtet aber mit der Zeit die träge und sinnlich gewordene Seele diese Gebote, so muss sie es sich auch selbst zuschreiben, so ihr Leib in allerlei Elend verfallen wird." (GEJ 09, 35, 5-9)

Die Hauptursachen der Krankheiten

Im "Großen Evangelium" ermahnt der Herr noch besonders:

"Von allen menschlichen Lastern ist das böseste die Hurerei und Unzucht aller Art. Zu diesem Laster aber werden die Menschen verleitet durch Müßiggang und durch den Hochmut, denn dem Hochmut ist nichts mehr heilig; er sucht alle ihm zu Gebote stehenden Mittel auf, um durch sie seine weltsinnlichen Leidenschaften zu befriedigen. Diese Sünde ist also eine Hauptquelle, durch die alle die ärgsten Krankheiten in diese Welt kommen. Dann kommen aber auch Völlerei, der Zorn und allerlei Ärger, durch welche genannten Laster sich auch allerlei Krankheiten bei den Menschen entwickeln und sie dann quälen.

Sagte Ich nicht zu dem Kranken in Jerusalem, der volle 38 Jahre am Teiche Bethesda harrte, um geheilt zu werden, als Ich ihn geheilt hatte: "Gehe hin und sündige nicht mehr, auf dass dir nicht noch etwas Ärgeres widerfahre!"? Seine böse Gicht war demnach auch eine Folge seiner früheren vielen Sünden. Und so ist es beinahe bei den meisten von Mir Geheilten der gleiche Fall gewesen. Wären sie durch ihre vielen Sünden nicht krank geworden, so wäre es auch um ihre Seelen geschehen gewesen. Nur eine schwere und bittere Krankheit hat sie nüchtern gemacht und zeigte ihnen, wie die Welt ihre Huldiger lohnt. Sie verloren durch die Krankheit ihre Liebe zur Welt und sehnten sich, von ihr bald erlöst zu werden. Dadurch ward ihre Seele freier, und es kam ihnen dann auch zur rechten Zeit die Heilung ihres Leibes.

Neben diesen Hauptursachen, aus denen die meisten Krankheiten bei den ohnehin von Geburt her geschwächten Menschen entstehen, gibt es wohl noch andere, durch die der schwache Mensch auch sehr arg krank werden kann — aber Ich sage es eigens noch einmal: Nur dem schon von der Geburt an Geschwächten kann das begegnen. Die Ursachen aber will Ich euch ganz kurz gefasst zeigen:

Einmal steht da im Vordergrunde das Essen schlechter, unreiner und nicht frisch zubereiteter Speisen und auch schlechter Getränke, sodann das Essen von allerlei unreifem Obst. Dann haben viele den argen Brauch, sich in erhitztem Zustande schnell abzukühlen. Wieder andere setzen sich, unbewusst ihrer angeborenen Schwäche, allerlei Gefahren aus, in denen sie entweder zugrunde gehen oder einen lebenslang dauernden Schaden davon tragen. Dafür kann Gott nicht, und das um so weniger, da Er den Menschen Verstand, freien Willen und die besten Lebensgesetze gegeben hat!

Es gibt aber auch kranke Menschen, die wegen der Sünden ihrer Eltern oder Voreltern schon vom Mutterleib aus krank in diese Welt gekommen sind. Solcher Kranken Seelen sind zumeist von oben her und machen nur eine zeitweilige Fleischprobe auf dieser Erde durch. Für diese aber ist jenseits im Reiche der Geister ohnehin bestens gesorgt, und jeden, der sie pflegt mit Liebe und Geduld, werden sie auch jenseits mit der gleichen Liebe und Geduld in ihre himmlischen Wohnungen aufnehmen."

Krankheit und Schmerz als Wächter und Wecker

Den geistigen Sinn der oft schmerzvollen Krankheitszulassungen enthüllt der Herr bei einem Gespräch in dem Lorberwerk "Die Haushaltung Gottes". Dort sagt ein Wahrheitssucher:

"O Herr, du heiliger und liebevollster Vater und Schöpfer aller Engel und Menschen! Siehe, das Leben auf der Erde zur Probung des Geistes wäre an und für sich ja ganz seinem erhabenen Zweck gemäß, wenn mit diesem Leben nur eine unangenehme Sache nicht verbunden wäre: die Empfindlichkeit für den entsetzlichen Schmerz! Warum muss denn dieser Leib schmerzfähig sein? Warum muss es mir einen Schmerz verursachen, so ich mich irgendwo anstoße, oder so ich falle oder irgend mich schneide, kneife oder steche? Warum müssen sich sogar öfters überlästige Schmerzen im Leibe entwickeln? Warum muss mich das Feuer so unerträglich brennen, und warum muss das Weib unter so großen Schmerzen gebären?

Siehe, Du lieber, heiliger Vater, das kann ich durchaus nicht billigen in der Sphäre des Lebens mit diesem meinem Erkennen und möchte darum den Grund dieser traurigen Erscheinung von Dir erfahren! Denn ich vermute mit großer Zuversicht, dass das Leben des Geistes völlig schmerzunfähig ist. Darum könnte ja wohl das Leben des Leibes ebenfalls auf eine gleiche Weise völlig schmerzunfähig sein! Hab‘ ich recht oder nicht?" ("Haush. Gottes", Bd. 3, 72, 2-5)

Der Herr erwidert: "Mein Sohn, sage Mir in deinem Gemüt: Wäre wohl irgendein Leben denkbar, welches da nicht empfänglich sein sollte für Eindrücke aller Art? So du keine Empfindung hättest, lebtest du dann? Ich setze aber den Fall, dass der Mensch alle Eindrücke nur als wohltuend empfände, etwa auf die Weise wie den Akt der Zeugung. Würde sich da der Mensch nicht alsbald zerstören, indem er sich fortwährend stoßen, schlagen, stechen, schneiden und brennen würde? Und ehe da verginge ein Jahr, wäre doch sicher vom ganzen Leibe kein gesundes Glied mehr vorhanden. Ohne alle Empfindung, weder wohltuender, noch schmerzender Art aber ist nur der absolute Tod.

So ist der Schmerz ja des Lebens größter Wohltäter und getreuester Schutzwächter, ohne den das Leben auf keine sonstige Weise bestandbar gedacht werden könnte. Zudem ist dir ja ohnehin ein schmerzloser Leib gegeben worden! So du ihn hältst nach Meiner Ordnung und bist aufmerksam im Liegen, Sitzen, Stehen, Gehen und Laufen, so wirst du dein Leben völlig schmerzlos durchbringen. Und so du mäßig bist im Essen und Trinken, wirst du auch verschont bleiben von innerem Weh. Und so du nicht zu sehr den Werken des Fleisches obliegst, wirst du nie erfahren, was da ist ein Schmerz in den Gliedern. Der Schmerz aber ist ein wesentliches Attribut des Lebens, ohne das du keine Sinne hättest. Er ist die eigentliche Empfindung und die Wahrnehmung der Liebe; und so diese aus ihrer Ordnung gerät, so empfindet sie solches in der Art des Schmerzes, die Ordnung aber stets als ein überaus behagliches Gefühl. Wünsche dir daher den Schmerz nie hinweg; denn er ist deines Lebens treuester Wächter und wird einmal auch der Zusammenzieher, Sammler und völlige Retter des Lebens deines Geistes werden." ("Haush. Gottes", Bd. 3, 72, 7-13)

Ähnlich lautet ein bedeutsamer Hinweis des Herrn im "Großen Evangelium":

"Es ist dem Menschen um seiner Seele willen nicht allezeit zuträglich, so er völlig gesunden Leibes einherwandelt. Denn ist sein Fleisch zu gesund, da wird es leicht erregt durch allerlei sinnliche Lustreize, die die Seele dann auch eher begierlich machen, als so ihr Fleisch kränklich und schwach ist und so ist eine Leibeskrankheit gleichsam eine Wache vor der Tür des inneren Lebens der Seele.

Ich will zwar nicht, dass da jemand mit einem kranken Leib dies irdische Willensfreiheitsprobeleben durchmachen soll. So aber die Menschen den alten Rat Meiner Liebe und Ordnung nicht beachten, sondern tun, was sie nicht tun sollen, so sind sie auch selbst die Schöpfer aller Übel ihres Leibes und ihrer Seelen.

Ich aber kann des Leichtsinns und der selbstverschuldeten Blindheit der Menschen wegen Meine Ordnung, durch die allein der Bestand aller Dinge möglich ist, nicht umkehren. Wer da weiß, dass sein Leib, so er geschlagen oder gestochen wird, einen Schmerz empfindet, sich aber dennoch schlägt und sticht, der ist ja selbst schuld daran, so sein Leib dabei große Schmerzen erleidet. Der aberwitzigen Torheit der Menschen wegen werde Ich keine Seele mit einem unempfindlichen Leibe versehen und nicht machen, dass man der Schwere wegen nicht vom Dache auf den Boden herabfallen dürfte. — Das also zu eurer Danachachtung!"

Von der Besessenheit

Eine besondere und nicht seltene Ursache leiblicher und seelischer Störungen ist auch die Besessenheit. Manche Krankheitserscheinungen und seelisch geistigen Übel, bei denen die stofflich gerichteten Ärzte und Forscher unserer Zeit vergebens nach materiellen Ursachen ausschauen, sind darauf zurückzuführen.

Im "Großen Evangelium" erklärt der Herr über diese auch von den biblischen Evangelien berichteten Fälle:

"Es gibt Menschen, die von bösen Geistern auf eine Zeitlang, aber nur im Fleische, in Besitz genommen werden, ohne dass dadurch die bösen Geister der Seele eines solchen Besessenen nur im geringsten (dauernd) schaden können. Die das Fleisch eines Menschen in Besitz nehmenden argen Geister sind Seelen verstorbener Menschen, die einst auf der Welt ein böses Leben geführt haben, und zwar wohl wissend, dass ihr Tun ein böses war.

Diese an sich schlimm aussehenden Vorkommnisse in den glaubensfinsteren Zeiten sind demnach eine Zulassung, damit die Ungläubigen darin eine derbe Mahnung erhalten, dass ihr Unglaube ein eitler ist und dass es nach dem Abfall des Leibes ein Fortleben der Seele des Menschen gibt und sicher auch einen Gott, der die Bosheit und Dummheit der Menschen auch jenseits gar wohl zu züchtigen imstande ist. Der arge Geist, der da das Fleisch eines Menschen in Besitz nimmt, erfährt trotz seines bösen Sträubens für ihn kaum erträgliche Demütigungen und wird darauf in sich sanfter und leichter. Die Zeugen vom Vorkommen solcher Zustände werden aus ihrem zu materiellen und finstern Lebenswandel wie mit Gewalt gerissen, fangen an, über Geistiges nachzudenken und werden besser in ihrem Tun und Lassen.

So hat diese unter den Menschen vorkommende und sehr schlimm aussehende Sache auch wieder in Zeiten der größten Glaubensnot ihr entschieden Gutes.

Bei Menschen, die in lichtvoll-lebendigen Glauben sind, kommt das Besessensein gar nie vor, weil des Menschen Seele und der Geist in ihr auch den Leib so durchdringen, dass da kein fremder und etwa auch noch arger Geist in ein lauteres Fleisch dringen kann. Aber wo die Seele eines Menschen finster, fleischlich und materiell geworden ist und dadurch auch ängstlich und furchtsam, krank und schwach, so dass sie einem fremden Eindringling keinen Widerstand leisten kann, geschieht es auch leicht, dass dann und wann die argen Seelen — die sich nach dem Austritt aus dem Leibe zumeist in jenen niederen Regionen dieser Erde aufhalten und ihr Unwesen treiben, wo die Menschen ihres Gelichters im Fleische leben — in den Leib eines schwachen Menschen dringen, sich zumeist im sinnlichsten Unterleib ansetzen und sich als Fremde und arge Geister durch das Fleisch des Besessenen nach außen hin zu äußern anfangen."

Tiefe Gründe eines Krankenschicksals

Auf die im weisen Ratschlusse Gottes begründeten tieferen Ursachen und geistigen Zwecke eines Krankheitsübels wirft auch eine Szene im "Großen Evangelium" ein bedeutsames Licht. Hier hatte der Herr einen blinden und lahmen Wirtssohn geheilt.

"Sagte der Wirt: 'O Herr und Meister, nun sehe ich es ganz klar ein, dass Du allein höchst weise bist und in allem recht hast; die Menschen sind allzeit selbst schuld an allen Übeln, von denen sie körperlich und seelisch heimgesucht werden.

Doch wer war denn daran schuld, dass dieser mein Sohn, der stets von der frühesten Jugend an mein allergeratenster und frömmster war, blind und lahm geworden ist?'

Sagte Ich: 'Siehe, Freund, da wirkten drei Hauptumstände zusammen. Der erste war deine zu große Vorliebe für ihn. So er nur ein wenig von irgendeinem kleinen Kopfübel bedroht war, mussten gleich alle bekannten Ärzte zu ihm kommen, um ihn zu heilen. Diese haben ihm durch ihre stärksten Mittel einen ziemlich heftigen Kopfkatarrh in die Augen getrieben, und der Sohn ward blind.

Zweiter Umstand: Als der Sohn blind geworden war, wollten die Ärzte ihn wieder sehend machen, gebrauchten innerlich und äußerlich starke, aber ganz verkehrte Mittel, und dein Sohn ward dadurch denn auch bald am ganzen Leibe Lahm.

Dritter Umstand: Ich wusste wohl auch darum, ließ es aber zu, dass dir solches begegne, und zwar aus folgendem Grund: Zum ersten hast du dann auch deinen andern Kindern eine größere Liebe bezeigt und hast sie alle besser zu erziehen angefangen. Zum zweiten hast du eingesehen, dass ein rechter Jude auch bei den leiblichen Übeln stets mehr auf Gott als auf die meist unwissenden Weltärzte sein Vertrauen setzen soll; denn wo kein Arzt mehr helfen kann, da kann noch Gott allein gar wohl helfen. Und zum dritten ließ Ich das auch darum zu, weil Ich wohl wusste, dass Ich zu dir kommen werde, um dir in der Heilung deines Sohnes ein Zeichen zu geben, dass Ich der Herr bin und Mir nichts unmöglich ist.

Aus dem wirst du nun wohl einsehen, was da alles schuld war, dass dein Sohn auf eine Zeitlang blind und lahm geworden ist. Es gibt zwar wohl noch einen dir jetzt noch völlig unbegreiflichen, geheimen geistigen Grund, der dir aber erst im anderen Leben klar werden wird. Das magst du aber nun aus Meinem Munde für dich und deinen Sohn vernehmen, dass weder du selbst, noch dieser dein Sohn der Seele nach von dieser Erde, sondern von oben her, d.h. von einer anderen im endlos weiten Himmelsraume abstammt. Denn alles, was sich dir am weiten und tiefen Himmel als ein bleibendes Gestirn zeigt, sind Weltkörper über Weltkörper, und keiner ist ohne euch ähnliche, vernünftige Menschenwesen; doch Meine Kinder trägt nur diese Erde.

Doch frage Mich darüber um nichts Weiteres mehr; so du im Geiste vollendet sein wirst, wird sich deine innere Sehe auch in diesem zu größerer Klarheit erheben." (GEJ 10, 148, 8-15)

Grob- und feinstoffliche Heilweisen

Für die Heilung der Krankheiten kennt die stofflich gesinnte Welt hauptsächlich das Messer und starke, vielfach giftige Arzneien. In neuerer Zeit kommen aber auch wieder geistigere Heilweisen auf, so die von Samuel Hahnemann schon um die Wende des 19. Jahrhunderts begründete, mit feinverdünnten Stoffen arbeitende Homöopathie, ferner der von den Ärzten Mesmer, Reichenbach, Kerner u.a. in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts empfohlene und angewandte Magnetismus und die in den letztvergangenen Jahrzehnten stark ausgebreitete Naturheilkunst. Alle diese Heilweisen können, im rechten Fall und in der rechten Weise angewendet, Erfolg und Segen bringen, so es der Wille Gottes ist. Und der Herr selbst zeigte in Nazareth einem irdischen Arzt "eine Menge heilsamer Kräuter und andere Dinge, mit denen er dann die besten Kuren machte und sich dadurch einen rühmlichen Namen erwarb." (GEJ 01, 89, 11)

Die Sonnenlichtkur

Durch Jakob Lorber wurde sodann den feinstofflichen Verfahren auch noch die Heilung mit Sonnenlichtstoffen hinzugefügt.

Diese "Sonnenkur" wurde in einem besonderen Schriftchen behandelt und empfohlen. Und wir lesen da u.a.:

"In den ältesten Zeiten benützten die Menschen, so sie irgendein Unbehagen in ihrem Leibe verspürten, die Sonne, d.h. ihr Licht und ihre Wärme als einziges Heilmittel zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit. Sie legten ihre Kranken in die Sonne und entblößten diejenigen Teile des Leibes gänzlich, in denen der Kranke eine Schwäche, eine Unbehaglichkeit oder einen Schmerz verspürte — und es ward in Kürze besser mit dem Kranken.

Fehlte es dem Kranken im Magen, so musste er — nebst dem, dass er eine Zeitlang seine Magengegend dem Sonnenlicht ausgesetzt hatte — darauf aus einer reinen Quelle, die der Sonne ausgesetzt war, Wasser trinken, und es ward bald besser mit ihm. Überhaupt tranken die ersten Bewohner dieser Erde nicht leicht ein Wasser, das nicht zuvor auf kurze Zeit, so es tunlich war, dem Sonnenlicht ausgesetzt war. Tiefe und gedeckte Brunnen waren ihnen fremd, und aus einer Quelle, wohin das Licht der Sonne nicht dringen konnte, trank niemand ein Wasser; denn sie wussten und sahen es wohl auch, dass sich in solchem Wasser so lange grobe und mitunter sogar böse Geister aufhalten, bis diese durch die Kraft des himmlischen Sonnenlichte ausgetrieben wurden.

Seht, in dem bisher Angeführten liegt eine tiefe Wahrheit, denn das Licht der Sonne führt reinere Geister mit sich. Diese aber haben die größte Verwandtschaft mit den substantiellen Teilen der Seele des Menschen. Wenn durch die Einwirkung solch reiner Geister der Seele eine kräftige Stärkung zugeführt wird, so wird dann die so gestärkte Seele mit irgendeiner in ihrem Leibe entstandenen Schwäche leicht und bald fertig, weil die Gesundheit des Leibes einzig und allein von einer hinreichend kräftigen Seele abhängt.

Denn wo immer ursprünglich irgendeine Schwäche in der Seele, d.h. in ihren substantiellen Teilen, auftritt und die Seele selbst auf einem geordneten Weg sich in den geschwächten Teilen keine Stärkung verschaffen kann, wendet sie sich dann an ihren eigenen Nervengeist und zieht aus ihm das ihr Mangelnde an sich. Dafür entsteht dann, wie in entladenen elektrischen Flaschen, in den Nerven ein offenbarer Mangel an jenem Lebensfluidum, durch das sie allein in der rechten Spannung erhalten werden.

Die Nerven, dadurch hungrig geworden, saugen dann eine noch zu wenig reine Kost aus dem Blut. Wenn solches vor sich geht, so entsteht dann ein unnatürlicher Lebensprozess in der Natur des Fleisches, aus dem alle möglichen Krankheiten je nach der Art und Weise entstehen können, wie sie nach dem tieferen Seelenkalkül (Berechnung der Seele) einem oder dem andern Teil entsprechen, der in der Seele schwach geworden ist.

Da aber in den reineren Sonnengeistern alle jene partikularen Seelensubstanzen, aus denen die Seele selbst besteht, sich vorfinden, so ist es für sie ein leichtes, aus ihnen das zur Stärkung zu nehmen, was ihr abging, um dadurch auch wieder die frühere Ordnung in ihrem Nervengeist — und durch diesen in den Nerven — und in dem Blut die rechte, natürliche Lebensspannung zu bewerkstelligen" ("Die Heilkraft des Sonnenlichts", Seite 1, 2, 3).

In dem Schriftchen "Die Heilkraft des Sonnenlichts" wird nun weiter ein Verfahren angegeben, durch welches mittels starker und anhaltender Besonnung in gewissen stofflichen Trägern, wie Milchzucker u.a. Sonnenkräfte eingespeichert werden können. Zugleich wird eine allerdings ziemlich strenge Ernährungsweise angegeben, von deren Einhaltung die Wirksamkeit der Sonnenlichtstoffe abhängt.

Magnetismus

Wie die Sonne, so hat nach den Eröffnungen durch Jakob Lorber und den Feststellungen der neueren Wissenschaft jeder geschöpfliche Organismus und besonders auch der Mensch eine mehr oder weniger starke Lebensausstrahlung, die aus einer Fülle winziger, dem Körper entströmender Lebensfunken besteht. Da der Mensch eine Dreieinheit von Leib, Seele und Geist ist, so zeigt auch seine Lebensausstrahlung oder Aura (bei Lorber "Außenlebenssphäre" genannt) dreierlei verschiedenartige Elemente. Und man unterscheidet je nach dem Ursprung und der Beschaffenheit der Strahlung einen leiblichen, seelischen und rein-geistigen Magnetismus.

Der leibliche (oder tierische) Magnetismus geht vom grobstofflichen Leibe aus und vermittelt nur dessen tierische Lebenswärme.

Etwas höher steht der seelische Magnetismus, der von den seelischen Eigenkräften eines guten, wohlmeinenden Menschen ausgeht. Da kann, wenigstens auf kurze Dauer, schon manches Ersprießliche ausgerichtet werden. Ist aber die Seele des Magnetiseurs noch selber ungeläutert, d.h. herrschen in ihr an Stelle der reinen, göttlichen Liebe zu Gott und den Menschen die Triebe der Selbstsucht und Selbstherrlichkeit, dann schwingen diese Kräfte der verderblichen Widerordnung auch in der seelischen Strahlung des Magnetiseurs und kann dieser nichts wahrhaft Gutes wirken. Ja, ein solcher Mensch zieht aus den geistigen Welten ähnlich geartete Wesen, unter Umständen sogar Teufel und Dämonen an sich, und diese helfen ihm dann allerlei "Wunderwirkungen" auszuüben. Aber diese "Heilungen" und sonstigen Zaubereien sind dann Scheinerfolge und bringen kein wahres geistiges Heil weder dem Heilkünstler noch dem Behandelten.

Ein wahrer, dauernder Segen liegt nur in der dritten, der geistigen Lebensstrahlung.

Der geistige Lebensstrom

Diese Reinkraft geht vom reinen, göttlichen Geist funken aus, der in jedem Lebensorganismus das Haupt- und Grundleben bildet und beim Menschen, als unmittelbar aus dem "Herzen Gottes" stammend, ein Geist von besonderer Liebe, Weisheit und Macht ist.

Dieser in der Lebenskammer unseres Herzens wohnende Gottesgeist, der "Christus" in uns ist es, der unserer Seele und unserem Leibe die aus der Urmitte der Gottheit, vom Vater in Jesus, allen Wesen zugehende schöpferische und allerhaltende Lebenskraft des Heiligen Geistes zuströmt. Und der reingeistige Magnetismus (oder "Lebensstrom") ist nichts anderes als eben jenes heilige Geistfeuer, das in sich die höchste göttliche Liebe, Weisheit, Kraft und Macht ist. Diese Strahlung zeigt sich freilich in bemerkbarer Weise nur bei stark geläuterten, in der Demut und selbstlosen Liebe fortgeschrittenen Menschen. Und ihr ist aber auch, da sie göttlichen Ursprunges ist, kein Ding unmöglich.

Von der Außenlebensstrahlung des Menschen

Über die Geheimnisse der menschlichen Außenlebensstrahlung gibt der Herr im "Großen Evangelium" seinen Jüngern manche Eröffnungen. So sagt Er anlässlich des Erscheinens eines durch seine Anwesenheit angezogenen Kranichzuges zu Lazarus:

"Siehe, ein jeder Mensch hat als ein geistig, seelisch und naturkörperlich lebendes Wesen ebenso eine Außenlebenssphäre um sich, wie solche ein jeder Weltkörper, jeder einzelne Stein wieder eigens für sich und so ein jeder Baum und jedes Gewächs nach seiner Art und also auch ein jedes Tier hat. Ohne solch eine Außenlebenssphäre könnte weder eine Erde, noch ein Stein, noch ein anderes Mineral, noch ein Gewächs und ein tierisches Lebewesen bestehen.

Dass sich die Sache aber so verhält, könnt ihr einer von euch schon sicher oft erprobten Erfahrung entnehmen, dass ihr z.B. in einem Eichenwald von einer ganz anderen Empfindung ergriffen werdet als in einem Zedernwald. Eine ganz andere Stimmung bemächtigt sich des Menschen, wenn er sich auf einem Kalkfelsen befindet, und eine andere auf einem Granitfelsen. Ein anderes Empfinden hat der aufmerksame Mensch in einem Weinberg und ein anderes in einem Garten mit Feigenbäumen. Dasselbe wandelbare Gefühl hat der Mensch bei der Annäherung verschiedener Tiere und noch mehr bei Annäherung verschiedener Menschen. Ein fein fühlender Mensch empfindet das oft schon auf eine beträchtliche Ferne und merkt es genau, ob ihm ein guter oder ein böser Mensch begegnen wird. Das empfinden auch die Tiere, und manche um vieles schärfer als ein materieller und wenig Gutes und Wahres denkender Mensch.

Ist ein Mensch von einer vollendet guten Art und in seiner Seele von göttlichem Geiste erfüllt, wird seine Außenlebenssphäre auch stets kräftiger und in weite Fernen hin reichen. Wenn solch einem Menschen sich dann auch selbst die reißendsten Tiere nähern, werden sie von seiner Außenlebenssphäre durchdrungen und gesänftet, werden sich ihm voller Freundlichkeit nähern und ihm nichts zuleide tun; er wird ihnen sogar mit seinem Willen gebieten können, und sie werden sich ihm gehorsam erweisen. Beispiele von der Wahrheit des Gesagten findet ihr bei den Urvätern der Erde, bei den Patriarchen und bei den Propheten; und in dieser Zeit habt ihr das schon selbst an Meiner Seite gar vielfach erlebt."

Das Jesuskind als Krankenheiler und Heilkraftspender

Wunderbar herrlich und anschaulich wird in dem köstlichen Buche "Die Jugend Jesu" geschildert, wie das Jesuskindlein als "Inbegriff und Fülle der Gottheit" heilt und wie schon von Ihm alle wahre göttlich-geistige Heilkraft ausgeht. Wir lesen da von einem Besuch Josephs und des Kindleins bei einem befreundeten Arzt in Nazareth:

"Das Kindlein lief munter im Zimmer herum und fragte die Kranken, die da mit allerlei Gebrechen behaftet waren, was ihnen fehle, und wie sie zu solchen Übeln gekommen wären.

Die Kranken aber sprachen: 'Du kleines, munteres Knäblein, das haben wir schon dem Arzte gesagt, der uns danach heilen wird. Jetzt vor den Gästen würde es sich wohl nicht schicken, dass wir da unsere Sünden bekennen sollen, die sicher die Ursache unserer Leibesgebrechen sind; daher gehe du zum Arzte, der wird es dir schon sagen, so es sich schickt für dich!'

Das Kindlein lächelte hier und sprach zu den Kranken: 'Würdet ihr Mir auch dann den Grund von euren Gebrechen nicht kundgeben, so Ich euch ganz bestimmt helfen könnte?'

Und die Kranken sprachen: 'O ja, dann schon; aber dazu wirst du noch sehr viel lernen müssen! Es wird noch eine schöne Zeit verrinnen, bis du ein Arzt wirst.'

Und das Kindlein sprach: 'O mitnichten, denn Ich bin schon ein ganz ausgelernter Arzt und habe es so weit gebracht, dass Ich euch augenblicklich heilen kann. Und Ich sage euch: Wer aus euch sich Mir am ersten anvertrauen wird, der soll auch am ersten und alsogleich gesund werden!'

Da war ein gichtbrüchiges Mädchen von zwölf Jahren, das fand Wohlgefallen an dem Kinde und sagte zu Ihm: 'So komme denn her, du kleiner Arzt, ich will mich von dir heilen lassen!'

Hier lief das Kindlein zu dem Mädchen und sprach zu ihm. 'Weil du Mich zuerst berufen hast, so sollst du auch zuerst gesund werden! Siehe, Ich kenne deines Gebrechens Grund, er liegt in denen, die dich gezeugt haben. Du aber bist ohne Sünde, daher sage Ich zu dir: Stehe auf und wandle frei, und gedenke Meiner! Aber nun rede du zu niemand, dass Ich dich geheilt habe!'

Und siehe, das zwölfjährige Mädchen ward im Augenblick gesund, stand auf und wandelte frei. Da aber das die andern Kranken sahen, verlangten sie auch geheilt zu werden. Aber das Kindlein ging nicht an ihre Betten, weil sie es früher nicht verlangt hatten.

Als der Arzt aber diese Wunderheilung des von ihm als völlig unheilbar erklärten Mädchens ersah, wusste er nicht, was er sagen sollte. Er kam kaum zu Atem vor lauter Staunen und sprach zu Joseph: 'O Bruder, ich bitte dich, ziehe weg von hier; denn nun wird es mir gewaltig bange ums Herz! Denn siehe, ich bin ein sündiger Mensch, und in deinem Kinde weht offenbar des Herrn Geist! Wie aber kann ein armer Sünder bestehen vor dem allsehenden und allmächtigen Geiste des Allerhöchsten?'

Da lief das Kindlein zum Arzte und sprach zu ihm: 'Mann! Warum wirst denn du nun töricht und fürchtest dich vor Mir? Was Arges tat Ich dir wohl, dass es dir nun so bangt vor Mir? Meinst du denn, die Heilung des Mädchens war etwa ein Wunder? Ich sage dir: Mitnichten! Denn versuche du nur, auch die andern Kranken auf diese Art zu behandeln, und es wird besser mit ihnen! Gehe hin, erwecke in ihnen den Glauben, lege ihnen dann die Hände auf, und sie werden genesen im Augenblick! Aber zuvor musst du selbst fest glauben, dass du ihnen so helfen kannst und auch unfehlbar sicher helfen wirst!'

Als der Arzt solches vom Kindlein vernommen hatte, fasste er festen Glauben, ging hin zu den Kranken und tat ihnen nach dem Rate des Kindleins. Und siehe, alle Kranken wurden sogleich gesund, zahlten dem Arzte ihre Gebühr, lobten und priesen Gott, dass Er dem Menschen solche Macht verliehen habe. Dadurch aber fiel dann auch günstigermaßen das Wunderbare vom Kinde vor den Augen der Welt weg. Der Arzt aber gelangte dadurch zu einem bedeutenden Ruf und Berühmtheit, und viele Kranke kamen dann von weit und breit zu ihm und fanden dort ihre Heilung.

Als aber das zwölfjährige Mädchen sah, dass auch der Arzt ebenso wunderbar heilte, meinte es, das Kind habe das durch den Arzt getan, und pries danach auch des Arztes Weisheit. Das Kindlein aber beschwerte sich nicht dagegen; denn es hatte ja darum dem Arzte solche Kraft verliehen, auf dass von Ihm der Verdacht genommen würde. Nur Joseph sprach zum Mädchen: 'Mädchen, gedenke, dass alle Kraft von oben kommt!" (Jugend Jesu, 273-274, 21)

Die ordentlichste und natürlichste Heilweise

Die Welt nennt solche Eröffnungen Märchen und versagt ihnen den Glauben. Und wenn sie schon derartigen Heilberichten glauben muss, weil die Beweise und Tatsachen eine zu unwiderlegbare Sprache sprechen, so schüttelt man den Kopf und spricht von einem "Wunder". Und doch ist die geistige Heilung in dieser Schöpfungswelt, in welcher letzten Endes ja als wahre Grundkraft und Grundursache ein und alles der Geist schafft, in Wahrheit das allernatürlichste.

Der Herr spricht im "Großen Evangelium": "Ich bin ein Heiland. Wie, fragen sich die toten und stockblinden Menschen, kann Mir doch solches möglich sein? Und Ich sage euch, dass Ich keines Menschen Fleisch heile, sondern wo irgendeine Seele noch nicht zu mächtig mit ihrem Fleische vermengt ist, mache Ich nur die Seele frei und erwecke, insoweit es sich tun lässt, den in der Seele begrabenen Geist. Dieser stärkt dann sogleich die Seele, die frei wird, und es ist ihr dann ein leichtes, alle Gebrechen des Fleisches in einem Moment in die normale Ordnung zu setzen.

Das nennt man dann eine Wunderheilung, während das doch die allerordentlichste und natürlichste Heilung des Fleisches ist! Was jemand hat, das kann er auch geben; was er aber nicht hat, das kann er auch nicht geben.

Wer eine lebendige Seele nach der Ordnung Gottes hat und einen freien Geist in ihr, der kann auch seines Bruders Seele frei machen, wenn sie noch nicht zu sehr inkarniert (verfleischt) ist, und diese hilft dann leicht ihrem kranken Fleischleib. So aber der Seelenarzt selbst eine überaus kranke Seele hat, die viel mehr tot denn lebendig ist, wie sollte der hernach einer zweiten Seele geben, was ihm selbst gänzlich mangelt?" (GEJ 03, 12, 8-10)

Heilkraft als Zeichen der Gegenwart des Herrn

Da einem wahrhaft mit Gott verbundenen Menschen die Erfüllung alles dessen verheißen ist, was er in der Ordnung Gottes vom Vater der Liebe erbittet, so ist auch die Heilkraft ein auf diesem Wege erreichbares Gut. Und der Herr verheißt jedem seiner Jünger und Berufenen:

"Ein Zeichen Meiner mächtigen Gegenwart bei, in und unter euch wird auch das sein, dass es, so ihr den leiblich kranken Menschen aus wahrer Nächstenliebe in Meinem Namen die Hände auflegen werdet, mit ihnen besser werden soll, wenn dies zum Heil ihrer Seelen dienlich ist.

Es versteht sich auch da von selbst, dass ihr dabei allzeit im Herzen sagt: Herr, nicht mein, sondern nur Dein Wille geschehe! Denn ihr könnt nicht wissen, ob und wann das Besserwerden des Leibes einer Seele zum Heile dienlich ist, und ein ewiges Leben auf dieser Erde im Leibe ist keinem Menschen beschieden. Daher kann das Händeauflegen auch nicht allzeit und jedem Menschen von seinen Leibesübeln Befreiung verschaffen. Aber ihr werdet dennoch keine Sünde dadurch begehen, so ihr jedem Kranken die euch angezeigte Liebe erweist; den Helfer werde schon Ich machen, so es zum Seelenheil des Menschen ist.

So ihr irgend aus der Ferne vernommen habt, dass da ein oder der andere Freund von euch krank daniederliegt, da betet über ihn, und leget im Geiste die Hände auf ihn, und es soll auch besser werden mit ihm! Dabei aber bestehe das nur im Herzen auszusprechende Gebet in folgenden wenigen Worten: 'Jesus, der Herr, wolle dir helfen! Er stärke dich, Er heile dich durch seine Gnade, Liebe und Erbarmung!' So ihr das voll Vertrauen zu Mir über einen noch so ferne von euch befindenden Kranken aussprechen und dabei über ihn im Geiste eure Hände halten werdet, wird es mit ihm zur Stunde besser werden, wenn das zu seinem Seelenheil dienlich ist."

Heilhilfe im Verzückungsschlaf

Bei einer andern Gelegenheit fügt der Herr den belehrenden Ausführungen über die Heilung durch Gebet und Handauflegung noch hinzu:

Wenn du eine genügende geistige Vollendung erlangt hast, dann kann es geschehen, "dass der Mensch, dem du die Hände festgläubig aufgelegt hast mit dem starken Willen, ihm zu helfen, hellsehend wird und sich dann selbst eine taugliche Arznei bestimmen kann, die nach seiner Vorschrift angewendet, ihm volle Heilung bringen muss. Natürlich, wenn gegen seine Vorschrift Änderungen getroffen wurden, wird es mit der vollkommenen Heilung nicht gut gehen; ist aber die Vorschrift in ungestörter Anwendung geblieben, so erfolgt die volle Heilung ganz sicher.

Wenn bei dieser Heilbehandlung eine menschliche Person in weissagenden Schlaf gekommen ist, soll sie nicht durch allerlei unnütze Fragen gestört und geschwächt, sondern nur um das gefragt werden, was da notwendig ist. Wer aber jemand die Hände auflegt, der muss das in Meinem Namen tun, sonst wird seine Behandlung nichts bewirken.

Es gehört ein unerschütterlicher Glaube und ein ebenso fester Wille dazu.

Aus des Herzens tiefstem Grunde muss solch eine Bestrebung rühren und muss aus der wahren Nächstenliebe hervorgehen, dann erfüllt solche Kraft der Liebe die Hände des Handauflegers, dringt dann durch dessen Fingerspitzen, fließt wie ein sanfter Tau in die Nerven des Kranken und heilt den oft stechenden und brennenden Schmerz.

Das aber ist wohl zu merken, dass mehr dazu gehört, einen Mann in den Verzückungsschlaf zu versetzen als ein Weib! In gewissen Fällen könnte auch ein Mann von einem Weibe in den Verzückungsschlaf versetzt werden; dem frommen Weibe aber gelänge solche Behandlung nur mit Hilfe eines ihm zur Seite stehenden, unsichtbaren Engels, den es sich hilfsbereit machte durchs Gebet und des Herzens Reinheit."

Selbsthilfe durchs Gebet

Wenn nun der himmlische Vater die Starken mannigfach begnadet zur Hilfeleistung für die Schwachen und ein Mensch sich vom anderen brüderlich dienen lassen mag, so ist aber doch jedem Kranken auch ein unmittelbarer Weg zum Urquell aller Kraft und Arzt aller Ärzte gegeben: die Zuflucht zum Herzen Jesu, durch das eigene und vertrauensvolle Gebet.

"Den Kranken sage", spricht der Herr, "sie sollen sich in ihrer Krankheit nicht betrüben, sondern sollen sich ernstlich an Mich wenden und Mir ganz Vertrauen! Ich werde sie trösten und ein Strom köstlichsten Balsams wird sich in ihr Herz ergießen. Und des ewigen Lebens unversiegbare Quelle wird in ihnen offenbar werden." ("Haushaltung Gottes", Bd. 1, 1, 3)

Näher ausgeführt ist diese tröstliche Verheißung des unmittelbaren Gebetswegs im "Großen Evangelium" mit den Worten;

"Ich werde jedes ernsten Strebens Hilfe, Kraft und Stütze sein. In der Zeit der Not werde Ich niemanden verlassen, der sonst stets treugläubig und Mich liebend auf Meinen Wegen gewandelt ist. Ist er aber durch allerlei Lockungen der Welt von Meinen Wegen abgewichen, da muss er es sich dann schon selbst zuschreiben, so für ihn Meine Hilfe zur Zeit der Not unterm Wege verbleiben wird, und das so lange, als der Gefallene nicht voll Ernstes und reuig und vollgläubig sich an Mich wenden wird!

Ich werde zwar ewig ein und derselbe treue Hirte verbleiben und nachgehen den Schafen, die sich irgend verloren haben; aber das Schaf muss selbst zu blöken anfangen und sich finden lassen nach dem ihm eigenen und unantastbaren freien Willen.

Wer da irgend belastet ist mit einer für seine Kraft zu großen Lebensbürde, der komme im Herzen zu Mir, und Ich werde ihn stärken und erquicken! Denn Ich gebe eben darum manchem eine größere Bürde zu tragen, auf dass er fühle seine Schwäche und dann im Herzen zu Mir komme und Mich bitte um hinreichende Kraft zur leichteren Ertragung seiner größeren Lebensbürde; und Ich werde ihn stärken in jeglicher Not seines Lebens und ihm ein rechtes Licht geben, zu durch- wandeln die finsteren Wege des Lebens dieser Welt. Wer aber diese zu große Bürde wohl fühlt, aber nicht zu Mir kommt im Herzen, der muss sich‘s selbst zuschreiben, so er erliegt unter der großen Last des Erdenlebens." ("Gr. Ev.", Bd. 5, 169, 2-4)

Der allerbeste Heilsweg

Ein ernstes Leben inniger Gottverbundenheit und kindlicher Herzenszwiesprache ist auch der sicherste Weg, um mehr und mehr den vom göttlichen Menschenbildner erstrebten Zustand der Vollkommenheit zu erreichen, in dem unser eigener Geist die Kraft und Macht hat, Leib und Seele völlig zu durchdringen und alles ein für allemal in die beste Ordnung zu bringen.

Diese Heilung durch innere geistige Vollendung des Menschen ist die gründlichste und hat auch die Gewähr ewiger Dauer. Darum erging in der Bergpredigt das große Wort: "Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes, so wird euch alles übrige (auch die Gesundheit von Seele und Leib) von selbst zufallen."

Demgemäß spricht auch der Herr alles Lebens:

"Trachtet vor allem, vollkommene Menschen zu werden! 'Werdet so vollkommen, wie da euer Vater vollkommen ist, so wird euch alles Gift der Pflanzen und der Tiere nichts anhaben können. Werdet, wozu ihr berufen seid, doch einmal wieder das, was die Erzväter waren, denen alle Kreatur gehorchte. Werdet durch die Beachtung Meiner Lehre Herren der Schöpfung eures Vaters in seiner Ordnung! Es wird bei so bewandten Umständen keine Feindschaft mehr bestehen, weder unter euch, noch zwischen euch und den euch untergeordneten Kreaturen.

Wer dies alles erkennt und treu beachtet, der wird unfehlbar die Lebensvollendung erreichen und den Tod nimmer auf irgendeine Art wahrnehmen. Denn wer schon im Leibe sich das ewige Leben des Geistes erweckt hat, wird im Abfall des Fleisches nichts als eine ihn über alles beseligende Befreiung im höchst klaren Bewusstsein seines vollkommenen Seins wahrnehmen und sein Seh- und Lebenskreis wird ins Unendliche erweitert werden." (GEJ 05, 90, 1ff.)






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Kapitel 60
Gesundheitspflege

Das beste Heilmittel gegen Krankheit und Gebrechlichkeit ist die Vorbeugung durch eine vernünftige Gesundheitspflege. Die Schriften des neuen Gotteswortes weisen die Menschen auf diesen Weg. Der Arzt wie auch der heilsuchende Laie findet darin eine Fülle von Anregungen und Ratschlägen, die alle vom Grundgesichtspunkt der geistigen Welt- und Lebenserklärung ausgehen.

Wenn der Mensch weiß, dass sein Leib nur eine vergängliche Hülle einer unsterblichen Seele und eines ewig-göttlichen Geistes ist, und dass das Ziel des irdischen Daseins nicht im Wohlleben und Genuss besteht, sondern in der Erreichung göttlicher Vollkommenheit, dann wird ihm klar, in welcher Richtung sein irdischer Lauf zu gehen hat und wie Leib und Seele behandelt werden müssen, um das gesteckte Ziel zu erreichen.

Im "Großen Evangelium" vernehmen wir über das Verhältnis von Seele und Leib und die rechte Sorge für beide Teile des menschlichen Wesens folgende

Grundlehren der Leibes- und Seelenpflege

Der Herr: "Seht, der Leib ist Materie und besteht aus den gröbsten urseelischen Substanzen, die durch die Macht und Weisheit des göttlichen Geistes in jene organische Form gezwängt werden, die der einen solchen Formleib bewohnen- den Seele in allem Nötigen wohl entspricht.

Die in einem Leibe wohnende Seele aber ist anfangs um nicht viel reiner als ihr Leib, weil auch sie der unreinen Urseele des gefallenen Satan entstammt. Der Leib ist für die noch unlautere Seele eigentlich nichts als eine höchst weise und zweckmäßig eingerichtete Läuterungsmaschine. In der Seele aber wohnt schon der reine Funke des Geistes Gottes, aus dem sie ein rechtes Bewusstsein ihrer selbst und der göttlichen Ordnung in der Stimme des Gewissens überkommt.

Daneben ist der Leib für außen hin mit allerlei Sinnen versehen und kann hören, sehen, fühlen, riechen und schmecken; dadurch bekommt die Seele allerlei Kunde von der Außenwelt, gute und wahre, schlechte und falsche. Aus dem Urteil des in ihr wohnenden Geistes fühlt sie in sich bald, was da gut und was schlecht ist. Anderseits macht sie auch durch die äußeren Sinne ihres Leibes Erfahrungen von guten und schlechten, wohltuenden und schmerzlichen und anderen Eindrücken. Überdies wird der Seele von Gott, auf dem Wege der außerordentlichen Offenbarung von innen und von außen her, durchs Wort der Weg der Ordnung Gottes gezeigt. So ausgerüstet, kann dann die Seele nach der leicht zu erkennenden göttlichen Ordnung sich selbst frei bestimmen, was nicht anders sein kann, weil die Seele sonst unmöglich zu einer ewig andauernden, in sich abgeschlossenen, aber doch freien Existenz gelangen könnte.

Jede Seele, die fortbestehen will, muss sich durch die ihr gegebenen Mittel selbst bestandsfähig gestalten und ausbauen, ansonsten sie am Ende entweder das Los des Leibes teilt, oder sie tritt als noch zu dreiviertel Teil unausgebildet aus dem Leibe, der als völlig verdorben zur weiteren Ausbildung der Seele nicht mehr taugt. In diesem Falle wird dann die Seele genötigt sein, in einer viel unbequemeren Notform auf eine gewöhnlich sehr traurige und schmerzliche Weise ihre weitere Vollendung fortzusetzen.

Der Leib ist, weil aus noch in tiefen Gerichte stehenden Teilen bestehend, des Todes fähig und für jeden Menschen die Hölle im engsten Sinn. Die Materie aller Welten aber, in die der Mensch durch seinen Leib gestellt ist, ist die Hölle im weitesten Sinne. Wer nun viel für seinen Leib sorgt, der sorgt auch für seine eigene Hölle und nährt sein Gericht und seinen Tod zu seinem eigenen Untergang. Der Leib muss zwar ausreichende Nahrung bekommen, damit er stets fähig ist, der Seele für die Lebenszwecke entsprechende Dienste zu leisten. Aber wer da zu ängstlich sorgt für den Leib und nahezu Tag und Nacht arbeitet und handelt, der sorgt offenbar für seine Hölle und für seinen Tod.

Wenn der Leib die Seele reizt, sich für seine sinnliche Befriedigung in alle Tätigkeit zu werfen, rührt das stets von den vielen unlauteren Natur- oder gerichteten Materiegeistern her, die ganz eigentlich das Wesen des Leibes ausmachen. Gibt die Seele den Anforderungen des Leibes zuviel Gehör und tut danach, so tritt sie mit ihnen in Verbindung und steigt auf diese Weise in ihre höchsteigene Hölle und in ihren eigenen Tod. Tut die Seele solches, so begeht sie eine Sünde wider die Ordnung Gottes.

Verharrt die Seele darin mit Liebe und köstlichem Behagen, ist sie ebenso unrein wie ihres Leibes unreinste und gerichtete Geister, bleibt dadurch in der Sünde, somit in der Hölle und im Tode. Wenn sie auf der Welt auch gleich ihrem Leibe nach fortlebt, so ist sie dennoch so gut wie tot, fühlt auch den Tod in sich und hat eine große Furcht vor ihm. Denn die Seele kann in solcher ihrer Sünde und Hölle tun, was sie nur immer will, so kann sie dennoch kein Leben finden, obschon sie dasselbe über alle Maßen liebt.

Seht, darin liegt auch der Grund, warum viele tausendmal Tausende von Menschen von einem Leben der Seele nach dem Tode ihres Leibes ebensoviel wissen wie ein Stein, der am Wege liegt. Und so man ihnen irgend etwas davon sagt, lachen sie höchstens oder werden gar erbost und treiben den Weisen zur Türe hinaus. Und doch sollte ein jeder Mensch längstens bis in sein dreißigstes Jahr so weit mit der Bildung seines Ich fertig sein, dass ihm das folgende freieste Leben nach dem Tode des Leibes so vollbewusst und sicher wäre wie einem Aar der Flug in der hohen, freien Luft.

Aber wie weit sind selbst die Menschen, die danach erst zu fragen anfangen, noch entfernt davon! Und wie weit erst jene, die davon gar nichts hören wollen und einen solchen Glauben sogar für eine Dummheit halten. Solche Menschen befinden sich demnach ihr ganzes Erdenleben hindurch in der Hölle und im vollsten Tode.

Nun aber kann sich eine Seele schon gereinigt haben, und es wird ihr oft noch eine geraume Zeit gegeben zur Mitreinigung ihres an und für sich noch immer unlauteren Leibes und seiner Geister. Dadurch kann der ganze edlere Leibesteil sich endlich auch aus der Seele die Unsterblichkeit anziehen und jüngst nach dem Tode des gröbsten Teiles seiner Wesenheit mit der Seele zu ihrer Vollkräftigung miterweckt werden." (GEJ 02, 210, 1-16)

Der göttliche Geistfunke als Hauptkraft

Bei allem, was wir zum wahren Heil von Leib und Seele tun, müssen wir also dessen gedenken, dass nicht das Äußere und das Stoffliche die Haupt- und Grundkraft des Lebens ist, sondern dass alles wahre Heil vom inwendigen Gestalter und Erhalter, vom Geist, der im Herzen der Seele wohnt, ausgeht.

Freund, wenn du noch nicht weißt, dass in jeglicher Seele ein Geist alles Lebens wohnt, dann kannst du freilich noch lange nicht das wahre Wesen des Menschen in dir selbst begreifen.

"Die Seele ist nur ein Gefäß des Lebens aus Gott, aber noch lange nicht das Leben selbst. Denn wäre sie das Leben selbst, welcher Prophet hätte ihr dann je von der Erreichung des ewigen Lebens, wie umgekehrt von einem ewigen Tode etwas vorreden können? Da aber die Seele erst auf dem Wege der göttlichen Tugend zum ewigen Leben gelangt, so kann sie doch unmöglich selbst das Leben, sondern nur ein Aufnahmegefäß dafür sein.

Nur ein Fünklein im Zentrum der Seele ist das, was man Geist Gottes und das eigentliche Leben nennt. Dieses Fünklein muss genährt werden mit geistiger Kost, die da ist das reine Wort Gottes und das Handeln danach. Durch diese Kost wird das Fünklein größer und mächtiger in der Seele, zieht endlich selbst die Menschengestalt der Seele an, durchdringt sie ganz und gar und umwandelt am Ende die ganze Seele in sein Wesen. Dann freilich wird die Seele selbst auch ganz Leben, das sich als solches in aller Tiefe der Tiefen erkennt." (Gr. Ev. Bd. 3, 42, 4-6)

Die beste Stärkungskost des göttlichen Geistfunkens

Mit diesen inhaltsvollen Worten ist auch schon gesagt, was das Haupt-Geheimmittel aller wahren Gesundheitspflege ist: das reine Wort Gottes! Das heißt also, der belehrende Strom des Heiligen Geistes, der uns im äußeren geschriebenen oder gesprochenen Gotteswort, in den Erfahrungen und Führungen des Lebens, in den Zeugnissen des Buches der Natur und ganz besonders auch in der sanften Stimme im Menschenherzen zugeht.

In diesem Sinne lehren auch die Neuoffenbarungsschriften den Weg des Heils mit größtem Nachdruck im Geistigen und in der ununterbrochenen innigen Lebensverbindung mit Gott.

Daneben geben diese wahrhaft überreichen Eröffnungen aber auch noch eine Fülle von Winken und Ratschlägen in allerlei wichtigen Einzelfragen der Gesundheitspflege, so dass für den Sucher und Zweifler auf diesem heute so sehr verwirrten Lebensgebiet viele wichtigen Probleme gelöst werden.

Eine Hauptregel der Lebenskunst

Dem Führer eines Naturvolkes aus Ägypten gibt der Herr vor allem folgenden Heilsrat:

"Wollet ihr Menschen wahrhaft glücklich leben auf dieser Erde, so bleibet bei eurer alten Einfachheit! — Erstens kostet diese euch wenig Mühe und Arbeit und zweitens habt ihr nur ganz geringe natürliche Bedürfnisse, die ihr leicht deckt. Eure Viehzucht auf euren fetten Gebirgstriften macht euch wenig Arbeit und Sorge, und euer Acker, den ihr nur sehr wenig bebaut, ist ohnehin als nichts zu rechnen; auch eure Kleidung ist einfach und leicht zustande zu bringen. Ihr braucht daher sehr wenig Zeit auf eure natürlichen Bedürfnisse zu verwenden und könnt euch darum ausschließlicher mit den geistigen Betrachtungen abgeben. Und das ist viel mehr wert, als mit blutigem Schweiß auf Unkosten von hunderttausend Menschenleben Paläste erbauen, damit der unverwüstbare Zahn der Zeit dann Tausende von Jahren an ihnen sattsam zu nagen hat!" (GEJ 04, 183)

Den unmittelbaren geistigen Nutzen einer anspruchslosen, einfachen Lebensweise beleuchten auch die Worte, welche der Herr an drei andere Weise aus dem Morgenlande richtet:

"Alle von Natur aus besseren Menschen werden von Geistern auf eine mehr oder weniger fühlbare Weise unterwiesen in allerlei geistiger und natürlicher Wissenschaft. Je naturgemäßer, einfacher und in sich gekehrter die Menschen in der Welt leben, desto mehr und lebhafter stehen sie auch mit den besseren und guten Geistern aus dem Jenseits in Verbindung. Das war auch bei euch der Fall. Als ihr aber dann durch eure vielen Reisen weltläufiger geworden seid, haben euch auch eure Lehr- und Lichtgeister verlassen und euch euren eigenen Erkenntnissen, eurer Vernunft, eurem Verstande und eurem eigenen freien Willen anheimgegeben. Aber dennoch weckten sie die Begierde in euch, dass ihr Mich suchen und auch finden mußtet. (GEJ 06, 40)

Nicht zu viel Verbesserungen des äußeren Daseins!

Einem Freunde des "Kulturfortschritts", der eine verbesserte Meeresschifffahrt wünschte, wird vom Herrn gesagt:

"Die späteren Geschlechter werden wunderbar kunstvolle Schiffe erbauen, mit denen sie, an Schnelligkeit Vögeln gleich, nach allen Richtungen über alle Meere fahren können. Aber es wird dies das Glück der Menschen weder leiblich und noch weniger geistig erhöhen, sondern gewaltig vermindern.

Darum bleibet nur recht lange bei dem, was ihr habt! Denn eine zu große Verbesserung in irdischen Dingen ist stets eine wahre und dauernde Verschlimmerung im Geistigen, das der Mensch mit allen Kräften seines Lebens doch nur allein kultivieren soll. Was nützt es dem Menschen, so er alle Schätze der Welt für sich gewinnen könnte, litte aber dadurch den größten Schaden an seiner Seele? Kennt ihr denn noch nicht die kurze Lebensdauer alles Fleisches auf dieser Erde und das endliche Los des Fleisches? Ob du nun als ein Kaiser oder als ein Bettler stirbst, so ist das fürs Jenseits alles eins! Wer hier viel hatte, der wird jenseits viel entbehren müssen. Wer aber hier wenig oder auch wohl nichts hatte, der wird jenseits auch wenig oder nichts zu entbehren haben und wird um so leichter und eher zu den inneren und allein wahren, lebendigen Geistesschätzen gelangen.

Darum waren die Urväter dieser Erde so glückliche Menschen, weil sie ihre diesirdischen Lebensbedürfnisse so einfach wie möglich befriedigten. Wie aber dann besonders jene Menschen, die sich in den tiefer liegenden Tälern aufhielten, Städte zu erbauen anfingen, so ist damit auch die Hoffart in sie gefahren. Sie verweichlichten, wurden träge und verfielen bald in allerlei Laster und mit ihnen in allerlei Elend. Was Gutes hatten sie davon? Sie verloren Gott aus den Augen ihrer Seelen, und alle innere Lebenskraft des Geistes verließ sie, so dass sie gleich vielen von euch an kein Leben nach dem Tode des Leibes mehr glauben konnten.

War das nicht ein entsetzlicher Umtausch, so man für die größere Bequemlichkeit des materiellen Lebens das Geistige so gut wie völlig verlor? Wer darum ein Weiser unter euch ist, der suche nun wieder das unnötigerweise zu gute und bequeme Materieleben für das reine, wahre, geistige umzutauschen. Er wird da besser tun um ein endlos Großes, als so er die größten Erfindungen machte, wie man ganz sicher und vogelschnell über alle Meere fahren kann. Einmal wird er dennoch sterben müssen. Was werden ihm dann seine großen Erfindungen für seine Seele nützen?

Bleibet darum bei dem, was ihr habt! Sucht vor allem, wie ihr mehr und mehr auf dem Wege des Geistes wandeln könnt, so werdet ihr dadurch die größte und beste Erfindung für die große Schiffahrt aus diesem Irdischen ins andere, jenseitige Geistige gemacht haben.

Was sicher für ewig währt, das zu erreichen setzet alle eure Kräfte und Mittel in vollste Bewegung; ums Irdische für den Leib aber sorget euch nur insoweit, als es vernunftgemäß nötig ist! Dass ein Mensch essen und trinken und seinen Leib schützen muss gegen Kälte und große Hitze, ist eine ganz natürliche Sache. Wer aber für den Leib mehr tut als für die Seele und am Ende gar für den Leib allein sorgt, dagegen für die Wohlfahrt der Seele, die doch ewig leben soll, gar nicht, der ist wahrhaftig ein blinder und überdummer Narr.

Wenn ihr das nun wohl verstanden habt, so fraget Mich nicht mehr, wie ihr eitle, irdische Dinge um ein Großes verbessern könntet; denn Ich bin nur darum in diese Welt gekommen, um euch die Wege zum ewigen Leben zu zeigen und anzubahnen, auf dass ihr sicher und leicht auf denselben fortkommen könnt!"

Aber auch keine finstere Weltverneinung!

Andererseits will der himmlische Vater aber auch nicht, dass der Mensch finsteren, verschlossenen Gemütes seiner Schöpfung und der Schule des Lebens gegenüberstehe. In der düsteren Stimmung und eisigen Luft der Weltflucht und Askese kann ebensowenig wie in der Verschwendung und Prasserei ein wahrer Himmelssinn und ein gesundes Leibes- und Seelenleben gedeihen.

Der Herr spricht: "Der Leib braucht das seinige und der Geist das seinige. Wir sind nun unseren Gliedern eine rechte Stärkung zu geben schuldig, und dann werden wir des Geistes nicht vergessen. Glaube ja keiner, dass er Gott einen wohlgefälligen Dienst erweist, so er fastet und für seine begangenen Sünden in härenen Kleidern vor aller Welt Augen Buße tut. Denn nur der ist Gott angenehm, der dankbar isst und trinkt, was ihm Gott zukommen ließ, um dadurch seine irdischen Kräfte zur nützlichen Arbeit zu stärken. Dadurch kann er sich und seinem Nächsten viel nützen, und so er irgendeine Sünde beging, sie erkennt, bereut, verabscheut, sie nicht mehr begeht und sich also wahrhaft bessert, ist sie ihm vergeben.

Freilich gibt es leider gar viele, die da ihre Lebenszeit mit lauter Essen und Trinken zubringen. Sie sorgen nur für ihren Bauch und für ihre Haut. Die Nächstenliebe ist ihnen fremd, und die armen Menschen lassen sie nicht an ihres Hauses Schwelle kommen. Ihr stets voller Bauch lässt sie nie den Schmerz des Hungers und des Durstes fühlen. Das sind die echten Prasser und Vollsäufer, die dadurch ihren Leib stets bereit zu allerlei Unzucht, Hurerei und Ehebrecherei halten. Damit wird niemand je ins Reich Gottes eingehen.

Im gleichen sind aber auch alle jene Gleisner, die da fasten, in härenen Kleidern Buße wirken und für ihre Sünden ansehnliche Opfer dem Tempel darbringen, damit sie von dem Volke als Gerechtfertigte gelobt werden. Ich aber sage euch:

Derlei Menschen sind ebenfalls ein Gräuel vor Gott; denn ihr Herz, ihr Sinn und Verstand ist verhärtet. Sie richten ihre Nebenmenschen ohne Schonung und Nachsicht, sie kehren vor des Nachbars Türe und bemerken den großen Haufen Unrat vor der eigenen Hausflur nicht. Wahrlich, Ich sage euch: Wie diese Tempelheiligen und -gerechten nun ausmessen, geradeso wird ihnen drüben wieder zurückgemessen werden!"

Friede und Freude in Gott — ein Lebensbalsam

Die Welt muss als Schule betrachtet und weise benutzt werden. (GEJ 01, 83, 3 ff.) — Und das Evangelium der Liebe zu Gott und den Wesen der ganzen Schöpfung ist heiteren Gemütes zu verkünden und vorzuleben. (Vergl. GEJ 06, 18; Bd. 4, 167, 15 ff.)

Friede und Freude in Gott sind ein wahrer Lebensbalsam, der Wunder wirkt in Seele und Leib. Und auch der Schönheitssinn als eine Haupteigenschaft unseres Schöpfergottes soll gepflegt werden, damit wir auch hier unserem großen Vorbild ähnlich werden. (GEJ 01, 34, 6 ff.; Bd. 6, 136)

Dankbar soll der Mensch, der an Leib und Seele gesund bleiben will, sich darum auch oft und viel in der Natur ergehen, die Werke Gottes bewundern und sich erheben lassen von den herrlichen Kräften der höheren Geister- und Engelswelt, welche ihm da entgegenwehen, wo diese Gottesdiener in ihrer Tätigkeit sind. (GEJ 01, 174, 2 ff.; Kap. 49, 12)

Aufenthalt in der freien Natur

Der Herr selbst ging alle Tage regelmäßig, besonders frühmorgens vor Aufgang der Sonne ins Freie.

"Herr und Meister", sagen einige Jünger "wir bemerken, seit wir um Dich sind, dass Du stets gut eine Stunde Zeit vor dem Sonnenaufgang auch zur Winterszeit Dich ins Freie begibst und Dich gleich uns Menschen an den Erscheinungen der Naturwelt erheiterst. Da Dir aber ohnehin alles, was auf dieser Erde geschieht, bekannt ist, so haben wir schon oftmals darüber nachgedacht, wie Du an den Dingen und Erscheinungen auf einem nur kleinen Fleck dieser Erde noch irgendein Wohlgefallen haben kannst!"

Der Herr erwidert: "Das war einmal wieder eine recht menschlich-blinde Frage von euch! So Ich an den Dingen und Erscheinungen auch in dieser materiellen Natur kein größeres und innigeres Wohlgefallen hätte als ihr, da würde sich von dieser ganzen Erde mit allem, was sich auf, in und über ihr befindet, gar bald auch nicht ein Pünktlein mehr irgendwo vorfinden. Es ist doch alles, was da ist, Meine ewige Liebe, verkörpert vor euren Augen. Wie sollte Ich dann kein Wohlgefallen an Meiner Liebe haben, die doch von Ewigkeit her alles in allem ist?

Dass Ich Mich aber stets schon am frühen Morgen, wie oft auch bis in den späten Abend gerne im Freien befinde, hat seinen doppelten Grund: Denn erstens sollt ihr daraus erlernen, wie auch in des Menschen Seele der geistige Morgen ähnlich dem dieser Erde frühzeitig erwachen soll, und Ich dann an solch einem frühzeitigen Morgen im Menschen Mich ebenso erfreuen werde, wie Ich Mich vor euch sichtbar an jeglichem Naturmorgen erfreut habe.

Und zweitens sollt ihr aus Meinen steten und frühen Morgenbesuchen die Tätigkeit und den rechten Eifer kennenlernen und sollt Mir auch darin gleichen und die Menschen, denen ihr Mein Evangelium predigen werdet, daran wohl erinnern. Denn nur durch den rechten Eifer und durch eine frühe Tätigkeit kann der Mensch zum wahren Reiche Gottes in sich gelangen und es dann auch für ewig behalten."

Die stärkende Wirkung des Aufenthalts in der ersten Morgenfrische aber rührt auch daher, dass um die Zeit des Sonnenaufgangs viele durch die Nachtruhe gestärkte Naturgeister unterwegs sind, die dem zu dieser Stunde im Freien befindlichen Menschen das Fluidum ihrer frischen Lebenskraft mitteilen.

Aus einem ähnlichen Grunde rät der Herr auch:

Gehet gern auf die Berge!

"Die reinen Geister (der höchsten Luftregion) kommen nicht selten in die zweite, manchmal auch in die erste Region herab. Hauptsächlich aber sind jene Stellen auf der Erde ihre sichtbaren Niederkunftsplätze, die ihrer bedeutenden Höhe wegen fortwährend mit Schnee und Eis bedeckt sind. Und darin liegt auch der Grund, warum solche Gegenden für fast jeden Menschen eine beseligende und zugleich das ganze menschliche Gemüt erheiternde, stärkende und beruhigende Anziehungskraft haben. Wer da traurigen Herzens ist und voll Unruhe in seinem Gemüt, der begebe sich in Meinem Namen auf eine solche Höhe oder gehe wenigstens in ihre Nähe, und sein Gemüt wird wie mit einem stärkenden Balsam übergossen werden.

Während das Gemüt in den tieferen Regionen stets dumpfer, schwerer und leidender wird, ähnlich dem Gefühle eines Bergschluchten- und Höhlenbesteigers, wird das Gefühl bei einem, der eine solche reine Höhe erstiegen hat, heiterer und heiterer. Und wer da hinaufkommt, mag füglich ausrufen: 'Herr, hier ist gut sein!' — Daher sage Ich: Gehet gerne auf Berge! Denn auch Ich, als Ich im Leibe wandelte auf der Erde, ging häufig auf Berge. Auf einem Berge ward Ich verklärt; auf einem Berge trieb Ich den größten Versucher von dannen; auf einem Berge predigte Ich das Himmelreich; auf einem Berge betete Ich, und auf einem Berge ward Ich gekreuzigt! Darum gehet gerne auf die Berge; denn nicht nur euer Geist, sondern auch euer Leib gewinnt mehr dabei als aus hundert Apotheken." (Erde und Mond, 29)

Die rechte Bekleidungsweise

Naturmäßig und einfach soll auch die Bekleidung des Menschen sein.

"Gott hat den Menschen erschaffen ohne Kleid und erschuf ihn nach seinem Ebenmaße, und Gott gefiel also die Gestalt des Menschen, weil sie sein Ebenmaß war. Gott zeigte dem Menschen auch, sich ein Gewand zu machen, damit er seine Haut vor Kälte schützen könne. Aber darum lehrte Gott die ersten Menschen nicht, sich Kleider zu machen, dass sie diese als eine hoffärtige Zierde ihrer Glieder tragen sollen. Und noch weniger lehrte Gott den Menschen, sich darum ein verbrämtes Kleid zu machen, dass er allein in diesem nur Gott würdig anbeten solle.

Darum kleidet euch zwar nach eurem Stande, aber einfach, und leget auf den Rock und Mantel keinen andern Wert als allein den, dass er bedecke den Leib. Was darüber ist, das ist vom Übel und trägt keine guten Früchte."

Dementsprechend einfach war denn auch die Kleidung des Herrn und seiner Mutter Maria. Der Herr trug der Landessitte gemäß einen (roten) Leibrock und einen (blauen) Mantel. — Von Maria aber sagt der Herr: "Siehe, die Mutter meines Fleisches! Sie ist rein mit weißer Wäsche angetan und trägt darüber eine gewöhnliche blaue Schürze (Schutzkleid). Und sie ist damit gut bekleidet. Auf dem Haupte trägt sie gewöhnlich einen viereckigen Sonnenschirm-(hut), so wie alle anderen Weiber, die Mir aus Galiläa und Judäa gefolgt sind." (GEJ 01, 52, 6)

Was sollen wir essen und trinken? Der Ernährungsprozess des menschlichen Körpers

Viel umstritten ist heutigen Tages die Frage der rechten Ernährungsweise. Fleischesser, Vegetarier, Rohkostler streiten sich um den allein richtigen Standpunkt. Eine klare Auffassung vermitteln uns in diesen Dingen die Schriften der Neuoffenbarung.

Über den Ernährungsvorgang im menschlichen Organismus und die dabei verfolgten Zwecke des Schöpfers empfangen wir im "Großen Evangelium" folgendes Licht:

"Siehe", spricht der Herr, "alles, was du genießest und zur Stärkung und Belebung deines Leibes in deinen Magen aufnimmst, ist gar nicht so tot, wie du glaubst! Es hat drei Teile:

Erstens den materiellen, den du siehst und fühlst und von dem du, so die Speise wohlbereitet ist, in deinem Munde einen Wohlgeschmack verspürst und zuvor schon auch mit deiner Nase den Wohlgeruch in dich einhauchst. Siehe, diese Stücke gehören zur Belebung deines Leibes! — Wenn die Speisen in den Magen gelangen, so werden sie dort gewisserart zum zweiten Male gekocht, und es entwickeln sich dabei zwei Hauptbestandteile, von denen der eine, größere zur Ernährung des Leibes, seiner Glieder und Muskeln, durch das Blut das von diesen beiden Bestandteilen herrührt — überall hingeleitet wird, wo der Leib einer Stärkung bedarf.

Sind diese beiden Bestandteile in dem oberen Magen von dem, was du gegessen hast, gehörig ausgeschieden und in den Leib hinausgeleitet, so bekommst du Durst und trinkst etwas. Dadurch kommt die Speise in den unteren, kleineren Magen, der in zwölf Fächer abgeteilt ist. In diesem wird auf dem Wege eines eigenen Gärungsprozesses der ätherische Stoff der zu dir genommenen Speisen aus den kleinen Zellen abgesondert und dient zur Belebung der Nerven, daher du ihn auch den 'Nervengeist' nennen kannst.

Das ganz außerordentlich fein Ätherische, das wir 'Substanz' nennen wollen, wird durch die Milz auf einem ganz geheimen Weg ins Herz geleitet und geht vom Herzen aus völlig geläutert in die Seele des Menschen über. Und so zieht die Seele von jeder aufgenommenen Nahrung das ihr Verwandte an sich und wird dadurch in allen ihren, dem Leibe ganz ähnlichen Einzelbestandteilen genährt und gestärkt. Das kannst du daraus entnehmen, dass deine Reden und Urteile, wenn du hungrig und durstig bist, ein unzusammenhängendes Gedanken- und Ideengewebe sind. Hast du aber zuvor eine reine Kost und auch einen guten Wein genossen, werden deine Reden und Urteile einen ganz andern Charakter annehmen, und das bewirkt die Mitsättigung und -stärkung der Seele. Würdest du aber lange Zeit keine Speise und keinen Trank zu dir nehmen, so würde es dir mit deinem Denken und Reden bald sehr kümmerlich ergehen.

Haben die Speisen einmal das Wichtige an den Leib, an seine Nerven und an die Seele abgegeben, so wird dann das eigentlich Unlautere der aufgenommenen Belebungsmaterie durch die zwei natürlichen Gänge aus dem Leibe hinausgeschafft.

Ist aber ein Mensch in jeder Hinsicht ein Schwelger geworden und hat den Bauch zu seinem Abgott gemacht, so kann die aufgenommene Speise, wie auch der zu reichlich genossene Wein in den beiden bekanntgegebenen Magenteilen nicht mehr völlig abgesondert werden. Es gehen dadurch noch viele unausgeschiedene Leibes-, Nerven- und Seelenbelebungsteile in den Bauch und in die Gedärme, andernteils durch die Leber und Milz in die Harnblase über, bewirken daselbst abermals Gärungen, aus denen sich mit der Zeit allerlei Krankheiten entwickeln und die Seele träge, stumpf und gefühllos machen.

Aus diesen bösen Stoffen geht dann oft noch ein anderes Übel hervor. Wenn nämlich die argen, noch ungegorenen Naturgeister aus dem Dunstkreis eines solchen Menschen gar wohl merken, dass sich in seinem Bauche und Unterleib schon eine Menge ihnen verwandter Naturgeister angesammelt haben, so dringen diese bald in den Leib solch eines Menschen und vereinigen sich dort mit den ihnen artähnlichen Geistern.

Ist dieser Akt vor sich gegangen, so sieht es mit solch einem Menschen schon sehr übel aus. Es bemächtigen sich bald nicht nur seines Leibes eine Menge schwer- oder unheilbarer Krankheiten, sondern auch seiner Seele, die dadurch, in sich sehr geschwächt und träge gemacht, sich nimmer wehren kann, stets mehr in ihr sinnliches und leidendes Fleisch überzugehen.

Um das gänzliche Materiellwerden der Seele zu verhindern, gibt es da kein anderes Mittel als die großen Krankheiten des Leibes selbst. Solch ein Mensch verliert dann alle Esslust und sucht durch Arzneien den alten Unrat aus dem Leibe zu schaffen. Es gelingt hier und da wohl eine Art Heilung, aber niemals vollständig. Und ein solcher Mensch darf sich nur ein wenig vergessen, so hat er schon wieder seine früheren Plagegeister belebt, und sein zweiter leidender Zustand ist dann gewöhnlich ärger als sein erster.

Aber alles das ist nicht der einzige schlimme Zustand, den sich der Mensch durch seine Freß- und Saufgier zuziehen kann. Es kommt noch ein viel ärgerer dazu, der besteht in dem sogenannten Besessensein von einem oder mehreren bösen Geistern, die kürzer oder länger vorher im Leibe eines Menschen ihre Lebensfreiheitsprobe durchgemacht haben. Von diesem dritten Übel kann kein irdischer Arzt den Menschen mehr befreien, sondern allein Ich und der auch, der von Mir aus die Kraft und Macht bekommen hat."

Hauptregel der Ernährung: Einfachheit und Mäßigkeit

Warum Einfachheit und Mäßigkeit die Hauptregel aller Diätetik (Ernährungskunde) ist, wird an vielen Stellen mit Nachdruck betont. So heißt es in "Haushaltung Gottes":

"Ich sage dir: Sei allzeit mäßig im Genuss der naturmäßigen Kost, denn in ihr liegt eine große Versuchung! Wenn wir das natürliche Brot essen und die Früchte des Erdbodens, müssen wir dabei sehr behutsam sein, dass wir durch ihre grobe sinnliche Last nicht den unsterblichen Geist erdrücken.

Denn schon an gefräßigen Kindern magst du klar erschauen, wie sie durch ihre starke Gefräßigkeit verdummen und dann zu nichts geistig Tüchtigem fähig sind; dagegen werden die stets mäßig ernährten Kinder gar bald feine Denker. Wie aber solches bei Kindern der Fall ist, so auch um so mehr bei dem erwachsenen Menschen, da dieser ausgebildeter Leidenschaften fähig ist, die dem Kinde noch fremd sind.

In der natürlichen Kost nimmst du Naturmäßiges auf, und dieses wird in dir (falls im Übermaße genossen) nicht vergeistigt, sondern es vernaturmäßigt deinen Geist. Aber im Wort Gottes nimmst du Geistiges auf, und dieses sättigt, nährt und stärkt den Geist zum ewigen Leben. In der naturmäßigen Kost wird der Leib genährt und der Geist gedrückt und zum Fasten genötigt. Aber durch die geistige Kost gewinnen beide: der Geist wird kräftig und mächtig und seine Sinne endlos scharf, und der Leib wird dann durch den Geist geschmeidig, genügsam, dauerhaft und wird kräftig erhalten wie ein gut gewebtes Kleid aus feinen, aber in sich zähen und starken Fäden.

In der naturmäßigen Kost ruhen verdorbene Geister, und hat der Mensch deren auch viel in sich aufgenommen, werden sie des eigenen Geistes Meister und untergraben seine Wesenheit so, wie die argen Nagekäfer und Würmer einen Baum untergraben, seine Wesenheit zerstören und ihn endlich wohl ganz zugrunde richten. Die geistige Kost aber ist dem Geiste ein belebender Regen vom Himmel, unter dem er bald zu einer kräftigen und wohlduftenden Blume des ewigen Lebens erblühen wird."

Die Lebensweise der Urväter und der Speisezettel Mosis

"Sehet, die Urmenschen", spricht der Herr an anderer Stelle, "die in der ihnen durch Meinen Geist gezeigten Ordnung und Einfachheit geblieben sind, wussten von keiner dem Leibestode vorangehenden Krankheit etwas. Sie erreichten zumeist ein sehr hohes Alter, wurden nie krank und schliefen am Ende ganz ruhig ein, und ihre Seele empfand dabei keine Schmerzen und keine Todesangst.

Ihre Nahrung war aber auch immer eine gleiche, und nicht heute so und morgen anders. Zumeist lebten sie von Milch, Brot und guten und reifen Baumfrüchten. Ein solches Gericht war ihr ganzes Leben hindurch ihre Leibesnahrung, und zur Stillung ihres Durstes diente das frische Quellwasser. Aus diesem Grunde waren ihre Leibesnerven stets von denselben guten und unschädlichen Seelensubstanzen ernährt und es konnte so keine böse, unreine und schädliche Seelensubstanz in den Leib hineingelangen. Daher blieben diese Menschen stets gleich kräftig und gesund, sowohl geistig als auch leiblich.

Aber beseht jetzt in dieser Zeit die vielen tausend Lederbissen, mit denen die Menschen ihre Mägen und Bäuche füllen! Es wird euch somit klar werden, welche Anzahl von unreinen, bösen und schädlichen Substanzen bei solcher Gelegenheit oft den ganzen menschlichen Leib in Besitz nehmen und ihn nach und nach stets mehr zu martern anfangen. Denn solche verschiedenartigen Substanzen geraten dann in einem Menschenleibe in einen beständigen Kampf, den der Mensch nur dadurch auf eine Zeitlang zu beschwichtigen vermag, dass er zu allerlei aus der Erfahrung bekannten Kräutern und Wurzeln seine Zuflucht nimmt und mit ihrer Hilfe die Neigung der inneren Seelensubstanz zur Revolution stillt.

Aber solch eine Gesundheit ist nie von Dauer, besonders bei dem alten Menschen — er müsste denn auf längere Zeit hin zur ganz einfachen Leibesernährung seine Zuflucht nehmen, was aber gewöhnlich nicht geschieht. Denn die meisten Menschen, so sie dem Leibe nach wieder durch eine glücklich gewählte Medizin nur erträglich gesünder werden, bekommen bald wieder Lust zu ihren alten Leckereien, werden darauf kränker als ehedem, fangen an zu siechen und nehmen gewöhnlich ein sehr schmerzliches Ende.

Siehe, darum hat auch Moses den aus der harten Knechtschaft Ägyptens erlösten Israeliten den Speisezettel vorgeschrieben. Die, welche streng danach lebten, blieben gesund bis ins hohe Alter. Aber viele sehnten sich nur zu bald nach ihren ägyptischen Fleischtöpfen, und die Folge war, dass sie darauf bald krank, schwach und mühselig wurden und unter allerlei Leibeskrankheiten ihr irdisches Leben beschließen mussten."

Keine kleinliche Bedenken in der Speisenwahl!

Weniger wichtig als die Mäßigkeit ist eine strenge Wahl der Speisen. Dem ängstlichen Petrus verwirft der Herr seine "Tempeljüdische, kleinliche Bedenklichkeit" mit den Worten: "Was dir vorgesetzt wird, das iß, und es wird weder deinem Leibe noch irgend deiner Seele schaden. Nur vor der Unmäßigkeit hat sich jedermann zu hüten.

Im Notfalle kannst auch du als strenger Jude aller Tiere Fleisch essen, und es wird dir gut dienen. Denn alle Nahrung, die zu nehmen ein Mensch durch die Not gezwungen wird, ist von Mir aus gereinigt, nur muss er dabei eine noch größere Mäßigkeit beachten."

Verschiedenheit des natürlichen Speisebedürfnisses

Es kann und darf auch bezüglich der Speisenwahl nicht ein Mensch gleich wie der andere behandelt werden. Vielmehr sind die Nahrungsbedürfnisse sehr verschieden, je nach der Herkunft und Reife einer Menschenseele.

Durch Lorber wissen wir, dass ein Teil der Lebensfunken einer Menschenseele unmittelbar aus den Naturreichen, und zwar hauptsächlich aus der höheren Tierwelt stammt. Hat nun ein Mensch als Bestandteile seiner Seele viele Seelenelemente fleischfressender Tiere, so wird er — wenigstens im Anfang seiner geistigen Entwicklung — sicher ein viel stärkeres Bedürfnis nach Fleischkost empfinden als ein Mensch mit vielen Seelenelementen pflanzen fressender Tiere. Es wird ihm dabei die seiner Seele gewohnte Kost nicht ohne Schaden allzufrüh entzogen werden können.

Auf diesen Gesichtspunkt weist eine Stelle im "Großen Evangelium" hin, in der die "Vorkreaturformen" eines durch Unfall aus dem irdischen Leben geschiedenen Knaben enthüllt werden, wobei der Herr anfügt:

"Die reinen Erdenkinder sind seelisch und leiblich aus der gesamten organischen Schöpfung dieser Erde zusammengesetzt. Dafür liefert schon die höchst verschiedene Nahrung für den Leib, die ein Mensch zu sich nimmt, den Beweis, während ein Tier sehr beschränkt ist in der Wahl der Nährkost. Damit aber der Mensch allen Intelligenzpartikeln, aus denen seine Seele besteht, aus den zu sich genommenen natürlichen Nährstoffen eine entsprechende Seelennahrung zuführen kann, kann er eben auch so verschiedenartige Nahrungsteile aus dem Tier-, Pflanzen- und auch Mineralreich zu sich nehmen. Denn der substantielle Formleib der Seele wird gleich wie der Fleischleib aus der zu sich genommenen Naturkost genährt und ausgereift.

Nun kommt es noch darauf an, aus welcher vorhergehenden Kreatursphäre ein nur diesirdischer Mensch seine Seele nach den aufsteigenden Graden erhalten hat. Und es ist dann, besonders bei Kindern, der Umstand zu erwägen, dass ihre Seele noch immer Spuren jener Vorkreaturgattung in sich birgt, aus der sie zunächst in eine Menschenform überging. Wird ein Kind gleich in gute Erziehung gebracht, geht die Vorkreaturform bald völlig in die Menschenform über und festigt sich darin mehr und mehr. Wird aber bei einem Kinde die Erziehung sehr vernachlässigt, tritt in dessen Seele bald wieder die Vorkreaturform in den Vordergrund und zieht nach und nach sogar den festgefügten Leib in die vorige Form." (GEJ 04, 151, 7 ff.)

Im Anfang der geistigen Entwicklung ist also beim Menschen die Vorkreaturform noch von großer Bedeutung auch für die Ernährung. Vergeistigt sich dagegen ein Mensch, so tritt in ihm das Tierische immer mehr zurück und weichen auch in der Nahrung die ursprünglichen tierischen Bedürfnisse mehr und mehr denen des reinen Geistesmenschen.

Im Meinungsstreit der Fleischesser, Vegetarier und Rohkostler könnten diese Erkenntnisse aus dem Lichtschatze der Neuoffenbarung manche Klärung und Verständigung bringen! Und mancher Wahrheitssucher käme, wenn er diese Aufschlüsse beherzigt, in dem großen Wirrsal der Ansichten und Lehren besser zurecht.

Eine gute Kost für Geistesmenschen

wird in dem Lorberbuch "Erde und Mond" mitgeteilt. Dort heißt es:

"In früheren Zeiten, in denen die Menschen noch viel einfacher lebten als jetzt, gab es häufig solche, die das sogenannte zweite Gesicht hatten und ganz naturgemäß in den beiden Welten lebten. Es könnten auch Menschen in der heutigen Zeit leicht dahin gelangen, so ihre Kost einfacher wäre. Aber zu allermeist schadet ihnen die gegenwärtige, komplizierte Kost. Da verderben und verdummen sie ihre Natur so, dass in derselben die Seele sich wie ein Vogel unter den Leimspindeln verwickelt und verkleistert und sie unmöglich zu jener Regsamkeit gelangen kann, in der ihr ein freier Auf- und Ausflug möglich wäre.

Worin bestand denn die Kost jener früheren, einfachen Menschen? Die Kost bestand zumeist in Hülsenfrüchten, die ganz einfach, weich gekocht, etwas gesalzen und dann nie in heißem Zustand genossen wurden. So war auch Brot, Milch und Honig ebenfalls eine uralte, einfache Kost, bei der die Menschen zumeist ein sehr hohes Alter erreichten und fortwährend bis zum letzten Augenblick ihres Lebens im Besitze des zweiten Gesichtes waren.

Wohl kann jedermann dann und wann mäßig Wein genießen, jedoch nie so viel, dass er sich berauscht fühlen würde.

Fleischspeisen sollten nur zu gewissen Zeiten, und da nie länger als sieben Tage nacheinander, sehr mäßig und allezeit von frisch geschlachteten Tieren genossen werden. Und da ist das Fleisch der Fische besser als das Fleisch der Tauben. Das Fleisch der Tauben besser als das der Hühner, das Fleisch der Hühner besser als das Lämmerfleisch, dieses besser als das Ziegenfleisch, und dieses besser als das Kälber- und Rindfleisch — wie unter den Brotarten das Weizenbrot das dienlichste ist. Jedoch soll von den angezeigten Speisen nie mehr als eine mit etwas Brot genossen werden, so wie auch das Obst nur mäßig und allezeit von bester Reife, desgleichen auch einige Wurzelfrüchte, aber nur eine auf einmal.

Bei solcher Kost würde der Leib nie zu jener Wülstigkeit gelangen, in welcher er träg, schläfrig und schwerfällig wird, dass dann die Seele sehr anstrengend zu tun hat, solch eine Maschine in Bewegung zu erhalten, geschweige, dass sie sich neben solch einer Arbeit noch mit etwas anderem beschäftigen könnte.

Seht, so einfach lebende Menschen gab es in der früheren Zeit viele, und besonders einfach lebten jene Menschen, die sich an Bergen ihre Wohnstätten aufgerichtet hatten. Diese Menschen hatten denn auch beständig das zweite Gesicht, hatten bei Tag und Nacht einen ganz natürlichen Umgang mit den Geistern und ließen sich von ihnen in den mannigfachsten Sachen belehren. Die Geister zeigten ihnen die Wirkungen der Kräuter und zeigten ihnen auch an, wo hier und da das eine oder das andere edle oder unedle Metall in den Bergen verborgen lag, lehrten sie auch das Metall aus den Bergen abzubauen und durch Schmelzen und Schmieden zu allerlei nützlichen Dingen brauchbar zu machen.

Kurz und gut, es war da selten ein Haus auf den Bergen, das da nicht seine eigenen Hausgeister gehabt hätte, die wie ein anderes Hausgesinde ganz gewöhnlich zum Hause gehörten. Dadurch aber gab es denn auch eine Menge Weiser, namentlich auf den Bergen, welche mit den geheimen Kräften der Natur in der größten Vertrautheit lebten, denn diese Kräfte oder Geister standen ihnen fast allezeit zu Gebote." (Erde und Mond, 35, 5. 100 ff.)

Die wichtigsten Speisen für den Menschen

werden vom Herrn auch im "Großen Evangelium" im Gespräch mit einem römischen Oberstadtrichter erörtert:

Der Herr sagt: "Fische von guter Art, die in reinen Gewässern sich aufhalten, sind in der Zubereitung, in welcher wir sie genossen haben, die allergesündeste Kost für den menschlichen Leib. Wo aber derlei Fische nicht zu haben sind, da ist das Weizen- und Gerstenbrot an und für sich die gesündeste Nahrung des Menschen, so wie auch die Milch von gesunden Kühen, Ziegen und Schafen.

Unter den Hülsenfrüchten nehmen die Linsen den ersten Rang ein, wie auch zur Bereitung des Muses der persische Maisweizen.

Fleisch ist nur von einigen Hühnern und Tauben, dann von gesundem und reinem Rinde sowie auch von Ziegen und Schafen im vollkommen blutlosen Zustande, entweder gebraten oder gekocht als Speise zu genießen. Das gebratene aber ist dem gekochten vorzuziehen.

Das Blut der Tiere soll von niemandem genossen werden!

Das jetzt von Mir dir Gesagte ist und bleibt für den Menschen die einfachste, reinste und gesündeste Kost; alles andere, besonders im Übermaße Genossene ist für den Menschen schädlich, besonders wenn es zuvor nicht jene Zurichtung bekommt, durch die das Bösnaturgeistige völlig ausgeschieden wird."

Der Oberstadtrichter fragt: "O Herr und Meister, was ist es denn mit den vielen überaus wohlschmeckenden Obst- und Wurzelarten?"

Der Herr erwidert: "Das genießbare Obst muss vollkommen reif sein, in welchem Zustand man es dann auch mäßig genießen kann. Es ist aber dennoch im gekochten, gebratenen oder gedörrten Zustande gesünder als in seinem rohen, weil durch das Sieden, Braten und Dörren die schlechten und noch ungegorenen Naturlebensgeister hinausgeschafft werden. Dasselbe ist auch mit den Wurzeln der Fall."

Gesunde Getränke

Als bekömmliches Getränk wird nächst reinem, durchsonnten Quellwasser die Milch von gesundem Vieh öfters erwähnt; so im "Großen Evangelium", Bd. 1, 38, 1 und "Haushaltung Gottes", Bd. 1, 17, 24.

In "Jugend Jesu" hören wir bei der Erwähnung eines aus Fischen und Honigkuchen bestehenden Mahles: "Auch für einen guten Trank ward gesorgt, den Joseph und Maria aus Wasser und Zitronensaft mit Beimischung von etwas Honig bereiteten." ("Jugend Jesu", 252, 3)

Über den Weingenuß sagt der Herr im "Großen Evangelium": Meine lieben Freunde! Es ist der Wein, im rechten Maße genossen, eine rechte Stärkung und macht des Leibes Glieder kräftig und gesund. Aber so er übermäßig getrunken wird, erweckt er die bösen Geister des Fleisches und betäubt die Sinne. Die bösen Geister aber erwecken dann des Fleisches Lust, die da Unkeuschheit und Unzucht heißt, durch welche die ganze Seele auf langhin unrein, darauf auch unmutig, zänkisch, träge und oft beinahe wie völlig tot wird. Darum beachtet auch im Trinken des Weines ein gerechtes Maß, und ihr werdet Ruhe haben in eurem Fleische!"

Nur das Blut der Tiere soll der Mensch keinesfalls genießen, da es viele unvergorene und gefährliche naturgeistige Elemente enthält, die den Menschen leicht verunreinigen. (GEJ 10, 240, 1)

Vom Tischgebet

Eine wichtige Regel, die bei keinem Mahle vergessen werden sollte, ist auch, dass wir uns Speise und Trank vom himmlischen Geber aller guten Gaben segnen lassen und, was Er in seiner Liebe und Gnade spendet, mit innigem Dank genießen.

Schon den Urvätern wurde vom Herrn das Tischgebet ernstlich ans Herz gelegt. (HGt 01, 17, 21 ff.) — Und einem von langem Magenleiden geheilten Griechen empfiehlt der Herr:

"Bitte im Herzen Gott vor dem Essen, dass Er dir und allen Menschen die Speisen und den Trank segnen möge, und Er wird solche Bitte allezeit erhören. Und dir wird dann jegliche für die Menschen bestimmte Speise wohl dienen und deinen Leib wahrhaft nähren und stärken."

Segen der Keuschheit

Die Einfachheit und Mäßigkeit in Speise und Trank ist in den Neuoffenbarungsschriften auch darum so ernstlich empfohlen, weil nur ein strenges Maßhalten in diesen Dingen dem Menschen ein reines Leben in der Ordnung Gottes ermöglicht und für die Gesundheit von Leib und Seele nichts wichtiger ist als eben eine sittenreine keusche Lebensführung.

Die sogenannten Sexual- oder Geschlechtssäfte sind ja nicht zur sinnlosen Vergeudung bestimmt. Vielmehr dienen sie als feinste Substanzen dem Aufbau des Leibes, der Ergänzung des Nervengeistes und der Belebung des ganzen Menschen. Auch die Strahlkräfte der Aura oder Außenlebenssphäre, die in so hohem Maße die Lebensauswirkung des Menschen bestimmen, werden von dieser Quelle aus gespeist. Und so ist es für den gesamten Gesundheits- und Kräftestand des Menschen überaus nachteilig, diese Edelprodukte des leiblichen Organismus der kurzen Sinnenlust zu opfern — zumal dadurch auch das ganze Sinnen und Trachten der Seele vom wahren, geistigen und ewigen Ziele abgezogen und zum Verweilen im materiell vergänglichen Genuss verleitet wird.

Eindringlich mahnen daher die Schriften immer wieder zu einem nüchternen und reinen Leben, auch in der Ehe. So lesen wir beispielsweise in der "Haushaltung Gottes" (worin die Geschichte und geistige Führung der Urmenschheit geschildert wird), wie der Herr in der Gestalt des "Abedam" ein junges Paar, Jorias und Besela vermählt und belehrt:

"Als das Paar nun vor dem hohen Abedam sich befand, legte alsbald der Heilige seine Hände zuerst auf Jorias, dann aber auch auf die Besela, berührte das Haupt und das Herz, d.h. die linke Seite der Brust, und sprach dabei folgende Worte:

"Nehmt hin Meinen Segen zum ewigen Leben! Zeuget aus euch wahre, lebendige Früchte der reinen Liebe! Ferne sei euerm Leibe die stumme Befriedigung dessen, daran das Fleisch und somit auch die Sünde hängt — so werdet ihr stets wahrhaft und getreu vor Mir wandeln. Wer aber da wohltut seinem Fleische, es nährt über das gerechte Maß, und es dann durch alle Wollust zu ergötzen sucht, der nährt seine eigene Sünde und räumt durch die Wollust des Fleisches dem ewigen Tode alle Gewalt über sich ein. Daher bezähmet allzeit eure Begierden, so es nicht Zeit ist, dass ihr Mir zeuget eine lebendige Frucht. Wenn es aber Zeit ist, dann rufet zu Mir, damit Ich euch halte, wenn ihr der Sünde ein Opfer bringet, und ihr darum nicht fallet, sondern bleibet in Meiner Gnade.

Denn wer da fällt, der steht schwer auf, und bei jedem Fall wird der Geist mit einem neuen Totengefängnis umgeben … Daher sage Ich euch noch einmal: Nähret, stärket und ergötzet euer Fleisch nicht! Denn dadurch nährt ihr euren eigenen Tod, der den Geist umgibt als letzter Kerker vor seiner Wiederbefreiung oder Wiedererstehung zum vollen ewigen Leben aus Mir und in Mir!

Du, Mein geliebter Jorias, hast geschaut die Größe und Erhabenheit dessen, was da ist ein Kind Meiner Liebe. Du hast die Fülle der Glut Meiner Vaterliebe empfunden. Also bleibe getreu Meinem Willen; bleibe getreu Mir, deinem Gott; ja bleibe getreu Mir, deinem heiligen, liebevollsten Vater!

So oft das Fleisch eine ungebührliche Forderung an dein Herz legen wird, siehe allzeit die Sterne des Himmels an, und Ich werde aus den Sternen zu dir reden und werde dir sagen, was du zu tun hast! Wenn du aber abweichen möchtest von diesem Wege, den Ich dir jetzt vorgezeichnet habe, dann wird sich auch der Himmel vor deinen Augen in dichte Wolken verhüllen, und du wirst so lange die sprechenden Sterne nicht zu Gesicht bekommen, bis du voll Reue auf Meinen Weg zurückkehren wirst! So du aber verbleiben wirst freimütig getreu Meinem Willen, da wirst du bald die große Macht desselben in dir zu gewahren anfangen. Denn eben dadurch, dass du befolgst Meinen Willen, nimmst du ihn in dir auf und machst ihn zu dem deinigen.

Wer aber sich zu eigen gemacht hat Meinen Willen, der ist vollkommen geworden wie Ich, sein Vater es bin, und er wird die Werke des Lebens verrichten, die Ich verrichte. Wer aber so geworden ist ein Besitzer Meines Willens, der hat auch die wahre Kindschaft überkommen. Das aber ist die wahre Kindschaft, dass jeder ist in Meinem Willen und Mein Wille in ihm. Und das ist die wahre, lebendige Frucht der reinen Liebe und das ewige Leben.

Diese Frucht sollst du Mir vor allem zeugen mit deinem Weibe. Hast du solche gezeugt, so wirst du dann auch Kinder zeugen, welche aus Meinem Willen hervorgehen und werden vollkommen sein gleich dem, der sie gezeugt hat. Das aber ist Mein Segen, dass sonach Mein Wille der deine werde und du lebest aus und in demselben ewig! Amen."

Vernünftige Ruhe und maßvolle Leibesübung

Wichtig für die Erhaltung der leiblichen und seelischen Gesundheit ist ferner auch ein geordneter Wechsel von Ruhe und Tätigkeit im menschlichen Leben. Selbst in den Himmeln bedarf der Geist, wie es in dem Werke "Die geistige Sonne" heißt, zu seiner ordnungsmäßigen Stärkung der Ruhezeiten — "was der Herr schon bei der Schöpfungsgeschichte dadurch anzeigte, dass Er nach den sechs Schöpfungswerktagen einen Ruhetag bestimmt hat. Und zu den Zeiten Christi hat der Herr selbst gezeigt, dass Er nach getaner Arbeit gleich einem jeden andern Menschen geruht hat. Also müssen auch die Geister in den Himmeln Ruhezeiten haben, in welchen sie sich stärken zu neuer Tätigkeit."

Die wahre Ruhe bedeutet freilich auf Erden wie in den Himmeln kein völliges Untätigsein, sondern das Leben zieht sich gleichsam nach innen zurück, um an der inneren Quelle des reinen göttlichen Geistfunkens neue Kräfte zu neuem Tun zu sammeln. Die äußere Ruhezeit verbringt der geistige Mensch daher weder in stumpfer Trägheit noch auch mit leichtfertiger Zerstreuung der Sinne, sondern im Hinblick auf den Ernst und das ewige Ziel des Lebens mit erquickender Aufnahme des Gotteswortes oder der Naturbetrachtung, oder auch mit anderen zum Herzen Gottes führenden Beschäftigungen.

Auch eine vernünftige Leibespflege und -übung ist in den Grenzen, die durch die dienende Unterordnung des Leibes unter den Geist geboten sind, berechtigt und angezeigt. Niemand aber soll glauben, einzig und allein auf diesem Wege zu einer wahren Ertüchtigung des ganzen Menschen zu gelangen. Die Leibespflege darf nie zur Hauptsache werden, sondern steht an Bedeutung der Seelenpflege allezeit nach und soll den Menschen daher nicht mehr in Anspruch nehmen, als für sein seelisch-geistiges Wohl erforderlich ist. Sehr verfehlt ist die in heutiger Zeit bemerkbare Übertreibung der sportlichen Leibesübung, die nicht nur den Menschen vom Geistigen aufs Stoffliche lenkt, sondern auch vielfach durch Übertreibung zu leiblichen Schädigungen führt.

Stärkung im Schlafe

Auch des Schlafes soll der Mensch nicht allzuviel pflegen. Der Herr empfiehlt im "Großen Evangelium" für die Menschheit der damaligen Zeit täglich fünf Schlafstunden für die Jugend, sechs für das Alter. In unserer jetzigen, hetzenden und aufreibenden Zeit wird man dem nervenschwachen Menschengeschlecht (besonders Kopfarbeitern und andern Personen in nervenkraftverbrauchenden Berufen) eine etwas längere Schlafruhe gestatten müssen. Auf alle Fälle aber ist stets ein ruhiger und tiefer Schlaf um die Zeit der Mitternacht anzustreben, weil nur im Tiefschlaf die Seele sich völlig vom Leibe löst und mit der reingeistigen Welt eine Verbindung erlangt, die ihr eine erquickende, für die Gesundheit von Leib und Seele so unentbehrliche Stärkung verleiht.

Über die im ruhigen Tiefschlafe sich der Seele bietenden Möglichkeiten wird im "Großen Evangelium" gesagt:

"Es gibt gewisse fromme Menschen, die beinahe täglich zur Stärkung der Seele im Leibesschlafe in der Geisteswelt leben und handeln. Wenn sie aber wieder leibeswach werden, so wissen sie nichts davon; nur ein gewisses tröstlich-stärkendes Gefühl gewahren sie in sich, und es kommt manchem vor, als hätte er angenehme Dinge gehört und gesehen. Nur solche Menschen, die sich gleich den Propheten schon im Übergang in den dritten und somit höchsten und hellsten Schau- und Gefühlsgrad befinden, weil ihr Geist sich schon völliger mit der Seele zu einen angefangen hat, bringen das in der höheren Geisterwelt Geschaute und Vernommene in den leibeswachen Zustand mit und können es ihren Nebenmenschen verkünden."

Die Summe aller Lebensweisheit

Das beste Teil und die Krönung aller wahren, vernunft- und segensvollen Gesundheitspflege aber ist eine unermüdliche, von selbstloser Liebe getragene Tätigkeit im Lichte und in der Ordnung Gottes. Nichts zieht so stark und nachhaltig die ewigen Lebenskräfte der Himmel auf uns herab. Liegt doch das hohe Ziel, das der himmlische Vater mit uns verfolgt, eben darin, uns gleich Ihm vollkommen zu machen in der tätigen Liebe.

"Was sich der Mensch mit seinen ihm von Gott verliehenen Kräften nicht selbsttätig verschafft, das kann und darf ihm auch Gott nicht verschaffen, ohne ihn zu richten! Darum seid nicht nur Hörer Meines Wortes, sondern eifrige Täter desselben, so werdet ihr dessen Segnungen in euch wahrnehmen!

Das Leben ist ein Tun und kein Müßigstehen der Kräfte. Und so muss das Leben auch durch die fortwährende Tätigkeit sämtlicher Kräfte für ewig erhalten werden, denn in dem Sich-zur-Ruhe-Legen waltet kein bleibendes Leben. Das gewisse Wohlgefühl, das euch die Ruhe bietet, ist nichts als ein teilweiser Tod der zum Leben erforderlichen Kräfte. Wer mehr und mehr an der tatlosen Ruhe, besonders der geistigen Lebenskräfte, ein behagliches Wohlgefallen findet, schiebt sich dadurch stets mehr dem wirklichen Tod in die Arme, aus denen ihn auch kein Gott leicht mehr befreien wird.

Ja, es gibt auch eine rechte Ruhe voll Lebens. Aber die ist in Gott und ist für jeden Menschen ein unnennbar beseligendes Gefühl der Zufriedenheit, nach dem Willen Gottes tätig zu sein. Dieses beseligende Zufriedenheitsgefühl und die klarste Erkenntnis, wahrhaft nach der Ordnung Gottes gleichfort gehandelt zu haben, ist die bewußte rechte "Ruhe in Gott", die allein voll Lebens ist, weil voll Tatkraft und Handlung." (GEJ 01, 220, 6-11)

Bete und arbeite!

"Ora et labora!" — "Bete und arbeite!" In dieses Wort faßten darum schon in alten Zeiten erleuchtete Gottesmenschen die Summe aller Lebenskunst zusammen. Und in Ewigkeit wird der beste Rat für das leibliche und geistige Heil und Wohlbefinden des Menschen lauten:

Verbinde dich durch innigen Herzensverkehr mit deinem Gott und Vater und sei mit den aus dieser Urquelle des Lebens empfangenen Kräften in Dank und Liebe tätig für alle deine Mitgeschöpfe! Wirke dich so als Lebenssonne aus in deinem Kreise, auf dass du ein wahres, seliges Kind und Ebenbild deines Schöpfers und Vaters in Ewigkeit sein und bleiben kannst! Dann wird die "Krone des Lebens", d.h. alle Kraft und Macht der Himmel dein unvergängliches Erbteil sein.






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Kapitel 61
Berufsleben und Gotteslicht

Manchen geistig gerichteten Menschen, der in einem weltlichen Beruf lebt, beunruhigt nicht selten die Frage, ob er am richtigen Orte stehe, ob sein berufliches Tun und Lassen sich in Übereinstimmung befinde mit der Ordnung Gottes und ob es ihm kein Hindernis bereite im geistigen Fortschritt. Schon mancher ist durch solche Bedenken in schwere Gewissensnöte gekommen. Und so ist zu beachten, dass die Schriften der Neuoffenbarung auch über das Berufsleben ihr Licht ausgießen und die Wege zu einem segensvollen Verhalten auch in dieser Hinsicht weisen.

Die Schriften lehren keine Weltflucht! Sie zeigen vielmehr die große Bedeutung des irdischen Probelebens, in dem wir es lernen sollen, zwischen den gegensätzlichen Polen von Gut und Böse unsern Schöpfer über alles zu lieben, indem wir allen unsern Mitmenschen aus reiner Liebe zu dienen uns befleißigen. Vom Grundsatz des selbstlosen Dienens aus ist in den Lorberschriften auch das Berufsleben beleuchtet und der Weg gezeigt, auf dem gerade durch diese Schule des Lebens der Mensch das Ziel seines Hauptberufes — ein wahres Gotteskind zu werden — erreichen kann.

Berufswahl und -vorbereitung

Im "Großen Evangelium" finden wir eine Stelle, welche vom Gesichtspunkt der geistigen Bedeutung des Berufslebens aus die Wahl eines Berufs und die rechte Vorbereitung der Jugend beleuchtet. Dort sagt der Herr:

"Wenn alle Menschen gleich fleißig wären und auch die gleichen Talente hätten, würden sie sich gegenseitig bald völlig entbehrlich werden. Aber so haben schon Kinder ein- und desselben Elternpaares verschiedene Fähigkeiten. Der Erzieher muss sie wohl beurteilen können und dann den Kindern auch nach ihren Talenten den nötigen Unterricht erteilen, um sie dem rechten Ziele zuzuführen. Aber wenn du bei den verschiedenen Anlagen deiner Kinder wolltest, dass sie z.B. lauter Kleidermacher oder lauter Weber werden, so würdest du nur bei jenen einen rechten Fleiß und Eifer gewahren, die zu dem, was sie lernen, auch wirklich Talent besitzen. Diejenigen aber, die dafür wenig oder gar kein Talent haben, werden wenig Eifer zeigen, und solche Kinder werden später auch wenig Ersprießliches leisten.

Also die rechte Berufswahl für die Kinder liegt bei den Eltern und anderen Lehrern der Jugend. "Die Rebe bringt die Traube und der Feigenbaum die Feige als Frucht hervor. Beide Früchte schmecken süß. Aber wenn du den Feigenbaum ebenso behandelst wie den Weinstock, so wird dir der Feigenbaum wenig Früchte tragen. Und lässt du den Weinstock so unbeschnitten fortwachsen wie den Feigenbaum, wird er bald verkümmern und dir wenig Trauben geben."

Auf diese Worte des Herrn erwidert der Römer Agrikola: "Das ist wahrlich eine wichtige Lehre! Auch meine Kinder sollen dementsprechend gebildet werden. Natürlich aber muss eine gewisse Grundbildung bei allen gleichermaßen vorangehen, so das Lesen, Schreiben und Rechnen, wie auch das Verstehen der Sprachen, die in unserem Reiche gesprochen werden. Denn ohne diese Vorkenntnisse lässt sich aus den Menschen nicht viel machen. Dann aber soll ein jeder Mensch nach seinem hervorragendsten Talente gebildet werden. Herr, ist es recht so?"

Der Herr entgegnet: "Allerdings! Es sind die von dir angezeigten Vorkenntnisse dem Menschen gewiss nötig, um mit ihrer Hilfe leichter zur wahren Lebensweisheit zu gelangen. — Aber es soll dabei dennoch wohl darauf gesehen werden, dass die Menschen diese Vorkenntnisse und ihre Erlernung nicht zur Hauptsache machen und nicht ihr Leben lang sich mit dem Studieren der Schriften und Sprachen abgeben und dabei die innere, geisterweckende Bildung vergessen, in der am Ende doch ganz allein aller Wert des Lebens besteht. Denn was nützte es einem Menschen, so er alle Schriften der Welt schreiben und verstehen und aller Menschen Zungen reden könnte, an seiner Seele aber Schaden litte?

Daher suchet vor allem das Reich Gottes auf Erden — suchet es in euch! Alles andere wird euch dann mit dem Gottesreiche in euch gegeben werden; aber ohne dasselbe hat der Mensch — und besäße er auch alle Schätze der Erde und hätte er die Wissenschaften aller Weltweisen in sich — soviel wie nichts. Ein Besitzer des Reiches Gottes im Herzen aber hat alles. Er hat die höchsten und tiefsten Wissenschaften und hat das ewige Leben und seine Kraft und Macht. Und das ist sicher mehr als alles, was die Menschen auf dieser Welt je als groß und wertvoll anerkannt haben." (GEJ 07, 126, 2 ff.)

Worauf es ankommt

Von diesem hohen Standpunkt aus kommt es selbstverständlich nicht so sehr darauf an, was ein Mensch seinem zeitlichen Berufe nach ist, sondern wie er darin sich verhält.

Der Herr spricht: Was das Weltliche betrifft, so geht Mich das an sich nichts an, denn dies ist eine Sache des menschlichen Weltverstandes. Die Menschen können dem weltlichen Berufe nach werden, was sich für sie ehrlichermaßen ergibt. Der weltliche Erfolg kommt bei Mir nicht in Betracht, sondern nur das, was sie wirken nach Meiner Lehre und Meinem Willen.

"Auch das äußere Ansehen der Person hat vor Mir nicht den geringsten Wert, wohl aber das Ansehen eines durch Gottes Wort erleuchteten Herzens, das voll Leben ist durch die Liebe zu Gott und zum Nächsten. Wenn jemand ein hohes weltliches Amt bekleidet, so ist er dadurch ja instandgesetzt, desto mehr Gutes zu wirken. Tut er das, so wird auch sein Amt vor Mir einen verdienstlichen Wert haben. Aber das hohe Amt an sich hat gar keinen: Kaiser und Bettler sind vor Mir ganz gleich und haben als das, was sie sind, gar kein Ansehen vor Mir. Sondern vor Mir hat nur das einen Wert, wie sie es sind in Meinem Namen. Das lasset euch alle wohl gesagt sein!

Elend sei der, der seinen Nebenmenschen darum für gering achtet, weil er selbst ein hohes weltliches Amt bekleidet. Das Amt soll ein wohlrespektiertes Ansehen haben und der Beamte insoweit, als er ein Amt vorstellt. Aber der Beamte tue sich darauf ja nichts zugute, da er nur ein Diener des Amtes, nicht aber das Amt selbst ist. Ich sage euch dieses darum, dass sich niemand eines weltlichen Amtes wegen übernehme. Denn wer das tut, der ist nicht mehr in Meiner Liebe, und sein Amt dient ihm dann nicht zu seinem Leben, sondern zu seinem Untergang." (GEJ 06, 143, 1 ff.)

Die goldene Hauptregel für Amt und Beruf

Da die Gottesliebe, das wichtigste Ziel unseres Lebens, nur durch die tätige Nächstenliebe zur Vollkommenheit gestärkt werden kann, ist in unserem beruflichen wie überhaupt im ganzen weltlichen Verhalten die bekannte "goldene Regel" auch der Hauptgrundsatz und die wichtigste Richtschnur unseres Tuns und Lassens. Diese Regel lautet: "Was du vernünftigerweise willst, dass dir deine Mitmenschen tun, das tue du auch ihnen."

Auch in den Neuoffenbarungsschriften ist dieser Grundsatz göttlicher Lebensweisheit als Wegweiser in allen Lebenslagen, besonders auch im Berufsleben mehrfach aufgestellt. Das Gefühl dessen, was wir selbst billigermaßen von unseren Mitmenschen erwarten, gibt uns im Tun und Lassen des alltäglichen Lebens einen zuverlässigen Hinweis auf das, was nach göttlicher Ordnung auch unser Nächster von uns erwarten darf.

Zu etlichen Handelstreibenden spricht der Herr im "Großen Evangelium": Was ihr wünschet, dass man euch tue, das tuet auch ihr euren Nebenmenschen, und was ihr wünschet, dass man euch nicht antue, das unterlasset auch gegenüber den andern. Ich verstehe das natürlich in einer vernünftigen, weisen Hinsicht und Beziehung. Wer so seinen Nebenmenschen redlich dient, liebt auch Gott und wird von Gott wieder geliebt. "Ihr seid Handelsleute und Wechsler, und es ist euch ein großer Gewinn lieber als ein kleiner und gerechter. Ich aber sage euch: Seid in der Folge in allem gerecht und denket, wie es euch lieber ist, dass ein anderer gegen euch gerecht und billig ist. Mit welchem Maße, Gewicht und Preis ihr eure Nebenmenschen bedienet, mit demselben Maße wird es euch Gott der Herr und Vater im Himmel wieder vergelten. Lügner und Betrüger in jeder irdischen Lebensbeziehung aber werden von Gott nicht angesehen und in sein ewiges Lebensreich nicht eingehen. Das kann Ich euch gar wohl sagen, weil Ich Gott und sein Reich und seinen Willen bestens kenne."

Richtlinien für Kaufleute

Wie sich der Herr zu Handel und Verkehr stellt und was ein Gewerbetreibender zu beachten hat, spricht der Meister des Lebens im "Großen Evangelium" mit den Worten aus:

"Ich eifere nicht gegen den gerechten und höchst wohltätigen Verkehr zwischen Mensch und Mitmensch. Denn so will Ich es ja selbst haben, dass ein Mensch vom anderen in gewissen Beziehungen abhängen und einer dem andern dienen soll. Und darum ist ein gerechter Verkehr zwischen Menschen dieser Erde in der Ordnung der Nächstenliebe. Aber das werdet ihr hoffentlich auch einsehen, dass Ich dem lieblosen Wucher kein Wort reden kann. Der redliche Kaufmann soll für seine Mühe und Arbeit seinen entsprechenden Lohn haben; aber er soll nicht für zehn Groschen hundert Groschen und mehr gewinnen wollen! — Ich verdamme also nur den Wucher, nicht aber das notwendige, rechtliche Geschäft. Verstehet solches wohl, auf dass ihr nicht in Versuchung fallet!" (GEJ 07, 6, 8)

Von der dienenden Liebe geistiger Heiler

Für Ärzte und Heilkundige, die vom Herrn mit geistigen Kräften begabt sind, finden sich im "Großen Evangelium" ebenfalls beherzigenswerte Winke. Dort verehelicht der Herr einen ausgezeichneten Menschenfreund, den Arzt Borus, mit einer schönen, geistgeweckten Jüngerin Sarah, verleiht ihm die Gabe der geistigen Heilung und spricht zu dem Paare:

"An Meinem Segen in jeder guten Hinsicht sollt ihr von Mir aus keinen Mangel haben. Aber vergesset auch nie der wahrhaft Armen. Und lasse du, Borus, dir deine, von keinem Menschen der Welt erreichte Kunst in der Heilung aller Krankheiten von keinem armen Bürger und noch weniger von einem Diener zahlen, sei es mit Geld, mit Abdienen, mit Getreide oder mit Vieh! Aber den großen Geldbesitzern, Maklern und Wechslern, Kaufleuten und großen Grundbesitzern berechne deine Kunst nach Recht und Gebühr. Denn wer da hat und leben will, der soll dann und wann für sein Leben auch ein Opfer bringen! Es gibt schon Arme genug, denen du das zubringen kannst, um was sich ein begüterter Geldmann sein Leben erkauft. Ein Arzt wie du verkauft den Menschen das Leben, das besonders für die Weltmenschen das größte Gut ist. Darum sollen sie sich‘s auch nur ums teure Geld und Gut erkaufen und dabei noch froh sein, dass es auf der Erde einen Menschen gibt, bei dem sich das Leben erkaufen lässt.

Aber diesen Rat gebe Ich dir, Borus, auch noch: Wenn ein Kranker zu dir kommt oder du zu einem gerufen wirst, so frage ihn stets ganz ernstlich: 'Glaubst du, dass ich dir im Namen Jesu, des Heilandes aus den Himmeln, helfen kann?" Sagt der Kranke darauf vollernstlich: "Ja, ich glaube!", so heile ihn. Zweifelt er aber, dann heile ihn nicht, bis er glaubt, dass du ihn in Meinem Namen heilen kannst!"

Winke für Amtleute und Herrscher

Der römische Überstatthalter Cyrenius, der als ein demütiger Mann das Licht der Jesulehre von Grund aus in sein Herz aufgenommen hatte, machte sich schwere Gedanken, ob er denn nun auch sein mit irdischer Macht, Gewalt und Pracht verbundenes kriegerisches Amt weiter behalten und verwalten könne. Ihm gibt der Herr im "Großen Evangelium" Klarheit mit den Worten:

"Freund, bleibe, was und wer du bist, und stehe den vor, dem du vorgestellt bist — aber nicht zu deinem Ansehen, sondern zum vielseitigen Nutzen der Menschen!

Siehe, als zu Noahs Zeit die Flut kam über den Boden der Erde, den die sündig gewordene Menschheit bewohnte, da tötete die Flut bis auf Noah und dessen kleine Familie und die Tiere, die Noah in den Kasten aufnehmen konnte, in der weiten Weltgegend alles, nur die Fische im Wasser natürlich nicht. Wie aber erhielt Noah sich und seiner Familie das Leben hoch über all den todbringenden Wogen der großen Flut? Siehe, er befand sich in seinem festen Kasten, den die wilde Flut ganz gehorsam auf ihrem Rücken tragen musste!

Die 'tödliche Flut Noahs' erhält sich aber geistig noch gleichfort über dem Boden dieser Erde. Und Ich sage dir, dass diese geistige und beständige Sündflut Noahs dem Leben der Weltmenschen nicht minder gefährlich ist als die einstige naturmäßige zu den Zeiten Noahs. Wie aber kann man sich vor dem Ertrinken in der geistigen Sündflut schützen? — Siehe, was Noah körperlich tat, das tue man nun geistig, und man ist für immer geschützt. Mit anderen Worten: Man gebe nach der Ordnung Gottes zwar auch der Welt, was der Welt ist, aber vor allem Gott, was Gottes ist! — Die 'Arche Noahs' ist eines Menschen rechte Demut, Nächsten- und Gottesliebe.

Wer recht demütig ist und voll der reinen, uneigennützigen Liebe zu Gott, dem Vater, und zu allen Menschen und hat stets das rege Bestreben, allen Menschen wo irgend möglich zu dienen in der Ordnung Gottes — der schwimmt ganz wohlbehalten und bestverwahrt über die sonst gar leicht todbringenden Fluten aller Weltsünden hinweg. Und am Ende seiner irdischen Lebensbahn, wenn für ihn die Flut sinken und sich verlaufen wird in ihre finsteren Tiefen, da wird seine Arche am großen Ararat des lebendigsten Gottesreichs eine wohlgestellte Ruhe nehmen und wird dem, den sie getragen, zu einem ewigen Wohnhause werden.

Sieh Mich an! Muß Ich nun nicht verkehren mit der Welt? Ich esse und trinke, und die Welt dient Mir, wie einst die Flut dem Kasten Noahs gedient hat. Wohl tobt sie gar gewaltig unter den festen Wänden meines Kastens, aber verschlingen kann sie ihn ewig nimmer!

Du kannst nicht dafür, dass da ein römisches Reich entstanden ist. Nun ist es einmal da, und du kannst es nicht zunichte machen. Das Reich aber hat auch gute Gesetze, die zur Aufrechterhaltung der Ordnung und zur Demütigung der Menschen recht wohl taugen. Dünkst du dich nun ein Herr zu sein, der über dem Gesetze steht und darum eine Krone tragen kann, so bist du auf dem falschen Wege. Stellst du dich aber unter das Gesetz und betrachtest dich bloß als den vom Staate aufgestellten Leiter und Ausfolger, so stehst du auf dem rechten Standpunkt und zimmerst dir aus dem geistigen Material des Gesetzes eine Arche, die dich über alle noch so stürmende Flut der Weltsünden hinweg tragen muss! — Wenn du dazu noch in aller Tat die leichten Grundsätze Meiner Lehre beachtest, die mit euren Gesetzen ganz gut zu vereinbaren sind, so tust du auch nach Möglichkeit für deine Seele und für deinen Geist zur Genüge."

Sagt Cyrenius: "Aber bedenke, o Herr, die Pracht und den Luxus, worin ich des Staates wegen leben muss, und bedenke, was Du eben vorher von der Pracht und vom Luxus der Welt geredet hast!"

Sagt der Herr: "Liebst du denn in deinem Herzen die Pracht und den Luxus der Welt?"

Antwortet Cyrenius: "Oh, nicht im geringsten! Mir ist das alles wie eine rechte Qual!"

Sagt der Herr: "Nun, was beirrt dich dann die Mußpracht und der Mußluxus? Kein Glanz und keine Verzierung kann ohne Liebe deines Herzens dafür zu einem Nachteil für Seele und Geist werden! Aber wenn dein Herz an etwas Materiellem hängt, und wäre dasselbe an und für sich noch so nichtig, so kann es der Seele und dem Geiste ebenso schädlich sein wie eine schwerste Krone aus reinem Golde und aus kostbaren Gesteinen. Es kommt da alles nur auf die Verfassung des Herzens an!" (GEJ 03, 13, 3-10 und 14, 1-8)

Für Zöllner und Wirte

Selbst das zu des Herrn Zeiten besonders verhasste Zöllnergeschäft und das Wirtsgewerbe können im Lichte der Botschaft Jesu in Ehren betrieben werden.

Ein Mann namens Jored war Zollpächter und Herbergsbesitzer zugleich. Auch er fühlte sich, nachdem er die Herrlichkeit Jesu und seiner Lehre kennengelernt hatte, in seinem Berufe nicht mehr wohl und sagte eines Tages zum Herrn:

"Meister, wie steht es nun mit meinem Zöllnergeschäft hier zu Wasser und zu Lande? Da sieht eigentlich von der Nächstenliebe blutwenig heraus! Aufgeben aber kann man es doch nicht so ganz und gar, weil das eine öffentliche Staatssache ist. Denn lasse ich es aus, so wird es ein anderer nehmen, der die reisenden Handelsleute und besonders die Fremden noch mehr drücken wird als ich, der ich doch schon so manchen, der nichts hatte, habe umsonst die Zollschranke passieren lassen. Was wäre denn da Dein Wille?"

Dem Jored erwidert der Herr: "Was du bist, das bleibe! Aber sei billig im Verlangen gegen die Armen, dafür können aber die Reichen schon um ein bedeutendes mehr geben! Die Zölle sind gut für das Land, da sonst bald große Karawanen mit allerlei Waren euer Land überziehen und es (durch unnötigen Austausch) von seinen eigenen Lebensmitteln entblößen würden. Daher sollst du die fremden Handelsleute noch mehr besteuern, damit ihnen die Lust vergehe, zu oft mit ihren Waren in dieses Land zu kommen. Aber bei den Einheimischen sei dafür um so billiger. Auch deine Herberge ist gut. Beachte aber auch hier das gleiche: Sei billig gegen die Nächsten und gerecht gegen die Fremden! So aber ein Fremder kommt und hat nicht, dass er dich bezahlen könnte, dem schenke die Zeche, und wenn er etwa Meine Lehre annähme, da gib ihm noch ein Reisegeld obendrauf, so wird der Vater im Himmel dir das reichlich vergelten. Allezeit sei gerecht im Maß und Gewicht, denn mit welchem Maße die Menschen aufmessen, mit demselben wird ihnen vergolten werden!" (GEJ 06, 92, 4-8)

Alles im Blick auf das ewige Leben

Wir sehen, im ganzen Berufsleben will uns der Herr nicht durch starre Regeln und Vorschriften binden. Nur durch allgemeine Aufschlüsse und Blickpunkte sucht Er uns zu einem freien, selbständigen Handeln in seiner Ordnung zu erziehen. Ein jeder Beruf kann durch möglichste Beachtung des Gebots der Nächstenliebe geadelt werden. Ja, gerade an einem sehr welttümlichen Platz können wir oft viel Gutes tun und die Schule des Lebens mit bestem Erfolg durchlaufen. Darum ist auch nicht Ängstlichkeit und Kleinlichkeit in den einzelnen Dingen des Berufs im Sinne des Herrn. Wenn wir nur guten Willens sind, seinem weisen Willen gerecht zu werden, dann ist ein gelegentlicher Fehltritt nicht so schlimm. Der Vater wird unser Versehen schon zum Guten zu wenden wissen.

Die Hauptsache ist unser Blick auf das ewige Leben, unser Streben zum Göttlich-Guten! In diesem großen, auch für das Berufsleben richtunggebenden Punkt gibt der Herr im "Großen Evangelium" den Jüngern aller Zeiten und aller Stände einen tiefgründigen Hinweis:

"Ein jeder Mensch hat eine unsterbliche Seele und in der Seele einen unsterblichen Geist. Auf dass aber die Seele als ein aus der Materie sich entwickelnder Geist mit dem Urgeist Gottes, der 'Liebe' heißt, vollkommen eins werde, muss die Seele selbsttätig sich der Materie und ihren Anforderungen entziehen und all ihr Trachten, Tun und Treiben allein nach dem rein Geistigen richten, um eins zu werden mit dem in ihr ruhenden Geiste der reinen Liebe Gottes.

Wie aber kann ein Mensch denn erfahren, dass seine Seele eins geworden ist mit dem wahren Geiste Gottes in ihr? Das erfährt er aus sich selbst überaus leicht! Wenn du in dir keinen Hochmut, keinen unnötigen Ehrgeiz, keine Ruhmsucht, keinen Neid, keine Eigenliebe, aber desto mehr Liebe zum Nächsten und zu Gott lebendig fühlst und es dir eine wahre Herzensfreude macht, dein Hab und Gut im Notfall mit armen und notleidenden Brüdern und Schwestern zu teilen, ja, wenn du ein ordentliches Leid in deinem Herzen fühlst, irgendeinem Armen nicht helfen zu können, wenn dir Gott alles und die ganze Erde mit ihren Schätzen nichts sein wird — dann ist deine Seele völlig eins mit dem Geiste Gottes in ihr und hat das vollkommene, ewige Leben erreicht!" (Gr. Ev. Bd. 5, 51)






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Kapitel 62
Die soziale Frage

Unter dem Ausdruck "soziale Frage" versteht man, kurz gesagt, das Verhältnis von Arm und Reich. Man sagt auch "Arbeiterfrage", weil es sich in unserem Maschinenzeitalter hauptsächlich um die wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse zwischen den Arbeitern und den Besitzern der Wirtschafts- und Geldmittel handelt.

Alles, was von weltlicher Seite — sei es vom Standpunkt der Besitzenden oder von dem der Nichtbesitzenden über die soziale Frage gesprochen wird, geht nur bis zu einer gewissen Tiefe der Erkenntnis, da immer nur die weltlichen Beziehungen und Untergründe aufgedeckt werden. Und weil hier die Interessen sehr verschieden und zumeist vollkommen gegensätzlich sind, so ist der Meinungsstreit auch bis heute ein höchst unversöhnlicher geblieben.

Der Herr und weise Lenker aller menschlichen Verhältnisse, der auch in diesen Dingen auf den tiefsten Grund schaut, stellt uns auf einen Blickpunkt, der dieses ganze Fragengebiet in einem viel tieferen, geistigen Lichte zeigt.

Die geistige Ursache der verschiedenen Lebensverhältnisse

Die Zulassung von "Arm und Reich", von "Dienst- und Herrschaftsverhältnissen" hat im göttlichen Schöpfungsplan ganz bestimmte geistige Gründe. Und wir verstehen in ihrem Lichte auch das sonderbare, für viele so fragwürdige und schmerzliche Wort des Herrn: "Arme werdet ihr jederzeit haben!"

Die soziale Frage muss in erster Linie von dem Standpunkt aus betrachtet werden, dass die ganze materielle Schöpfung eine Schule und unsere Erde eine ganz besonders schwierige Haupt-Pflanzschule der eigentlichen Großkinder Gottes ist — eine Hochschule, in der besonders reich veranlagte Geister und Seelen aus allen Sternenwelten im Verein mit vielen schwachen, der hartnäckigen Materie unseres Planeten entstiegenen Erdseelen den Weg zur höchsten Gottähnlichkeit, Selbständigkeit und Seligkeit suchen.

Die Vollkommenheit und geistige Wiedergeburt der einst mit Satana abgefallenen Menschenseelen kann in dieser Hochschule der Kinder Gottes nur auf dem Wege der Erfahrung durch Demut und tätig dienende, selbstlose Liebe erlangt werden. Die selbstherrlichen, stolzen Seelen müssen durch Armut, Kämpfe und Niederlagen gebeugt werden. Die Selbstliebigen, denen nur das eigene Wohlergehen am Herzen liegt, müssen durch Not und Hilfsbedürftigkeit zum Mitgefühl mit anderen Wesen und zu Dank und Liebe gegen jeden Helfer, insbesondere gegen den himmlischen Vater, erzogen werden. Manche Seelen dürfen ihr Herrschbedürfnis ausleben, sei es im göttlichen Sinn mit Segen, sei es im ungöttlichen mit Fluch und Unfrieden. Anderen ist es verliehen, wissenschaftliche, künstlerische, geschäftliche, geistliche Gaben im guten oder selbstischen Sinn zu betätigen und dadurch beglückende oder schmerzliche Erfahrungen zu machen. Und wieder andern — freilich in dieser Welt nur einer geringeren Zahl — ist es zugelassen, in ererbtem oder erworbenem Reichtum sorglos genießend durch dieses Leben zu gehen. Auch an diese scheinbar Bevorzugten ergehen immer wieder Mahnungen, und wohl ihnen, wenn sie der inneren Stimme folgen und mit dem ihnen anvertrauten Pfunde als Wohltäter ihrer notleidenden Mitmenschen wuchern! Ihr jenseitiges Erkennen wird sonst ein überaus schmerzliches sein, da sie dann einsehen müssen, eine unwiederbringliche Möglichkeit geistigen Heils versäumt zu haben.

Allen diesen Menschenseelen, Armen und Reichen, Herrschenden und Beherrschten, Gebildeten und weniger Gebildeten ist in der irdischen Lebensschule gerade durch die zerklüfteten Verhältnisse unserer Welt eine einzigartige Gelegenheit geboten, durch gegenseitiges Dienen die höchsten Himmelstugenden Demut und Liebe und dadurch das Bürgerrecht in den seligsten Sphären der geistigen Welt zu erwerben. Auf keinem andern Stern der Schöpfung sind solche höllischen Verhältnisse, solche Gegensätze, solche Nöte und Kämpfe wie hier auf unserem Planeten, dem Kerkersitz Luzifers, des großen Gegenpols der Ewigen Liebe — und darum aber auch nirgends ein solches Feld gesegneter Betätigung und Festigung.

So gewinnt die ganze uns oft so hart und lichtlos anmutende "soziale Frage" durch diesen, in die Grundtiefen des Schöpfungsplans reichenden Einblick ein ganz anderes Gesicht. Wir sehen den göttlichen Zweck des ganzen sozialen Vorgangs. Der Gedanke, dass in dieser Schule jeder einzelne als lernender Erfahrungsschüler durch göttliche Führung gerade an die Stelle gesetzt ist, wo es für seine geistige Reifung, seinen Gaben und Mängeln entsprechend, am aussichtsreichsten ist — diese Erkenntnis ist in hohem Maße geeignet, denkenden Menschen den Lebenskampf erträglich zu machen und der sozialen Frage viele Spitzen und Schärfen zu nehmen.

Dass dem zeitlichen Leben diese Bedeutung als Schule der tätigen Gottes- und Nächstenliebe zukommt, wird in den Schriften der Neuoffenbarung oft betont. So erklärt der Herr im "Großen Evangelium" (Bd. 7, 37) einer sehr sozial gesinnten Jüdin:

Warum Armut und Reichtum auf Erden?

"Dass die Güter dieser Erde so ungleich verteilt sind, und dass es Reiche und Arme gibt, ist schon der weise Wille Gottes. Er lässt darum auch solch ein Verhältnis unter den Menschen zu, weil ohne dieses die Menschen schwer oder auch gar nicht zu ihrem wahren Lebensziel gelangen könnten.

Stelle dir einmal vor, dass da ein jeder Mensch schon von Geburt an mit allem versorgt wäre, so dass er von keinen andern das Geringste benötigen würde — da würde er nur zu bald den Tieren des Waldes und den Vögeln der Luft gleich leben. Diese bauen sich keine großen Häuser, bebauen keine Felder und Weinberge und haben nicht Not, für ihre Bekleidung zu sorgen. Und hätten sie auch in ihren Höhlen und Nestern hinreichend Nahrung, so würden sie ihren Unterschlupf nie verlassen, sondern würden gleich den Polypen im Meeresgrunde ruhen und fressen. Aber weil die Tiere ihren Fraß erst suchen müssen, sind sie voll Bewegung und ruhen erst dann, wenn sie ihren Hunger gestillt haben.

Und siehe, so hat es Gott besonders unter den Menschen dieser Erde sehr weise eingerichtet, dass Er die kargen irdischen Güter unter sie sehr ungleich verteilt und sie auch mit sehr verschiedenen Talenten und Fähigkeiten ausgestattet hat. Dadurch ist ein Mensch dem andern ein unerlässliches Bedürfnis. So braucht der reiche Besitzer allerlei Handwerksmeister. Er muss zum Schmied kommen, zum Zimmermann, zum Maurer, zum Schreiner, zum Töpfer, zum Weber, zum Schneider und zu noch vielen anderen. Und so lebt einer vom andern, weil einer dem andern dient." Und nur auf diese Art kann das Menschengeschlecht auf der Erde erhalten werden und, im gegenseitigen Dienen sich übend, das ewige Lebens-Ziel der geistigen Vollkommenheit erreichen.

"Die Menschheit könnte auch sehr gut bestehen, wenn nicht so manche Menschen in eine gar zu übermäßige Habsucht und Herrschgier verfallen würden. Doch diese werden von Gott stets scharf heimgesucht und meist schon auf dieser Welt gezüchtigt, und ihr ungerecht zusammengeraffter Reichtum geht höchstens bis auf die dritte Nachkommenschaft."

Aufgabe und Pflicht der Dienenden

Dem himmlischen Sinn der irdischen Lebensschule entsprechend, gestaltet sich auch die Aufgabe der Dienenden wie der Gebietenden. Die Dienenden sollen sich nicht mit Widerwillen im harten Menschendienste üben, sondern sollen gedenken, dass sie um ihrer eigenen Lebensvollendung willen in dieser Schule stehen. Sie sollen um des allliebenden Vaters willen ihren Dienst an den Mitmenschen treulich tun und, wenn die letzteren noch unreif, hart und unverständig sind, die Geduld nicht zu bald verlieren.

In Briefe an die Laodizener (der uns durch Lorber nach langer Verschollenheit wiedergegeben wurde) schreibt Paulus in diesem Sinn:

"Euch Knechten und Dienern sage ich: Seid gehorsam euren Herrn in allen Dingen, die nicht wider Christus sind — aber nicht mit alleinigem Augendienst, um dadurch euren Herren zu gefallen, sondern in wahrer Einfalt eures Herzens und in stetiger Gottesfurcht. Alles aber, was ihr verrichtet euren Herren, das verrichtet so, als dientet ihr Christus dem Herrn in aller Treue eures Herzens, so werdet ihr auch einst von Ihm den Lohn der Herrlichkeit überkommen.

Wer von euch aber Unrecht verübt an seiner Herrschaft, tut es auch gleichermaßen an dem Herrn und himmlischen Vater. Der aber sieht nicht darauf, ob jemand ist Herr oder Knecht, sondern allein auf das Werk und auf des Werkes Grund. Wer daher Unrecht tut, dem wird auch der Herr des Himmels dereinst den gebührenden Lohn geben. Ihr möget wohl die Menschen täuschen, aber der Herr lässt sich nicht täuschen. Denn vor Ihm liegen allezeit eure Herzen offen." ("Laodizenerbrief des Apostels Paulus", 3, 32-35)

Aufgabe und Pflicht der Gebietenden

Wie die Dienenden, so haben auch die Gebietenden in ihrer Stellung dieselbe Aufgabe, Demut und wahre Gottes- und Nächstenliebe zu lernen. Sie ist ihnen durch Versuchungen, welche Reichtum und Macht mit sich bringen, zumeist nicht leicht gemacht. Vom geistigen Standpunkt aus ist daher die Gebieterstellung in der Schule des Lebens nicht selten die schwerere, zumal damit auch meist der verantwortungsvollere Aufgabenkreis verbunden ist. Für die Gebietenden handelt es sich darum um der Liebe Gottes willen ihre irdischen Besitz- und Machtmittel als treue Verwalter zum Nutzen ihrer bedürftigen Mitmenschen weise zu verwenden.

Paulus schreibt: "Euch dienstgebenden Herren aber sage ich, dass ihr wohl bedenket, dass die Knechte und Diener auch eure Brüder sind vor dem Herrn. Daher erweiset ihnen allezeit, was da recht ist vor Gott! Gebt ihnen den gebührenden Lohn zur rechten Zeit mit Liebe und bedenkt, dass wir alle einen Herrn haben im Himmel, und dieser ist Christus von Ewigkeit!" ("Laodizenerbrief des Apostels Paulus", 3, 36)

Fluch und Segen des Reichtums

Mit großem Ernst weist der Herr in den Schriften der Neuoffenbarung die Besitzenden auf ihre Pflichten gegenüber den besitzlosen und bedürftigen Mitmenschen hin. So heißt es im "Großen Evangelium":

Hütet euch vor den Gütern und Schätzen dieser Welt, denn in ihnen ruht der arge Geist der Versuchung zu allen Sünden! So ihr zu Gott betet, so denket und wünschet, dass Er euch nicht mit vielen irdischen Gütern und Schätzen wohl versehe, sondern bittet Ihn nur um das tägliche Brot, und Er wird es euch nicht vorenthalten, da Er am besten weiß, wessen ihr bedürft! So ihr aber nach Meiner Lehre Gott über alles liebet und darum auch euch untereinander so, wie ein jeder sich selbst, werdet ihr euch nie über eine Not zu beklagen haben. Denn die Not und die Armut unter den Menschen erzeugt einzig und allein ihre gegenseitige Lieblosigkeit. Diese aber ist stets die Folge des Un- oder Aberglaubens. Denn wer den Glauben an den einen, ewig allein wahren Gott nicht hat, wie soll der Gott über alles lieben und aus solcher Liebe seinen Nächsten wie sich selbst?

Es sieht zwar ein mit irdischen Schätzen bestens versehener Mensch seinen armen Nächsten. Aber da er selbst keine Not zu erleiden hat, sagt er: "Ich bin versorgt, was gehen mich die andern an? Ein jeder sorge für sich selbst, und er wird nicht Not zu leiden haben!" — Ich aber werde dereinst zu einem solchen sagen:

"Warum sorgtest denn du weit über die Gebühr nur für dich und entzogst den andern das, was von Mir aus ihnen gebührt hätte? Darum wirst du nun in Meinem Reiche verlassen sein und dir alle Armut und Not gefallen lassen müssen!"

Und so der unbarmherzige Reiche sich damit entschuldigen will, dass ihm von Mir niemand eine rechte Kunde gebracht habe, werde Ich zu ihm sagen: "Wer hat dir denn die Kunde von einem Rechte gebracht, demnach du die Güter der Erde deinen Nebenmenschen, die ein gleiches Recht auf ihren nötigen Besitz haben, als Stärkerer entzogen und für dich zusammengehäuft hast? Hättest du da nicht nach der Vernunft und dem Rechte, das die Natur dir laut verkündet, handeln sollen, da du doch klar gewahren musstest, dass die Erde mit ihren Gütern nicht für dich allein, sondern für alle Menschen da ist? Weil du aber dessen, was dir deine Vernunft eingeben musste, nicht geachtet hast, so wird hier in Meinem Reiche auch deiner Seelennot und Armut nicht geachtet werden!

So du aber sagst, dass du darum an keinen wahren Gott glauben konntest, weil dir von Ihm niemand eine rechte Kunde gebracht habe, da sage Ich dir: Du arger Lügner! Vom Geiste Gottes erfüllte Menschen kamen arm und dürftig vor deine Tür und wollten dir die Kunde von dem einen, allein wahren Gott überbringen. Du aber ließest sie nicht vor aus der einzigen Furcht, dass du ihnen dafür etwas geben müsstest, so du durch sie zum ungezweifelten Glauben an einen allein wahren Gott bekehrt würdest. Auf dass du dich nicht durch eine mögliche Bekehrung genötigt fühlen könntest, ließest du dich lieber gar nicht bekehren und wünschtest dir deines Geizes wegen keine wahre Kunde von dem allein wahren Gott."

Wer aber ein so hartes Herz hat, wird in seiner verstockten Seelenblindheit Gott nie lieben und darum aber auch nie das selige, ewige Leben erlangen können. Darum sage Ich euch noch einmal: So ihr den Vater in Mir in Meinem Namen um etwas bittet, da bittet Ihn vor allem nur um die unvergänglichen Schätze des Reiches Gottes, und ihr werdet sie erhalten und mit ihnen auch das, was euch zum Leben auf dieser Erde nottut! Wem aber viel an Erdengütern verliehen ist, der verwalte sie nach dem Liebewillen des himmlischen Vaters, und er wird dann als ein treuer Verwalter in Meinem Reiche über Großes gestellt werden.

(GEJ 09, 210, 2-17. Vergl. auch Bd. 3, 192, 8-15 und besonders Bd. 6, 117, 118)

Ein Evangelium für Wohlhabende

Die rechte Verwendung irdischen Reichtums aus Dank und Liebe zu Gott und den darauf liegenden Segen beleuchtet eine Szene im "Großen Evangelium". — Der Herr hatte einen von einem tollwütigen Hund gebissenen Bürger von Nazareth geheilt, an dessen Aufkommen niemand mehr geglaubt hatte. Die Frau des Geheilten wagte ihren Sinnen kaum zu trauen, als man ihr den Gatten und Vater ihrer Kinder wiederbringt.

Der Herr schildert das Geschehnis weiter: "Das Weib weint vor Freude und Dankbarkeit und sagt: 'Herr, du wahrhaftigster Meister aus den Himmeln! Ich habe ein großes Vermögen; die Hälfte will ich sogleich den wirklich Armen zukommen lassen und die andere Hälfte will ich für sie verwalten, auf dass sie bei mir immer etwas finden sollen. Denn ich meine, dass solches gut sei, da mir bekannt ist, dass die Armen mit einem größeren Vermögen nicht haushälterisch umgehen können und zur Zeit der Not dann wieder nichts haben!'

Sagt der Herr: 'Tue das, liebes Weib! So sollten es alle Reichen tun, dann würden die Armen nie Not zu leiden haben. Denn die Not ist auch ein Übel und verleitet den Menschen oft zu größeren Lastern als der Reichtum. Der Reiche bleibt wenigstens in seiner Ehre öffentlich vor der Welt und gibt selten so viel Ärgernis wie ein Armer, den die Not nur zu leicht für schlechte Taten fähig macht. Aber der unbarmherzige Reiche, der die Armen zur Ausführung seiner Laster benützt, ist bei aller seiner Weltehre um tausendmal schlechter als der Arme. Denn der Arme wird lasterhaft durch die Not, und der Reiche ist des Lasters Schöpfer in seinem uverzehrbaren Überfluss.

Aber wie du, Mein liebes Weib, nun deinen Reichtum verwenden wirst, ist der Reichtum ein Segen aus den Himmeln und wird zeitlich und ewig dessen Verwaltern den größten Gewinn abwerfen. Darum, wer da recht tugendhaft sein will, sei allzeit sparsam und haushälterisch, auf dass er zur Zeit der Not fähig sei, den Armen und Schwachen unter die Arme zu greifen.

Ich sage euch allen: Eure Liebe zu euren Kindern brenne wie ein Licht; aber die Liebe zu den fremden Kindern armer Eltern sei ein großer Feuerbrand! Denn niemand in der Welt ist ärmer als ein armes, verlassenes Kind. Wer ein solches aufnimmt in Meinem Namen und versorgt es leiblich und geistig wie sein eigenes Blut, der nimmt Mich auf. Und wer Mich aufnimmt, der nimmt auch den auf, der Mich in diese Welt gesandt hat und vollkommen Eins ist mit Mir. Wollt ihr Segen von Gott in eure Häusern ziehen und ihn wie ein wohlbestelltes Feld zur reichen Ernte erheben, so leget in euren Häusern Pflanzschulen für arme Kinder an! … Und nun gehe du, Mein liebes Weib, nach Hause, tue, was du dir vorgenommen hast und gedenke vorzüglich der armen Witwen und Waisen!'

Nach dieser Lehre erhebt sich das Weib mit seinen Kindern, dankt Mir noch einmal samt seinen Kindern und ruft endlich laut: 'O Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, wie groß, gut und heilig bist Du und wie endlos mächtig und weise, der Du uns armen Sündern einen Menschen aus Deinem Herzen gegeben hast, der wohl imstande ist, zu heilen alle unsere Gebrechen, leiblich und geistig! Dir, heiliger Vater, sei allein alles Lob, alle Liebe, alle Ehre und aller Preis ewig!

O Menschen, nehmet euch alle an mir ein Beispiel! Auch ich war eine Sünderin, und Gott hat mich gewaltig unter seine Zuchtrute getan. Aber ich wankte in meinem Vertrauen nicht, bereute meine Sünden und betete inbrünstig zum Vater im Himmel. Und seht, Er allein hat mein Flehen erhört und half mir wunderbar aus der schrecklichsten Not! Darum bauet allein auf Ihn! Denn wo kein Mensch mehr helfen kann, da kommt Er und hilft dem Bedrängten. Dir, du lieber Gesandter aus den Himmeln, aber danke ich noch einmal; denn du selbst musst ein heiliges Werkzeug in der Hand des allmächtigen Gottes sein!'

Dieser Herzengruß, der Mich, dem Weibe unbewusst, allein anging, kostete Mich etliche Tränen der innigsten Rührung, so dass Ich Mich von ihr abwenden musste. Es bemerkte aber solches Cyrenius und sprach: 'Herr, was ist Dir, dass du weinest?'

Und Ich antwortete: 'Freund, solcher Kindlein wie dieses gibt es wohl wenige auf der Erde! Sollte Ich als der Vater, den es so herzlich lobte, nicht auch zu Tränen der Freude gerührt werden können? Oh, Ich sage dir: Mehr als jeder andere Vater! Siehe, das ist eine, die da ist, wie jede sein sollte, und Ich habe eine unbeschreibliche Freude an ihr. Aber sie soll es auch gewahr werden, was das bedeutet, dass Ich über sie vor großer Freude geweint habe!" (GEJ 02, 68, 3 ff.)

Soziale Entwicklung der heutigen Zeit

Die Einsicht in die geistigen Untergründe der sozialen Verhältnisse und das rechte, dem ewigen Lebensziel entsprechende Verhalten fehlt freilich heute noch sehr bei den Dienenden wie bei den Gebietenden. Dadurch haben sich die Auffassungen beider "Klassen" allmählich zu einer unerträglichen Schärfe zugespitzt. Diese "soziale Entwicklung" wurde schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, als Technik und Industrie noch in den Anfängen waren, in den Eröffnungen durch Jakob Lorber vorausgeschildert. — Im "Großen Evangelium" spricht der Herr:

"In jenen Zeiten (d.h. in unserer Gegenwart), werden es die Verstandesmenschen durch das unermüdliche Forschen und Rechnen unter den weit ausgebreiteten Zweigen des Baumes der Erkenntnis in vielen Wissenschaften und Künsten sehr weit bringen und werden mit allen, in der Natur der Erde den Menschen noch ganz verborgenen Kräften Wunderbares zustande bringen und sagen: 'Sehet, das ist Gott, sonst gibt es keinen!' Der Glaube dieser Menschen wird demnach so gut wie gar keiner mehr sein.

Ein anderer, auch großer Teil der Menschen aber wird sich in einem noch um vieles finsteren Aberglauben befinden als jetzt die Heiden. Diese werden ihre Lehrer, Vertreter und Beschützer eine geraume Zeit in den dermaligen Großen und Mächtigen der Erde haben. Aber die mit allen Wissenschaften und Künsten wohlausgerüsteten Kinder der Welt werden den finstern Aberglauben mit Gewalt unterdrücken und dadurch die Großen und Mächtigen in starke Verlegenheit setzen. Dies, weil durch die Wissenschaftler und Künstler aller Art das gemeine und lange mit Gewalt in Blindheit gehaltene Volk einzusehen anfängt, dass es doch nur des Weltruhmes und Wohllebens der Großen und Mächtigen wegen, die selbst keinen Glauben haben, in der harten Knechtschaft gehalten worden ist. … Sind die Blinden aber einmal sehend geworden, so werden sie auch Anhänger derer, die sie von der Knechtschaft der Mächtigen frei gemacht haben.

Und so Ich da kommen würde und sagen: 'Höret, ihr Völker der Erde, Ich will euch die rechten Wege zum ewigen Leben zeigen!', dann werden Mir diese Menschen zur Antwort geben: 'Freund, wer du auch seist, lass ab von der alten und glücklicherweise verrauchten Dummheit, für die seit den Zeiten ihrer Entstehung viele Ströme unschuldigsten Blutes geflossen sind! Ist der sogenannte gute Vater im Himmel, den wir nicht kennen und nach dem wir auch gar keine Sehnsucht mehr haben, ein gar so großer Blutfreund, so kann Er sich ja den großen Ozean in Blut umwandeln und sich darin höchlichst ergötzen. Wir aber brauchen von solch einer Lebenslehre, die statt des verheißenen Gottesreiches nur die Hölle unter die Menschen gebracht hat, nichts mehr. Wir halten uns nun an die Wissenschaften und Künste aller Art und leben dabei in Frieden und Ruhe, wenn auch nur zeitlich. Denn uns ist nun ein zeitliches, aber friedliches und ruhiges Leben um vieles lieber als ein durch unzähliges Leiden und durch Ströme Blutes erkaufter und dabei doch in Zweifel gezogener Himmel mit allen seinen Seligkeiten!" (GEJ 09, 89, 1 ff.)

Diese durch Lorber schon vor über hundert Jahren gegebene Vorausschau der geistigen Verhältnisse unserer Zeit hat sich leider nur allzusehr erfüllt: im sogenannten dialektischen Materialismus (Diamat) und dem marxistisch-leninistischen Sozialismus sowie im atheistischen Freidenkertum in aller Welt haben wir die Bestätigung.

Lösung im kommenden, besseren Zeitalter

Eine allgemein befriedigende Lösung der sozialen Frage war jedoch in dem Zeitalter, in dem wir heute noch stehen, nicht zu erwarten. Dieses Zeitalter — in den Schriften der Neuoffenbarung die "Mittelbildungszeit" der Erdenmenschheit genannt — ist dadurch gekennzeichnet, dass hier das der Kindheit entwachsene Menschengeschlecht von Gott aus die Freiheit hat, nach Lust und Liebe seinen Willen zu entfalten und dadurch im Guten wie im Bösen belehrende Erfahrungen zu machen.

Nachdem in dieser Freiheitszeit nun im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende viele Seelen gereift worden sind, ist nach der Neuoffenbarung jetzt der Zeitpunkt nahe, da dieser Mittelbildungsabschnitt der Menschheit zu Ende geht, und der Herr des Himmels mit den Scharen der gereiften und vollendeten Geister und Engel die Menschen stärker als bisher mit den Licht- und Kraftströmen seines Liebegeistes durchdringen wird. Dadurch wird auch in den Menschen der göttliche Geist das große Übergewicht erlangen und mit seiner Kraft und Macht werden die erweckten und erleuchteten Menschen ganz neue und wahrhaft glückliche Verhältnisse auf Erden schaffen.

Dann wird es kein selbstisch bemessenes Eigentum am Grund und Boden der Erde mehr geben. Jeder wird da leben, arbeiten und ernten, wo Gott ihn durch die ihm verliehenen Gaben hinstellt. Was die Menschen in gemeinsamen Werkstätten und Betrieben an Gütern für den Lebensbedarf herstellen, wird von den erleuchteten Leitern des Volkes im Sinne des göttlichen Liebegebots weise verwaltet und nach Bedarf verteilt. Und jeder, der arbeitet und dient, wie auch jeder Kranke, Schwache und Gebrechliche wird vollauf zur Genüge haben, was er leiblich und seelisch zu einem wahren Leben in der Ordnung Gottes benötigt. Denn die Erde, wie auch die Güterverteilung wird gesegnet sein, da die Menschen nicht mehr im Unglauben von dem schlimmen Geiste satanischer Selbstsucht und Machtgier getrieben, sondern in wahrer Glaubenserkenntnis vom Geiste der dienenden Liebe geleitet werden.






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Kapitel 63
Der Christ und die Staatsgesetze

Als ein Kind der Erde und des Himmels steht der Mensch in diesem zeitlichen Leben auf der Stufe zwischen Satan und Engel. Er soll vollkommen werden wie der göttliche Vater im Himmel, befindet sich aber erst auf halbem Wege im Aufstieg aus dem dumpfen Schoße der Materie.

Die menschliche Seele hat darum in sich noch vorherrschend die Gedanken, Gefühle und Triebe der Widerordnung: Hochmut, Raffgier, Genuss- und Herrschsucht, Neid, Zorn und Hass und alle die andern Erscheinungsformen der leidigen Selbstsucht. Damit sind auch besonders auf unserem Stern, den Sitz des gefallenen großen Urgeistes, wo die Versuchung am stärksten ist, die äußeren Verhältnisse der Menschen wirr und gewaltsam, und das irdische Leben kann nicht ohne staatliche, zwangsmäßige Regelung bestehen.

Diese Notwendigkeit äußerer Staatsordnung, die den Weltgesetzen eine gewisse göttliche Sanktion verleiht, wird auch in den Neuoffenbarungsschriften betont. Hier sehen wir uns auf einen geistigen Standpunkt gestellt, der uns in diesen Dingen ein klares Urteil ermöglicht.

Jesus und der Freiheitsmann

In dem Buch "Robert Blum" findet sich gleich im Eingang (Bd. 1, 17 ff.) eine denkwürdige Szene. Dem eifrigen Volksmann und leidenschaftlichen Tyrannenfeind Blum, der im Jahre 1848 auf kaiserlichen Befehl in Wien standrechtlich erschossen worden war, tritt da im Jenseits auf seine inständigen Anrufe Jesus entgegen. Nun entspinnt sich zwischen ihnen eine Aussprache gerade über die den Freiheitsmann am meisten bewegende Frage der weltlichen Tyrannei.

Robert Blum möchte auf der Welt keine Fürsten und ähnlichen Gewalthaber, sondern eine volle, würdige Volksfreiheit auf Grundlage der göttlichen Liebesgebote sehen und meint, der Herr und sein Bote Paulus hätten in ihrem Erdenleben nur aus einer Art politischer Klugheit, der Sicherheit ihrer Lehre und Person wegen, jene bekannten Worte vom "Zinsgroschen" bzw. vom "Gehorsam gegen die Obrigkeit" ausgesprochen. — Allein der Herr belehrt ihn:

Mein Bruder! Siehe, wenn man wie du mit rein weltlichem Verstand diese Sache betrachtet, kann man wohl nicht anders denken. Du darfst aber glauben, dass weder Ich noch der Apostel Paulus aus irgendeiner Fürstenfurcht unsere obrigkeitlichen Gebote oder vielmehr Ratschläge gegeben haben, sondern nur der höchst notwendigen Weltordnung der Menschen wegen. "Denn das musst du doch einsehen, dass keine menschliche Gesellschaft ohne Leiter bestehen kann und es daher auch nötig ist, den Menschen die Notwendigkeit zu zeigen, diesen Leitern zu gehorchen. — Oder bist du wohl anderer Meinung? Siehe, das wäre die größte Unmöglichkeit und sogar wider die natürliche Ordnung nicht allein des Menschen, sondern aller irdischen Dinge!"

Der Herr erläutert dies nun an Beispielen aus der Naturwelt, wo überall die Geister der Materie durch eine feste Ordnung gebändigt und geleitet werden müssen, und fährt dann fort:

"Stelle dir nun so recht vor, was da am Ende herauskäme, wenn jeder Mensch zufolge seiner inneren, absoluten Freiheit ohne alle Beschränkung tun dürfte, was er nur immer aus seinem unversiegbaren, fanatischen Inneren schöpft! Ich sage dir, kein Mensch wäre vor dem anderen sicher! Eine Welt voll Tigern, Löwen und Panthern würde in größerer Harmonie leben als die Menschen, wenn sie nicht durch weise Sitten- und Staatsgesetze beschränkt wären. — Erkennst du nun, warum Ich, wie auch Paulus, allen echten Bekennern Meiner Lehre den Gehorsam gegen eine rechtmäßige weltliche Obrigkeit anempfahl? Siehst du nun ein, warum man dem Kaiser, was sein ist, und Gott, was Gottes ist, geben soll?" (Robert Blum, Bd. 1, 18, 6ff.; Kap. 22, 12)

"Was die äußeren Staatsgesetze betrifft", sagt der Herr weiter im "Großen Evangelium", "so sollen sie bestehen fürs Fleisch der Menschen. Denn solange der Mensch nicht völlig im Geiste wiedergeboren ist, sind ihm äußere Staatsgesetze nötig, weil sie ihn in der Demut und Geduld üben, die zur Erreichung der vollen Wiedergeburt höchst notwendig sind. Andernteils halten die Staatsgesetze auch den finsteren und bösen Menschen ab, seinen Nebenmenschen Böses in zu großem Maße zuzufügen, indem sie mit scharfgezogenen Linien jedem das Seinige zuweisen und den mutwillig dawider Handelnden züchtigen." (GEJ 08, 22)

Das Beispiel des Herrn

Im "Großen Evangelium" stellt sich der Herr einem vielgereisten Weltbürger, dem Essäer Roclus, als willigen Beachter der bestehenden Weltgesetze dar und zeigt, dass, wer sich selbst beherrscht, auch leicht ein Herr der Gesetze und Machthaber wird:

"Wer in seinem Inneren in der völligen Ordnung ist, der ist auch ein Herr über alle Unordnung der Welt und kann daher in jeder politischen Gesellschaft bestehen, möge dieselbe so oder so bestellt sein. Ich selbst bin ja nun auch auf dieser Erde und füge Mich Meiner äußeren Persönlichkeit nach in die vom römischen Kaiser vorgeschriebene Ordnung und lehne Mich nirgends, nicht einmal dem Anschein nach wider dieselbe auf! Verliere Ich etwa dadurch Meines innersten Gottwesens Ordnung? O mitnichten! Ich bin, der Ich bin, unverändert. Und Mein Rat wird auch von denen angenommen, die des Herrschers Macht in ihren Händen tragen.

Glaubet Mir, dass einer, der wahrhaft ein Herr seiner selbst geworden ist, auch leicht Herr über ein ganzes Volk werden kann. Die Menschen werden ihn selbst dazu machen, indem sie zu ihm eilen und sich Rat holen. Freilich gehört zu solchem Wirken auch jener entschiedene Mut, der sich vor dem Tode des Leibes nicht fürchtet. Wie aber sollte sich der davor fürchten, der in höchster Klarheit das ewige Leben in sich trägt und gar wohl weiß, dass diejenigen, die den Leib töten, der Seele keinen Schaden zuzufügen vermögen, sondern dass die Seele mit dem Wegfall des Leibes für ewig einen unaussprechlichen Gewinn macht. Strebt also vor allem, zu vollkommenen Herren über euch selbst zu werden, so werdet ihr auch Herren sein Über alle Gesetze und alles Gericht und ferne von jedem Fluch irgendeines törichten Weltgesetzes!" (GEJ 05, 133, 4 ff.; vergl. auch "Dreitagesszene", 17)

Gottesgebot und Weltgesetz

Vor Gott gerecht und mit seinem Willen im Einklang sind freilich weltliche Gesetze und Obrigkeiten nur, soweit sie übereinstimmen mit dem ewigen, für die ganze Schöpfung geltenden Grundgesetze der Gottes- und Nächstenliebe. Dem Boten Jakob Lorber gibt der Herr in dem Werk "Die Haushaltung Gottes" den Auftrag:

"Den Beamten und Herren der Welt sage ohne Scheu, dass ihre Ämter nicht höher stehen als die Ämter Meines Reiches. Jedes Amt aber, das wider Mein Amt ist, will Ich zerstören in Balde. Wehe seinen Dienern! Denn Ich bin der Allerhöchste! Mein Gesetz ist ewig, wie Ich es bin, und wird bleiben ewig. Diejenigen, die Mein Gesetz aufheben wollen, um Mein Gebot zu vertilgen, auf diese wird es sich mit größter Last und Schwere wälzen und sie vernichten. Jedem, der sich an Meinen Geboten versündigt, kann vergeben werden, wenn er sich bessert, seinen Fehler einsieht und bereut, sich dann zu Mir wendet und in Mir verbleibt und Ich in ihm. Aber wer Mein Gesetz untergraben will, den wird es erdrücken. Alle Weltgesetze untergraben Mein Gebot, wenn sie nicht aus Meiner Liebe von Männern gegeben sind, die durch Meinen Geist unterrichtet sind. Wehe den Tyrannen, die herrschen des Thrones, der Macht und des Ansehens wegen! Zu ihrer Zeit fehlt nicht mehr denn eins, und sie werden die Macht der Schwachen erfahren. Der Boden ist Mein, und das Feld ist Mein! Dies sagt der Wahrhaftige, der ewige Gott der Liebe und Weisheit. Amen." (Haush. Gottes, Bd. 1, 2, 12)

Und im "Großen Evangelium" wird anlässlich der Erörterung der Menschheitsgeschichte ausgesprochen:

"Solange nicht die reine Liebe und Demut die Völker ordnen und leiten wird, wird es im allgemeinen finster bleiben auf der Erde und werden Selbstsucht, Neid, Geiz, Verfolgung als die wahren Elemente der Hölle vom Boden der Erde nicht weichen."

Gottesfurcht und Liebe sind also in Zeit und Ewigkeit, dem göttlichen Lebensgesetze entsprechend, die Grundlage alles Heils und aller Volkswohlfahrt. In diesem Geiste wäre denn das ganze Volksleben, vor allem das gesamte "bürgerliche Recht", zu ordnen.

Das bürgerliche Recht

Über die gesetzliche Regelung der Schuldverhältnisse, des Eigentums und der sonstigen Sachrechte, des Familien- und Erbrechts, geben die Schriften der Neuoffenbarung außer den grundsätzlichen Gedanken nicht viel Einzelhinweise und Ratschläge. Es soll in diesen weltlichen Fragen die Menschheit nicht (wie z.B. im Alten Testament durch die späteren Priestersatzungen) gebunden, sondern nur durch allgemeine Gesichtspunkte zum Guten geleitet werden, wie solche durch Moses in den zehn Geboten gegeben waren.

Daher ist durch Jakob Lorber auch nur einiges Allgemeine, z.B. über eine gottwohlgefällige, von Nächstenliebe getragene Regelung und Abwicklung weltlicher Schuldverhältnisse, verkündet — so über das Zinsnehmen (GEJ 04, 98; Bd. 1, 58, 2 ff.; Geist. Sonne, Bd. 2, 84, 14), über Dienstleistung und Lohn (im GEJ 09, 210; Laodizenerbrief, 3).

Eigentumsschutz

Über das Privateigentum und seine Grenzen findet sich in dem Werke "Die geistige Sonne" (Bd. 2, 83 ff. und Kap. 87 ff.) eine ziemlich ausgedehnte Erörterung. Und im "Großen Evangelium" belehrt der Herr den kecken Dieb und Bettler Zorel:

Du schützest deine Armut vor und willst für dich gegen das göttliche Eigentumsschutzgesetz soviel des Rechtes haben, dass du als Hungriger dir im dringenden Notfall das Erforderliche nehmen darfst, um dich zu sättigen. Siehe, da kann Ich dir sagen, dass Jehova, als Er durch Moses dem israelitischen Volke Gesetze gab, dieses Bedürfnisses wohl gedachte, und den Menschen einschärfte: Dem Esel, der auf deinem Acker arbeitet, sollst du nicht wehren, daselbst einen Fraß zu nehmen, und dem Ochsen, der den Pflug zieht, das Maul nicht zubinden! So du aber Garben in deine Scheuern trägst, lass die auf dem Acker gebliebenen Ähren liegen, auf dass die Armen sammeln können für ihre Notdurft! Jeder sei stets bereit, den Armen zu helfen! Und wer da sagt: 'Es hungert mich!', den lass nicht weiterziehen, als bis er sich gesättigt hat. Siehe, das ist auch ein Gesetz Jehovas!

Weil du aber selbst weder ein Freund vom Arbeiten noch vom Bitten bist, hat dich das alte Eigentumsschutzgesetz stets geniert. Und du nahmst dir darum selbst, was du nur immer ungestraft nehmen konntest. Wehe jedoch dem, der dir selbst etwas entwendet hätte. Dem hättest du das dich so stark anwidernde Eigentumsschutzgesetz gewaltig eingeschärft. Oder wäre es dir wohl angenehm gewesen, so deines Ackers reife Frucht jemand anderes darum eingeerntet hätte, weil es ein vollkommen Armer wäre? Siehe, was dir nicht recht wäre, das wird auch einem andern nicht recht sein! (GEJ 04, 62, 1, u. 6 ff.)

Moses hat darum mit Recht bestimmt: "Du sollst nicht stehlen!" und auch: "Du sollst kein Verlangen tragen nach allem, was deines Nächsten ist, außer ein solches, das allgemeiner Gerechtigkeit entspricht!"

Du kannst deinem Nächsten wohl etwas redlich abkaufen und es dann gerecht vor allen Menschen besitzen. Aber jemandem wider seinen Willen etwas geheim entwenden, ist Sünde wider die den Menschen von Gott durch Moses gegebene Ordnung, weil solch eine Handlung offenbar gegen die Nächstenliebe streitet."

Der Diebstahl entspringt zumeist der Eigenliebe, woraus hervorgehen die Trägheit, der Hang zum Wohlleben und eine gewisse Mutlosigkeit, die mit einer hochmütigen Scheu sich zwar nicht zur etwas lästigen Bitte, aber desto eher zum geheimen Entwenden bequemt. Im Diebstahl ruhen sonach eine Menge Gebrechen. Nur durch eine lebendige Nächstenliebe kann diesem Seelenübel am meisten entgegengewirkt werden. (GEJ 04, 81, 1 ff.)

Familien- und Erbrecht

Auf dem Gebiete des Familienrechts finden sich in den Schriften der Neuoffenbarung Ratschläge des Herrn über Ehe, Ehegerichtsbarkeit und Scheidung, besonders im "Großen Evangelium" (Bd. 3, 66 ff. Näheres "Grundfragen des Lebens", 45).

Auf dem Gebiete des Erbrechts erfahren wir im "Großen Evangelium" (Bd. 5, 17) die weise Anordnung des erleuchteten Regenten Mathael, der erklärt, dass bei ihm kein unbeschränktes Erwerbsrecht gestattet sei. Jedermann steht es zwar offen, sich ein Vermögen zu sammeln. Es darf aber die Zahl von zehntausend Pfunden bei Todesstrafe nicht übersteigen. Alles, was jemand darüber hinaus erwerben würde, ist gewissenhaft an die Staatskasse abzuführen. Auch ist niemand gestattet, sich die erlaubten zehntausend Pfund in einer zu kurzen Zeit zu erwerben. Bei Schenkungen, Erbschaften und dergleichen aber ist stets die Hälfte an die Staatskasse abzuliefern, womit dann die unmündigen Waisen erzogen und ernährt, wie auch andere arme, arbeitsunfähige Menschen versorgt werden. (GEJ 05, 17)

Das Strafrecht im Lichte der Gottesordnung

Etwas reichlicher sind die Bekundungen und Ratschläge des neuen Gotteswortes bezüglich der Strafrechtspflege. Hier sind durch Jakob Lorber schon vor über hundert Jahren Grundsätze der Menschlichkeit und Vernunft vermittelt worden, die heute von den Rechtsgelehrten und Gesetzgebern auf dem Erfahrungswege ebenfalls eingesehen und mehr und mehr in die Tat umgesetzt werden.

Der Herr und Meister des Lebens lässt uns in den Neuoffenbarungsschriften den Verbrecher in erster Linie als einen Seelenkranken erkennen, bei dem nicht eine geistig verschlimmernde Strafe, sondern ein seelisches Heilungs- und Besserungs- verfahren not tut.

Den römischen Oberstatthalter Cyrenius belehrt der Herr:

Es gibt auf Erden zwei Arten von Menschen. Die eine Art ist von oben her, d.h. die Menschen stammen aus einer Sonne oder einem der Erde ähnlichen Planeten. Unter diesen "Sternenseelen" sind die den Sonnen entstammen am kräftigsten. Weniger begabt und widerstandsfähig, aber immerhin noch sehr kräftig, sind die Planetenseelen. Viel zahlreicher aber ist die zweite Art von Erdenmenschen, deren Seelen von Anbeginn ganz aus unserer versuchungsreichen Erde stammen. Diese "Erdseelen" sind die schwächsten und können durch den starken Einfluss des Bösen am ehesten völlig verdorben werden. Alle diese Seelen, auch die Erdseelen, sollen in der Schule dieser Welt möglichst geläutert und von der naturmäßigen Selbstsucht zur reinen Gottes- und Nächstenliebe gereift werden. Dazu ist viel Liebe, Weisheit und Geduld seitens der Erzieher, Leiter und Herrscher vonnöten.

"Darum sollt ihr Menschen eure schwachen Mitbrüder nicht richten, auf dass ihr dadurch nicht zu Richtern über euch selbst werdet! Wäre es nicht eine unmenschliche Torheit, einen leiblich kranken Menschen deshalb zu richten und über ihn eine Strafe zu verhängen, weil er elend geworden ist? Eine viel größere Torheit aber ist es, so ihr einen seelenkranken Menschen darum richtet und verdammt, weil seine Seele aus den früher angeführten Gründen (Abstammung, Veranlagung, falscher Erziehung und sonstiger Lebensumstände) schwach und krank ist. Wäre es nicht klüger und menschlicher, mehr Ärzte und Arzneien für krank gewordene Seelen zu errichten, als für deren Leiber, die in kurzer Zeit eine Speise der Würmer werden?" (GEJ 04, 36, 1-7)

"Es ist freilich nicht an dem, als solltet ihr darum nun alle Gefängnisse und Verwahrungsorte, die ein notwendiges Übel gegen das große Übel sehr kranker Seelen sind, zerstören und alle Fesseln und alle Schwerter zerbrechen. O nein, das soll damit nicht gesagt sein! Denn sehr ansteckend kranke Seelen müssen sorgfältig von den gesunden abgesondert und so lange in Gewahrsam gehalten werden, bis sie von Grund aus geheilt sind. Aber nicht euer Zorn und euer Rachegefühl halte sie in festem Gewahrsam, sondern eure Nächstenliebe und die damit eng verbundene Sorge um ihre möglichst gänzliche Heilung.

Zeigt euch der rechte Geist der Liebe an, dass bei einem Schwerkranken eine bittere Arznei vonnöten ist, so enthaltet sie ihm nicht vor, weil das ein sehr unreifes und unzeitiges Erbarmen wäre! Aber nur in der wahren Liebe müsset ihr dem Schwerkranken eine bittere Arznei verabreichen, so wird sie ihm auch sicher die erwünschte Heilung verschaffen, und ihr werdet dann viel des Segens über euch bekommen.

Mit welchem Maße ihr ausmesset, mit demselben Maße wird euch dereinst wiedervergolten werden! Wer mit wahrer Liebe misst, dem wird auch also zurückgemessen. Wer aber in Zorn und Rache misst, dem wird dereinst zu seiner Heilung dieselbe Arznei im doppelten Maße wiedergereicht, und er wird nicht um eine Sekunde eher aus der jenseitigen bittersten Anstalt entkommen, als bis jede harte Fiber an seiner Seele weiß und weich wie Wolle gemacht ist." (GEJ 04, 38, 1-5)

"Ihr sollet darum auch nicht klagsüchtig sein und ohne dringende Not nicht zu den Weltrichtern laufen. Denn was ihr nicht wünscht, dass es euch begegne, damit verschont auch eure Nebenmenschen, solange es möglich ist! Nur offenbare Diebe und Räuber und zu arge Hurer und Ehebrecher möget ihr den Gerichten überliefern und gleichfalls den, der einen Mord begangen hat. Aber ihr sollet dabei nicht erbost werden, sondern nur tun, was da not tut. Alles andere überlasset Mir und den Richtern!" (GEJ 09, 159, 17)

Behandlung von Schwerverbrechern

So irgendein roher, tierisch verwahrloster Mensch von seinen bestialischen Leidenschaften getrieben, einen Mitmenschen erschlägt (oder ein ähnliches schweres Verbrechen begeht), und man ist seiner habhaft geworden, "dann bringe man ihn in ein gutes Gewahrsam, gebe ihm einen Unterricht und versuche, aus ihm einen Menschen zu machen — wofür ihr von Mir mehr des wahren Lebenslohnes zu erwarten haben werdet, als so ihr den Mörder getötet hättet.

Wenn der Mörder aber ein berüchtigter und ganz eingefleischter Teufel wäre, dann machet Jagd auf ihn. Habt ihr ihn gefangen, so fraget ihn um den Grund, warum er solche Gräueltaten verübt habe und ob er solche nicht bereue! Redet er die Wahrheit, so tuet, wie Ich gesagt habe. Leugnet er aber die Tat und gibt euch auf eure Reden kein gehöriges Wort — obwohl ihr überzeugt seid, dass er der Bösewicht ist — dann sorget dafür, dass er fürderhin für die menschliche Gesellschaft unschädlich werde, doch nicht durch seinen Tod, sondern entweder durch ein stärkstes Gefängnis oder durch eine Verbannung in eine ferne Gegend am Meer, von wo für ihn keine Rückkehr mehr denkbar ist.

Das ist also Mein Rat: Ihr könnet bessern und reinigen eure Gemeinde von Übeltätern; aber ein liebloses Gericht sollt ihr nicht halten!"

Von der Todesstrafe

Einem seelenkranken Verbrecher das ihm von Gott zur Schulung gegebene irdische Leben durch Verhängung der Todesstrafe abzukürzen, ist der Mensch nur alleräußersten Falles berechtigt. Denn kein Sterblicher weiß, ob und wie lange die Schule des irdischen Lebens für einen seelenkranken Bruder vonnöten ist. Und hier einzugreifen mit dem tödlichen Richtschwert, ist eigentlich nur der allwissende Herr und Meister des Lebens berufen. Auch ist die von vielen Gesetzgebern so stark betonte abschreckende Wirkung der Todesstrafe erfahrungsgemäß verhältnismäßig gering.

Im "Großen Evangelium" erklärt darum der Herr: "Ich bin nicht für die Strafe des Todes!" (GEJ 02, 1)

Diese Strafe "soll nur über jene verhängt werden, bei denen jedes Besserungsmittel durch einen Zeitraum von zehn Jahren fruchtlos bleibt. Verspricht der Verbrecher auf dem Blutgerüst Besserung, soll ihm noch eine Jahresfrist hinzugefügt werden! Ist aber auch da noch keine Besserung erfolgt, dann soll die Tötung vollzogen werden. Denn da ist von der Besserung eines solchen Menschen auf der Erde nichts mehr zu erwarten, und es ist besser, ihn von dieser Erde zu schaffen. Will aber die rechtmäßig machthabende Obrigkeit mit Zustimmung der Gemeinde solch eine wohlverdiente Todesstrafe in lebenslänglichen Zwinger verwandeln und die Besserungsversuche fortsetzen, so steht ihr das frei und Ich werde sie darum nicht zur einstigen Verantwortung ziehen."

Gute und schlechte Gesetze und Gesetzgeber

Freilich sind auf Erden weder die Machthaber und Obrigkeiten, noch die Gesetze immer der göttlichen Ordnung entsprechend. Und so wird der Mensch, der die Wege Gottes wandeln will, oft vor die Frage gestellt, ob er einer harten, unvernünftigen Obrigkeit oder einem minderguten Gesetze sich fügen oder widerstehen soll. In solchen Widerstreitsfällen empfiehlt der Herr aus erzieherischen Gründen in erster Linie Geduld. Denn Geduld und Sanftmut soll der selbstherrliche, zu Hochmut und Gewaltsamkeit neigende Mensch in der Schule des Erdenlebens vor allem lernen. Und wohin käme die menschliche Gesellschaft, wenn jeder einzelne sich berufen fühlte, sich leichthin über die weltlichen Machthaber und ihre Ordnung hinwegzusetzen?

"Ich sage euch daher", vernehmen wir im "Großen Evangelium", "dass ihr der weltlichen Macht untertan bleibet, ob sie euch minder gut oder auch gar böse (d.h. allzuhart und streng) dünkt. Denn ihre Gewalt ist ihr von oben verliehen." (GEJ 08, 22, 6)

"Wer da so oder so über die Menschen herrschen soll, der wird schon von oben dazu den Ruf bekommen, und es wird ihm in sein Herz gelegt werden, wie er seine Völker zu beherrschen hat. Stolze und hochmütige Menschen sollen von einem stolzen und hochmütigen König beherrscht werden; gute und demütige dagegen werden entsprechende Herrscher bekommen und unter ihrem Zepter gut und glücklich leben."

Freilich hat alle obrigkeitliche Macht eine vernünftige Grenze, da wo sie nach dem Maßstab göttlicher Weisheit offenkundig gegen die ewigen Gebote der Gottes- und Nächstenliebe verstößt. Gottesgebot geht vor Menschen gebot!

Und da gibt es auch für jeden Untertan und für die ganzen Völker ein Recht der Notwehr und des Widerstands, so der Heilige Geist Gottes in die Herzen solchen Aufruf legt.

Hilfe von oben

Auch in einem solch kritischen Fall aber werden die Menschen und Völker, bevor sie zur gewaltsamen Eigenhilfe schreiten, durch das neue Gotteswort ernstlich ermahnt, ihre Hilfe und ihr Heil vor allem oben, bei dem mächtigen Lenker der Menschen- und Völkergeschicke durch ernstes, unablässiges Bitten zu erflehen.

In dem Lorberwerk "Robert Blum" sagt Petrus: "Wir Himmelsbewohner können wohl sehen, was die Menschen ausführen wollen und können auch die daraus entstehenden Folgen ermessen. Aber wir hindern die Menschen nicht zu handeln, wie sie wollen, denn die Bewohner sind freiesten Willens. So es aber Menschen gibt, die sich an den Herrn wenden und Ihn bitten um eine gute Regierung, um Ruhe, Frieden und gute Ordnung — dann greifen auch wir in die Zügel des Regenten und leiten ihn und sein Volk auf den Weg, auf dem allein alles Glück erreicht werden kann. Darum sollen die Menschen ihren Regenten nie grollen und sie gar hassen, da auch die Regenten Menschen sind. Sie sollen sie lieber segnen und den Herrn bitten, dass Er sie als ihre irdischen Herrscher lenke und segne. Dann werden sie glücklich sein in Hülle und Fülle."

Regentenweisheit

Den Regierenden gibt der Herr folgende Ratschläge, deren Berechtigung heute wie ehedem einleuchtet:

"Man soll, wenn man das Gesetzgebungsrecht hat, nie zu voreilig ein neues Gesetz geben! Ist aber ein Gesetz beschlossen, soll man noch weniger voreilig sein, das gegebene Gesetz aufzuheben; denn da muss der Rat der Verständigung das Rechte zeigen. Wenn du ein neues Gesetz gibst, so wirst du dir alle jene zu Feinden machen, denen das Gesetz auferlegt ward. Hebst du dann aber das Gesetz auf, so wird dir darum niemand dankbar sein, sondern man wird dich der Schwäche zeihen und sagen: "Da sieht man den Tyrannen! Weil er die Überzahl seiner Feinde sieht, möchte er sich durch die Aufhebung des harten Gesetzes beim Volke wieder in Gunst setzen. Aber er wird der Freunde im Volke wenige finden; denn wer einmal ein Tyrann ist, der ist zum zweiten Male, so er wieder zur Macht kommt, ein zweifacher!"

Es ist daher besser, ein gegebenes Gesetz zu belassen, als dasselbe sobald wieder aufzuheben; aber man kann dafür das Gesetz ganz geheim fallen lassen, und wenn Übertretungen desselben vorkommen, so übe man Nachsicht und sei im Urteil nicht zu streng. Kommt dann ein anderer Regent, so steht es ihm frei, die Gesetze seines Vorgängers ganz aufzuheben und dafür dem Geiste des Volkes gemäß mildere zu geben. Es müsste denn sein, dass sie kämen und dich darum bäten, da wohl kannst du den strengsten Teil des einmal erlassenen Gesetzes wegtun, aber stets mit dem Vorbehalte, das Gesetz sobald wieder mit aller Strenge zu erneuern, wenn sich Spuren zur böswilligen Verfolgung der durch das Gesetz zu bewerkstelligenden guten Sache zeigen sollten.

Siehe, das ist die Klugheit, nach der jeder Regent seine ihm untergebenen Völker leiten sollte, so er glücklich regieren will! Ein lauer Regent aber wird bald zur traurigen Überzeugung gelangen, dass er sich durch zu große Nachgiebigkeit die Völker nicht hätte über den Kopf wachsen lassen sollen. Denn die Völker verhalten sich zu ihren Regenten wie die Kinder zu ihren Eltern. Strenge und dabei weise Eltern werden auch gute, gehorsame und dienstfertige Kinder haben, die ihre Eltern lieben und ehren, wogegen zu nachgiebigen Eltern die Kinder nur zu bald über den Kopf wachsen.

Liebe mit Ernst und Weisheit ist ein ewiges Gesetz. Wer danach handelt, macht keinen Fehltritt, und die Früchte davon werden gut und köstlich schmecken."

Recht auf Umsturz und Selbsthilfe

Nur äußersten Falles, spricht der Herr im "Großen Evangelium", "so ein Herrscher gar zu große und mutwillige Erpressungen den Gemeinden aufgelegt, haben diese das Recht, solch einen Tyrannen vom Throne zu entfernen. Denn die Gemeinden haben von Anbeginn an das Recht gehabt, sich einen König zu wählen und ihn auszurüsten mit aller nötigen Macht und Gewalt. Was sie aber im Anbeginn hatten das haben sie noch." (GEJ 06, 118, 8)

Und über die Selbsthilfe gegen unmenschliche Besitzer und Machthaber lesen wir in "Geistige Sonne" weiter:

"Wir sehen (in den heiligen Schriften) nirgends eine Aufforderung, dass wir uns über die Güter der Reichen hermachen sollen. Der Herr spricht: "Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist!" Auch befiehlt Er nicht dem reichen Jüngling, seine Güter zu verkaufen, sondern erteilt ihm nur den freundschaftlichen Rat nebst der Verheißung des ewigen Lebens.

Da wir sonach nirgends auf ein Gebot vom Herrn stoßen, durch das Er ausdrücklich befohlen hätte, sich des Reichtums der Wucherer zu bemächtigen, so ist es auch sicher klar, dass ein wahrer Christenmensch nicht das Recht hat, sich über die Güter der Reichen herzumachen. Wohl aber hat bei einem großen Notstand ein ganzes Volk das Recht dazu. Warum denn? Weil dann der Herr selbst im Volke waltend auftritt und dadurch für die nimmersatten Wucherer ein gerechtes Gericht bewirkt. Nur soll sich da außer im höchsten Notfall niemand erlauben, die Wucherer und die reichen Hartherzigen zu ermorden, sondern man soll ihnen nur so viel von ihren höchst überflüssigen Schätzen wegnehmen, wie das Volk zu seiner Unterstützung nötigst bedarf, um sich wieder auf die Füße des friedlichen Erwerbes stellen zu können." (Geistige Sonne, Bd. 2, 84, S. 362)

Gebot der Menschlichkeit

Dem reichen Wucherer, so lesen wir weiter in dem Buche "Die geistige Sonne", soll bei einer gewaltsamen Enteignung "noch immer so viel gelassen werden, dass er auf der Welt keine Not leide", da er nach diesem Erdenleben ja nichts weiteres zu erwarten hat.

"Zudem will der Herr auch keinen Menschen auf dieser Welt völlig richten, damit da für einen jeden die Möglichkeit noch vorhanden bleibe, sich freiwillig von der Welt abzuwenden und zum Herrn zurückzukehren. Würde nun solch einem reichen Wucherer alles weggenommen, erscheint er schon völlig gerichtet. Denn Verzweiflung wird sich seiner bemächtigen und eine endlose Zornwut, in der er unmöglich je den Weg des Heils betreten kann. Ist ihm aber noch ein genügendes Vermögen belassen worden, so ist er keiner irdischen Not ausgesetzt, und er kann daher auch in diesem Zustand, als nicht völlig gerichtet, noch den Rat befolgen, den der Herr dem reichen Jüngling gegeben hat, und kann dadurch zum ewigen Leben gelangen. Am wenigsten aber sollen bei solchen äußersten Unternehmungen von Seite eines tiefverarmten Volkes blutige Grausamkeiten ausgeübt werden. Denn sobald solches geschieht, da wirkt nicht mehr der Herr mit dem Volke, und das Volk wird seine Tat nicht gesegnet sehen! Denn wenn es heute siegen wird, so wird es morgen wieder geschlagen. Und da wird ein Blut wider das andere fließen.

Nie soll der Mensch vergessen, dass alle Menschen seine Brüder sind. Was er unternimmt, das soll er stets mit einem liebeerfüllten Herzen tun. Niemand soll er je etwas Böses tun wollen, sondern allezeit nur Gutes, besonders im geistigen Teil zum ewigen Leben Wirkendes. Ist so eines Volkes Sinn beschaffen, dann wird der Herr seine Handlung segnen. Wehe aber dem Volke, welches ohne die äußerste Notwendigkeit sich gegen die Reichen und Mächtigen erhebt! Es wird für seine Tat bitter gezüchtigt werden.

Die Armut ist des Herrn. Wer den Herrn liebt, der liebt auch die Armut. Der Reichtum und das Wohlleben aber ist die Welt! Wer nach diesem trachtet, der hat sich vom Scheitel bis zur Zehe dem Satan einverleibt!" ("Geistige Sonne", Bd. 2, 84, S. 361 ff.)






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Kapitel 64
Krieg und Kriegsdienstpflicht

Die Völker der Erde stehen sich heute fast mehr als je kampfbereit und bis an die Zähne bewaffnet gegenüber. Noch nie, seitdem die Welt steht, sind solch mörderische Waffen als Erfindungen und Gaben der Hölle und des Weltversrandes in ihren Händen gewesen. Kein Wunder, wenn so mancher Menschenfreund bangt, wenn manche Mutter und mancher Vater um den Sohn, manches Weib um ihren Gatten zittert und wenn täglich die Blicke der Menschen den politischen Horizont absuchen, ob etwa ein neuer Krieg alles Leben und Sein in den Abgrund des Verderbens stürzen werde.

Warum ist gerade heute in der Welt eine solch große Kriegsfurcht, obwohl doch die Menschheit die furchtbare Warnung zweier Weltkriege erlebt hat und man denken sollte, dass die Lust zum Kriege den Völkern vergangen wäre? Wohl haben die Menschen heute eine große Furcht vor den Kriegsschrecken, die sie hart an Leib und Seele erfahren haben und in ihren Nachwirkungen noch immer durchkosten. Aber auch immer noch lebt in ihnen der arge Geist, aus welchem Krieg und Kriegsgeschrei und alles Elend entsteht. In dem Buche "Robert Blum" wird gesagt:

"Wer führt Krieg? Siehe, die Eigenliebe als die Mutter des Hochmuts und der Herrschsucht ist es!"

Heutzutage ist es hauptsächlich auch noch eine andere Form der Eigenliebe, die Hab- und Raffgier, welche den Lebenskampf der Völker um die Weltmärkte verschärft und zu kriegerischen Auseinandersetzungen treibt. Solange dieser Geist auf Erden mächtig ist, wird auch die Kriegsgefahr weiter bestehen. Und da die meisten Staaten ihren Bürgern durch die allgemeine Kriegsdienstpflicht die Teilnahme an einem etwaigen Kriege vorschreiben, ist für viele Männer in jüngeren Jahren die Frage brennend: "Wie habe ich mich angesichts der bekannten, das 'Schwert' und das 'Töten' betreffenden Gottesworte dieser weltgesetzlichen Kriegsdienstpflicht gegenüber zu verhalten?"

Die Gebote der Heiligen Schrift

Wir wissen, dass Gott der Herr durch Moses uns einen Hauptgrundsatz der Nächstenliebe geboten hat: "Du sollst nicht töten!" Und in der Bergpredigt dehnte der Herr selbst die Nächstenpflicht in dieser Hinsicht noch weiter aus, indem Er sprach:

"Ihr habt gehört, dass gesagt ist: 'Auge um Auge, Zahn um Zahn!' Ich aber sage euch: Widerstrebet nicht dem Übel (mit Gewalt), sondern so dir jemand einen Streich gibt auf die rechte Wange, dem biete auch die andere dar. Und so jemand mit dir rechtet und will dir deinen Rock nehmen, dem lass auch den Mantel. Liebet eure Feinde und betet für eure Verfolger, damit ihr euch als Kinder eures himmlischen Vaters erweiset."

Diese Worte der Bergpredigt haben schon vielen Menschen zu denken gegeben und manch eine Seele vor bange Gewissensfragen gestellt — zumal der Herr auch am Schluß seiner irdischen Laufbahn noch einmal ein scharfes Wort gegen die Gewalt gesprochen hat, indem Er im Garten Gethsemane bei der Gefangennahme zu Petrus sagte: "Stecke dein Schwert in die Scheide! Soll Ich den Kelch nicht trinken, den Mir Mein Vater gegeben hat? Wer zum Schwert greift, soll durch das Schwert umkommen!"

Es waren dies die letzten, mit großem Nachdruck an seine Jünger gerichteten Lehrworte, und sie hallen seitdem wie ein göttlicher Gerichtsdonner mahnend und drohend durch die Welt.

Grenzen der Milde. Gerechte Gewalt

Der weise Sinn der selbst auf die Schädiger und Feinde sich erstreckenden Liebesgebote des Herrn liegt offensichtlich darin, dass wir mit der Liebe überall da, wo noch eine Spur guten Willens bei einem Mitmenschen vorhanden ist, leichter und besser zu einem gesegneten Ergebnis gelangen, als mit verschärfender und vernichtender Gewalt. Und so empfiehlt der Herr, in jedem Falle alle Mittel der Liebe, Sanftmut und Milde zu erschöpfen, bevor zu den Mitteln des Zwangs und der Gewalt gegriffen wird, die den "Teufel in der Hölle wecken" und ihn zum Herrn in der Menschenbrust machen.

Wo aber die Mittel der Liebe erschöpft sind oder wo von vornherein bei dem betreffenden Mitmenschen das Fehlen eines jeden guten Willens feststeht und eine volle satanische Bösartigkeit vorliegt, da ist Milde und Sanftmut nicht mehr angebracht und fordert auch die reine Nächstenliebe andere, zur scharfen Züchtigung dienliche Maßregeln.

Darum hat ja auch der Herr im Tempel wider die allzu großen Frevler gegen die Heiligkeit Gottes die Geißel geschwungen und die Tische der Wechsler umgestürzt. Und in den neuen Offenbarungsschriften belehrt Er den Petrus:

"Es ist ganz klar, dass man einem erzbösen Menschen durch eine zu große Gegenfreundschaft nicht noch mehr Gelegenheit verschaffen soll, dass er dadurch in seiner Bosheit wachse und noch ärger werde als vorher. In diesem Falle wäre eine fortgesetzte Nachsicht nichts anderes als eine wahre Hilfeleistung für des Feindes wachsende Bosheit."

Es ist also in jedem Fall wohl zu unterscheiden und weise zu urteilen!

"Erhältst du eine Ohrfeige von einem minder bösen Menschen, den eine plötzliche Aufwallung seines Gemütes dazu verleitet hat, so wehre dich nicht, auf dass er dadurch, dass du ihm mit keiner Ohrfeige begegnest, besänftigt wird. Und ihr werdet ohne Weltrichter wieder zu guten Freunden werden. — Aber so dir jemand mit einer mörderischen Ohrfeige in voller Wut entgegenkommt, so hast du auch ein volles Recht, dich zur Gegenwehr zu stellen." (GEJ 10, 215, 9 ff.)

"Wer Böses tut und kennt es nicht, der soll belehrt werden, desgleichen auch, wer es tut in der Not. Wer aber das Gute kennt, tut aber dennoch aus eitel Mutwillen Böses, der ist ein Teufel und muss mit Feuer gezüchtigt werden." ("Jugend Jesu", 252, 20 ff.)

Und über das Schwertführen im besonderen finden wir aus diesem Geiste heraus in "Jugend Jesu" (Kap. 75, 13 ff.) noch das Wort:

"Wer das Schwert gebraucht als Waffe (der Selbstsucht), der werfe es von sich. Wer es aber gebraucht als einen Hirtenstab (der Liebe und Ordnung), der behalte es! Denn also ist es der Wille Dessen, dem Himmel und Erde ewig gehorchen müssen."

Angriffs und Verteidigungskrieg

Klar ist demnach, dass ein aus menschlicher Selbstsucht geborener Angriffskrieg unter allen Umständen verwerflich ist und nicht dem Willen Gottes entspricht.

Man sagt freilich, ein an Zahl wachsendes Volk habe das Naturrecht, sich das erforderliche Gebiet, die Absatzmärkte und die sonstigen Bedingungen seiner irdischen Wohlfahrt zu verschaffen. Und gewiss besteht ein Anspruch auf die notwendigen Lebensbedingungen auch vor Gott. Aber ob ein Volk auch mit Waffengewalt von einem Nachbarn sich solche verschaffen darf, ist eine andere Frage! Im Wege des redlichen Austausches wird Gott seinen Segen dazu geben. Aber Rauben und gewaltsames Nehmen wird Er, der die goldene Regel der Nächstenliebe als ein Grundgesetz seines Reiches aufgestellt hat, nicht billigen oder gar segnen.

Hier kann man sich nach den entwickelten Grundsätzen ein gerechtes Vorgehen mit Gewalt höchstens dann denken, sofern einem Volke von einem andern in mutwilliger, unbelehrbarer Bosheit lebensnotwendige Rechte und Güter hartnäckig vorenthalten werden. In einem solchen Falle, wo nur der vor Gott und Menschen gültige Rechts- und Ordnungszustand hergestellt werden soll, dient ja das Schwert nicht als tötende Waffe der Vernichtung, sondern als "Hirtenstab", wie es dem gerechten Willen des Vaters aller Völker entspricht.

Abgesehen von diesem äußersten Falle der Rechtsbeschaffung — der von den Staatslenkern übrigens allezeit im Lichte göttlicher Weisheit wohl überlegt werden sollte, dürfte aber ein Angriffskrieg kaum je der Ordnung Gottes entsprechen.

Dagegen ist einem Volke in einem durch den unberechtigten Angriff eines anderen Volkes aufgezwungenen Verteidigungskrieg von Gott aus ohne Zweifel auch die Abwehr mit Waffengewalt gestattet.

Wir finden dies im "Großen Evangelium" vom Herrn ausgesprochen in einer Belehrung, die Er dem Römer Agrikola über Mosis Gebot des "Nichttötens" erteilt:

"Mir", spricht der Herr, "steht wohl von Ewigkeit das Recht zu, alles Menschengeschlecht dem Fleische nach zu töten, und Ich bin sonach ein Scharfrichter aller materiellen Kreatur in der ganzen Unendlichkeit. Aber was Ich töte der Materie nach, das mache Ich geistig wieder für ewig lebendig. — Wenn du das vermagst, so kannst du töten, wenn du willst und kannst, zur rechten Zeit. Aber weil du das nun nicht kannst, so sollst du auch nicht töten — außer im höchsten Notfall, z.B. in einem Verteidigungs- oder in einem von Gott aus gebotenen Strafkrieg gegen unverbesserlich böse Völker, und auch im Falle einer Notwehr gegen einen argen Mörder und Straßenräuber. — In allen andern Fällen sollst du nicht töten, noch töten lassen, solange du nicht in dir selbst Mein volles Licht hast!" (GEJ 07, 94, 4.)

Religionskriege

Entsprechendes gilt auch in einem noch höheren Maße der Verantwortlichkeit auf dem geistigen und Glaubensgebiet. Hier ist äußere Gewalt noch schädlicher und unheilvoller, und der Glaubenskrieg gehört in Wahrheit zu den abscheulichsten Erscheinungen der Menschheitsgeschichte.

Immer wieder wird den Jüngern vom Herrn jede Anwendung von Zwang und Schwert bei der Glaubensausbreitung mit größtem Nachdruck verboten. Was den Menschen die Liebe Gottes verkünden und das Heil in der Gottes- und Nächstenliebe bringen soll, kann nie durch die Mittel äußerer Gewalt verbreitet werden. Da der Mensch in seinem ganzen Glauben, Denken und Handeln die vollste Freiheit und Selbständigkeit erlangen soll, sind Zwang und Schwert auf dem Geistesgebiet gerade das Gegenteil von dem, was in Gottes Plan und Willen liegt.

Auch zur Verteidigung taugt auf dem Glaubensgebiete das Schwert nur alleräußersten Falles. — "Ja", spricht der Herr im "Großen Evangelium", "wenn einmal ein Volk ganz in Meinem Lichte stände und es wäre bedroht durch hartnäckige, blinde Völker, die den Glauben an Mich durchaus nicht annehmen wollen, sondern mit aller Wut Meine Lämmer verfolgen, dann ist es Zeit, das Schwert zu ergreifen und die Wölfe von den frommen Herden für immer zu verscheuchen. Wird aber einmal in Meinem Namen das Schwert ergriffen, dann soll es auch mit allem Ernst gebraucht werden, dass die Wölfe des Schwertes gedenken, dass sie in Meinem Namen getroffen hat. Denn wo einmal ein Gericht in Meinem Namen auftritt, soll es nicht das Aussehen eines nur halben Ernstes haben."

"Gegen blinde Heiden dagegen, deren Seelen noch zu weit von Meiner Ordnung entfernt sind und Mein Wort unmöglich verstehen können, aber ihrem Glauben mit besonderem Eifer obliegen, soll das Schwert bloß als ein Hüter der Grenzen auf so lange gestellt sein, bis die nachbarlichen Heiden sich nach und nach in Meine Ordnung fügen. Ist dieses erfolgt, dann vertrete des Schwertes Stelle das Zeichen der brüderlichen Eintracht und Liebe." (GEJ 04, 251, 4 ff.)

Heeres- und Kriegsdienst

Aus diesen Erwägungen und Ratschlägen über den Krieg ergibt sich auch leicht die rechte Stellung in der Frage des Heeres- und Kriegsdienstes.

Dass der Herr nicht grundsätzlich und unbedingt gegen den Dienst in der Wehrmacht eines Volkes ist, sehen wir schon daran, dass Er als Jesus mit dem römischen Oberstatthalter und Heeresobersten Cyrenius, den Hauptleuten Kornelius, Julius und andern Kriegsleuten verkehrte, ohne sie zur Niederlegung ihres Dienstes aufzufordern. Ja, zu Cyrenius und andern ähnlichen Standes sagte Er mehrfach: "Bleibe, was du bist!" Freilich empfahl Er gerade auch in diesem harten Berufe den hier besonders schweren Standpunkt der Gottesfurcht und Menschenliebe mit doppeltem Nachdruck. Bei solcher Gelegenheit war es auch, dass der Herr das Schwert, das Er als "Waffe der Selbstsucht" verwarf, als "Stab der Ordnung und des Friedens" pries und segnete. ("Jugend Jesu", 75, 13)

Einer Wehrmacht anzugehören, die zum äußeren Schutze des Vaterlandes und zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung dient, kann also vom göttlichen Standpunkt aus keinem Anstand unterliegen. Und wenn in einem Staat für diese Zwecke eine allgemeine militärische Dienstpflicht der Bürger besteht, so widerstreitet es sicher nicht den Gottesgeboten, ja es ist eine zum "Gehorsam gegen die Obrigkeit" gehörende Staats- und Nächstenpflicht, diesem Dienst in der Schutz- und Ordnungswehrmacht zu genügen.

In einer Welt, in der noch der höllische Geist der Selbstsucht und Gewaltsamkeit herrscht und auch ein friedliches Volk durch Feinde des Rechts und der Ordnung von außen und innen bedroht wird, ist die Aufstellung einer starken staatlichen Wehrmacht ein Erfordernis der Vernunft und Vorsicht, die einem jeden einzelnen Bürger am Herzen liegen muss. Deshalb erklärte denn auch im "Großen Evangelium" der erleuchtete Beherrscher von Pontus, Mathael:

"Niemand soll bei mir steuerfrei sein, denn wer da Kraft zur Arbeit hat, der soll arbeiten und sich etwas verdienen. Wer aber etwas verdient, kann auch einen Tribut an den König entrichten, der stets für das Wohl des ganzen Reiches zu sorgen hat und daher stets mit vielen und großen Schätzen versehen sein muss, um eine Wehrmacht zu unterhalten, die stark genug ist, um irgendeinem kecken Feinde die Spitze zu bieten. Der mächtige König muss auch Schulen und Zuchtanstalten unterhalten und die Grenzen des Reiches mit starken, unüberwindlichen Festungen versehen, die ein Feind nicht leicht bezwingen kann." (GEJ 05, 17)

Kriegsfall

Beim Ausbruch eines Krieges wird es allerdings für einen Bürger oft nicht leicht zu beurteilen sein, ob er sich nun auf der angreifenden Seite oder auf der Seite der rechtmäßigen Verteidigung befindet.

Im Falle der Verteidigung wird er nach menschlichem wie göttlichem Recht dem Ruf zu den Waffen Folge zu leisten haben. Stellt sich aber von Anfang oder später der unrechtmäßige und gotteswidrige Angriffscharakter des Krieges offenkundig dar, so ist es ohne Zweifel die Gottes- und Menschenpflicht eines jeden Bürgers, die Mordwaffe niederzulegen und dadurch sein Teil zur möglichst schleunigen Friedensschließung beizutragen.

Möge demgemäß der Vater des Lichts und der Liebe möglichst vielen Menschen in einem jeglichen Kriegsfalle die nötige Erkenntnis und mutige Willenskraft geben, nach seinem heiligen Sinne das Richtige zu tun! Dazu wird allezeit am besten eine lichtvolle Seelenbildung der Bürger und eine innige Gottverbundenheit des ganzen Volkes dienen.

Weltfrieden der Zukunft

Eine Trostkunde bringt in diesem düsteren Kapitel das neue Gotteswort den Menschen im "Großen Evangelium" (Bd. 8, 185, 8 ff.). Dort heißt es von unserer Zeit:

"Wenn dann die stolzen und habgierigen Könige (und Völker) miteinander Krieg führen, so wird dabei das Feuer den entscheidendsten Dienst zu versehen bekommen. Denn durch seine Gewalt werden eherne Massen in Kugelgestalt von großer Schwere mit Blitzesschnelle gegen den Feind, gegen die Städte und Festungen geschleudert werden und große Verheerungen anrichten. Und die erfinderischen Menschen werden es mit diesen Waffen so weit treiben, dass dann bald kein Volk gegen das andere mehr einen Krieg wird anfangen können.

Denn werden zwei Völker mit solchen Waffen sich anfallen, so werden sie sich auch leicht und bald bis auf den letzten Mann aufreiben, was gewiss keinem Teil einen wahren Sieg und Gewinn bringen wird. Das werden die Könige und ihre Heerführer bald einsehen und sich daher lieber in Frieden und unter Freundschaft vertragen. Und wird sich irgendein stolzer und ehrgeiziger Störenfried erheben und gegen seine Nachbarn ziehen, so werden sich die Friedliebenden vereinen und ihn züchtigen. Auf diese Weise wird sich dann auch nach und nach der Friede unter den Völkern der Erde einstellen und dauernd festigen

"Unter den noch mehr wilden Völkern der Erde werden wohl noch Kriege vorkommen, aber sie werden auch unter ihnen bald zur Unmöglichkeit werden. Ich werde sie durch Meine gerechten und mächtigen Könige und Heerführer zu Paaren treiben und unter sie Mein Licht ausschütten lassen, und sie werden dann auch zu friedlichen und lichtfreundlichen Völkern umgewandelt werden." (GEJ 08, 185, 8-11)

Ansätze einer Entwicklung in dieser vernunftvolleren Richtung sind ja auch, dem Himmel sei Dank, in heutiger Zeit zu erkennen. Es sind viele Menschen der Kriege müde. Auch beginnen die Leiter der Völker einzusehen, was der Prophet Jakob Lorber schon vor über einhundert Jahren verkünden durfte: dass durch die hochgesteigerte Ausbildung der Kriegswaffen selbst für den Sieger ein Krieg zum ungeheuren Schaden würde.

Möge diese Erkenntnis und die wachsende Einsicht in den Willen und die Ordnung Gottes sich weiter vertiefen und verstärken und der Voraussage gemäß durch die geistige Wiederkunft des Herrn die Kriegsfurie vom Erdenrund verschwinden! Was jeder einzelne von uns zu diesem Ziel beitragen kann, ist das Gebet und die Pflege des Liebe- und Friedensgeistes im gläubigen Herzen.






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Kapitel 65
Staat und Wirtschaft in Vergangenheit und Zukunft

Über die rechte Staatsform und Wirtschaftsweise nach dem Sinn und Willen Gottes ist in den Schriften Jakob Lorbers nicht viel gesagt, d.h. es sind den Menschen keine bestimmten Einzelvorschriften gegeben.

"Die Menschen auf Erden", sagt der Himmelsfürst Petrus in "Robert Blum" (Bd. 2, 289, 7) "sind frei und können sich ihre staatlichen Verhältnisse einrichten, wie sie wollen". Nur die der göttlichen Heilsordnung entsprechenden Grundsätze sind ihnen geoffenbart in dem großen Gebote der Gottes- und Nächstenliebe. Es ist nun die Aufgabe der Völker, unter Überwindung ihrer naturmäßigen Selbstsucht, die der göttlichen Heilslehre entsprechende Ordnung ihrer irdischen Lebensverhältnisse mit Hilfe der himmlischen Mächte zu suchen und durchzuführen.

Die Menschheitsgeschichte zeigt freilich, dass die Völker der Erde sich in diesem Verwirklichen des göttlichen Lichtes bei Gestaltung ihrer Staats- und Wirtschaftsformen sehr verschieden verhalten haben, dass aber dabei ein geistiges Entwicklungsgesetz in Erscheinung tritt, das bei allen Völkern auf bestimmten Stufen immer die gleichen Arten von Staats- und Wirtschaftsformen zeitigt.

Der Geist der Völker als formbestimmende Kraft

Im "Großen Evangelium Johannes" (Bd. 6, 76) finden wir eine sehr denkwürdige Aussprache des Herrn mit einem Herbergsbesitzer von Kapernaum. Diesem Wirt hatte der Herr so manche wichtige Aufschlüsse und Belehrungen erteilt, und voll ehrfürchtiger Verwunderung richtete der Mann schließlich die Frage an den Herrn:

"Herr und Meister, was mag doch die Hauptursache sein, dass die Verhältnisse der Menschen in dieser Zeit so entsetzlich sinnlos geworden sind?"

Der Herr erwiderte: "Denke nach, was Ich dir darüber schon öfter gesagt habe! Vor allem sind der Hochmut, die Trägheit, die Selbstliebe und die daraus erwachsene Herrschsucht die Ursache solch eines Verfalls der Menschen!"

Bei dieser Antwort fällt auf, dass der Herr die Ursache der damaligen Nöte nicht in irgendwelchen äußeren Verhältnissen ersieht. Er beschuldigt weder eine einzelne Rasse oder Klasse der Menschheit, noch irgendeinen Stand, noch sieht Er die Ursache der großen Sinnlosigkeit der Verhältnisse in irgendwelchen politischen oder wirtschaftlichen Zuständen, etwa in der drückenden Fremdherrschaft der Römer. Er nennt als Hauptursache des allgemeinen Übelstands einen geistigen Grund, nämlich die allgemeinen widergöttlichen Grundeigenschaften der Menschenseele, die dem satanischen Ursprung unserer Natur entsprechen. Diese Eigenschaften sind vor allem die hochmütige Selbstherrlichkeit, die einst den großen Lichtgeist verblendete, so dass er sich selbst an Gottes Stelle setzen wollte. Weiter nennt der Herr die Trägheit, die ebenfalls eine Eigenschaft der Materiegeister ist; ferner die Selbstsucht, die alles Erreichbare zu ihrem Genuss an sich raffen will und zu diesem Zwecke über andere Menschen herrscht, um sie auszubeuten.

Wenn wir uns die Sache überlegen, sehen wir, dass die dem Wirt gegebene Antwort in auffallender Weise auch für unsere heutigen Verhältnisse stimmt. Hochmut, Trägheit, Selbstliebe und die Herrschsucht der menschlichen Natur sind auch heute die Ursache unserer Nacht und Not. Und da hat keine Rasse, keine Klasse, keine menschliche Seele der anderen etwas vorzuwerfen — ob Kapitalist oder Kommunist, ob Jude oder Christ — sie alle ermangeln des Ruhmes und sind, wie Paulus sagt, allzumal Sünder. Durch die genannten menschlichen Schwächen kommen die Ungerechtigkeiten, Gegensätze, Kämpfe und Störungen in unseren Volkskörper, und dieser Geist bestimmt auch unsere staatlichen und wirtschaftlichen Gesetze und Verhältnisse.

So ist also die Grundursache aller äußeren, weltlichen Zustände eine allgemeine geistige, in der menschlichen Natur gelegene! Dieses ist die wichtige Grunderkenntnis, die wir aus des Herrn Antwort festhalten wollen! Sie bewahrt uns davor, in eitlem Wahn Sündenböcke zu suchen und für die Missstände auf Erden die Schuld auf diese oder jene Menschengruppe zu wälzen.

Die Geschichte Israels als Beispiel

Zur Beleuchtung dieser Dinge gibt der Herr dem Herbergswirt von Kapernaum weiterhin einen Überblick über die Geschichte des Volkes Israel und einen Ausblick in die ferne Zukunft des Menschengeschlechts. Und dies wird uns für die Beurteilung der allgemeinen Staats- und Wirtschaftsgeschichte zwei weitere Grundwahrheiten enthüllen.

Der Herr sagt:

"Schon zu den Zeiten Samuels sind die Menschen träger und arbeitsscheuer geworden. Sie fingen an, sich bestimmter Arbeiten zu schämen und ließen solche nur von gedungenen Knechten und Mägden verrichten. Die reichen Besitzer legten ihre Hände in den Schoß und ließen die andern für sich arbeiten. Wer für sie am meisten gearbeitet hatte, der bekam zwar auch den bessern Lohn, was denn auch recht war. Aber bei dieser Gelegenheit haben sich nach und nach aus den Besitzern eine Art kleiner Herrscher gebildet, die durchaus keine noch so kleine knechtliche Arbeit in ihre Hände nehmen wollten.

Wie die Eltern waren, so wurden auch ihre Kinder, nämlich träge, selbst- und herrschsüchtig. Sie lernten befehlen über die Dienenden, aber ihre zarten Hände wollten sie nimmerdar besudeln mit einer gemeinen Arbeit. Diese Unart erreichte bald jene Stufe, auf der trotzdem der so wohlgenährte menschliche Hochmut keine hinreichende Sättigung mehr fand. Der Jude blickte wehmütig auf den Glanz und die hohen Würdenträger der heidnischen Völker, und unter einem Könige sah er eine der allerhöchsten Menschenwürden. Kurz, er wollte auch einen weltlichen König haben und war nicht mehr zufrieden mit der reinen Herrschaft Gottes durch Seher und Richter!

Als das Volk gegen alle guten Ermahnungen des Sehers Samuel einen solchen König verlangte, trug der fromme Diener Gottes das Begehren des törichten Volkes Gott vor. Da sprach Jehova zu ihm. "Siehe, zu allen Sünden, die dieses Volk schon vor Meinem Angesicht begangen hat, begeht es nun auch diese größte: dass es einen König verlangt! Gehe hin und salbe den größten Mann aus dem Volke! Dieser wird es züchtigen für seinen an Mir begangenen Frevel."

Siehe, das sind die Worte Jehovas auf das arge Begehren des Volkes! Die Folgen des dadurch stets mehr genährten Hochmuts des Volkes kannst du zum Teil lesen in dem Buche der Könige und in der Chronik, wo in Kürze diese Geschichten aufgezeichnet sind.

"Freund", erklärte der Herr dem Wirt von Kapernaum weiter, "nur in der wahren Demut liegt der Weg zum inneren Leben der Seele! Solange nicht die wahre Liebe und die ihr entsprechende Demut die Völker leiten wird, wird es im allgemeinen finster sein auf der Erde. Und Selbstsucht, Neid, Geiz, Verfolgung und Verrat, als die wahren Elemente der Hölle, werden vom Boden der Erde nicht weichen — bis zu einer Zeit des großen Gerichtes, in der Ich die Erde von neuem durchs Feuer reinigen werde. Nach solcher Zeit wird kein König mehr herrschen über ein Volk der Erde, sondern allein das Licht Gottes." (GEJ 06, 76, 2 ff.)

Das Gesetz der Entwicklung und der geistige Endzweck

Diese Darstellung des Herrn zeigt dem Leser zwei weitere hochwichtige Tatsachen des irdischen Staats- und Wirtschaftslebens, nämlich:

1. Das Gesetz der Entwicklung und

2. den geistigen Sinn und Endzweck der irdischen Menschheitsgeschichte.

Das Gesetz der Entwicklung ist für die einzelnen Völker wie für die ganze Erdenmenschheit das gleiche, wie wir es kennen gelernt haben im Leben des einzelnen Menschen sowie im Gesamtbilde der Schöpfung. Nichts geschieht plötzlich, sondern alles allmählich, schritt- und stufenweise. Und nichts geschieht willkürlich, sondern alles planmäßig nach weisen Gesichtspunkten und um ewiger, göttlicher Zwecke willen.

Und der Endzweck Gottes besteht überall darin, die geschaffenen Wesen auf der Stufe des Menschen vom unfreien und unselbständigen Geschöpf durch freie Willensbetätigung und Erfahrung zum gottähnlichen, wahrhaft freien und selbständigen Gotteskind zu reifen.

Diese Entwicklung vollzieht sich im Leben der Völker (ebenso wie in dem des einzelnen Menschen und der gesamten Schöpfung) — in drei verschiedenen Abschnitten, die uns der Herr auch in seiner Schilderung der Geschichte des Volkes Israel erkennen lässt.

Die paradiesische Kindheitszeit

Die erste dieser Entwicklungsstufen ist in der Geschichte Israels, angedeutet als die "Zeit vor Samuel", in der sich das Volk in seiner Kindheit einer reinen Herrschaft Gottes durch Seher und Richter unterstellte. — Wie jeder einzelne Mensch in der Kindheit von Gott durch Schutzgeister und Schutzengel stärker als im späteren Alter geleitet und gleichsam gegängelt wird, so werden auch die Völker der Erde von Gott in der Zeit ihrer Kindheit geistig in einem nachdrücklicheren Maße beeinflusst. Dieses ist eine allgemeine Tatsache, die wir bei allen Urvölkern, nicht bloß bei den Israeliten feststellen können. Auch z.B. die germanischen Völker wurden in ihren Urzeiten von Gott durch erleuchtete Männer und Frauen, "Armanen und Armaninnen" geleitet. Die äußeren Lebensverhältnisse begünstigten diese reine Herrschaft Gottes. Jagd, Viehzucht oder Ackerbau ernährten jede Familie durch ihre eigene Arbeit, und zu einer Beherrschung und Ausbeutung der Mitmenschen gab es keine Veranlassung und Möglichkeit. — Auch im Volke Israel herrschten in der "Zeit vor Samuel" solche kindhaft einfachen, glücklichen Verhältnisse. Die von Gott zu Führern berufenen Männer wurden von oben her durch die Einwirkung des göttlichen Geistes mit so viel Liebe, Weisheit und Willensmacht ausgestattet, dass das Volk alle Fragen und Streitigkeiten freiwillig ihnen zur Entscheidung vorlegte und sich auch in wirtschaftlicher, politischer und kriegerischer Hinsicht ihrer Führung unterwarf. Solche Seher und Führer hießen daher im israelitischen Volke "Richter".

Die weltsinnliche, gottlose Mittelzeit

Unter seinen Richtern und unter dem Schutz Gottes reifte das israelitische Hirten- und Bauernvolk zu einem gewissen Wohlstand heran. Aber eben diese Zunahme an Lebensfülle brachte mit der Zeit eine große Veränderung in der geistigen und sonstigen Lebenshaltung des Volkes.

Auch diese zweite Entwicklungsstufe erlebt jeder einzelne Mensch, wenn er aus den Kindheitsjahren in die Zeit der geschlechtlichen Reife kommt und nun größere Ansprüche an das Leben entwickelt und den verstärkten Begierden und Leidenschaften nachzuleben beginnt. Die nun eintretende Entfesselung der menschlichen Selbstherrlichkeit führte im Volke Israel zur Zeit Samuels in jene unheilbringenden, vom Herrn geschilderten Verhältnisse. Es stellten sich große wirtschaftliche Gegensätze zwischen Besitzenden und Nichtbesitzenden, zwischen Herrschenden und Dienenden heraus. Und da die Besitzenden und Herrschenden nach immer mehr Besitz und Glanz strebten und ihre Macht auch über andere Völker auszudehnen hofften, wollten sie sich nicht mehr von einem gottberufenen Seher und Richter, sondern von einem weltlichen König regieren und vertreten lassen, der mit irdischer Macht ihre menschlichen Begierden befriedigen sollte.

Da Gott die Menschen auf dem Wege freier Willensentfaltung durch Lebenserfahrung erziehen will und somit die Willensfreiheit das Grundgesetz seiner Menschenerziehung ist, so gewährte die Weisheit des himmlischen Vaters den Israeliten ihr Begehren, wie Er dieses auch jedem einzelnen Menschenkinde im gleichen Falle zu tun pflegt.

Die Folgen sehen wir in den blutigen und furchtbaren Geschichten des biblischen Buches der "Könige" und der "Chronik", in welchen so viel von Kampf, Blut, Verrat, Not und Vernichtung die Rede ist.

In diesem zweiten Geschichtsabschnitt stehen aber heutzutage noch alle großen Völker der Welt — auch unser deutsches! In den Schriften der Neuoffenbarung wird dieser große Zeitabschnitt, der den Jünglings- und Mannesjahren des Menschen entspricht, die "Mittelbildungsperiode" der Menschheit genannt. In dieser auf freie Entfaltung der selbstischen Lebenskräfte gerichteten Periode beginnt die Staatsform mit dem Königtum, das die Selbstsucht der Dynasten rasch zu einem erblichen Besitz in ihrer Familie (Erbmonarchie) macht. — Nimmt das Volk an Zahl und Einfluss zu, dann verlangt es selbst die Herrschaft und es kommt zur demokratischen Staatsform. — Diese führt in der Geschichte der Völker aber infolge vielseitiger Interessengegensätze meist bald zur Zersplitterung des Staatswesens durch andauernde innere Kämpfe. Und dann erschallt der Ruf nach einem rettenden "starken Mann" und kommt als dritte Form die Diktatur in welcher ein einzelner Mächtiger die Zügel ergreift.

Die so durch den Wechsel der Staatsformen gekennzeichnete Mittelbildungsperiode der Menschheit währt laut der vom Herrn gegebenen Aufklärung: "bis zu der Zeit des großen Gerichtes", in welcher der Herr die Erde von neuem durchs Feuer reinigen wird.

Die göttlich-geistige Vollendungszeit (Goldenes Zeitalter)

Dieser neue, dritte und bessere Zeitabschnitt wird also nicht herbeigeführt durch die eigene Kraft der immer wieder aus dem Boden der Materie emporsteigenden Menschheit — sondern der Herr weist darauf hin, dass Er selbst kommen muss, um in einer Zeit großen Gerichtes die Erde von neuem durch gewaltige Mittel seiner Liebe und Weisheit zu reinigen. Wie diese Reinigungsfeuer beschaffen sein werden, ist im "Großen Evangelium", Bd. 4, 207, zu lesen. Sie sind teils geistiger, teils naturmäßiger Art und bekunden sich in großen, lichtvollen Offenbarungen, aber auch in allerlei aufrüttelnden und sichtenden Trübsalen größten Ausmaßes.

Die staatlichen Verhältnisse in der Vollendungszeit

Wie werden sich nun in jenem dritten Zeitabschnitt die menschlichen Verhältnisse auf Erden gestalten? Der Herr sagt darüber zum Wirt, indem Er zunächst die politische Seite erwähnt: "Nach solcher Zeit wird kein (weltlicher) König mehr herrschen über ein Volk der Erde, sondern allein das Licht Gottes."

Also in jener Zeit wird es keine Könige und Herrscher mehr geben, d.h. solche, die, auf äußere Gewalt gestützt, der Hab- und Herrschsucht der Menschheit dienen. Wohl wird es allezeit, wie im Himmel, Leiter der menschlichen Gemeinschaften geben, da kein Gemeinwesen ohne Leitung und weise Ordnung bestehen kann. Allein die Leiter im neuen, dritten Geschichtsabschnitt der Menschheit werden wiederum wie im ersten Abschnitt Erleuchtete Gottes sein, die mit göttlicher Liebe, Weisheit und Willenskraft ausgestattet sind und vom Volke freiwillig als Leiter anerkannt und berufen werden, um nach höheren, geistigen Gesichtspunkten den wahren Bedürfnissen von Geist, Seele und Leib des Volkes zu dienen. So wird in jener Zeit "allein das Licht Gottes" über die Völker der Erde herrschen.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Vollendungszeit

Auch über die sodann in diesem Lichte sich entwickelnden wirtschaftlichen Verhältnisse gibt der Herr im "Großen Evangelium" mehrfache Aufschlüsse.

So lesen wir: "So Ich zum andern Male auf diese Erde kommen werde, um Gericht zu halten und um den Lohn des Lebens zu geben dem, der viel Elend und Not aus Liebe zu Gott und zum Nächsten erduldet und ertragen hat, dann soll Mir die Erde mit keinem Maßstabe mehr zu jemands alleinigem Nutzen vermessen werden, sondern da, wo man leben wird, da wird man auch ernten und seine Bedürfnisse befriedigen können. Die Menschen werden einander wohl unterstützen, aber keiner wird sagen: "Siehe, das ist mein Eigentum, und ich bin darüber ein Herr!" Denn dann werden die Menschen einsehen, dass Ich allein der Herr bin, sie alle aber sind Brüder und Schwestern!"

Hier treten also die Ideale des Gemeinbesitzes zutage, welche schon in den urchristlichen Gemeinden laut Apostelgeschichte eine Rolle spielten. Es wird in der Vollendungszeit jeder Mensch gewiss auch eine persönliche Besitzsphäre haben. Aber diese wird nicht mehr dem Eigennutz dienen, in einer den Nächsten ausschließenden Weise wie heute. Sondern es wird sein wie in den Himmeln, wo wohl auch jeder Engelsgeist seine persönliche Sphäre besitzt, diese jedoch anderen Geistern nicht verschließt, sondern seine Seligkeit eben darin findet, mit seinem weitherzig offenstehenden Besitz möglichst vielen Wesen zu dienen. In jener dritten Zeitstufe werden also die Menschen einander mit allem, was sie besitzen, unterstützen, jeder wird zum andern sagen: "Komm und lass dir mit meinem Besitztum dienen!" — Nicht der Besitz an sich, sondern der Geist der Besitzenden wird also ein anderer sein und wird dem Eigentum einen andern Charakter geben, als dieses heute der Fall ist.

Auch eine Art staatlich geleiteter Planwirtschaft wird vom Herrn mit den Worten angedeutet: "Von Gott aus gehört die ganze Erde, so wie das im Anfang der Fall war, allen Menschen gleich. Die Weisen sollen sie einteilen nach dem Bedarf der Menschen und sollen die Menschen lehren, dieselbe zu bebauen. Die Früchte sollen dann von den Weisen verteilt und der Überfluss in den dazu errichteten Kammern und Speichern aufbewahrt werden, auf dass niemand in der Gemeinde Not zu leiden habe." — Diese planmäßige Erzeugung und Verwaltung der Güter und Verteilung der Früchte bezieht sich sicherlich nicht nur auf die landwirtschaftlichen Güter und Früchte, sondern auf alle Produktionsmittel und Erzeugnisse, die als ein allgemeines Volksgut in Betracht kommen.

Auch zu dieser Planwirtschaft gehören freilich weise, von Gott erleuchtete Menschen, die ohne Eigennutz ihre Machtbefugnisse ausüben in einer für das geistige und leibliche Wohl des Volkes ersprießlichen Weise. Und so kann dies alles auf Erden erst dann durchgeführt werden, wenn durch den verstärkten Einfluss von oben der göttliche Geist der Liebe, Weisheit und Kraft schon bedeutend das Übergewicht erlangt haben wird.

Wann kommt das "Goldene Zeitalter"?

Für uns alle wird sich damit die brennende Frage erheben, wann dieses himmlische Bruderreich auf Erden zu erwarten sein wird. Steht es unmittelbar vor der Tür, wird es noch schwere Kämpfe absetzen, müssen wir noch durch Gerichte und Katastrophen hindurch, oder wird seine Verwirklichung noch auf unabsehbare Zeit ausstehen?

Auch der Wirt, dem der Herr im "Großen Evangelium" auf seine bedeutsame Zeitfrage jene Belehrung gab, stellt am Schluß die Frage, wann der Zahl der Jahre nach jene glückliche Zeit kommen werde.

Der Herr erwidert ihm: "Darum weiß allein der Vater und wem es der Vater offenbaren will. Mir hat es Mein Vater bis jetzt noch nicht geoffenbart, außer dass solches geschehen wird. Das aber könnt ihr alle als völlig wahr annehmen, dass nahezu alle 2000 Jahre auf der Erde eine große Veränderung vor sich geht. Und so wird es auch, von jetzt an gerechnet, werden."

Auch an verschiedenen anderen Stellen der Neuoffenbarung setzt der Herr den Beginn des neuen, großen Zeitalters in einer auf unsere Tage weisenden Zahlenangabe fest. Im "Großen Evangelium", Bd. 9, 89-94, schildert Er eingehend die kritische Wendezeit. Aus den dort angegebenen Zuständen und Verhältnissen ist deutlich zu erkennen, dass wir heutzutage gerade an der Schwelle jener großen, vom Herrn vorausgesagten Veränderung stehen. Näheres darüber möge in den genannten Kapiteln nachgelesen werden.

Die tausendjährige Übergangszeit

Wir dürfen nun aber nicht glauben, dass diese Veränderung durch himmlischen Machtspruch ganz plötzlich und sozusagen über Nacht kommen werde. In der Schöpfung unseres himmlischen Vaters geht alles entwicklungsmäßig vor sich und keine Frucht reift ohne lange Vorbereitung. Und so haben wir nach unseren Schriften mit einer tausendjährigen "Übergangszeit" zu rechnen, die gewaltige Kämpfe zwischen den Mächten des Lichtes und der Finsternis bringen wird, sowohl in den unsichtbaren geistigen Sphären wie auf dem Boden der Erde.

Diese Kämpfe und Entwicklungen im sogenannten "Tausendjährigen Reich", (das wir uns also als ein "Übergangsreich", nicht als das endgültige "Gottes- oder Friedensreich" zu denken haben) schildert der Herr im "Großen Evangelium" (Bd. 8, 48, 2 ff.) den Jüngern im Bilde eines im Widerstreit von Licht und Finsternis vor ihren Augen sich vollziehenden Sonnenaufgangs.

Danach wird der Geist weltlicher Selbstherrlichkeit und Selbstsucht aus den Herzen des größeren Teils der Erdenmenschheit noch lange nicht ganz verschwinden. Ja, wir erfahren (GEJ 06, 207, 5), dass es auch in jener tausendjährigen Übergangszeit "der wahrhaft guten und reinen Menschen stets eine geringere Anzahl" geben wird als derer, die sich noch immer von ihren Weltleidenschaften beherrschen lassen. Darum werden sich auch im Tausendjährigen Reiche bei den verschiedenen Völkern der Erde politisch und wirtschaftlich voraussichtlich noch recht verschiedenartige Verhältnisse herausbilden, je nach der geistigen Reife der Bevölkerung und den sonstigen Umständen und Möglichkeiten.

Das Reich Mathaels — eine Zwischenform

Interessant dürfte es sein, in diesem Zusammenhange das Reich zu betrachten, das ein erleuchteter Jünger des Herrn, Mathael, im 5. Band des "Großen Evangeliums" (Kap. 17) schildert.

Mathael, ein früherer Tempelschüler, war auf einer im Auftrag des Tempels unternommenen Reise unter die Räuber gefallen und selbst zum Räuber geworden. Gefangen und vor den römischen Statthalter Cyrenius geführt, wurde er vom Herrn von den Gewaltgeistern, die seine Seele eingenommen hatten, befreit und erwies sich nun als ein so hochgeistiger Mann, dass der zu jener Zeit ebenfalls in Gesellschaft des Herrn weilende König von Pontus, Quran, ihn zu seinem Schwiegersohn und Landesregenten machte. — Später empfiehlt Mathael einem vornehmen Essäer, der sich kritisch über die Verhältnisse des römischen Reiches äußert, sein Reich, indem er ihn einlädt, dort Bürger zu werden.

In meinem Reiche, erklärt Mathael, "werdet ihr unter meinen wohl strengsten Gesetzen ganz sicher und ruhig zu leben haben. Nur das sage ich euch, dass in meinem Reiche auch nicht einmal ein Schein von einer ungerechten Handlung vorkommen darf, und eine jede Lüge wird auf das schärfste unnachsichtig bestraft. Aber der vollkommen rechtliche, wahrheitsliebende und uneigennützige Bürger soll unter meinem ehernen Zepter das beste Leben haben …"

Mathaels Reich ist also ein durch Gesetze im Sinn der Wahrheit und Gerechtigkeit streng geordnetes Staatswesen. Der Herrscher führt ein ehernes Zepter, da er es mit noch keineswegs göttlich gearteten Menschen zu tun hat. Auch nach außen ist dieses Reich "wehrmächtig", ja sogar mit starken, unüberwindlichen Festungen versehen, da es von bösartigen Feinden umgeben ist und sich vor Angriffen schützen muss.

In wirtschaftlicher Hinsicht aber erklärt Mathael:

"Weiter sage ich euch noch, dass bei mir niemandem ein unbeschränktes Erwerbsrecht gestattet wird. Jedermann steht es zwar offen, sich ein Vermögen zu sammeln, das jedoch die Summe von 10'000 Pfunden bei Todesstrafe niemals übersteigen darf. Alles, was jemand darüber erwerben würde, müsste er gewissenhaft an die allgemeine Staatskasse abführen. Auch ist es niemand gestattet, sich in einer zu kurzen Zeit die erlaubten 10'000 Pfunde zu erwerben; denn es ist nur zu einleuchtend, dass ein solcher Gewinn in einer zu kurzen Zeit ohne allerlei Betrug und Erpressungen nicht denkbar ist, außer durch ein Geschenk oder eine Erbschaft oder einen Fund. Bei Schenkungen, Erbschaften und Auffindungen aller Art aber besteht in meinem Reiche die höchst weise Anordnung, dass davon stets die Hälfte an die Staatskasse abzuliefern ist, wovon fürs erste die unmündigen Kinder erzogen und ernährt, wie auch andere arme und arbeitsunfähige Menschen versorgt werden." Ein wundervoller Gedanke, der es den Abgabepflichtigen leichter macht, sich von ihrem Gut zu Gunsten des Gemeinwohles zu trennen! Es herrscht also bei Mathael zwar Privateigentum und die "privatkapitalistische" Produktionsweise; aber in diesem Wirtschaftssystem sind Ausbeutung und unrechtmäßiger Bereicherung Schranken gesetzt.

Der geistige Weg zum Endziel Gottes

Vielleicht steuert auch bei uns die Entwicklung der Dinge, bevor das große geistige Bruderreich kommt, zunächst auf derartige staatliche und wirtschaftliche Übergangsformen zu. Doch können alle diese Bestrebungen aus eigener, menschlicher Kraft nicht zum Guten führen, sondern zu einem ersprießlichen Ziele nur dann reifen, wenn die Menschen lernen, Licht und Kraft aus der göttlichen Urquelle zu schöpfen und sich der obersten Leitung dessen unterstellen, der in dem neuen Offenbarungswort uns seinen großen Plan der Menschenbildung und Weltentwicklung so tief und klar enthüllt hat.

Für jeden von uns wird es daher das Allerwichtigste sein, sein eigenes Herz und Haus zur Aufnahme des göttlichen Lichtes reif und fähig zu machen durch einen Glauben, der durch die Liebe tätig wird.


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